Die Mitte Europas im zweiten Jahrtausend. Ein Land, das lange braucht, um eins zu werden. Menschen, die sich erst im Laufe der Jahrhunderte als deutsch verstehen.
Wer sind wir? Woher kommen wir? Fragen an ein Jahrtausend deutsche Geschichte. Immer sind die Deutschen nicht in einem Staat geeint. Er macht sich nun daran, das zu ändern.
Bismarck Nicht mit Parlamenten, sondern wie er sagt, mit Blut und Eisen. Eine Reichsgründung von oben. Einheit um den Preis der Freiheit? Für ihn stellt sich diese Frage nicht. Ferdinand Cohen blind, der 22-jährige Student aus Süddeutschland, ist nur zu einem Zweck nach Berlin gekommen.
Er will den drohenden Krieg verhindern, bei dem auf beiden Seiten Deutsche stehen. Bruderkrieg. Für den schwärmerischen Patrioten sind seine Urheber, so schreibt er, Verräter an Deutschland. Um den Frieden zu wahren, sieht Cohen blind nur eine Lösung. Er muss den Mann beseitigen, der für die meisten Deutschen die treibende Kraft für den Krieg ist.
Es ist der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck. In Preußen kämpft er für die Macht der Krone, gegen Parlament und Demokratie. Er gilt als Reaktionär reinsten Wassers. Nach außen hin will er die vielen deutschen Staaten unter preußischer Herrschaft vereinen.
Nicht aus deutschem Nationalgefühl, sondern aus preußischem Machtstreben, wie manche glauben. Sein Credo? Nicht mit Worten, sondern mit Bayonetten würden die großen Fragen der Zeit entschieden. Das wendet sich Niemann gegen ihn. Das Arbeitszimmer Bismarcks in Friedrichsruh bei Hamburg.
Hier ist die Erinnerung an das Attentat noch gegenwärtig. Zur Hinterlassenschaft Bismarcks zählt die Pistole des Täters. Eine Waffe, die den Lauf der Geschichte hätte verändern können.
Wie die gestopften Einschusslöcher zeigen, wurde Bismarck von mehreren Kugeln getroffen. Doch seine dicke Kleidung an jenem Tag dämpfte ihre Wucht. Und die Feuerkraft der Pistole war zu schwach.
Bismarck erleidet nur Prellungen. Was wäre geschehen, wenn der Mordanschlag gelungen wäre? Wäre Bismarck 1866 einem Attentat zum Opfer gefallen, dann wäre es mit Sicherheit nicht in der Form zum Krieg gekommen. Niemand in Deutschland wollte den Deutschen Bruderkrieg. Er schon.
Die Waffe des Attentäters, der im Gefängnis Selbstmord begeht, bewahrt Bismarck zeitlebens. Seine Rettung sieht er als göttlichen Wink, den Kampf um Deutschland jetzt zu entscheiden. Deutschland. Das sind in dieser Zeit über 30 unabhängige Staaten, die sich im Deutschen Bund zusammengeschlossen haben.
Den Ton geben die Großmächte Österreich und Preußen an. Doch als sich Preußen die Herzogtümer Schleswig und Holstein gegen Österreichs Willen einverleiben will, wird der Streit zur Machtprobe. Wer hat das Sagen in Deutschland? Österreich oder Preußen? Die Entscheidung fällt in der Freien.
Die Stadt Frankfurt am Main. Die Stadt, in der einst deutsche Kaiser gewählt wurden, ist Sitz des Deutschen Bundes. Er soll den Frieden unter den deutschen Staaten sichern und eine gemeinsame Verteidigung nach außen. Unweit des Doms, im Palais Thurn und Taxis, tritt einen Monat nach dem Attentat die Bundesversammlung zusammen, das Entscheidungsorgan.
Zur Abstimmung steht der Antrag Österreichs, gemeinsam gegen Preußen mobil zu machen, da die Besetzung der Herzogtümer Schleswig und Holstein unrecht sei. Auf ihn richten sich alle Blicke. Der preußische Gesandte Karl Friedrich von Savigny.
Welche Instruktion hat ihm Bismarck mitgegeben? Den Vorsitz hat der Gesandte Österreichs. Zur Abstimmung!
Im Namen seiner Majestät des Kaisers von Österreich stimme ich dem vorliegenden Antrag zu. Und nun hat der Gesandte Preußens das Wort. Im Namen der Regierung Preußens protestiere ich vehement gegen diese Abstimmung, die ohne Zweifel einen eindeutigen Bruch des Bundesrechts darstellt. Wir nehmen den Protest zu Protokoll. Als nächstes erteile ich das Wort dem Gesandten des Königreichs Bayer.
Im Namen meiner Regierung stimme ich dem Antrag der kaiserlich-österreichischen Regierung zu. Preußen ist isoliert. Die Fürsten wollen keinen deutschen Bund, der von Preußen beherrscht wird. Mit neun gegen sechs Stimmen wird der österreichische Antrag auf Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen angenommen.
Im Namen seiner Majestät, des Königs von Preußen, erkläre ich erstens, Preußen betrachtet diese Abstimmung als Kriegserklärung. Und zweitens ist damit der bisherige Bundesvertrag für Preußen null und nichtig. Und auf Befehl des Königs erkläre ich meine Tätigkeit.
hatte in dieser Versammlung für beendet. 1866, 1867 endet der Deutsche Bund, weil die Staaten das tun, was eigentlich ausgeschlossen ist, nämlich Krieg gegeneinander führen. Ja, aber die Mehrzahl der deutschen Staaten standen auf österreichischer Seite und Preußen galt gewissermaßen als der Bösewicht, der diesen Deutschen Bund verletzt und gegen... den man sich jetzt zusammenschließt, um Krieg zu führen. Er beginnt einen Tag nach der Frankfurter Abstimmung.
Die Entscheidung fällt Anfang Juli bei König Grätz im heutigen Tschechien. Damals im österreichischen Böhmen. Auf ihn setzt Bismarck seine Hoffnung.
Der preußische Generalstabschef Helmut von Moltke. Sein Plan, getrennt marschieren, vereint schlagen. Die preußische Streitmacht hat er in drei Armeen geteilt. Getrennt kommen sie schneller voran, doch siegen können sie nur gemeinsam.
Die dritte Armee aber bleibt im Aufmarsch zurück. Nur wenn sie rechtzeitig zur Schlacht eintrifft, kann Moltkes Rechnung aufgehen. Die 2. Armee, sie naht im Alltempo.
Gegen Mittag, gerade noch rechtzeitig, erreicht sie das Schlachtfeld. Die österreichische Flanke im Norden wird überrannt. Den Österreichern und ihren Verbündeten bleibt keine Wahl.
Wollen sie eine Umklammerung verhindern, müssen sie die Preußen durch einen Gegenangriff aufhalten. Sturm der österreichischen Reserven wird zum Wendepunkt der Schlacht. Jetzt können die Preußen ihren Trumpf ausspielen.
Das preußische Zündnadelgewehr, der erste gut funktionierende Hinterlader. Bei ihm wird die Munition von hinten eingeladen. Wird der Abzugshahn betätigt, durchbohrt eine Zündnadel die Patrone.
flammt das Zündmittel, die das Geschoss nach vorne treibt. Tödlicher Vorteil gegenüber den mit Vorderladern bewaffneten Österreichern. Die Preußen können schneller und im Liegen nachladen.
Der Soldat bleibt dabei in Deckung. Im Schnellfeuer der preußischen Zündnadelgewehre bricht der österreichische Gegenangriff zusammen. In knapp einer halben Stunde sterben Tausende.
Ihr Tod entscheidet die Schlacht. Nur knapp entgeht die Armee Österreichs und seiner Verbündeten der völligen Vernichtung. Am Ende des Tages sind rund 15.000 Österreicher tot oder vermisst. Die Preußen verlieren nur rund 2.000 Mann. Für die Verwundeten beider Seiten ist der Krieg zu Ende, nicht aber die Todesangst.
Erst seit zwei Jahren gibt es das Rote Kreuz, das das Leid auf dem Schlachtfeld notdürftig lindert. Mit der Schlacht von König Grätz ist der Krieg entschieden. Österreich ist geschlagen. Der Regierung in Wien bleibt keine Wahl.
Sie schickt ein Friedensangebot ins preußische Hauptquartier, Schloss Nikolsburg. Man bietet Preußen sofortigen Frieden und freie Hand im Deutschen Bund. Einzige Bedingung, Österreich will dem Sieger keinen Fußbreitland abdrehen.
Bismarck will annehmen, nicht aber sein König, Wilhelm I. von Preußen. Die preußische Armee steht im Siegeslauf. Erwarten Sie allen Ernstes von mir, dass ich Sie nun vor den Toren Wiens anhalten lasse. Wir haben unser Ziel erreicht, Majestät.
Jeder weitere Tag birgt die Gefahr, dass Österreich Hilfe erhält. Wir müssen jetzt Frieden schließen. Unsinn.
Man muss in Preußen sagen können, dass wir Österreich ins Fleisch geschnitten haben. Und es von uns am eigenen Besitz gezüchtigt wurde. Wenigstens ein gewisser Teil Österreichs muss unbedingt an uns fallen.
Ich zeige Ihnen verschiedene. Zum Beispiel könnte ein Teil Österreichs Deutschböhmen sein. Ganz unmöglich, Majestät.
Österreichisch Schlesien. Unmöglich, Majestät. Mähren.
Majestät, unmöglich. Unmöglich? Ich sage Ihnen, was unmöglich ist. Ein Auftreten wie das Ihre.
Die Politik in Preußen wird immer noch vom König gemacht. Sie können gehen. Wilhelm hat ganz schlicht gedacht, wenn wir einen Krieg gewonnen haben, müssen wir Territorialgewinn haben, müssen wir auch einen ostensiblen Triumph erleben und so.
Und Bismarck hat viel weiter gedacht. Bismarck hat gesagt, wir müssen sozusagen Österreich schonen, damit wir einen Partner in Zukunft haben. Auf den Widerstand des Königs reagiert Bismarck mit einem heftigen Wutanfall.
Er selbst erinnert sich Jahrzehnte später noch daran. Schließlich stellt er den Monarchen vor die Wahl. Falls Wilhelm das Angebot Wiens endgültig ablehnt, wird er, Bismarck, zurücktreten.
Erst jetzt lenkt der König ein. Österreich behält sein Land und versöhnt sich schon bald mit dem Sieger. Und der erreicht sein Ziel. Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland ist geregelt.
Im Sinne Bismarcks. Mit der Entscheidung von 1866 war klar, dass Deutschland und Österreich verschiedene Wege gehen würden. Und das war aus der Perspektive der Zeitgenossen eigentlich eine Ungeheuerlichkeit.
Österreich war jahrhundertelang ein Teil Deutschlands. Nun war entschieden, das Deutsche Reich gründet sich ohne Österreich. Und der Weg Österreichs ist ab 1866 ein von Deutschland abgetrennter.
Abgetrennt durch ihn, Otto von Bismarck. Der Sieg über Österreich macht den Buhmann zum Triumphator. Sein Sieg ist im preußischen Vaterland ein Denkmal wert.
Die Siegessäule in Berlin. Sie ist bis heute das zentrale Symbol für die deutsche Einigung durch Bismarck. An ihrem Fuß ein Bronze Relief der Schlacht von König Kreuz.
In der Mitte die vergoldeten Rohre von erbeuteten feindlichen Geschützen. Und an der Spitze eine Siegesgöttin, die den preußischen Adlerhelm trägt. Ein steinerner Triumph.
Das siegreiche Preußen herrscht jetzt in Deutschland. Während Österreich geschont wird, annektiert Preußen Gegner wie das Königreich Hannover und vereinigt sich mit anderen zum Norddeutschen Bund. Doch der reicht nur bis zum Main.
Durch ein Veto Frankreichs bleibt der Süden Deutschlands unabhängig. Frankreich war gegen die deutsche Einheit. Das war aus rein machtpolitischen Gründen.
Es war die erste Macht auf dem Kontinent. Und wenn dieses aufsteigende Preußen, das ja in gewaltigem Tempo aufstieg, wenn das nun nochmal triumphierte, dann wäre das ganz gefährlich. Also wollte man von französischer Seite die deutsche Seite in Grenzen halten, Preußen vor allem in Grenzen halten. Nicht nur Frankreich will Preußen in Grenzen halten.
Viele Süddeutsche, vor allem in Bayern und Württemberg, wollen die alte Unabhängigkeit bewahren. Ganz besonders die Herrscher. Erst ein Anstoß von außen bringt die Dinge wieder in Fluss. Er beginnt im schwäbischen Siegmarien.
Hier residieren die Fürsten von Hohenzollern, ein Zweig des preußischen Königshauses. 1870 bieten die Spanier dem ältesten Sohn des Fürsten, Erbprinz Leopold, die spanische Königskrone an. Der Prinz zögert, dann nimmt er an, nicht ganz aus freien Stücken, wie Briefe Bismarcks im Sigmaringer Staatsarchiv beweisen. Nur auf sein Drängen hin stimmt Leopold zu. Bismarck weiß, der französische Kaiser ist gegen einen hohen Zollern auf Spaniens Thron, fürchtet jeden weiteren Machtzuwachs Berlins.
Ein Konflikt mit Frankreich aber scheint Bismarck fast unausweichlich, will er den Norden und Süden Deutschlands vereinigen. Mit Leopold provoziert Bismarck Frankreich zielbewusst. Es ging um die Frage, ist diese Lösung von 1866 dauerhaft oder ist sie eine Zwischenstation zu einem deutschen Reich? Und nach Bismarcks Ansicht, und wahrscheinlich ist die unwiderleglich, es brauchte tatsächlich eine neue Lösung.
Und dann tatsächlich noch den Krieg gegen Frankreich. Die Nachricht von Leopolds Zusage alarmiert den französischen Außenminister Gramont. Ein hohen Zoller auf Spaniens Thron ist für ihn unvereinbar mit der Macht Frankreichs und dem Prestige seines Herrschers, Kaiser Napoleon III.
Majestät. Es ist also wahr, Leopold strebt danach, König zu werden. Sehr.
Noch ein Triumph Preußens und die Franzosen werden nicht mehr Bismarcks Kopf fordern, sondern den euren. Was schlagen Sie vor? Der preußische König muss Leopolds Kandidatur öffentlich und für alle Zeit unwiderruflich zurücknehmen. Eine solche Demütigung wird der König nicht so einfach hinnehmen. Er wird es schon tun.
Sonst zwingen wir ihn dazu. Der Mann, der gezwungen werden soll, hält sich gerade zur Kur in Bad Ems auf. Hier erfährt König Wilhelm vom französischen Protest und vermittelt.
Mit seiner Billigung zieht Prinz Leopold seine Kandidatur zurück. Frankreich hat gewonnen. Der Konflikt scheint vermieden.
Ein Irrtum. Der Verzicht Leopolds reicht dem französischen Kaiser nicht. Er will Preußen demütigen.
Das ist eine Depesche des Königs. Sie duldet keinen Aufschub. Offenbar hat ihn der Botschafter Frankreichs Benedetti persönlich aufgesucht. Schon heute früh in Bad Ems. Majestät, bitte.
Auf ein Wort. In seiner Depesche an Bismarck teilt der König mit, Benedetti habe von ihm verlangt, öffentlich zu garantieren, dass kein Hohenzoller den spanischen Thron besteigen werde. Ein Affront.
Der König hätte nicht mit ihm reden dürfen. Leopold hat vertreten. verzichtet, das reicht. Der König hat seinen Fehler wohl bemerkt. Er hat seinen Sekretär geschickt, um klarzustellen, dass er mehr nicht tun kann und will.
Seine Majestät richtet ihn aus, der Verzicht Leopolds sei ihm aus Sigmaringen bestätigt worden. Er habe dem Herrn Botschafter nichts weiteres mitzuteilen. Das war's.
Warten Sie! Noch ist nicht alles verloren. Wir werden die Depesche ein wenig kürzen. Et voilà! Die Nachricht aus Siegmaringen streichen wir.
Mh! Und schreiben nur... Der König hat dem Herrn Botschafter nichts weiter mitzuteilen.
Punkt. Ausgezeichnet. So hat es einen anderen Klang. Als habe der König ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wenn ich das an die Zeitungen gebe, wird es vormitternacht in Paris bekannt sein.
Warten wir ab, wie Frankreich darauf reagiert. Bismarcks Plan geht auf. Die Veröffentlichung der Emser Depische wird von Napoleon als urfeige empfunden.
Er, der Preußen demütigen wollte, ist nun selbst gedemütigt. Er handelt wie von Bismarck erwartet. Frankreich erklärt Preußen den Krieg. Napoleon ist seinerseits innenpolitisch am Wanken und kann sich eine Niederlage gar nicht leisten. Und das weiß auch Bismarck, dass er da nicht sagen kann, naja Kinder, es ist egal und so, sondern da muss ein Großmacht wie Frankreich darauf reagieren.
Und da prallt dann die Offensive Frankreichs auf die Offensive Preußens. Beide Seiten sind schuld am Krieg. Doch Bismarck hat einen entscheidenden Vorteil. Durch die Kriegserklärung gilt Frankreich als Angreifer. In München wie in ganz Süddeutschland wollen jetzt selbst erklärte Preußen Gegner gemeinsam mit dem norddeutschen Bund gegen Frankreich kämpfen.
Die öffentliche Stimmung lässt den süddeutschen Fürsten keine Wahl. Auch der bayerische König Ludwig II. befiehlt die Mobilmachung seiner Armee gegen Frankreich.
In Bayern wie überall in Deutschland folgen die Bürger bereitwillig dem Ruf zu den Waffen. Handwerker, Lehrer, Arbeiter, Bauern, selbst Jugendliche. Der jüngste Kriegsfreiwillige ist gerade 15 und kommt aus Bayern. Der Krieg gegen Frankreich, er eint die Nation.
Erneut überrascht Moltke den Gegner durch einen schnellen Aufmarsch. Teil der französischen Truppen wird in Metz eingeschlossen. Von Chalons aus eilt Napoleon III.
zur Befreiung der Stadt Hapai. Bei Sedan kommt es zur Schlacht. Napoleons Streitmacht ist in schlechtem Zustand.
Schwere Märsche, eine unentschiedene Führung und zu wenig Proviant haben der Moral der Truppe zugesetzt. Für den 1. September gönnt der Kaiser seinen Soldaten eine Ruhepause. Ein schwerer Fehler. Die deutschen Truppen schließen einen Ring um ihre Stellungen. Die sitzen in der Mausefalle, sagt Moltke.
Der Generalstabschef setzt diesmal nicht auf Gewehre, sondern auf Artillerie. Der Einsatz von Geschützen aus der Waffenschmiede Krupp soll nach Moltkes Plan die Entscheidung bringen. In ihren improvisierten Stellungen sind die Franzosen dem deutschen Feuer fast schutzlos ausgeliefert. Feuer! Drei Salven pro Minute, bis zu 800 an diesem Tag.
Feuer! Im Trommelfeuer der deutschen Artillerie zerbricht die französische Armee. Regimente, Bataillone, selbst Kompanien lösen sich auf.
Die Schlacht von Sedan wird später zu einem deutschnationalen Mythos erklärt. Am Nachmittag des 1. September gibt Napoleon III. auf.
Über einem Tor der Festung lässt er die weiße Fahne hissen. Die Schlacht von Sedan war zunächst mal ein militärischer Erfolg, ein ungeheuerlicher Erfolg. Sie führte dazu, dass das Französische Kaiserreich militärisch prinzipiell besiegt war. Militärisch war es ein Sieg, es war aber auch emotional ein erhebendes Gefühl für die Mehrheit der Deutschen.
Man hatte mit diesem Tag von Sedan die Macht besiegt, die seit Jahrzehnten, so schien es jedenfalls, den Deutschen im Wege stand. Noch gilt der Krieg als legitimes Mittel der Politik. So sehen es die beiden Kontrahenten. Auf einer Landstraße vor Sedan kommt es auf Napoleons Wunsch zu einem historischen Treffen zwischen dem Besiegten und dem Sieger. Majestät, ich erwarte Ihre Befehle.
Ich habe keine Befehle mehr zu geben. Dann lassen Sie uns über Friedensverhandlungen sprechen. Zu spät.
Ich bin hier, um dem König meinen Degen anzubieten. Ist es der Degen Frankreichs? Nur mein eigener. Ich bin Ihr Gefangener.
Über den Frieden entscheidet allein meine Regierung in Paris. An der Spitze von 100.000 Soldaten geht Napoleon III. in Gefangenschaft. Drei Jahre später stirbt er im englischen Exil.
Als die Nachricht von der Niederlage in Paris eintrifft, kommt es zum Aufstand. Das Kaiserreich stürzt. Doch der Krieg geht weiter. Paris wird von den deutschen Truppen eingeschlossen und mit schweren Geschützen beschossen.
All das reißt auf Jahrzehnte tiefe Gräben zwischen Deutschen und Franzosen. Befehligt wird die Belagerung von Paris aus dem nahen Versailles. Die Präfektur im Zentrum der Stadt wird königlich-preußisches Hauptquartier.
Hieraus werden auch die nächsten Schritte zur deutschen Einheit vorbereitet. Bismarck will die nationale Euphorie nach dem Sieg von Sedan nutzen, um die süddeutschen Staaten zu bewegen, dem norddeutschen Bund freiwillig beizutreten. Doch es gibt Widerstände.
Um sie zu überwinden, schreibt Bismarck einen Brief an den bayerischen König Ludwig II. Er weiß, dem Monarchen widerstrebt der Gedanke, sein Königreich in ein geeintes Deutschland zu führen, wie es die Mehrheit des Volkes und seine eigene Regierung wünscht. Und er kennt die Schwächen des Königs und gedenkt, sie auszunutzen.
Traumschlösser? Wer soll sie bezahlen? Bismarck mit einer geheimen Millionenspende.
gegen Macht. Dafür schreibt der bayerische König einen Brief, den Bismarck vorformuliert hat. Im Namen aller deutschen Fürsten bietet er König Wilhelm von Preußen den Titel eines deutschen Kaisers an. Mit Ludwigs Brief in der Hand steht Bismarck kurz vor dem Ziel. Die Ausrufung Wilhelms zum deutschen Kaiser soll das vereinte deutsche Reich aus der Taufe heben.
Und nun ist die deutsche Einheit gemacht. Und der Kaiser auch. Doch einen muss er noch überzeugen. Was denkt sich Ludwig dabei? Meinen Vorfahren war König von Preußen genug.
Eure Majestät wollen doch im neuen deutschen Reich kein Neutrum bleiben, das man Präsidium nennt. Wenn ich mich bereit erkläre, Kaiser zu werden, wünsche ich dem... Titel Kaiser von Deutschland.
Und keinesfalls Deutscher Kaiser. Euer Majestät, einen Kaiser von Deutschland werden die Fürsten niemals akzeptieren. Sie hätten Angst, dass Eure Majestät alleine regieren will, ohne Sie. Soll ich denn nur den Grüß August spielen? Der Titel Deutscher Kaiser...
Ist inakzeptabel. Bismarck war immer der Meinung, man muss mit sanften Formulierungen harte Politik machen. Und es kam nicht auf den Titel an.
Deutscher Kaiser, das war ja, Deutsch ist in diesem Sinne ein Eigenschaftswort. Kaiser von Deutschland. hieße, ich bin der Chef von Deutschland, ich habe zu befehlen, ganz eine andere Auffassung, dann hätte er die süddeutschen Fürsten, die ja durchaus noch im Saft standen, hätte er die süddeutschen Fürsten nicht dazu bekommen. Das Schloss der französischen Monarchin in Versailles.
Ein Meisterwerk des Barock, erbaut im 17. Jahrhundert zur Verherrlichung des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. Während der Belagerung von Paris wird das Schloss von den Deutschen genutzt. Im berühmten Spiegelsaal werden jetzt verwundete deutsche Soldaten versorgt. An diesem Tag müssen sie weichen.
Marat, hilf mir mal. Was machen Sie da? Er fährt von ganz oben. Noch im Krieg, im Land des Gegners, soll geschaffen werden, was Franzosen und Briten schon lange erreicht haben.
Die Einheit der Nation. Und wie ist die Lage? Was denkt der König jetzt?
Was hält er davon? Er will noch immer Kaiser von Deutschland sein und sonst nichts. Begreift er denn unsere Lage nicht? Wir balancieren auf des Messers Schneide.
Kaiser von Deutschland ist unmöglich! Das muss er doch einsehen! Noch kurz vor der Verkündung ist die Titelfrage nicht geklärt.
Wird der preußische König als deutscher Kaiser ausgerufen, wie es Bismarck und die Fürsten wollen, oder als Kaiser von Deutschland, wie Wilhelm fordert? Auf ihn kommt es jetzt an. Großherzog Friedrich von Baden.
Er soll den neuen Kaiser ausrufen. Es lebe seine Majestät, Kaiser Wilhelm! Hurra!
Hurra! Hurra! Hurra!
Hurra! Hurra! Hurra! Mit einer geschickten Formulierung vermeidet der Großherzog den Eklat. Am Ende beugt sich Wilhelm dem Drängen Bismarcks und der Fürsten.
Es bleibt beim deutschen Kaiser. Der Groll des Monarchen wehrt nur kurz. Den Handschlag nach der Proklamation verweigert er Bismarck. Doch nur zwei Monate später erhebt er ihn zum Fürsten.
Wenig später kapituliert Frankreich. Bismarck hat sein Ziel erreicht, den preußisch-deutschen Nationalstaat. Deutschland. ist geeint. Das Bismarckreich ist 1871 von fast allen Deutschen als Gipfelpunkt der deutschen Geschichte erfahren und erlebt worden.
Und es hatte jahrzehntelang das zu bieten, was die Mehrheit der Deutschen wollte. Nationale Einheit, imperialen Glanz und Größe. Zum neuen deutschen Reich gehören jetzt auch Süddeutschland und das französische Elsass-Lothringen.
Für seinen Gründer Bismarck ist dieses Reich saturiert, ohne weitere Gebietsansprüche. Von nun an will er das Erreichte sichern und Frieden wahren. Die Rückkehr nach Berlin wird zum Triumphzug.
Ein Augenzeuge schreibt, Womit hat man die Gnade Gottes verdient, so große und mächtige Dinge erleben zu dürfen? Ein Zug der siegreichen Armee durch das Brandenburger Tor am 16. Juni 1871 jubelt Berlin. Das neue Reich erfüllt den Deutschen viele Wünsche. Glanz, Einheit und ein Stück Mitbestimmung. 1971 wird ein gesamtdeutsches Parlament gewählt, der Reichstag.
Wählen dürfen alle Männer über 25. Noch ist Politik reine Herrensache. Der neue Reichstag, für den später dieser Bau entsteht, beschließt die Gesetze und den Haushalt. Doch den Regierungschef, den Reichskanzler, bestimmt nicht das Parlament, sondern der Kaiser.
Eine Verfassung ganz im Sinne ihres Verfassers, des ersten deutschen Kanzlers. Bismarck gab den Deutschen zwar in Gestalt des allgemeinen gleichen Reichstagswahlrechts für Männer ein Stück Demokratie. Und zwar ein kräftigeres Stück Demokratie, als die liberale Mustermonarchien wie Großbritannien oder Belgien damals kannten. Aber eine verantwortliche Regierung erhielten die Deutschen im Kaiserreich nicht.
Die Reichsgründung gibt den Anstoß für einen rasanten Aufschwung. Gründerjahre. Aus dem Berlin der Markgrafen und Könige wird eine moderne Metropole. Die Einwohnerzahl der neuen deutschen Hauptstadt verdoppelt sich bis 1912. Von einer Million auf über zwei Millionen Menschen.
Berlin ist damit hinter London, New York und Paris die viertgrößte Stadt der Welt. wird das Symbol für den deutschen Sieben-Meilen-Schritt in die Moderne. Was dem Fortschritt im Wege steht, wird ausgeräumt. Der Motor des gewaltigen Umbruchs im ganzen Land ist das erste deutsche Wirtschaftswunder.
In den ersten vier Jahrzehnten nach der Reichsgründung verdreifacht sich das deutsche Sozialprodukt. Die industrielle Revolution in Deutschland befindet sich im großen Spurt. 1890 arbeiten zum ersten Mal mehr Deutsche in der Industrie als in der Landwirtschaft.
Der wirtschaftliche Wandel schlägt sich auch politisch nieder. In den Mietskasernen von Berlin und anderen Städten wächst eine neue, selbstbewusste Schicht heran. Die Arbeiterschaft.
Hier rekrutiert eine neue politische Kraft ihre Stammwähler. Die Sozialdemokraten... vertreten nicht nur die sozialen Interessen der Arbeiter, sondern einen neuen Staatsgedanken. Monarchie und Adel sind für sie Relikte vergangener Zeiten.
Die Zukunft gehöre der Arbeiterschaft. Gedanken, die für Bismarck Hochverrat und Umsturz bedeuten. Für ihn sind Sozialdemokraten allesamt Demagogen.
Mit dem sogenannten Sozialistengesetz lässt Bismarck die Partei verbieten. Ihre Versammlungen und Zeitungen sind jetzt illegal. Bei Verstoß drohen Geldstrafen und Gefängnishaft. Der Sozialdemokrat. Abführen!
Den siehst du so schnell nicht wieder. Nicht nur Sozialdemokraten werden von ihm bekämpft und verfolgt. Auch die katholische Kirche trifft der Bannstrahl des mächtigen Reichsgründers. Nach Canossa, sagt er, gehen wir nicht.
Bismarck hat eine Politik gemacht, die... nach inneren Reichsfeinden gesucht hat. Und das gehört sicherlich zu den dunklen Seiten der bismarckischen Politik, nicht nur gegenüber der Arbeiterbewegung, sondern auch gegenüber den Katholiken und zunehmend auch gegenüber den nationalen Minderheiten.
in Preußen an die Polen. Eine Politik mit Peitsche und Zuckerbrot. In rascher Folge führt Bismarck eine Kranken-, Unfall-und Rentenversicherung ein. Meilensteine auf dem Weg zum Sozialstaat. Doch ihren eigentlichen Zweck, den Sozialdemokraten die Anhänger zu nehmen, erfüllen die neuen Gesetze nicht.
Trotz Verbot der Partei dürfen Sozialdemokraten wählen und gewählt werden. Untertitelung des ZDF, 2020 1881 erhalten sie bei den Reichstagswahlen 6% der Stimmung. 1890 sind es schon 20%.
Im neuen Reichstag sind die Gegner Bismarcks in der Überzahl. Innenpolitisch ist der Kanzler am Ende. Und seine ganze Macht hängt am Herzschlag eines Mannes. Seit 26 Jahren ist er unter Wilhelm I.
preußischer Ministerpräsident, seit 17 Jahren auch Reichskanzler. Auf seinem Vertrauen ruht Bismarcks Macht. Nur der Kaiser kann ihn laut Verfassung entlassen.
Es war nicht immer leicht unter Ihnen Kaiser zu sein. Majestät waren oft schwerer zu überzeugen als die Österreicher und sogar als die Franzosen. Sie müssen jetzt meinem Enkel beistehen.
Er hat Verstand. Aber wenig Erfahrung. Er soll die Dynastie in die Zukunft führen. Prinz Wilhelm.
Und hochfliegende Pläne. Sein Vater, der Kronprinz, ist bereits todtrank und wird den sterbenden Kaiser nur wenige Monate überleben. Auf einen 90-Jährigen folgt bald ein 29-Jähriger. Wilhelm II.
will nicht unter Bismarck Kaiser sein. Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst, erklärt er selbstherrlich. Bei der Eröffnung des Reichstags durch den neuen Kaiser rückt der Maler Bismarck noch einmal in den Mittelpunkt. Doch er steht allein, isoliert.
Das Parlament ist mehrheitlich gegen ihn und Wilhelm will am liebsten selbst regieren. Im März 1890 erhält Bismarck seine Entlassungsurkunde. Den Ausschluss von der Macht wird er dem neuen Kaiser nie verzeihen, trotz aller Ehren, mit denen er von Wilhelm II. überhäuft wird.
Heuchler, du wirst alles ruinieren. Seine Regierung endet, wie sie begonnen hat, im Streit mit dem Kaiser. Was bleibt vom Reichsgründer?
Bismarcks Bild bleibt zwiespältig. Er hat die Deutschen geeint, aber er hat sie auch gespalten. Er hat sie 1871 zu ihrem wohl glänzendsten Tag ihrer Geschichte geführt. Aber er hat sehr schnell einer produktiven Außenpolitik eine zweifelhafte Innenpolitik folgen lassen.
Nach der Entlassung zieht sich Bismarck auf seinen Landsitz Friedrichsruh bei Hamburg zurück. Noch acht Jahre wird er dort leben. Sein Abschied wird als Ende einer Ära empfunden, auch im Ausland.
Der Lotse geht von Bord, schreibt und zeichnet die englische Zeitung Punch. Schied eines Mannes, der in seiner Ära Gegensätzliches vereinte. Er war ein Konservativer, der den modernen deutschen Nationalstaat schuf.
Die äußere Vereinigung ist ihm geglückt, die innere hat er verzögert. Das von ihm geschaffene Reich... Seine Nachfolger werden es verspielen.