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Der Gutachtenstil im juristischen Denken

Liebe Rechtsfreunde, vielleicht habt ihr es schon einmal erlebt, egal auf welcher Seite ihr steht, Jurist oder Nicht-Jurist. Wenn sich diese beiden Charaktere miteinander über ein juristisches Thema oder politisches Thema unterhalten, dann denkt jeweils der eine vom anderen. hä? Der denkt aber irgendwie so ein bisschen komisch.

Und nachdem ich schon mal ein Video darüber gemacht habe, wie der Anwalt speziell denkt, wollen wir heute deshalb mal ein Video darüber machen, wie der Jurist ganz allgemein denkt. Denn der junge Jurist wird direkt... im Studium umprogrammiert, sein Gehirn neu kalibriert auf den Gutachtenstil.

Warum das so gemacht wird, warum wir im Gutachtenstil prüfen und was den Gutachtenstil eigentlich ausmacht und wie er vonstatten geht, das klären wir heute in diesem Video. Es ist doch im Allgemeinen so, wenn man Menschen nach ihrer Meinung fragt, dann bekommt man in der Regel innerhalb von Sekunden eine Antwort. Ist das für dich ein Mörder?

Ja. Wie sollen wir den bestrafen? 800 Jahre. Und das hat ja auch irgendwie so ganz praktische Gründe.

Denn man hat ja nicht immer Zeit im alltäglichen Leben über jede gestellte Frage jetzt mehrere Minuten lang nachzudenken. Und deshalb sind wir Menschen im Alltag nichts anderes als Menschen, die sich in der Welt befinden. als wandelnde Vorurteilsmaschinen, die meist erst konkret über eine Sache nachdenken, wenn sie denn dann gefragt werden, warum sie dieser Meinung sind.

Und dann passiert meist folgendes. Die Menschen versuchen ihr vorheriges Ergebnis argumentativ zu verteidigen. Und genau diese Denkweise, mit der wir aufgewachsen sind und die uns im Alltag ständig begegnet, diese wird im Studium und von Arschgeigen wie mir abtrainiert.

Und das geschieht eigentlich allein schon deshalb, weil die jungen Juristen, was viele nicht wissen, zum Richteramt ausgebildet werden und der Richter, anders als die Bevölkerung, nicht innerhalb von Sekunden, sondern möglichst vorurteilsfrei nach einem minutiös durchgeplanten Verfahren entscheiden soll. Und genau deshalb eignet sich der Gutachtenstil so gut. Ja, wie funktioniert der Gutachtenstil nun? Grob gesagt, der Gutachtenstil beschreibt den Weg der Erkenntnis von der aufgeworfenen Frage hin zum Ergebnis. Der Gutachtsstil unterteilt sich in vier verschiedene Hauptaspekte.

Obersatz, Definition, Subsumption, Ergebnis. Obersatz, Definition, Subsumption, Ergebnis. HIP HIP, Obersatz, Definition, Subsumption, Ergebnis.

Genau. Jede Prüfung muss mit einem sogenannten Obersatz beginnen. Eröffnen, Im Grunde unsere Prüfungsschachtel. Er wirft die zu stellende Frage oder in Schlau die sogenannte Hypothese auf. Beispiel.

Folgender Fall. Während eines Aufstandes wirft Tyrion dem König Joffrey vor, für diesen Aufstand verantwortlich zu sein. Joffrey herrscht Tyrion an, dass er mit einem König rede.

Tyrion holt aus und gibt König Joffrey darauf hin mit den Worten. Und nun habe ich einen König. geschlagen, eine kräftige Ohrfeige. Hat Tyrion sich strafbar gemacht?

Der Jurist überlegt sich nun, wie könnte sich unser Zwergenfreund Tyrion strafbar gemacht haben? Und er schaut ins Strafgesetzbuch und findet dort in 223 StGB die Körperverletzung. Nun wechselt der Jurist in den Gutachtenstil und öffnet den Obersatz.

Indem der Zwerg Tyrion dem König Joffrey eine kräftige Ohrfeige verpasst hat. könnte er sich einer Körperverletzung gemäß 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Liegt der Obersatz dann erstmal vor, folgt dann die Definition. Und die Voraussetzungen einer Körperverletzung sind in dem Tatbestand selbst niedergeschrieben.

Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Und jetzt, liebe Leute, kommt der Clou. Und jetzt käme ja eigentlich der Punkt Subsumtion. Und kommt er auch.

Wir müssen aber, um subsumieren zu können, die einzelnen Voraussetzungen jetzt selbst wiederum gutachterlich prüfen. Und zwar, indem wir innerhalb unseres Gutachtens, unserer Schachtel, eine zweite Schachtel... öffnen. Das heißt, wir werden in unserem Hauptgutachten ein Untergutachten machen.

Klingt erstmal total kompliziert, ist eigentlich total simpel, denn wir müssen jede Voraussetzung, die wir in unserem Hauptgutachten prüfen, natürlich auch zumindest gedanklich genauso lösen in Form eines dann kleinen Gutachtens. Wir kommen zur ersten Voraussetzung. Eigentlich wäre das ja hier eine andere Person. Da das aber sowas von simpel ist, ist das selbst den Juristen zu blöd, da noch ein Untergutachten zu machen.

Erste Voraussetzung in unserem Fall also eine körperliche Misshandlung. Wir öffnen also unser Untergutachten mit dem Obersatz. Tyrion müsste den Joffrey körperlich misshandelt haben. Es folgt.

Richtig, die Definition. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Ganz flott, wie kommt man eigentlich zu so einer Definition? Drei Dinge. Entweder wir haben eine Legaldefinition, das heißt es steht im Gesetz selber drin, hier jetzt nicht.

Oder aber diese wurde mit der Zeit durch Rechtswissenschaftler und Gerichte entwickelt. die dann den Willen des Gesetzgebers erforscht haben oder aber, wenn wir das auch nicht haben und überhaupt keine Ahnung haben, wir entwickeln sie uns selbst. Machen wir aber nochmal ein eigenes Video zu.

Nach der Definition folgt die Subsumption. Ja, was bedeutet nun Subsumption? Wenn man sich die Bestsellerlisten der letzten Jahre anguckt, dann müssten eigentlich die allermeisten Deutschen mit diesem Begriff etwas anfangen können. Es bedeutet nichts anderes als... Unterwerfung.

Man nimmt den Sachverhalt und unterwirft ihn der Definition. Hier in unserem Fall gibt der Tyrion dem Joffrey eine Kräftige Ohrfeige. Eine Kräftige Ohrfeige ist hier, wie gerade gesehen, ein Schlag mit der flachen Hand, welcher ganz schöne Schmerzen verursachen kann.

Und daher eine üble, unangemessene Behandlung. die das körperliche Wohlbefinden aufgrund der Schmerzen mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Sehen also, unser Fall passt unter die Definition einer üblen, unangemessenen Behandlung.

Damit ist die Frage, ob eine üble, unangemessene Behandlung vorliegt, positiv beantwortet und die Voraussetzung dieser Definition einer körperlichen Behandlung. Körperverletzung. Diese einzelne Voraussetzung liegt vor.

Die restlichen Voraussetzungen, Vorsatz, Rechtswidrigkeit, Schuld, die jetzt nicht direkt im Tatbestand stehen, aber die man immer beim Straftatbestand mitprüfen muss, die schenken wir uns jetzt mal aus cineastischen Gründen. Aber die müsste man streng genommen natürlich auch gutachterlich prüfen. Wir sehen also, wenn wir jetzt wieder unser Hauptgutachten betrachten, die Voraussetzung. Körperliche Misshandlung, andere Personen, Vorsatzrechtswidrigkeit, Schuld sind erfüllt. Subsumption, der Sachverhalt, den wir haben, passt also hier unter unserem Tatbestand.

Ergebnis, Tyrion hat sich gemäß 223 einer Körperverletzung strafbar gemacht, indem er den Joffre mit einer kräftigen Ohrfeige geschlagen hat. Das ist der Gutachtenstil. Ich öffne etwas, Obersatz, ich definiere etwas, ich subsummiere meinen Fall darunter und ich habe am Ende ein Ergebnis und mache die Prüfung wieder zu. Manchmal, beziehungsweise sehr oft, habe ich eben auch eine Schachtelprüfung, das heißt, innerhalb dieser Prüfung bei der Subsumption muss ich einzelne Punkte herausnehmen und die wiederum selber gutachterlich. Prüfen, öffnen, definieren, subsummieren, schließen, nächste Voraussetzung, Voraussetzung, wegpacken.

Alle Voraussetzungen geprüft, kann ich das zumachen, habe das Ergebnis. Entweder es liegt vor oder es liegt nicht vor. Und genau diese Prüfung ist auch der Grund, warum Juristen eben immer so krasse Bedenkenträger sind und ständig mit diesem dämlichen Satz ankommen, es kommt drauf an.

Weil sie eben alles ganz genau wissen wollen, um ihre kleine Schachtelprüfung durchführen zu können. Liebe Rechtsfreunde, das war das Video zum Thema Gutachtenstil. Ich muss zugeben, für mich auch nicht einfach, euch dieses relativ abstrakte Thema halbwegs anschaulich visualisiert näher zu bringen, ohne die üblichen Beispiele Sokrates und diese 2D-Ansichten hier zu gebrauchen.

Wenn euch das Video trotzdem gefallen hat, wenn ihr etwas mitnehmen konntet, vor allem die Nicht-Juristen mal verstanden haben, warum haben die Juristen da so einen Furz im Kopf, dann gebt mir bitte einen Daumen nach oben. Abonniert unbedingt diesen Kanal, aktiviert unbedingt die Glocke, wenn ihr auf dem Laufenden bleiben wollt. Und ich würde sagen, wir sehen uns in den nächsten Wochen wieder, wenn es wieder heißt, brecht die Regeln, aber nicht das Gesetz.

Bis dann. Ciao.