Transcript for:
Neuronenleitung und Myelinisierung

In diesem Video geht es um die Frage, wie eine elektrische Erregung in einem Neuron, einer Nervenzelle, weitergeleitet wird. Dies kann auf zwei unterschiedliche Arten geschehen, durch saltatorische oder kontinuierliche Erregungsweiterleitungen. Das Video ist eingebettet in eine Videoreihe zum Thema Neurobiologie. Die vorherigen Videos zum Ruhemembranpotential und zum Aktionspotential bilden die Grundlage für das Verständnis der Erregungsweiterleitung. Ruft euch nochmal ins Gedächtnis, dass ein Aktionspotential eine plötzliche und vorübergehende Änderung des Membranpotentials ist. Liegt das Membranpotential im Ruhezustand noch bei ca. minus 70 mV, wird bei einem Aktionspotential kurzzeitig ein Membranpotential von plus 50 mV registriert. Was hat das mit dem Thema des Videos zu tun? Aktionspotentiale sind nichts anderes als Nervenimpulse. Sie werden über einen langen Fortsatz des Neurons, dem Axon, weitergeleitet. Wir schauen uns also bei der Erregungsweiterleitung an, wie sich ein Aktionspotential entlang der Axonmembran fortpflanzt, wie es sich entlang eines Axons ständig selbst regeneriert. Welche Form der Erregungsweiterleitung genutzt wird, ist davon abhängig, ob das Axon eines jeweiligen Neurons myelinisiert ist oder nicht. Eine Myelinscheide ist eine lipidreiche Schicht, die von speziellen Zellen gebildet wird, und das Axon wie eine Hülle umgibt. Nicht alle Axone sind myelinisiert, aber diejenigen, die es sind, können Aktionspotenziale saltatorisch viel schneller weiterleiten als nicht-myelinisierte Axone, wo die Weiterleitung kontinuierlich erfolgt. Der Begriff saltatorisch entstammt dem lateinischen saltare für springen, somit verrät auch der Begriff bereits etwas über die rasche Impulsfortleitung. Hier überspringt die Erregungsweiterleitung größere Strecken, wie gleich noch deutlich wird. Invertibraten. Also wirbellose Tiere besitzen keine Myelinscheiben. Bei ihnen erfolgt die Weiterleitung kontinuierlich. Schauen wir uns die kontinuierliche Erregungsweiterleitung mal auf molekularer Ebene an. Wenn ein erregendes Signal von einer Nervenzelle an einer Synapse über die Dendriten empfangen und weitergeleitet wird zum Axonhügel, wo sich viele Natrium-Ionen-Kanäle befinden, wird dieser Bereich depolarisiert. und überschreitet die Depolarisation einen bestimmten Schwellenwert, wird automatisch ein Aktionspotential ausgelöst. Die Depolarisation, bei der das Membranpotential positiver wird, wird hervorgerufen durch das Öffnen von Natrium-Ionen-Kanälen und dem Einstrom von positiv geladenen Natrium-Ionen ins Zellinnerer. Warum eigentlich nicht raus? Natrium liegt außerhalb der Zelle viel höher konzentriert vor und ist danach bestrebt, diesen chemischen Konzentrationsgradienten auszugleichen. Und auch der anfängliche elektrische Ladungsgradient, nämlich, dass das Zellinnere negativer geladen ist als der Außenbereich der Zelle, bewirkt diese Bewegungsrichtung, denn durch den Einstrom positiv geladener Natriumionen wird der elektrische Gradient ausgeglichen. Das Membranpotential kehrt sich also um. Infolge des Überschreitens des Schwellenwertes und der Eröffnung vieler Natriumkanäle ist das Zellinnere in diesem Bereich kurzfristig gegenüber den Zelläußeren positiv geladen. In der direkten Umgebung befindet sich das Axon im Ruhezustand. Hier ist das Zellinnere gegenüber dem Außenmedium negativ geladen. Aufgrund dieser Ladungsunterschiede kommt es zu einem seitlichen Stromfluss in die benachbarten Membranbereiche, die negativ geladen sind, zu einem Ausgleichsstrom. Dabei breiten sich nicht nur die eingeströmten Natrium-Ionen in die benachbarten Membranbereiche aus, sondern sie ziehen als Protonen, sie sind ja positiv geladen, auch negative Ladungen an Ionen aus der Umgebung an. Durch diese elektrostatische Anziehungskraft, auch elektrotonisches Potential genannt, und die Bewegung von Anionen hin zu den positiven Ladungen, beginnen die benachbarten Membranabschnitte zu depolarisieren. Ihr Membranpotential wird positiver. Klar, ihnen fehlen ja nun die negativen Ladungen und zugleich erreichen diese Bereiche auch ein paar positive Ionen. Erreicht diese Depolarisation wieder den Schwellenwert, öffnen sich wiederum Natrium-Ionen-Kanäle und es wird erneut ein Aktionspotential generiert. Auf diese Weise bewegt sich das Aktionspotential kontinuierlich vorwärts, wobei es sich auf seinem Weg entlang des Axons ständig selbst regeneriert. Wenn wir uns nicht gerade am Axonhügel, sondern irgendwo entlang des Axons befinden, dann wirkt sich die elektrostatische Anziehungskraft von positiven, in die Zelle strömenden Natrium-Ionen sowohl auf die Membranbereiche davor und danach aus, die sich im Ruhepotential befinden. Trotzdem ist das Aktionspotential unidirektional. Es pflanzt sich nur in eine Richtung fort, und zwar vom Zellkörper weg. Das Aktionspotential kann seine Richtung nicht umkehren, weil die spannungsgesteuerten Natriumkanäle in der Membranregion, die es kurz zuvor passiert hat, refraktär sind. Sie sind auch geschlossen und können erst zeitverzögert nach einer sogenannten Refraktärzeit erneut reagieren. Wie anfangs erwähnt, ist diese Form der Erregungsweiterleitung deutlich langsamer als die saltatorische Weiterleitung bei Neuronen mit Myelinscheide. Nun. Wenn mit der Entstehung von Myelinscheiden im Laufe der Evolution doch so ein Selektionsvorteil verbunden war, warum hat sich dieses Merkmal nicht auch bei den Wirbellosen im Laufe der Evolution entwickelt? Bei ihnen evolvierte ein anderes Merkmal, und zwar ein größerer Axondurchmesser, um die Fortleitungsgeschwindigkeit von Aktionspotentialen zu erhöhen. In dickeren Axonen wandern Aktionspotentiale rascher fort als in dünnen. Weil der elektrische Widerstand, der ein Axon dem Stromfluss entgegensetzt, mit zunehmendem Durchmesser natürlich sinkt. Der Tintenfisch als wirbelloses Tier besitzt beispielsweise sogenannte Riesenaxone. Sie können bis zu 1000 mal dicker sein als die von Wirbeltieren. Ein Nachteil, das Nervensystem benötigt viel Platz und Energie. Platz, die das Nervensystem von Wirbeltieren nicht hat. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es eine viel größere Zahl an Axonen enthält. Allein von euren beiden Augen gehen etwa eine Million Axone aus. Ihr könnt euch leicht vorstellen, dass es keine praktikable Lösung sein kann, über eine Erhöhung des Durchmessers die Fortleitungsgeschwindigkeit von Nervenimpulsen zu erhöhen. Nein, bei uns Wirbeltieren evolvierte ein anderes Merkmal, und zwar die Myelinisierung und damit verbunden die saltatorische Erregungsweiterleitung. So besitzen die meisten der Axonen die eingangs beschriebene Myelinscheide, auch schwansche Zellen genannt. Diese ist in regelmäßigen Abständen von 0,2 bis 2 mm unterbrochen. an denen die Axonmembran freiliegt. Diese Stellen bezeichnet man auch als Ranviersche Schnürringe. Die Myelinscheide wirkt wie eine Isolierung eines Stromkabels. Hier kommt es kaum zu einem Ionenfluss durch die Axonmembran, wodurch der elektrische Strom sich weiter ausbreiten kann als in einem unmyelinisierten Axon. Die Schnürringe sind nicht nur unmyelinisiert, sondern sie sind auch dicht besetzt mit spannungsgesteuerten Ionenkanälen. Ein Axon kann also nur hier ein Aktionspotential generieren. nicht aber in den benachbarten Membranregionen mit umgebender Myelinscheide. Der durch eine Depolarisation ausgelöste Stromfluss kann also nicht durch die isolierende Myelinscheide dringen. Stattdessen breitet er sich weiter entlang der Axonmembran aus und depolarisiert die Membran am nächsten Schnüring bis zur Schwelle, wodurch ein neues Aktionspotential ausgelöst wird. Aktionspotentiale springen also von einem Schnüring zum nächsten. und müssen nicht im Zwischenraum erneut ausgelöst werden, was zu einer deutlich schnelleren Erregungsweiterleitung beiträgt. Führen wir uns zum besseren Verständnis noch einmal die kontinuierliche Erregungsweiterleitung ohne Myelinscheiden vor Augen und erinnern uns, dass die elektrostatische Anziehungskraft infolge des Einstroms von positiven Ladungen die Erregung weiterleitet. Sie wird allerdings nur über äußerst kurze Entfernung weitergeleitet, denn die Membran isoliert schlecht. Der elektrische Gradient, innen deutlich positiver als außen, kann schnell über den Austritt der positiv geladenen Ionen aus der Zelle abgebaut werden. Dies kann infolge der Myelinscheide als Isolierschicht bei der saltatorischen Erregungsweiterleitung nicht passieren, mit der Folge, dass sich der elektrische Strom passiv deutlich weiter ausbreiten kann, eben bis zum nächsten Schnüring.