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Tagesschau (11.06.2024)

  • Gong * Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau. Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (11.06.2024) Heute im Studio: Constantin Schreiber. Guten Abend, ich begrüße Sie zur tagesschau. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat in Deutschland um Hilfe für den Wiederaufbau seines Landes geworben. Heute begann in Berlin eine Konferenz, an der Selenskyj teilnahm. Kanzler Scholz sagte zur Eröffnung, nötig in der Ukraine seien massive Investitionen. Selenskyj bat um militärische Unterstützung, um das Land gegen russische Angriffe zu verteidigen. Heute hielt er im Bundestag eine Rede. Es ist sein erster persönlicher Auftritt im Deutschen Bundestag. Für die Frage, wie nah man Gesprächen mit Russland sei, bleibt er stehen. Gespräche mit Russland? Davon sind wir weit entfernt. Wir bereiten den Friedensgipfel in der Schweiz vor. Ganz nah sind wir unseren Verbündeten. Diese Nähe will er bei seiner Rede unter Beweis stellen. Er dankt Deutschland für die geleistete Hilfe und appelliert an die Bevölkerung, an ihr Mitgefühl. Sie können sich bestimmt erinnern: Ein oder zwei Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer konnte keiner voraussehen, wie schnell das zustande kommt. Manchen schien, die Mauer bleibt für immer - aber sie verschwand. Auch jetzt meinen manche, dass Putin immer und ewig bleibt und der Krieg kein Ende nimmt. Aber das ist nicht so, das ist eine Illusion. Selenskyj wirbt um weitere Unterstützung und sieht, dass nicht alle hinter ihm stehen. Fast die gesamte AfD-Fraktion bleibt seiner Rede fern. Ebenso die Mitglieder des Bündnisses Sarah Wagenknecht. Am Vormittag nahm Selenskyj an der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz teil. Er und Kanzler Scholz demonstrierten Einigkeit. Schon in Gedanken bei der nächsten Ukraine-Konferenz am Wochenende in der Schweiz. Das sind keine Verhandlungen über ein Ende des Krieges. Dafür müsste Putin zeigen, dass er bereit ist, seinen brutalen Feldzug zu beenden und Truppen zurückzuziehen. Vielleicht kann ein Weg aufgezeigt werden, wie ein Prozess gelingen könnte, bei dem auch Russland am Tisch sitzt. Auf der Konferenz geht es darum: Trotz des Krieges Wirtschaftskontakte mit der Ukraine aufzubauen. Investoren zu ermutigen - vor allem im Energiebereich. Aber auch die Rüstungsindustrie ist präsent. Die deutsche Regierung hilft Unternehmen mit einer Art Versicherung. Der Staat haftet für die Investitionen und die Unternehmen zahlen eine kleine Gebühr dafür. Normalerweise machen wir das nicht für Kriegsgebiete: Die Gefahr ist groß, dass die Versicherung dann auch gezogen wird. Hier haben wir es getan, mit Erfolg. Viele deutsche Unternehmen sind bereits in der Ukraine präsent, andere haben Interesse daran. Die Konferenz – ein Forum für den Austausch. Besonderes Augenmerk beim Wiederaufbau in der Ukraine liegt auf dem Energiesektor. Ein großer Teil der Anlagen ist laut Präsident Selenskyj durch russische Angriffe zerstört. Das Land brauche dringend Ersatzteile für Strom- und Heizkraftwerke. Das hier war mal ein ukrainisches Wärmekraftwerk. Jetzt sind nur noch Trümmer übrig. Es wurde zum wiederholten Male von russischen Raketen getroffen. Die Aufräumarbeiten laufen während der allgegenwärtigen Gefahr neuer Angriffe. Die Leute brauchen überall Licht und Strom. Wie soll es ohne gehen? Nichts funktioniert dann. Wir haben Angst, aber wir gehen zur Arbeit. Es ist unser Job. Dieses Kraftwerk produziert keinen Strom mehr. Laut Kiew ist die landesweite Stromerzeugung seit dem Winter wegen der russischen Angriffe um die Hälfte eingebrochen. Für die Menschen im Land bedeutet das oft: Stromausfälle. Um die verbliebenen Energieressourcen zu schonen, schaltet die Ukraine den Strom gebietsweise stundenlang ab. Ohne Generatoren bleibt es dunkel, häufig funktioniert dann auch das fließende Wasser nicht. Beim Wiederaufbau der Energieanlagen könnten ausrangierte Kraftwerksteile aus Europa helfen, erklärt Georg Zachmann. Er berät die ukrainische Regierung in Energiefragen. Auf der europäischen Seite will man gerne unterstützen. Aber man muss Angebot und Nachfrage so zusammenbringen, dass das schnell geht und die Teile an den richtigen Ort kommen. Dabei soll auch die internationale Wiederaufbaukonferenz helfen. Es geht auch um Schulen, Krankenhäuser oder Wohnungen. Manche Orte sind komplett zerstört. Laut Angaben der Ukraine und der Weltbank wird der Wiederaufbau langfristig rund 450 Mrd. Euro kosten. Matthias Deiß, woher soll das Geld für den Wiederaufbau der Ukraine kommen? Ohne Gelder von Privatunternehmen wird es nicht gehen, da sind sich Scholz und Selenskyj einig. Solche Investitionen sollen mit Bürgschaften und Absicherungen noch stärker erleichtert werden. Zum Teil ist das bereits der Fall. Aber auch Russland, das für die Zerstörungen verantwortlich ist, soll herangezogen werden. Über die Abschöpfung von Zinsgewinnen eingefrorener russischer Vermögen wird weiter verhandelt: Diese Woche auf der Ukraine-Konferenz und auf dem G7-Gipfel. Was ist die zentrale Botschaft des Selenskyj-Besuchs? Danke, Deutschland. Diese Botschaft war direkt an die deutsche Bevölkerung gerichtet. Selenskyj weiß, die Ukraine-Hilfen sind hierzulande umstritten. Er hat die Ergebnisse der Europawahl zur Kenntnis genommen. Sein Hinweis auf den plötzlichen Fall der Mauer war der Versuch, den Deutschen Mut zum Durchhalten gegen Putin zu machen. Die AfD bezeichnete Selenskyj als Kriegs- und Bettelpräsidenten. Die BSW kritisiert, er trage dazu bei, eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern. Dass beide Selenskyjs Rede fortblieben, bezeichnete Scholz auf Nachfrage am Abend als Respektlosigkeit, die ihn nicht überrasche, aber verstöre. Vielen Dank nach Berlin. Der UN-Sicherheitsrat hat einer Resolution für eine umfassende Waffenruhe im Gazastreifen zugestimmt. Eingebracht hatte ihn US-Präsident Biden. Demnach sollen die von der Hamas verschleppten Geiseln freikommen, Israels Truppen sich aus bewohnten Gebieten in Gaza zurückziehen und ein Wiederaufbau beginnen. UN-Generalsekretär Guterres rief Israel und die Hamas auf, dem Vorhaben zuzustimmen. 14 Ja-Stimmen, nur Russland enthält sich. Selten war der Sicherheitsrat zuletzt so einig. Ein diplomatischer Erfolg für die USA. Entsprechend erleichtert die amerikanische UN-Botschafterin. Sie hat hinter den Kulissen intensiv für den Friedensplan geworben. Das ist die Zukunft, für die wir uns einsetzen müssen. Alles beginnt mit dem Deal für eine Waffenruhe. Heute haben wir für den Frieden gestimmt. Geplant ist eine Waffenruhe von sechs Wochen. Es sollen erste Geiseln freigelassen werden, im Gegenzug palästinensische Häftlinge. In einer zweiten Phase sollen alle Geiseln zurückkehren, die Kämpfe eingestellt werden. Danach soll der Wiederaufbau in Gaza beginnen. Von US-Seite heißt es, Israel habe den Plan akzeptiert, doch in New York gibt es keine formale Zustimmung. Israels Prinzipien haben sich nicht verändert. Wir geben nicht nach, bis alle Geiseln zurückgekehrt sind und bis die Hamas militärisch geschlagen ist. Der UN-Gesandte der Palästinenser spricht von einem Schritt in die richtige Richtung. Aber auch hier: keine klare Zustimmung. Wir begrüßen diesen Schritt. Ich bin überzeugt, alle Palästinenser begrüßen das. Wir wollen eine Waffenruhe. Bei einer Konferenz in Jordanien beklagt UN-Generalsekretär Guterres das Ausmaß des Blutbads und Tötens in Gaza. Er appelliert an beide Seiten, sich zu einigen. Der Horror muss aufhören. Es ist höchste Zeit für einen Waffenstillstand und die bedingungslose Freilassung der Geiseln. Das mächtigste Gremium der UN hat ein deutliches Zeichen gesetzt. Vertreter aus der arabischen Welt sprechen von einem Hoffnungsschimmer für die Menschen in Gaza. Heute Vormittag in einer Notunterkunft in Gaza. Die Menschen hier zweifeln daran, dass der Plan für eine Waffenruhe umgesetzt wird. Wir hoffen, dass US-Außenminister Blinken Druck auf Israel ausübt, für einen Waffenstillstand. Die USA haben den größten Einfluss auf Israel. Blinken traf heute Oppositionspolitiker sowie Angehörige von Geiseln. Laut Blinken hat Israel dem von US-Präsident Biden vorgestellten Abkommen für eine Waffenruhe zugestimmt. Er verweist auf die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats. Keine Gegenstimme, was im Sicherheitsrat selten ist. Das spricht Bände. Die Stimmen aller sind also da, bis auf eine: Die Hamas. Die Hamas hatte gestern Abend mit einem Statement reagiert: Sie begrüße die Entscheidung im UN-Sicherheitsrat und sei bereit, zu verhandeln. Eine Zustimmung zu dem Abkommen ist das noch nicht. Premier Netanyahu äußert sich nicht direkt. Aus offiziellen Regierungskreisen heißt es: Israel werde den Krieg nicht beenden, bevor alle Kriegsziele erreicht seien. Der Vorschlag ermögliche es Israel, diese Ziele zu erreichen. Premierminister Netanyahu steckt in einer Zwickmühle. Seine rechten Koalitionspartner drohen mit dem Ende der Regierung, sollte Israel das von Biden unterstützte Abkommen umsetzen. Mehr als acht Monate dauert dieser Krieg. Beobachter vermuten, beide Kriegsparteien spielen auf Zeit. Netanyahu, um politisch zu überleben. Die Hamas, um den internationalen Druck auf Israel zu steigern. Die Angehörigen der Geiseln und die Palästinenser hoffen trotzdem auf eine Waffenruhe. In den USA ist der Sohn des Präsidenten, Hunter Biden (54), wegen Verstöße gegen das Waffenrecht schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen in dem Prozess sehen es als erwiesen an, dass er bei einem Waffenkauf 2018 seine Drogenabhängigkeit verschwieg. Das Strafmaß wird später verkündet. Möglich sind bis zu 25 Jahre Haft. Es ist offiziell: Das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 wird nicht 2025 in Betrieb gehen. Laut Bahn wird der neue Tiefbahnhof im Dezember 2026 eröffnet. Damit bestätigte das Unternehmen einen Bericht der tagesschau. Die Verzögerung um ein Jahr treibt die Kosten nach oben. Die Bahn geht von zusätzlich 100 Mio. Euro aus. Die geschätzten Gesamtkosten liegen bei etwa 11,5 Milliarden Euro. Die heftigen Regenfälle im Süden lassen die Pegelstände am Bodensee steigen. In Berlingen in der Schweiz stehen Teile der Stadt und die Uferpromenaden unter Wasser. Die Schweizer Behörden haben die höchste Gefahrenstufe ausgerufen. In mehreren Orten wurden mobile Deiche aufgebaut. Entspannung wird in den kommenden Tagen erwartet. Der CDU-Politiker Klaus Töpfer galt als Vorreiter für den Umweltschutz. Am Samstag ist er mit 85 Jahren gestorben, teilte seine Partei heute mit. Töpfer war von 1987 bis 1994 Umweltminister unter Kanzler Kohl. CDU-Chef Merz würdigte ihn als streitbaren Kämpfer für die Nachhaltigkeit. Kanzler Scholz erklärte, Töpfer habe den Klimaschutz zum wichtigen Anliegen gemacht. Nach diesem Sprung kannte ihn jeder. Klaus Töpfer war als Umweltminister gerade mal ein Jahr im Amt und wollte zeigen: Der Rhein ist nach Chemieunfällen wieder sauber genug zum Schwimmen. Das grüne Gewissen der CDU wird Töpfer genannt. Früh setzte er sich als einer der wenigen in der konservativen Partei für Umwelt und Klima ein. Kohl hatte ihn als Umweltminister ins Kabinett geholt. Töpfer führt den grünen Punkt ein. Ich möchte, dass die Verpackungsabfälle aus der öffentlichen Abfallentsorgung herauskommen. Damit sie eine bessere Chance haben, wiederverwertet zu werden. Klaus Töpfer, 1938 in Schlesien geboren, wächst im westfälischen Höxter auf. Er studiert Volkswirtschaft, heiratet seine Jugendliebe Mechthild. Den Kampf für Klima- und Umweltschutz setzt Töpfer später in Nairobi fort. Als Präsident der UN-Umweltbehörde UNEP. Wir haben dazu beigetragen, dass viele Regierungen heute wissen: Umwelt ist nicht 'n Luxus. Umwelt ist zurück in der Mitte der Entwicklungspolitik. Wenn man Armut bekämpfen muss, muss man Umwelt erhalten. Nach acht Jahren kehrt Töpfer zurück nach Deutschland. Er führt die Ethikkommission zum Atomausstieg und bleibt ein Mahner für eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik. Nun die Wettervorhersage für morgen, Mittwoch, den 12. Juni. Morgen erreicht uns kühle Meeresluft aus nördlichen Breiten. Heute Nacht gibt es im Norden mancherorts Schauer, im Süden gebietsweise Regen. Sonst bleibt es trocken. Morgen ein Wechsel von Sonne und Wolken, im Norden Schauer und einzelne Gewitter. Den meisten Sonnenschein gibt es in einem Streifen vom Südwesten bis in den Osten. Am Donnerstag im Norden einige Wolken mit Schauern, am Vormittag auch im Südosten Regen, sonst länger sonnig. Am Freitag von Westen viele Wolken und regional Regen. Im Süden und Osten oft freundlich. Am Samstag dann verbreitet Regen oder gewittrige Schauer. Um 23 Uhr fragt Jessy Wellmer den ukrainischen Außenminister, wie der Wiederaufbau seines Landes gelingen kann. Und wir stellen eine Dokumentation vor: Über die Begegnung einer Auschwitz-Überlebenden mit dem Sohn des früheren Lagerkommandanten. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Copyright Untertitel: NDR 2024