Laut Legende fängt alles mit einer Love Story an. Beim Strandurlaub in Phönizien verliebt sich Griechen-Gott Zeus in eine Prinzessin namens Europa. Statt sie anzusprechen, verwandelt er sich in einen Stier und entführt sie in seine Heimat Kreta.
Dort wird sie zur Urmutter und Namensgeberin unseres Kontinents. Denn die Kinder aus der göttlichen Beziehung schaffen in Griechenland die erste europäische Zivilisation. Doch der Honeymoon wird nicht lange. In den folgenden mehr als 2500 Jahren gibt es in Europa rund 600 Kriege und bewaffnete Konflikte, von denen die meisten Jahre oder Jahrzehnte dauern. Fast immer herrscht irgendwo Krieg.
Und da die Europäer seit dem 15. Jahrhundert weite Teile der Welt kontrollieren, werden aus Europäischen am Ende Weltkriege. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg soll der Wahnsinn endlich enden. In Paris weiß man schon länger, dass man aus Stahl Schöneres als Kanonen bauen kann. Und so hat der französische Außenminister Robert Schumann Anfang der 1950er Jahre einen Plan. Die gemeinsame Nutzung von Kohle und Stahl.
Als Fundament eines friedlich vereinten Europas. 1951 schmiedet Schumann zusammen mit dem westdeutschen Kanzler Konrad Adenauer Italien und den Benelux-Ländern die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Die Montanunion wird zum Motor des Aufschwungs. Statt Panzer rollen Pkw von den Fließbändern und werden zum Symbol des westeuropäischen Wirtschaftswunders. Das Projekt Europa nimmt schnell Fahrt auf.
Und die Väter der Montanunion wollen es weiter vorantreiben. Im März 1957 treffen sie sich auf dem Kapitol in Rom. Sie wollen ihr Bündnis ausbauen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Unterzeichnung der römischen Verträge ist der erste Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union.
Die Geburtsstunde unseres heutigen Europas. Doch bis 1989 teilt der eiserne Vorhang nicht nur Deutschland, sondern den ganzen Kontinent in Ost und West. Erst nach dem Mauerfall wächst Europa wirklich zusammen. Die ursprüngliche Gemeinschaft der Sechs wächst zur Union der 28. Ein Erfolgsmodell?
Nie herrschte so lange Frieden wie im vereinten Europa. Ein Erfolg, der 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Doch in den letzten Jahren haben Krisen den Kontinent erschüttert und die Einheit Europas infrage gestellt.
In der Finanzkrise fühlen sich viele Europäer als Verlierer. Auch die Flüchtlingskrise stellt Solidarität und gemeinsame Werte infrage. Vom Hort der Freiheit droht Europa zur Festung zu werden.
Die Briten wollen der Gemeinschaft Farewell sagen. Andernorts machen sich Nationalisten breit. Haben sie die Menschen wachgerüttelt?
Oder hat die Mehrheit genug von Europa? Die jüngsten Umfragen geben Hoffnung. Das erste Mal seit zehn Jahren wünschen sich sieben von zehn Europäern in vielen Bereichen mehr Europa. Zuletzt lag die Zustimmung zur EU bei 57 Prozent, vier Prozent mehr als 2016. Europa steht am Scheideweg.
Der Traum von Freiheit, Menschenrechten, Demokratie, er hat uns Jahrzehnte des Friedens und Wohlstands beschert, Mauern zum Einsturz gebracht. Doch die jüngsten Krisen haben uns aufgerüttelt, Widersprüche aufgedeckt. Sollen wir deshalb aufhören zu träumen?
Make love, not war. Vielleicht haben es die Europäer inzwischen kapiert.