Welche Werbung du siehst, welchen Preis du bezahlst, welche Filme dir vorgeschlagen werden und sogar mit wem du auf das nächste Date gehst, wird heutzutage alles von künstlicher Intelligenz beeinflusst. Den Begriff haben sicherlich alle schon mal gehört, denn das Thema wird gerade, zu Recht oder zu Unrecht, ohne Ende gehypt. Und trotzdem wissen viele gar nicht, was dort eigentlich genau passiert. Wie funktioniert so ein Algorithmus, der scheinbar alles lernen kann?
Der Begriff Künstliche Intelligenz ist etwas dramatisch und populärwissenschaftlich. Stattdessen sprechen Experten eher von Machine Learning, dem Lernen der Maschinen. Aber wie funktioniert das eigentlich? Wie kann ein Computer, der nur mit Einsen und Nullen arbeitet, etwas lernen?
Wenn ich euch frage, welches dieser beiden Bilder einen Menschen zeigt, dann stellt das, hoffentlich, kein Problem für euch dar. Auch verwischte, verdeckte oder versteckte Menschen können wir meist ohne Probleme erkennen. Und selbst ein neuartiges Konzept, das ihr vielleicht noch nie zuvor gesehen habt, könnt ihr innerhalb von Sekunden verinnerlichen und wiedererkennen, ohne dass ich euch sagen muss, welche Eigenschaften dieses spezielle Konzept ausmachen. Aber wenn es darum geht zu erklären, wie wir etwas wiedererkennen können, haben wir keine Ahnung. Wie lernen wir?
Nun, natürlich muss das Lernen irgendwo im Gehirn stattfinden und deswegen auch irgendwie mit den Neuronen und Synapsen in unserem Gehirn zusammenhängen. Aber während wir noch verstehen, wie ein einzelnes Neuron funktioniert, ist es beinahe unmöglich vorherzusagen, wie ein großer Haufen Neuronen zusammenarbeitet. Ein Ansatz des maschinellen Lernens sind die sogenannten neuronalen Netze.
Die Idee der neuronalen Netze ist lose davon inspiriert, wie man sich auch vielleicht vorstellt, wie das menschliche Gehirn arbeitet. Das ist Dr. Jascha Ullrich, der bei ZEISS in der aktiven Forschung an Machine Learning arbeitet. Und ich habe ihn gebeten, mir einmal so einfach wie möglich zu erklären, was ein neuronales Netzwerk ist. Ganz simpel würde ich sagen, ein neuronales Netzwerk, dazu brauchst du erstmal ein Neuron und dann hast du ein einzelnes Neuron.
Das ist ganz simpel, das kriegt ein Eingabesignal und da kommt was raus. Und das kann das Eingabesignal vielleicht verändern in sehr begrenztem Maßstab, aber das macht es. In sehr, sehr begrenztem Maßstab. Und mit einem Neuron, was ein Eingabe-Signal hat, kann man das Eingabesignal verändern. Signal bekommt und was rausschickt, kann ich noch nicht viel anfangen.
Und jetzt kann ich mir überlegen, ich mache jetzt ein ganz großes Netzwerk von all diesen Neuronen und dann kann ich versuchen einfach schon was viel viel komplexeres zu realisieren mit ganz vielen kleinen Bestandteilen, die halt einfach alle nur etwas sehr simples machen. Um sich das besser veranschaulichen zu können, bauen wir jetzt einmal unser eigenes neuronales Netzwerk. Sagen wir, wir wollen es dazu bringen, dass es menschliche Gesichter erkennt.
Unser Netzwerk ist zu Beginn nichts anderes als ein Computerprogramm, das einzelne Knotenpunkte simuliert. Diese Knotenpunkte nennt man auch wirklich Neuronen und ein Neuron hat hier nur eine Aufgabe. Eine Zahl entgegenzunehmen, diese auf eine bestimmte Art und Weise zu verarbeiten und dieses Ergebnis auszugeben.
Ein Neuron kann zum Beispiel die Aufgabe haben, jede Zahl, die es erhält, zu verändern. zu halbieren. Unser Netzwerk ist außerdem in Schichten aufgeteilt und so aufgebaut, dass die Werte der einen Schicht zur nächsten Schicht weitergegeben werden, bis am Ende nur zwei Neuronen die Werte entgegennehmen.
Diese beiden Neuronen stehen für Gesicht und Kein Gesicht und sind am Ende unser Ergebnis. Wenn alles richtig läuft, dann sollte einer dieser beiden Punkte einen möglichst hohen Wert erhalten, wenn man vorne in das Netzwerk ein Bild einspeist. Da wir aber mit komplett zufällig generierten Werten starten, kommt jetzt erstmal natürlich nur Quatsch.
raus. Das Netzwerk ist totales Chaos und ergibt keinen Sinn. Und das ist auch in Ordnung, da wir selber gar keine Vorgabe machen wollen, wie das Netzwerk arbeiten soll. Nun kommt der interessante Teil.
Der Teil, in dem unser Netzwerk etwas lernt. Ein neuronales Netzwerk ist nämlich quasi eine mathematische Formel und indem wir die einzelnen Variablen dieser Formel, die Neuronen, verändern, lernt das Netzwerk. Wenn wir ein Bild in unser Netzwerk einspeisen und wie erwartet eine zufällige Mischung aus unseren beiden Antwortmöglichkeiten erhalten, können wir dem Netzwerk einen Schubs in die richtige Richtung geben.
Wir wissen, dass das Bild ein menschliches Gesicht enthält und wollen also, dass am Ende das Neuron Gesicht einen möglichst hohen und das Neuron kein Gesicht einen möglichst kleinen Wert hat. Um das zu erreichen, können wir die Verbindungen zu diesen Neuronen beeinflussen, indem wir die Werte der Neuronen in der Schicht davor verändern. Und um diese Werte zu ändern, müssen wir die Werte in der Schicht davor verändern.
Da in unserem Netzwerk alles miteinander verbunden ist, spielt jeder einzelne Neuron eine Rolle. Wert eine Rolle und verändert das Endergebnis. Nachdem wir nun das erste Bild eingespeist und das Netzwerk ein kleines bisschen angepasst haben, kommt das zweite Bild und dann das dritte und so weiter. Bei jedem einzelnen Bild, das wir ins Netzwerk werfen, schauen wir uns das Ergebnis an und justieren die vielen hundert, tausend oder sogar Millionen Stellschrauben, sodass das Ergebnis ein kleines bisschen mehr in die Richtung geht, die wir erreichen wollen.
Je nach Aufgabe braucht man Millionen Trainingsbilder. von denen jedes einzelne vorher von einem Menschen markiert werden muss. Das sind eine Menge Daten. Aber es lohnt sich. Denn wie durch Magie kann unser Netzwerk aus Abermillionen Stellschrauben jetzt Bilder mit Gesichtern von Bildern ohne Gesicht unterscheiden.
Wichtig für das Verständnis ist, dass wir dem Netzwerk keine konkrete Aussage gegeben haben. Wir haben nicht gesagt, dass ein Gesicht immer zwei Augen, eine Nase und einen Mund hat. So lernen wir als Kinder nämlich auch nicht, was ein Gesicht ist.
Stattdessen findet das Netzwerk sozusagen seine eigene Methode. Man könnte vermuten, dass die ersten Schichten des Netzwerks dazu da sind, Kanten und Muster zu erkennen, während die Schichten dahinter Augen und Nasen erkennen können. Aber wenn man in ein solches neuronales Netzwerk hineinguckt, sieht der Arbeitsprozess für uns Menschen immer noch extrem zufällig aus. Das ist das Spannende an KI.
Selbst die Programmierer der Algorithmen selber wissen nicht genau, warum die Algorithmen arbeiten, wie sie es tun. Und trotzdem funktionieren sie oft mit über 99% Genauigkeit. Wer jetzt Angst davor bekommt, dass ein solches neuronales Netzwerk ein Bewusstsein entwickelt und immer intelligenter wird, um schließlich die Menschheit zu unterjochen, der täuscht sich. Wer ein neuronales Netzwerk ist, ist natürlich inspiriert durch ein menschliches Gehirn.
Aber natürlich ist er nicht nur ein Mensch, Neuronalis Netzwerk kein selbstständig denkendes Wesen, sondern letztendlich ist es nur eine mathematische Funktion, die zu einem gegebenen Input einen festen Output berechnet. Genau, es ist nichts anderes als eine unglaublich komplizierte Matheformel. Und trotzdem verändert Machine Learning unser Leben. Algorithmen können inzwischen Brett-und Computerspiele besser spielen als die jeweiligen Weltmeister.
Sie können neue Bilder und Videos kreieren, die täuschend echt aussehen und somit kreative neue Möglichkeiten eröffnen. Und Und sie retten Menschenleben. Malaria tötet jedes Jahr eine halbe Million Menschen. Die Hälfte der Menschheit läuft Gefahr, sich mit Malaria zu infizieren.
Um medizinresistente Versionen der Krankheit zu erkennen, müssen ausgebildete Experten ca. 20 Minuten lang mit einem Mikroskop eine Blutprobe untersuchen. Und das für jeden Patienten aufs Neue. Deswegen haben Forscher nun ein neuronales Netzwerk darauf trainiert, die Malaria-Parasiten unter dem Mikroskop zu erkennen. Dabei ist der Algorithmus inzwischen genauso akkurat, wie ein gut ausgebildeter Arzt im Labor.
Falls sich das Netzwerk dennoch unsicher ist, schaut sich ein Mensch die Blutprobe an. Und ich denke, so oder so ähnlich sieht unser zukünftiges Zusammenleben mit künstlicher Intelligenz aus. Arbeit, die wir Menschen nicht machen können oder wollen, geben wir an Algorithmen ab.
Und falls dort ein Problem auftauchen sollte, dann schauen wir Menschen drauf. Mit unserem biologischen, neuronalen Netzwerk. Dr. Jascha Ullrich habe ich übrigens auf der Auftaktveranstaltung 2018 von ZEISS interviewen können.
ZEISS hat mich netterweise bei der Produktion dieses Videos unterstützt und eingeladen, um in Oberkochen dabei zu sein, als der ZEISS MINT Award an Schüler, Auszubildende und Studenten vergeben wurde. Bei dem Wettbewerb hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre eigenen Wissenschaftsprojekte vorzustellen. Von selbstfahrenden Autos bis zu Helferrobotern waren alle möglichen coolen Projekte vertreten. Vielen Dank an Zeiss für die Unterstützung und danke an euch fürs Zuschauen. Bleibt neugierig, euer Cedric.