Angriff der Ukraine auf Russland. Ist die Ukraine jetzt Aggressor? Hält die Ukraine das durch?
Deutsche Panzer auf russischem Gebiet. Sind wir jetzt plötzlich Kriegsteilnehmer? Ich bin Hauptmann Jan Schanitzki und begrüße Sie zu Nachgefragt.
Ukrainische Truppen sind in der Region Kursk überraschend auf russisches Gebiet vorgestoßen. Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat, so der ukrainische Präsident Zelensky. Unser Experte für die aktuelle Lage im russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist Generalmajor Dr. Christian Freuding, der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium. Zu einer neuen Folge von Nachgefragt begrüße ich Sie ganz herzlich, Herr General Dr. Freuding.
Guten Tag, Herr Hauptmann. Herr General, Sie kommen gerade selber aus der Ukraine und bringen auch Erkenntnisse mit. Ukrainische Truppen sind jetzt auf russisches Staatsgebiet vorgedrungen.
Welche Erkenntnisse liegen uns dazu vor? Was können Sie uns dazu zum jetzigen Zeitpunkt sagen? Sprechen wir über die Region Kursk. Seit vergangenen Dienstag, dem 6. August, greifen ukrainische Streitkräfte auf vier Achsen, wie hier dargestellt, in die Region Kursk an. Die Stärke der ukrainischen Streitkräfte...
für diese Angriffsoperation sind vier Brigaden. Das sind 4.000 bis 6.000 Soldatinnen und Soldaten. Die Tiefe des genommenen Gebietes beträgt circa 30 Kilometer, die Breite circa 65 Kilometer. Dass der Gesamtraum, in dem ukrainische Kräfte operieren, nicht kontrollieren, sondern operieren, schätzen wir auf circa 1.000 Quadratkilometer.
Das ist deshalb in interessant, weil das in etwa die Größenordnung ist, die die ukrainischen Streitkräfte verloren haben gegen die russischen Streitkräfte seit Jahresbeginn. Also das gibt uns eine gute Relation. Wir wissen darüber hinaus, dass neben diesen 4.000 bis 6.000 Soldatinnen und Soldaten der ukrainischen Streitkräfte im Bereich der russischen Oblast Kursk, diese Kräfte noch von ungefähr 2.000 bis 4.000 ukrainischen Kräften aus dem Bereich Sumerien.
unterstützt werden, insbesondere durch Logistik, aber auch durch Luftverteidigungskräfte. Wir wissen weiter, dass es dazu geführt hat, dass ca. 100.000 Russen mittlerweile aus dieser Region abgesiedelt wurden, verbracht wurden in das Landesinnere.
Auch das hat die russische Regierung ja auch ganz öffentlich gemacht. Was machen die russischen Streitkräfte dagegen? Sie versuchen, Gegen diesen ukrainischen Angriff vorzugehen mit Infanterie, mit gefanzerten Kräften, auch mit Spezialkräften. Wir wissen, dass auch hier wieder massiv Artillerie eingeführt wurde, eingesetzt wurde und auch Luftnahunterstützung. Bisher war das allerdings noch nicht erfolgreich.
Herr General, welche Absichten stecken denn hinter der ukrainischen Offensive? Was bezweckt die Ukraine denn damit? Die Ukraine hat eine mehrfach gelagerte Absicht. Der erste Punkt ist, man will natürlich Entlastung schaffen. Die ukrainische Verteidigung im Donbass ist ja unter Umständen...
wie heurigem Druck. Das ist also ein gezielter Entlastungsangriff. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist natürlich ein psychologischer Aspekt. Selenskyj hat das selber in der Öffentlichkeit gesagt, den Krieg in das russische Kernland zu tragen. Es ist aber drittens auch ein psychologischer Effekt, nach innen der ukrainischen Bevölkerung zu zeigen, ja, wir sind in der Lage, wieder in die Offensive, wieder in die Initiative zu gehen. Ja, wir dulden nicht, dass ihr aus diesem Raum tagtäglich beschossen werdet, dass es dadurch zivile Opfer gibt. Also ein richtiger Mutmacher für die ukrainische Bevölkerung.
Natürlich ist es auch so, dass die Ukrainer diese Operation sehr, sehr gut vorbereitet hatten. Sie hatten sehr gute Aufklärungsergebnisse. Sie wussten, dass in diesem Raum, in dem sie jetzt angegriffen sind, erstens das Gelände für eine Angriffsoperation günstig ist.
Dass es dort zweitens zu einer Truppenmassierung gekommen war von schlecht ausgebildeten, im Klammer vermutlich Reservekräften, dass dort wichtige logistische Einrichtungen, wichtige logistische Verbindungslinien waren. Das heißt, es war auch ein Fenster der Gelegenheit für die ukrainischen Streikkräfte. Und schließlich ist es natürlich die Chance für die Ukraine, wenn es ihnen gelingt, längerfristig oder sogar dauerhaft diesen genommenen Raum zu halten, das dann als politisches Faustpfand in der Zukunft zu verwenden. Sie sprechen diese Offensive an, aber so eine massive Offensive mit so vielen Brigaden bedeutet ja auch eventuell eine Gegenreaktion.
Also müssen wir in den nächsten Tagen mit einer massiven Offensive der Russen rechnen oder gibt es da bereits Vorbereitungen, die wir beobachten können? Also sicherlich werden die russischen Kräfte reagieren können. Wir haben das sofort am Anfang gesehen, als die Ukraine auf die Ukraine geflogen ist.
Vorgestoßen gab es den Versuch, gegen Stöße oder auch gegen Angriffe zu führen. Auch das hatten die Ukrainer offensichtlich in ihrer Operationsplanung vorhergesehen und haben diese Kräfte bereits im Anmarsch und der Annäherung zerschlagen können. Wir sehen jetzt natürlich, dass die russischen Streikkräfte weitere Kräfte heranziehen. Das sind nach dem, was wir erkennen können, ungebundene Kräfte.
Wir wissen ja sogar, dass die Kräfte aus westlichen Bereichen, aus Kaliningrad, jetzt in diesen Raum verlagern. Sie haben nach unserer Erkenntnis, so wie wir darauf blicken, derzeit noch keine bzw. kaum Kräfte aus ihren zentralen Angriffsgruppierungen im Donbass abgezogen.
Also es ist schon damit zu rechnen, dass die russischen Kräfte diese Gegenangriffe... vorbereiten, vorbereitet sind aber auch die ukrainischen Kräfte, um darauf zu reagieren. Wenn wir jetzt diese Operation trotzdem beobachten, kann es auch passieren, dass wir vielleicht an anderen Stellen der Grenzregionen Offensiven der Ukrainer beobachten werden in der nahen Zukunft?
Denn für viele Beobachter kam das ja doch recht überraschend, dieses Momentum. Also die Ukrainer haben jetzt die Erfahrung gemacht, dass sie durch Überraschung, dass sie durch Bewegung, dass sie durch Geschwindigkeit... Ich spreche da jetzt auch ein bisschen als Kommandeur einer ehemaligen Panzerbrigade, dass sie dort Erfolge erzielt haben, dass sie dadurch wieder in die Initiative gekommen sind. Und ich gehe schon davon aus, dass sie in ihrer Operationsplanung weitere Optionen vergleichbarer Art vorsehen werden. Die Operation, die wir in der Region Kursk beobachten, hat ja auch gewisse Folgen.
Also haben die Ukrainer beispielsweise auch russische Kriegsgefangenen gemacht? Und wenn ja, wie geht sie damit um? Wir gehen davon aus, dass die Ukraine circa eine hohe... Wenn nicht sogar eine vierstellige Zahl an Kriegsgefangenen gemacht haben. Das, was wir wissen, sind das überwiegend auch Wehrpflichtige gewesen oder sind Wehrpflichtige.
Und wir gehen davon aus, dass sie nach den Regeln des Kriegsvölkerrechts von der Ukraine jetzt behandelt werden. Sie sprechen gerade selber das Völkerrecht an. Wir haben jetzt eine ganz andere Situation, dass das erste Mal seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges auf die Ukraine russische Truppen zurückgedrängt werden, sogar auf ihr eigenes Gebiet. Das heißt... Ist die Ukraine jetzt in irgendeiner Form noch im Rahmen des Völkerrechts aktiv, gemäß der Charta der Vereinten Nationen, Artikel 51, dem Selbstverteidigungsrecht?
Aber natürlich, die Ukraine verteidigt sich nach Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen. Da hat das Völkerrecht auch keine zwei Meinungen. Es ist ganz klar, die Ukraine befindet sich in der Verteidigung und kann diese Verteidigung natürlich auch auf dem Gebiet Russlands führen. Der Aggressor ist ganz klar Russland. Das heißt sozusagen völkerrechtlich würde sich erst einmal dafür nichts ändern?
Nein. Trotzdem müssen wir auch betrachten, dass bei dieser Offensive auch Material eingesetzt wird, welches aus Deutschland oder von Partnernationen geliefert wurde. Werden wir jetzt vielleicht doch zur Kriegspartei? Wie stehen Sie dazu? Also da gibt es zwei Aspekte zu beachten.
Erstens müssten wir da in eine unmittelbare Schädigungshandlung eingebunden sein. Das ist eindeutig nicht der Fall. Und der zweite und vielleicht sogar noch.
Relevanter Aspekt ist, wir sprechen ja nicht von deutschem Kriegsgerät, sondern wir sprechen von ukrainischen Mardern, wir sprechen von ukrainischen Bradley's, wir sprechen von ukrainischen Panzerhaubitzen Cesar, die nach den Vorstellungen und den Maßgaben und den Befehlen der ukrainischen Streikkräfteführung eingesetzt werden. Und insofern ist auch hier die Sachlage eindeutig. Wir haben jetzt den Fokus sehr stark auf der Region Kurs gehalten.
Trotz allem gibt es ja noch viele tausend Kilometer Frontabschnitte. Wie verhält sich die Lage da vor Ort? Haben wir da Änderungen?
Gibt es da Vorstöße der Russen? Müssen die Russen sich bereits zurückziehen, weil die Kräfte im Norden gebunden werden müssen? Wie bewegt sich das an den anderen Frontabschnitten der Ukraine?
Ja, das ist eine sehr gute Frage. Natürlich ist das mediale Interesse im Moment auf diesem kleinen Abschnitt. Tatsächlich ist der Schwerpunkt der russischen Streitkräfte, der Schwerpunkt der Gesamtoperation unverändert der Donbass.
Es ist ja hier auf der Karte auch eingezeichnet, es ist auch richtig, dass sowohl auf ukrainischer Seite als auch auf russischer Seite derzeit für das, was hier oben passiert, keine Kräfte aus dem zentralen Kampfgeschehen im Donbass abgezogen werden. Dort ist unverändert der Schwerpunkt, dort wird auch am meisten geschossen und gestorben. Zentral sicherlich im Moment dieser Abschnitt Adivka, Chasivja.
Dort gelingt es den Russen, jeden Tag durch kleine, aber stetige Geländegewinne vorwärts zu kommen. In Shastivjara ist es ihnen gelungen, den Siversky-Donetsk-Kanal sogar an einigen Stellen zu überwinden. Sie konnten kleinere Brückenköpfe bilden.
Den ukrainischen Verteidigern ist es trotz gut ausgebauten Verteidigungsstellungen nicht gelungen. Die russischen Kräfte auf das Ostufer des Kanals zurückzuwerfen, das ist durchaus eine kritische Situation in dem Raum, weil wir haben ja schon öfter auch über die überragenden Stellungen aus geografischer Perspektive um Khasifjahr gesprochen. Wenn es den Russen gelingt, Khasifjahr zu nehmen, dann öffnet das gewissermaßen das Tor auch weiter nach Westen.
Immer wieder gibt es in diesem Raum Chassiv-Ja, Adiv-Kaos-Situationen, bei denen die ukrainischen Streitkräfte überflügelt werden, was die ukrainischen Streitkräfte dann dazu zwingt, die Front zu begradigen, ihre Stellungen zurückzunehmen. Insofern sprechen wir trotz der Initiative oben im Norden, hier im Zentral-Donbass, für die Verteidigung der Ukraine von einer unverändert kritischen Lage. Sie schildern eine kritische Verteidigungssituation im Schwerpunkt des Ostens der Ukraine. Und gleichzeitig haben wir die Offensivbewegung im Norden. Wäre es nicht vielleicht sinnvoller, diese Kräfte zu Verteidigungszwecken im Osten der Ukraine einzusetzen, gerade wenn der Kanal übertreten worden ist?
Wo immer sich für den militärischen Führer die Gelegenheit zur Initiative bietet, muss er sie nutzen. Nach meinen Eindrücken und nach meinen Gesprächen ist den Ukrainern das Risiko, dass sie mit dieser Operation... Eingehen durchaus bewusst, aber es kann eben zu einer erheblichen Dynamik kommen, wenn diese Operation erfolgreich durchgeführt wird.
Und deshalb kann ich gut nachvollziehen, dass man sich ja trotz des Risikos zum Beginn dieser Operation entschlossen hat. Inwieweit wird diese Dynamik beeinträchtigt, wenn wir jetzt noch davon sprechen, dass es eine Lieferung von F-16 Mehrzweck-Kampfflugzeugen gibt, die zum einen zur Luftverteidigung, aber auch gleichermaßen zu Angriffe auf Bodensiele geeignet sind? Haben wir da auch schon eine Entwicklung, von der wir aktuell berichten können?
Naja, da wird ja immer dieses Game-Changer-Argument verwendet, dem ich mich in keiner Weise anschließen kann. Das habe ich an dieser Stelle, glaube ich, auch schon öfter gesagt. Und das gilt nicht nur für die F-16, sondern das galt für Kampfpanzer, das galt für Artilleriesysteme und auch für Luftverteidigungssysteme. Kein einziges Waffensystem wird und ist ein Game-Changer. Sie haben es richtig gesagt, die F-16 kann grundsätzlich für zwei Rollen eingesetzt werden.
Einmal für die Luftverteidigung, einmal für die unmittelbare Unterstützung der Landstreitkräfte. Das sind nach meiner Einschätzung auch die beiden Operationsarten, in denen dieses Flugzeug verwendet wird. Wir gehen derzeit davon aus, dass wir von einer sehr niedrigen zweistelligen Anzahl von Flugzeugen sprechen. die derzeit schon in der Ukraine eingesetzt werden können. Die müssen natürlich erstmal in die Gesamtarchitektur der Luftkriegsführung eingebunden werden.
Diese Flugzeuge, die die Russen durchaus nervös machen, die werden einem ungeheuren, ich nenne das mal, Verfolgungsdruck ausgesetzt sein. Die Russen haben nach unseren Erkenntnissen auch regelrecht Kopfgeld schon ausgelobt auf die Zerstörung dieser Flugzeuge. Das heißt, man wird gezwungen sein, immer wieder auch die Flugzeuge, Flugplätze quasi bei jedem Flug zu wechseln.
Das hat natürlich Auswirkungen auf die logistische Versorgbarkeit. Und man wird sehen, welchen Effekt sie dann aber tatsächlich bringen können, jetzt in der unmittelbaren Operationsführung. Da, wo ich mir am meisten Effekt verspreche, ist der Einsatz gegen die russischen Flugzeugtypen, die diese Gleitbomben tragen.
Jetzt habe ich ja meinen Flipchart wieder. Wenn man sich das ganz grobe Skizze vorstellt, diese Gleitbomben. Gleitbomben werden in einer Entfernung von ca. 60 bis 90 Kilometer gegen die ukrainischen Streitkräfte an der Front eingesetzt. Wir gehen davon aus, dass die F-16 bewaffnet werden kann mit Wirkmitteln, Luftkriegsmitteln, die eine Reichweite von 100 plus haben.
Das heißt, sie können gegen die Träger der Gleitbomben wirken, bevor die Gleitbomben wirksam eingesetzt werden können. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass die Russen unterschiedliche Flugzeugtypen haben, in einer Jägerrolle mit Reichweiten weit über 100 Kilometer und wiederum in der Lage wären, die F-16 zu bekämpfen. Um das zu tun, brauchen sie aber so etwas wie eine Gesamtluftverteidigungsarchitektur, Kommandozentralen, Aufklärungsmittel. Die sind derzeit auf russischer Seite deutlich reduziert, dezimiert durch gezielte Angriffe auf solche Flugzeuge durch die ukrainischen Streikkräfte in den letzten Wochen und Monaten. Und insofern wird man jetzt sehen müssen, wie sich diese Dynamik auf dem Gefechtsfeld auswirkt.
Sie haben jetzt zum einen die russische Luftverteidigung erwähnt mit einzelnen Schwachstellen. Aber gucken wir auch nochmal in die Ukraine. Dort gibt es ja auch eine Luftverteidigung.
Und dort werden ja auch wirklich immer noch viele... zivile Infrastruktur kritisch hin. Die Infrastruktur wird angegriffen, regelmäßig. Wie sieht es denn da aktuell aus?
Also haben die Angriffe nachgelassen? Merkt man den Druck der Ukrainer? Also die Angriffe haben nicht nachgelassen. Die Luftverteidigung ist in der Tat eine unveränderten Schwachstelle. Trotzdem, was alles geleistet wurde, obwohl wir auch auf dem NATO-Gipfel nochmal erreicht haben, dass den ukrainischen Streikkräften weitere Luftverteidigungssysteme...
bereitgestellt werden, trotz unserer Lieferung, trotz der Einführung der F-16. Wir haben ja die Herausforderung, dass wir die Luftverteidigungssysteme brauchen, einmal zum Schutz der kritischen Umfassstruktur, zum zweiten zum Schutz der Bevölkerungszentren. Wir brauchen sie zum Schutz, zur Verteidigung der unmittelbar an der Front eingesetzten Truppenteile.
Wir brauchen sie jetzt auch oben in Kurs zur Begleitung des Angriffs. So viele Luftverteidigungs-und Flugabwehrsysteme stehen trotz aller Anstrengungen nicht zur Verfügung, obwohl die Ukraine auch in der Lage ist, sie zu einer sehr geschickten Architektur zu verknüpfen. Das heißt, das ist und bleibt eine Schwachstelle, die natürlich von den Russen, Sie sehen die Bilder, ausgenutzt werden.
Sehen wir auch immer wieder ungewöhnliche Bewegungen, wenn man das so sagen kann. Es gibt vereinzelte Soldaten auf Buggy, Squads, Motorrädern, vereinzelte Panzerfahrzeuge. Das sieht ja jetzt weniger nach einer großen Offensive aus. Wie kann man sich das aus einer taktischen Perspektive erklären? Warum sehen wir solche Bilder?
Was bezweckt man damit? Also das ist jetzt nicht aus einer Not herausgeboren, dass die Russen jetzt keine gepanzerten Gefechtsfahrzeuge mehr hätten. Im Gegenteil, wir wissen, dass die Produktions-und Wiederherstellungsrate der Russen in aller Regel bei den meisten der Gefechtsfahrzeuge die Ausfallrate mindestens ersetzt. Das ist so ein bisschen zu erklären mit Aktio-Reaktio, also was passiert taktisch.
Und wie reagiert der Gegner darauf? Wir haben am Anfang des Krieges sehr, sehr stark Massierungen gesehen, Kräftemassierungen. Dann kamen die Drohnenentwicklungen, jetzt sehen wir Entwicklungen zur Vereinzelung auf dem Gefechtsfeld. Das wäre jetzt mein einfaches, ganz holzschnittartiges Erklärungsmuster. Wir haben jetzt über die Situation im Norden der Ukraine gesprochen, über das Gebiet Kursk.
Wir haben den Osten der Ukraine beobachtet. Der russische Angriffskrieg dauert nun mittlerweile seit über zweieinhalb Jahren an. Kann die Ukraine eigentlich noch gewinnen? Natürlich kann die Ukraine gewinnen. Das sehen wir ja gerade bei dieser Angriffsoperation, dass sie in die Initiative gehen kann und dass sie erfolgt.
dass sie Russland erheblich Schmerzen zufügen kann. Und ich glaube, das ist ein guter Indikator, dass die ukrainischen Streitkräfte weiter den Willen und die Fähigkeit haben, in diesem Krieg Erfolg zu haben. ihn auch zu gewinnen. Und wenn man von einem Sieg ausgeht, wie könnte denn so ein Sieg aussehen?
Was wäre denn ein Sieg für die Ukraine? Was gewinnen bedeutet, das müssen natürlich ausschließlich die Ukrainer definieren. Das politische Ziel der Ukraine ist klar, das ist die Wiederherstellung der territorialen Integrität und Souveränität in den international anerkannten Grenzen von 1991. Meine Einschätzung ist nicht, dass die Ukrainer glauben, dass das jetzt alles bis zum Jahresende des Jahres 2014 auch erreicht werden wird. Aber es muss ja Ziel sein, dass sie militärisch in der Lage sind, dann ihr politisches Ziel auf der Zeitachse zu erreichen. Und das ist auch der Grund, weshalb wir sie weiter unterstützen können, wollen und müssen.
Das heißt, die Unterstützung für die Ukraine seitens Deutschland ist immer noch weiterhin wichtig? Absolut. Ich halte sie für moralisch geboten.
Sie ist in unserem sicherheitspolitischen Interesse. Sie ist bündnispolitisch angelegt. Was meine ich damit? Mit der Zusage an die Ukraine aus den Gipfelbeschlüssen, NATO-Gipfelbeschlüssen in Vilnius im vergangenen Jahr und in Washington vor einigen Monaten.
Da ist der Pfad angelegt, dass wir die ukrainischen Streikkräfte über die unmittelbare materielle Unterstützung hinaus in die Streikkräftestruktur nach der Mitgliedschaft integrieren werden. Und sie ist natürlich auch viertens militärisch erforderlich, um den Ukrainern die Möglichkeit zu geben, diesen Krieg erfolgreich führen zu können, was wiederum zu unserem ersten Punkt zurückführt, die moralische Gebotenheit. in die Ukraine liefert und das neu beschafft. Deutschland ist der größte Unterstützer nach den Vereinigten Staaten.
Allein in diesem Jahr werden wir zwischen 6,5 und 7 Milliarden aufwenden für die militärische Unterstützung der Ukraine. Wenn man den Gesamtzeitraum des Krieges betrachtet, dann kommen wir auf Unterstützungsleistungen, die erbracht wurden bzw. gesichert unter Vertrag sind und zugesagt wurden, in einem Gesamtumfang von über 28 Milliarden. Ich glaube...
Das ist sehr, sehr eindrücklich. Wir haben gerade zu Beginn sehr schnell, umfangreich auch aus den Beständen der Bundeswehr abgegeben, gleich dann auch die Wiederbeschaffung eingeleitet. Das dauert natürlich noch etwas, bis diese Wiederbeschaffung auch produziert ist und in die Truppenstrukturen zurückfließt. Mit den Abgaben aus der Bundeswehr, das sehen wir jetzt deutlich abgewogener.
Warum sehen wir das deutlich abgewogener? Weil wir natürlich eine Zielmarke haben, dass wir in fünf bis acht Jahren mit Blick auf die russischen Rekonstitutionsfähigkeiten, ein möglichst hohes Maß an eigener Einsatzbereitschaft herstellen müssen. Deshalb blicken wir jetzt viel stärker auf, was kann aus der Industrie geliefert werden. Und da haben wir umfangreiche Verträge gemacht, die jetzt zur Auslieferung kommen, die in den kommenden Jahren zur Auslieferung kommen und signifikant die ukrainischen Streikräfte stärken werden. Können Sie konkret was dazu sagen, was geliefert werden soll?
Wir können einen kurzen Blick darauf nehmen, was allein in diesem Jahr unter anderem geplant ist. Das ist nur eine ganz grobe Übersicht. Sie sehen Luftverteidigungssysteme, IRST, kurze und mittlere Reichweite.
Wir werden unsere Gepard-Lieferung fortsetzen. Wir werden für die IRST Luftverteidigungssysteme, auch weitere Lenkflugkörper. Wir werden in den Bereich Drohnen und Drohnenabwehr viel stärker einsteigen.
Wir werden aber auch noch Großgerät liefern im Bereich Artillerie, 12 Panzerhaubitzen 2000, vier Haubitzen aus slowakischer Produktion. Dazu kommt um die Jahreswende kommen die ersten RCH-155. Die Ukraine wird der erste Nutzerstaat sein dieses neuen modernen Waffensystems.
Wir werden auch bei gepanzerten Gefechtsfahrzeugen weitermachen. Leopard 1A5, geschützte Gefechtsfahrzeuge vom Typ MRAP. Wir werden logistische Unterstützung weiter fortsetzen.
Handwaffen, Handwaffen, Munition im großen Umfang. Und nicht zuletzt werden wir unsere Unterstützung im Bereich Sanitätsmaterial auch fortsetzen. Das nur als grober erster Überblick.
Zu Beginn des Gesprächs sagten Sie, dass Sie selber gerade in der Ukraine gewesen sind, also selber vor Ort. Was sind denn da Ihre Eindrücke? Was hat Sie da vielleicht am meisten bewegt oder auch beeindruckt, was Sie dort erleben durften? Bei den ukrainischen Streitkräften Organisiertheit, Disziplin, Professionalität, Tapferkeit und Mut.
Und bei den Ukrainerinnen und Ukrainern dieser Lebensmut und der unbedingte Freiheitswille. Herr General, vielen Dank für die Einordnung, vielen Dank für Ihre persönlichen Eindrücke aus der Ukraine und vielen Dank für das Gespräch. Bis zum nächsten Mal. Sehr gerne, bis zum nächsten Mal.
General Dr. Freuding berichtete über seine persönlichen Eindrücke von seinem Besuch in der Ukraine. Die Ukraine selbst hat die Initiative ergriffen und operiert auf russischem Gebiet. Doch der russische Druck im Donbass hält weiter an.
Umso wichtiger ist die weitere Unterstützung durch Deutschland. Das war Nachgefragt. Mehr Informationen finden Sie auf bundeswehr.de und unseren sozialen Medien.
Bis zum nächsten Mal.