Vorlesungsnotizen Chemie

Mein Studium ist gefährlicher als das Durchschnittsstudium. Wenn Luft an die Spritze kommt, kann es sein, dass es eine Stichflamme gibt. Die größte Gefahr ist eine Kälteverbrennung. Man ist nie sicher, dass es funktioniert. Ich bin Benno, ich studiere Chemie. In meinem Laborpraktikum muss ich einen unbekannten Stoff herstellen. Vakuumfett, Kaliumpermanganat. Das war konzentrierte Schwefelsäure, die ich auf die Hand bekommen habe und abgewischt habe. Wo die anderen Löcher herkommen, weiß ich nicht mal. Mein Studium ist wahrscheinlich gefährlicher als das Durchschnittsstudium. Wir haben Sicherheitsmaßnahmen. Wir kriegen Sicherheitsanweisungen. Wir haben Ersthelfer vor Ort. Man muss nicht um seine Gesundheit fürchten, aber ab und zu passiert was. Das Ziel des Praktikums ist es, diese Präparate herzustellen, die Doktoranden eben brauchen, um ihre Arbeit zu schreiben und an ihren Sachen zu forschen. Dementsprechend ist es was Besonderes, dass wir an einer richtigen wissenschaftlichen Arbeit mit teilnehmen. Aus 4,4'-Dimethyl-2,2'-bipyridin mache ich 4-(4-Bromobutyl)- 4'-methyl-2,2'-bipyridine. Man ist nie 100% sicher, dass es funktioniert. Dadurch dass das Synthesen sind, die teilweise noch nie gemacht wurden. 6 Versuche, was viel ist. Aber wir müssen auch unsere Vorlesungen machen, in die anderen Praktika gehen. Da summiert sich schon was. Das Antestat für meinen Versuch, quasi eine mündliche Prüfung. Ich muss zeigen, dass ich in der Lage bin, diesen Versuch selbständig durchzuführen, dass ich die Gefahren dieses Versuchs verstanden habe. Klopf, klopf. Dürfte ich mein Antestat schon machen. Kannst ja schon mal anfangen und erklären, was wir in der ersten Reaktion machen. Es ist offiziell eine mündliche Prüfung. Was wir da sagen, geht eins zu eins in unsere Note ein. Aber es ist nicht, wie man es aus der Schule kennt. (Mann) Wie geht es weiter? Welches Atom hat THF als Heteroatom? Ich brauche Hilfe. Ich rede mit meinem Assistenten. Der hat Verständnis dafür,
dass man Sachen nicht weiß. Was wären so die Gefahren, die du beachten solltest? Ich würde es trotzdem mit sehr großer Vorsicht handhaben. Also Handschuhe.

Genau. Es ist ein Feststoff. Du solltest trotzdem das nicht auf die Haut bekommen. Für mich stand fest, ich will was Naturwissenschaftliches machen. Und habe Chemie genommen, in der Hoffnung, dass es spannender wird, als das Chemie, was man aus der Schule kennt. Was streckenweise sehr langweilig ist, sehr theoretisch. Und wurde nicht enttäuscht. 430 Seiten ungefähr. Quantenmechanik beschreibt im Prinzip, wie Atome und Moleküle quasi auf der kleinsten Ebene agieren. Also wie Elektronen konfiguriert sind, damit die Reaktionen stattfinden. Es ist die ganz kleine Perspektive von der Chemie. Es gibt diese 2, 3 Vorlesungen, die einen umhauen. Wo man wirklich vor der Klausur 2 Wochen pauken muss, damit man überhaupt versteht, um was es geht. Man muss sich darauf einlassen. Die meisten, die aufgehört haben, Chemie zu studieren, haben gemerkt, ich habe weniger Semesterferien als andere. Meine ECTS muss ich mir schwieriger verdienen, weil ich länger an der Uni bin. Ich bin oft ganztags an der Uni. Aber wenn es mir Spaß macht, mach ich es gerne. Alles klar, viel Spaß.
Danke, danke. Ja, anspruchsvoll. Nee, es ist bei so was einfach halt ein bisschen schwierig. Ich habe mir das einmal im Internet durchgelesen, und er forscht ja daran. Er hat diese Reaktion auswendig im Kopf und kennt die ganzen Tücken. Dann fühlt man sich ein bisschen dumm, wenn man da mitredet. Das Antestat war schon gut. Er konnte alle Gefahren nennen. Bei der Reaktionsgleichung haben wir ein bisschen rätseln müssen. Aber das hat er auch gut hinbekommen. Alles in allem hat es ihm zum Glück gereicht. Wer von euch hat schon mal eine Schlenk-Line verwendet? Warum verwenden wir das?
Luftausschluss. Und Feuchtigkeitsausschluss. Es ist relativ besonders, weil ich sagen kann, ich kann eine Reaktion machen, und da ist gar kein Wasser
und v.a. gar keine Luft dran. Wir können Versuche damit relativ einfach machen, die vor 50, 60, eher 100 Jahren, absolut undenkbar gewesen sind, weil es diese Technologie noch nicht gab. Ich muss mit Butyllithium arbeiten. Da darf keine Luft drankommen, weil sobald Luft drankommt, geht das in Flammen auf. (Mann) Hier haben wir flüssigen Stickstoff drin. Welche Gefahren bringt der Stickstoff mit? - Der ist kalt. Die größte Gefahr ist, dass du eine Kälteverbrennung hast. Ich würde mit dem Versuch gerne anfangen wollen. Chemikalien dazu? Was brauchst du alles? Ein sehr naher Verwandter von dem Stoff ist krass krebserregend. Deswegen geht man bei dem Stoff auch davon aus. Deswegen trage ich ausnahmsweise Handschuhe. 1,05 g ist in der Vorschrift. Ein Prozent Abweichung ist okay. Wenn ich einen Fehler bei einer der Substanzen mache, wird er schlimmstenfalls, wenn ich keine Zeit habe, den noch mal zu machen, mit Null bewertet. Wir werden bewertet auf Sicherheit, wie das Antestat lief, wie viel Ausbeute wir haben, und die Reinheit von dem Stoff wird bewertet. Man muss schon einen Knacks in der Birne haben. Es ist ein Studium, was nicht,
man geht aus der Uni, ist fertig. Sondern dann geht es meistens erst los. Es gibt Tage, da komme ich um 6 Uhr nach Hause und muss bis 10 Uhr Papiere schreiben. Dann muss ich ins Bett, weil ich um 9 Uhr wieder an der Uni sein muss. Das geht teilweise 3 Wochen lang. Das ist anstrengend. Wenn jetzt Luft an die Spritze kommt, kann es gut sein, dass das hier so eine Stichflamme gibt. Ich habe mehrere Freunde, die sich im Praktikum verletzt haben. Eine davon musste ins Krankenhaus über 2 Nächte. Heute war wieder die Feuerwehr im Keller, weil eine Chemikalie ausgelaufen ist. Kriegt man meistens nicht mehr mit, weil es relativ routiniert abläuft, solche Einsätze. Das Kritische ist quasi das Überfüllen der Spritze. Das habe ich jetzt überstanden. (Mann) Jetzt machst du ein bisschen oben hin. Dass du mal siehst, ob drüben überhaupt was ankommt. Dann siehst du gleich, dass es hier schwarz wird. - Oh ja. Wenn es schwarz ist... Immer wenn man quasi sieht live an der Reaktion, da passiert was, da fahr ich voll drauf ab. Wenn die Farbe umschlägt, wenns
anfängt, kalt oder warm zu werden. Wenns raucht oder so was, das ist super. Das sind immer die Highlights. Das muss dann über Nacht, ne? Lässt es aufwärmen, dann lässt du es über Nacht drin. (Benno) Ein bisschen Mut zur Lücke. Und hoffen, dass das Richtige drankommt. Wenn ich die Klausur nicht bestehe, muss ich sie nächstes Jahr schreiben. Nächstes Jahr hatte ich vor, den Bachelor zu haben. Ja, anspruchsvoll, aber machbar. Es war nicht so gemein gestellt, die Klausur, wie viele befürchtet hatten. Ich gehe stark davon aus, dass ich das bestanden haben sollte. Im Idealfall mit einer guten Note. Meine Reaktion ist quasi über Nacht gerührt. Im Idealfall sollte das grün bis gelblich sein. Okay. Also wir sehen, es ist noch rötlich. Ähm, das ist nicht das, was ich mir gewünscht hätte von der Farbe her. Aber jetzt auch nicht, wo ich sage, das Experiment ist gescheitert. Ich habe noch kein Wasser dazugegeben. Es kann aber gut sein, dass da so unreagiertes Zeug drin ist. Wo hab ich mein Handy? Wenn da steht, es soll blass gelblich sein, dann ist es dunkelrot, dann ist immer so der Moment, irgendwas stimmt da nicht. Oft sind das so Kleinigkeiten, dass was ganz Intensives, aber in ganz wenig Spuren drin ist. Dass man die rausfiltert oder was auch immer. Oft funktionieren Sachen anders,
als in der Literatur beschrieben. Eine Frage.
Ja. Wenn man jemanden hat, der sich auskennt, den man fragen darf, das ist die große Hilfe, die wir haben. Ich würde mal sagen, dass die Reaktion schon gut aussieht. Wenn deine ganze Base verbraucht ist, und du hast das Dibrompropan schon drin, dann ist alles abreagiert. Dann kannst du bei der Reaktion nichts mehr machen. Prinzipiell passt es so?
Genau. Alles klar.
Dann bis Montag. Das Studium zeichnet sich nicht durch seine Schwere aus, sondern durch den Zeitaufwand. Selbst in den Ferien
müsst ihr was machen. Aber mir am meisten Spaß macht die praktische Arbeit. Das haben nicht viele Studiengänge, dass sie ihr Wissen praktisch anwenden können. Jetzt habe ich das NMR-Spektrum für mein Produkt ausgewertet. Wir haben das rausbekommen, was wir wollen, wenn man das mit der Literatur vergleicht. Es müsste mindestens 98% rein sein, was sehr gut ist. Ich finde das eine sehr gute Nachricht. Der Versuch ist nicht schlecht gelungen, weil die Ausbeute nicht schlecht. Lief auf jeden Fall relativ gut. Was man mit dem Chemiestudium machen kann, seht ihr in der ARD Mediathek. Wenn ihr Lust auf ein weiteres Video habt, ist das hier.

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