Berlin, April 1945. Die letzten Tage des Dritten Reichs. Auf den Straßen kämpfen Jugendliche für das Nazi-Regime. Viele sind noch nicht mal 15 Jahre alt. Sie sollen Berlin um jeden Preis verteidigen und ihren sogenannten Führer, der sich in seinem Bunker verschanzt hat. Gegen die Rote Armee haben sie keine Chance.
Aber sie sind bereit, Adolf Hitler ihr Leben zu opfern. Wer waren diese Halbwüchsigen? Wieso gehorchten sie dem Naziregime bedingungslos?
Wie gerieten diese jungen Menschen in den Sog des Nationalsozialismus? Dass man von uns verlangt hat, zu schwören, für Führer, Volk und Vaterland, wenn es notwendig ist, auch das Leben zu opfern, das war eigentlich nicht verständlich. Ein zentrales Werkzeug war dabei die Hitlerjugend.
Ein Volk, ein Führer, ein Reich. Begriffe hat man also direkt uns eingeprägt. Es gab keinen anderen Führer, nur einen Führer gab es.
Und der wurde angehümmelt bis dort hinaus. Welche Werte bekamen Sie in der Nachkriegszeit? die Organisation der NSDAP eingetrichtert. Für das Regime waren sie Zukunft, Aushängeschild und Kanonenfutter. Die Hitlerjugend entsteht in den 20er Jahren und dient aufopferungsvoll ihrem Führer.
Als Adolf-Hitler-Reichskanzler wird, soll die Organisation sämtliche jungen Deutschen erfassen. Schon im Kindesalter werden sie militärisch und ideologisch gedrillt. Als Deutschland Krieg führt, sind sie bereit und willens, ihrem Land zu dienen.
1943 werden Hitlerjungen als Lobbyisten in der Stadt. Luftwaffenhelfer in die Flakstellungen eingezogen. Sie richten Suchscheinwerfer und Geschütze auf alliierte Bomber, um deutsche Städte zu schützen.
Zur Schule müssen sie nicht mehr, manch einer ist überglücklich. Begeisterung kann ich kaum beschreiben. Es kam ein Luftwaffenoffizier zu uns in den Unterricht und verkündete uns, dass die Jahrgänge 26 und 27 dieser bestimmten Klassen der höheren Schulen mit dem 10. oder 15. Februar 1943 zur Flak kämen als Luftwaffenhelfer. Wir sind alle aufgesprungen, haben gejubelt, es war ein ohrenbetäubender Lärm.
Und nun, auf einen Schlag, wurden wir Soldaten, ehe wir es gehofft hatten. Nur Freude. Schlag und Nachtjäger sind bereit.
Nun mag der Tommy kommen. Mit vorwerfen die englischen Luftpiraten ihre Bomben auf offene Dörfer und Städte. Es geht ihnen nicht nur um wehrwirtschaftliche Ziele.
Durch fortlaufende Beunruhigung hoffen sie, die deutsche Volkskraft zu schädigen. Wir haben ja in der Vorstellung gelebt, dass Deutschland einen Verteidigungskrieg führt. Da haben wir unseren Dienst dort mit größer, Er ist dem Eifer abgeleistet.
Und so gut wie irgendjemand. Echte Waffen, ständig in Gefahr. Viele sind vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen.
Endlich kämpfen sie als Soldaten, als Männer für den Führer und das Reich. Unter den 200.000 Verkäufern sind auch Günter Gras, später Literaturnobelpreisträger, und Josef Ratzinger, der spätere Papst. Benedikt XVI. Wir haben einmal an einem Nachmittag zwei Jagdbomber, also in einem Abstand von einer halben Stunde, abgeschossen.
Das ist ein Triumphgefühl. Ich habe so ein Flak-Kampfanzeichen gekriegt und das kriegte man dann, wenn man an Abschuss von acht Flugzeugen beteiligt war. Und wenn ich multipliziere, bin ich also ungefähr am Tod von ungefähr 50 Leuten beteiligt gewesen.
Als die vor uns in den Boden rein sind, abgeschossen von uns, haben wir getanzt vor Freude. Aber einmal, als wir da hinkamen und haben den Piloten gesehen, der war als so eine kleine Puppe geschrumpft, also durch den Brand. Das hat uns dann schon sehr, sehr betroffen gemacht. Zwischen zwei Luftangriffswellen werden die jungen Soldaten fast wieder zu normalen Kindern.
Aber die Luftüberlegenheit der Alliierten lässt ihnen nur wenig Hoffnung auf einen Sieg oder auch nur aufs Überleben. Erschöpft von Schlafmangel und ohne jeglichen Gehörschutz schon halb taub, sind sie faktisch Kanonen. Futter.
Wir sind aus den Baracken raus und in ein nahegelegenes Gehölz gezogen. Und da stand ich mit meinem Freund, Heinz Grube, am Waldesrand und vielleicht... 200 Meter entfernt von uns, da stand eine Lokomotive mit Waggons dran gehängt. Und da sind also ein paar Japos erschienen und haben diese Lokomotive und diese Güterwaggons in Fetzen geschossen. Dieser Freund von mir sagt, ja, da haben wir wieder Schwein gehabt, aber ich habe einen Stein in den Rücken gekriegt.
Und da schaut er mich so an. Und da sehe ich schon, also wenn, ja wie soll man das beschreiben, also wenn der Blick so weggeht, und dann hat es sich ein bisschen gedreht noch, und dann habe ich gesehen, also der ganze Rücken war so ein einziges Loch. So eine zwei Zentimeter Granate in den Rücken gekriegt, und da war nichts mehr zu wollen.
Da sind einige Freunde von uns dann nicht mehr wiedergekommen. Und das war für viele von uns erstmal so eine kleine Lektion, mal drüber nachzudenken, was das eigentlich soll. Aber mit solchen Dingen fing ja auch das Abenteuerkrieg an sein Ende zu nehmen.
Dann wurde es wirklich nur noch hart und hässlich und scheppig. Die alliierten Bombardements sind heftig. Im Geschosshagel durchleben die Jungen einen Albtraum. Sie nehmen auch an Zivilschutzeinsätzen teil, um Opfern von Luftangriffen zu helfen.
Wir mussten also die Leichen bzw. die Leichenteile zusammen sammeln und auf Lastwagen laden. Das war ein Schlachtfest, besonders gleich.
In einem Haus, das in Brand geraten war und das schon zum Teil eingestürzt war, lag eine Frau, deren Arm, Unterarm von einem Stahlbalken festgequetscht war. Wir versuchten erst, diesen Stahlträger anzuheben, es war unmöglich. Darauf hat dann der Zustände oder der befehlende Untruftsieher oder wer es war gesagt, Hol ich mal einen Fuchsschwanz, also eine Handsäge.
Und dann hat der der Frau den Oberarm abgebunden und ich habe ihn dann mit dem Fuchsschwanz abgebunden. Ich musste diese Abbindung festhalten, dann hat er ihr den Arm durchgesägt. Und dann konnte sie rausgetragen werden und dann brach das Haus in sich zusammen.
Sie wäre tot gegangen, so hat sie überlebt. Aber das Geräusch, wie eine Säge einen menschlichen Arm durchsägt, das vergisst man nicht. Aufnahmen wie diese bleiben gewöhnlich unter Verschluss. Keinesfalls soll die Moral in der Bevölkerung sinken. Niederlagen bremsen nicht die Propaganda, ganz im Gegenteil.
Wollt ihr einen totalen Krieg? Ja! Wenn nötig totaler und radikaler, als wir ihn überhaupt erst vorstellen können.
Kriegsfreiwillige der Hitlerjugend. Nach der vormilitärischen Ausbildung in den Wehrertüchtigungslagern hat sich ein Teil des ältesten HJ-Jahrganges aus eigenem und freiem Entschluss zum Einsatz in der Waffen-SS gemeldet. Aufmarsch zum Appell!
Und die Hitlerjugend erfüllt ihren Zweck. Im Herbst 1943 werden 16.000 Hitlerjungen des Jahrgangs 1926 für eine neue Division der Waffen-SS eingezogen, gegründet von Reichsführer SS Heinrich Himmler. Diese 12. SS-Panzerdivision trägt den Namen Hitlerjugend. Diese 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen dürfen zwar noch nicht rauchen oder Schnaps trinken, wohl aber töten.
Das NS-Regime setzt auf ihre Waghalsigkeit und ihr mangelndes Gefahrenbewusstsein. Und wie alle Soldaten müssen sie Hitler mit dem sogenannten Führereid unbedingte Treue und Gehorsam schwören. Nach ihrer Grundausbildung in Belgien bricht die 12. SS-Panzerdivision Hitlerjugend in Richtung Normandie auf.
Im Mai 1944 betrachtet das Wehrmachtskommando dieses Gebiet noch nicht als strategisch bedeutend. Vielmehr rechnet man bei Calais mit der Landung der Alliierten. Am 6. Juni 1944 beginnt die Operation Overlord, die Landung der Alliierten in der Normandie.
Für die Hitlerjugend nicht unbedingt ein Grund zur Panik. Als die Nachricht kam... Von der Landung der Alliierten in der Normandie.
Da haben wir in unserer Batterie ein großes Fest gefeiert, weil wir gesagt haben, endlich kommen sie nicht bloß über oben, sondern auf dem Land. Jetzt können wir sie schlagen. Wir waren überzeugt davon, dass wir sie schlagen werden. Am Tag darauf wird die Division Hitlerjugend zur Stadt Cannes geschickt. Einem wichtigen Ziel, das die Alliierten möglichst schnell einnehmen wollen.
Für die Jugendlichen ist es eine Feuertafel. Zusammen mit anderen Einheiten leisten sie den alliierten Truppen bei Carin sechs Wochen lang erbitterten Widerstand. Der Panzerdivision gelingt es, die Offensive der Briten und Kanadier vor den Toren der Stadt zum Stillstand zu bringen. Die Division Hitlerjugend macht zahlreiche Gefangene.
Deutsche Kameras halten die letzten Augenblicke dieser Männer fest, bevor die jungen Soldaten unter dem Kommando von SS-Standartenführer Kurt Mayer ihre Kriegsgefangenen erschießen. An der Abbey Dardenne, westlich von Caen, werden 18 kanadische Soldaten ermordet, 45 weitere im Hof des Château d'Audrieu. Insgesamt tötet die SS-Panzerdivision Hitlerjugend mehr als 180 Kriegsgefangene.
Die Kinder des Dritten Reichs werden zu Kriegsverbrechern. Da waren Junge, die waren so fanatisch, die waren fanatischer als die Alten. Die wären für den Hitler gestorben, die wären durch Fenster gesprungen. Also da muss man bei denen vorsichtig sein, vorsichtiger als bei Erwachsenen.
Die waren in einem Wahn, die waren dem ganzen, also sagen wir mal Hitler, hörig. Die waren hörig, schlicht und einfach. Und die hätten alles getan.
Die Westfront 1944. Kriegsverbrechen, Massaker, Gewaltausbrüche. Die jahrelange Indoktrination der deutschen Jugend trägt furchtbare Früchte. Schnell wird die 12. SS-Panzerdivision Hitlerjugend unter den Alliierten als Baby-Division bekannt. Mit ihrem Draufgängertum und ihrer Grausamkeit geben sie furchterregende Gegner ab. Die jungen Männer handeln als gnadenlose Kampfmaschinen und zögern keine Sekunde, ihr Leben zu opfern.
Ungeachtet oder gerade wegen der Grausamkeit, die sie an den Tag legen, werden sie vom NS-Regime ausgezeichnet. Das Reich präsentiert weiterhin strahlende Helden. Aber die Realität sieht völlig anders aus.
Die alliierten Landungen sind geglückt. Die Wehrmacht hat den Kampf in der Normandie verloren. Hunderttausende Soldaten geraten in Gefangenschaft. Unter ihnen auch tausende junge Männer.
Einst hatten sie mit gestrecktem Arm salutiert, jetzt ergeben sie sich mit erhobenen Händen. Doch diese Niederlagen halten die Hitterjugend nicht davon ab, an anderer Front weiterzukämpfen. Ich weiß noch gut eine Unterhaltung mit meinem guten Freund Hans Keller.
Er hat gesagt, es scheint sich also nicht nur im Osten, sondern auch im Westen schief zu gehen. Ja, aber Krieg verlieren, ausgeschlossen. Ausgeschlossen. Das kann nicht sein.
Überzeugt, das letzte Bollwerk des Deutschen Reichs zu sein, strömen junge Freiwillige in die Kampfeinheiten, teils bereitwillig, teils weniger begeistert. So wie sich in der Kampfzeit die Hitlerjugend aus freiem Entschluss zu Führer und Reich bekannt hat. ist sie heute zur Bewegung der Kriegsfreiwilligen geworden. An historischer Stätte wurde in einer Kundgebung dem Führer die Meldung der Kriegsfreiwilligen des Jahrgangs 1928 erstattet. Das Gebiet Ostfreuden, hier, Meldung.
Meldet 9482 Kriegsfreiwillige der Hitlerjugend. Das wurde befohlen. Das war wie beim Militär.
Da konnte man auch nicht sagen, ich gehe da nicht hin. Dann wäre vielleicht mein Vater ins Kassett gekommen oder die Mutter bestraft. So war das da. Man musste sich freiwillig melden. Die, die sich nicht freiwillig gemeldet haben, die haben dann den Kopf abrasiert bekommen.
Heute melde ich... Ich wünsche Ihnen, mein Führer, dass sich von den Hitlerjungen des Jahrganges 1928 70 Prozent kriegsfreiwillig zu den Fahnen gemeldet haben. Die echte Kriegsfreiwilligkeit dieser Jugend wird in der Kampfmoral auf dem Flachfeld lebendig sein.
Die Ankunft der jungen Rekruten stärkt allerdings nicht gerade die Moral der Völker. Frontsoldaten, die an ihrer Kampfeignung zweifeln. Sie sagt, wir sind verrückt. Zuerst haben die gelacht, wenn wir kamen.
Dann muss man sagen, die meisten von denen, die waren so lange im Krieg gewesen, die waren verwundet, irrt. Und die haben uns wirklich ins Gewissen geredet und uns gefragt, was wir eigentlich glauben, was wir da erreichen können. Und haben uns gesagt, seht ihr da nicht, dass hier alles in Bach runtergeht und warum kommt ihr dann freiwillig auch noch hierher? Der Mythos von heldenhaften, siegreichen Kriege weicht der Realität. Die jungen Soldaten können den Vormarsch der Alliierten nicht aufhalten.
Vier Freunde, mit denen wir hingegangen sind, das waren wirklich Freunde, also nicht nur Soldaten, sondern wir waren Freunde. Und von denen sind innerhalb von 14 Tagen oder drei Wochen drei Mann gefahren. Das war da ziemlich hart und dann fühlt man sich als Kanonenfutter. Wir wurden erzogen für das Vaterland zu kämpfen bis zum Tod. Und das haben wir ernst gemeint und wollten das auch tun.
Wir waren ja im Wahnsinn, wie berauscht und verblendet. Ob in der Ardennen-Offensive oder an der Ostfront, die Hitlerjungen ziehen in die Schlacht. Sie haben keine Wahl. Sich zu ergeben ist verboten.
Auf Deserteure warten Erschießungskommandos. Der Führer empfängt in seinem Hauptquartier den Reichsjugendführer Axmann mit einer Abordnung von 20 Hitlerjungen, die sich bei der Verteidigung ihrer Heimat besonders bewährt haben und dafür mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurden. Ende März 1945 wird Adolf Hitler letztmals für die Wochenschau gefilmt, als er eine Abordnung der Hitlerjugend empfängt, die er zur Schlachtbank geschickt hatte.
Was er zu den Hitlerjungen sagt, ist nicht überliefert. Unter diesen letzten Kämpfern sind auch halbe Kinder, wie der zwölfjährige Alfred Tschech oder Wilhelm Hübner, 16 Jahre alt. Hitler scheint seine Bewegungen nicht mehr kontrollieren zu können.
Anzeichen einer möglichen Parkinson-Erkrankung. Mit 56 Jahren wirkt er wie ein alter Mann. Aber er zeigt keinerlei Einsicht.
Hitler, der Sohn Sohn und auch die ganze Autorat, die hatten einfach den Maßstab für die Dinge total verloren. Und denen war auch im Grunde genommen völlig egal, was aus dem deutschen Volk dann geworden ist. Und der Hitler hat ja sogar noch gesagt, wenn das deutsche Volk untergeht, dann ist es es selbst schuld. Das war eine verbrecherische Wandel.
Da gibt es gar nichts hin und nichts her. Die deutschen Städte verdienen es, zerstört zu werden. Sie sind zu feige und das Volk hat mich im Stich gelassen, so hat der Blödmann gesprochen.
Noch im April 1945, einen Monat vor der Kapitulation, läuft die Kriegsmaschinerie auf Hochduren. Noch immer werden Kindersoldaten in den Kampf geschickt. Auf den Straßen wird die Bevölkerung mit Plakaten dazu aufgerufen, ihre Städte zu verteidigen. Schon Kinder ab zehn Jahren werden darin explizit angesprochen.
So sind wir also am 4. April 1945 gemustert worden. Ein Teil meiner Klasse wurde tauglich gemustert. Und wir kriegten dann auch die Tarnanzüge der Waffen-SS.
Natürlich war das für mich so, man musste die Ärmel und die Beine hochkrempeln. Ich war 1,60 Meter. Also so kleine Tarnanzüge waren offenbar selten. Am 16. April beginnt mit dem heftigsten Artilleriefeuer des Zweiten Weltkriegs, die Schlussoffensive der Roten Armee. Die Sowjets feuern mehr als Geschosse ab.
100.000 Tonnen Stahl regnen auf die deutschen Nieder. Am 25. April 1945 hat die Rote Armee Berlin vollständig eingekesselt. Im Kampf wird einigen Hitlerjungen plötzlich klar, in welch großer Gefahr sie schweben.
Es war eine Frage des Überlebens. Man hat geschossen in eine Richtung, wo man meinte, da ist der Feind. Man hat nach dem Motto, Vorsicht Klamotte, wie man als Jung mit Steinen schmeißt, Vorsicht, ich schmeiße mit einer Klamotte, hat man mit Handgranaten geworfen. Da haben wir siebenmal eingekesselt und siebenmal unter Verlusten wieder freigekämpft. Und dabei sind neun meiner Klassenkameraden ums Leben gekommen.
Es wurde rundum gestorben. Und da war uns also klar, dass wir jetzt nur noch unsere Haut retten wollten. Wir hatten Volltreffer.
Mein Freund war tot und ich lag da und die Schuhe waren vom Fuß gerissen. Und bin dann erst in den Splittergraben gegangen, bevor die nächste Welle kam, die nächsten Bomben fielen. Der Splittergraben ist getroffen worden und ich bin da verschüttet worden. Neben mir war auch ein Kollege von mir, Soldat.
Der ist verwundet worden, der konnte aber noch antworten. Und da wollte ich raus, einfach hilf mir, ja. Und da hat der Feldwebel von hinten etwas weiter zurückgerufen.
Also ich sollte im Loch drin bleiben. Und der hat mir praktisch das Leben gerettet. Dann bin ich zurück und bin in meinem Loch geblieben.
Und habe dann erst später erfahren, dass im übernächsten Loch mein Freund gefallen war. Ja, also das war ein, Sie können sich das gar nicht vorstellen. Was ist das für...
Also das war das Schlimmste, was ich in meinem ganzen Leben erlebt habe. Da begann bei mir, warum Krieg? Ja, da habe ich erst mal gemerkt, was Krieg heißt, so richtig.
Mit 17 Jahren. Für viele der Kindersoldaten ist es die Hölle. Hatten einige zunächst Sorge gehabt, der Krieg könne an ihnen vorbeigehen? Hoffen sie nun genau das. Mit leichten Waffen stellen sich Hitlerjungen den Panzern der 18 sowjetischen Armeen entgegen.
Die Rotarmisten treiben sie wie Ratten aus den Häusern. Während die Jugendlichen in Scharen fallen, sitzt Hitler gut geschützt in seinem Bunker rund acht Meter unter der Erde. An der Oberfläche dagegen hinterhalte Schießereien und Kämpfe Mann gegen Mann.
Ich bin auf einmal den Russen entgegengelaufen. Die haben dann mit einem Maschinengewehr auf mich geschossen. Ich habe es aber überlebt, weil ich mich hinter einem Schuttberg verstecken konnte. Also ich konnte kriechen noch, ein paar Schritte machen. Man war ja hart erzogen, trotz des Lungensplitters.
Etwas Atem kriegte ich ja noch. Der linke Arm hing rum, aber der rechte war noch im Takt. Und dann drehte ein sogenannter Königstiger. Das war der größte, neueste deutsche Panzer, drehte um und der hatte hinten eine Abschleppklüse.
Und ich habe mich in meiner Verzweiflung mit der rechten Hand an dieser Abschleppklüse festgehalten und habe mich hinterher schleifen lassen. Das ging ein paar Kilometer bis zu einem Zwischenstopp in einer Art kleinen Waldsiedlung. Die Sowjets sind nun überall in der Stadt. Sie richten ihre Geschütze auf die Pichelsdorfer Brücken im Westen Berlins, verteidigt von 600 Hitlerhändlern. Es folgt ein Blutbad.
Nur wenige überleben. Am 30. April greift die Rote Armee den Reichstag an. Der Diktator, der beschlossen hatte, in Berlin auszuharren, nimmt sich in seinem Bunker das Leben.
Die Hitlerjungen, die sich einst als des Führers Kinder betrachtet hatten, sind plötzlich Waisen. Ich sag's mal so, wie ich das damals ungefähr gesehen habe, ein Held ist gestorben, mehr nicht. Ein Held, in Anführungsstrichen, ja.
Das ist eines der seltsamsten Phänomene der deutschen Geschichte jener Jahre, dass wir... 12 Uhr mittags sozusagen, also noch jeden Führerbefehl ausgeführt hätten. Und um 1 Uhr nachmittags war alles vorbei. Also wie das kam, ich weiß es nicht. Es war wie aufwachen, ja.
Wie wenn man aus dem Rausch aufwacht. Als Hitler gestorben ist, war ich tief traurig. Und da habe ich ihm in dem kleinen Heftchen geschrieben, am 1. Mai 1945, der Führer ist gefallen, was wird nun? Salomon Perel ist ein junger deutscher Jude. Er verbirgt seine Identität.
Als vermeintlicher Volksdeutscher ist er drei Jahre in der Hitlerjugend. Seine Erinnerungen werden unter dem Titel Hitler junge Salomon. Da könnte man ja eigentlich meinen, dass dieser kleine jüdische Salomon sich sehr freut.
Ich habe das sehr ambivalent hingenommen. Ich habe es so hingenommen, der Führer ist tot, alles verloren. Aber andere sagten mir, naja, jetzt bist du vielleicht wieder... Außer Gefahr. Im Mai 1945 unterzeichnet Generalfeldmarschall Keitel in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation.
Die Hitlerjungen waren von der Aussicht auf Macht und Ruhm verführt worden. Doch nun ernten sie nichts als den Horror des Krieges und die Niederlage. Ich bin zurück zu dem Hauptmann, habe Meldung gemacht und habe gesagt, aber Hauptmann, das kann doch nicht sein, Deutschland kann doch nicht kapitulieren.
Daraufhin hat dieser Hauptmann mir seinen Arm um die Schulter gelegt und hat gesagt, weißt du, mein Junge, die Wahrheit braucht manchmal mehr Mut als die Lüge. Da habe ich begriffen, es ist Schluss. Da habe ich geheult wie ein Schlosshund.
Da haben viele Soldaten gesagt, besonders die Älteren, ein Glück, dass die Scheiße vorbei ist. Europa ist vom Krieg ausgeblutet. Während die Alliierten Deutschland unter sich aufteilen, sind auf den Straßen Millionen Menschen unterwegs. Verschleppte, Vertriebene, Gefangene, Flüchtlinge.
Einer von ihnen ist Hans Möncheberg. Verwundet und hilfebedürftig macht er falsche Angaben und verschweigt, dass er Soldat ist. Dorfbewohner nehmen ihn auf. Ich bin in das Dorf gekommen und da hat mich dann ein, wie ich glaubte, alter, weißhaariger Mann angesprochen hat, Junge, es ist Sperrstunde, du musst von der Straße. Und da sagten die dann, gut, dann komm zu uns.
Und als ich reinkam, war ich zu Tode erschrocken, denn es wurde nicht Deutsch gesprochen. Es waren Polen. Und dann hat mich in ein Zimmer geführt. In dem Zimmer standen nur zwei...
Metallbetten. In den beiden Betten lagen kahlgeschorene Männer mit gestreiften Anzügen. Und dann legten sich die beiden KZ-Häftlinge in ein Bett, damit ich in dem anderen mich ausruhen konnte.
Zu überlegen, durch meine Lüge liege ich in einem Bett. Und dort zwei KZ-Häftlinge. Was war Wahrheit, was war Lüge?
Also da in der Nacht habe ich begriffen, es war so viel Lüge. Nö. Die Hitlerjungen sehen das Ende des Dritten Reichs nicht unbedingt als Befreiung. Tausende werden von den Alliierten in riesigen Internierungslagern festgehalten. Den Alliierten ist bewusst, Dass sie es mit einer Generation von Deutschen zu tun haben, die praktisch nichts anderes kennt als das Hitler-Regime.
Einige sind nach wie vor überzeugte Nazis. Die Sieger müssen strategisch vorgehen. Es ist nun an ihnen, diese verführten und verlorenen Jugendlichen für sich zu gewinnen. Damit beginnt eine lange Zeit der Umerziehung, sowohl im Klassenzimmer als auch in den Internierungslagern. Deutsche Gefangene erhalten Spezialunterricht, um sie auf Führungsrollen in ihrem Land vorzubereiten.
Gestapo und andere faschistische Organisationen gibt es nicht mehr. Es geht um den deutschen Wiederaufbau. Die Kinder der Nazi-Zeit entdecken eine neue Welt und ein neues Wort.
Demokratie. Zur Entnazifizierung setzen die Siegermächte unter anderem auf Filmvorführungen. Die Nazis hatten das Kino für ihre Propaganda benutzt.
Die Alliierten konfrontieren das Volk im Kino mit den Verbrechen, die von Deutschen begangen wurden. Wir mussten uns Filme ansehen von Auschwitz. Entsetzen über Entsetzen.
Das habe ich gar nicht fassen können. Da lagen ja die Berge von Leichen. Entsetzlich. Ich habe also die Welt nicht mehr verstanden. Dass es KZs gab, wussten wir schon sehr lange.
Aber was da eigentlich geschah, darüber gab es nie irgendwelche verlässlichen Informationen. Ich selber habe auch am Anfang das nicht geglaubt. Ich habe das für richtige Propaganda gehalten, um uns da vorzuführen, wie schlechte Menschen wir sind.
Um auch den Letzten die Augen zu öffnen, setzen die Alliierten zudem auf Besuche in Konzentrationslagern. Man ist erschrocken gewesen, dass das Deutsche gemacht haben. Und dann haben wir die ersten Berichte gehört.
Wie kann ein Volk, was Goethe, Schiller und andere Menschen hat, so etwas tun? Da haben wir uns geschämt. dass deutsche Menschen so was gemacht haben. Denn das belastet uns ja unsere Historie bis ewig.
Von dem Moment an hab ich mich geschämt. So geschämt, dass ich mich nicht getraut habe, das weiterzuerzählen. Und hab meinem Nähmann erzählt, dass sie in der SS war. Ich habe mich geschämt.
Geschämt bis heute. In den Jahren nach Kriegsende kehren die Hitlerjungen, die in Gefangenschaft geraten waren, nach Hause zurück. In eine Trümmerlandschaft. Alfons Hans Ruiner kommt nach dreieinhalb Jahren Gefangenenlager in der Sowjetunion frei. Der Russe sagt immer, «Skoro da moi, skoro da moi, skoro da moi, bald nach Hause, bald nach Hause, bald nach Hause!
» Und wir, ach, ach, haben gesagt, erzählen, erzählen, erzählen. Und eines Tages, ja, ihr fahrt nach Hause. Ja, das können Sie sich nicht beschreiben.
Wir sind sogar am Bahnhof mit Musik verabschiedet worden. Mir ist passiert, weil ich auch noch so klein war und auch so jung noch, hat mich eine russische Frau am Ärmel festgehalten bei der Verabschiedung und sagt zu mir halb russisch und halb deutsch, Söhnchen, komm wieder, aber ohne Waffen. Wilhelm Küpper muss als Kriegsgefangener mehrere Jahre im Bergbau in Belgien arbeiten, bevor er zu seiner Familie zurückkehrt. Die waren überrascht.
Meine Mutter konnte gar nichts sagen. Die hat dann nur immer meine Hand festgehalten. Die hat nichts gesagt. Die hat mich nur angefasst.
Entschuldigung. Das war schon sehr rührend, aber sie war überrascht. Die waren ja nicht angekündigt. Die hat mich vier Jahre nicht mehr gesehen.
Aber da stehe ich da. Mein Vater lag im Krankenhaus. Der sagte, Willi, die Hauptsache ist, unsere Familie ist heil aus dem Krieg rausgekommen. Salomon Ferrell gehört zu den wenigen Überlebenden seiner Familie. Der junge Jude, der vier Jahre unter Nazis lebte, hat beinahe seine wahre Identität vergessen.
Nach dem Krieg kehrte ich zurück nach Braunschweig und unterwegs kam mir jemand entgegen in so einem Sträflingsanzug und plötzlich sah ich auf seiner Brust so einen gelben Judenstern. Und drauf stand Jude. Und ich fragte, entschuldigen Sie, sind Sie Jude? Der hat mich total ignoriert. Das Letzte, was er glaubte, ich bin Jude.
Er dachte, ich will was mit ihm. Er ließ mich so stehen und ging weiter. Das tat mir echt weh. Und da ging ich zu ihm wieder, stellte mich vor ihm hin.
Und in diesem Moment, auch wie so ein Wunder, habe ich ihm an zwei Wörter erinnert, mit welchen so das heilste Gebet der Juden beginnt. Schmeiß rein. Und da hat er mir irgendwie geglaubt.
Und da habe ich ihn umarmt, fast erstickt. Und da habe ich zum ersten Mal, Ich habe mal meinen echten Namen gesagt und hier begann der Prozess zurück zum Salih den Juden. Viele begreifen im Nachkriegsdeutschland, dass das NS-Regime sie ihre Jugend beraubt hat. Aber noch heute plagt sie eine Frage.
Wie war es möglich, dass man einem solchen Schreihals nachgelaufen ist? Heute ist dieses Gebrüll ja eigentlich nur abstoßend. Als ich zehn Jahre alt war, war das Dritte Reich etwa acht Jahre alt.
Und da hatte man ja gar nichts anderes gekannt als nur Drittreich. Und deshalb war man auch von vornherein, ach wir kennen ja gar nichts anderes, es ist so. An ihrem Lebensabend sind einige einstige Hitlerjungen überzeugt, eine Mission zu haben.
Ihr Überleben muss eine Bedeutung haben. Sie wollen ihre Geschichte erzählen. Ich war mal in der Sophie-Scholl-Schule und das war zwei Tage oder einen Tag vor den Sommerferien. Und da war natürlich das Interesse nicht sehr gut. groß.
Ist klar, die wollten alle in Ferien fahren und wollten nicht solche Sachen hören. Und dann habe ich gesagt, also du, es war ein Immigrationskind, habe ich gesagt, dich hätte ich umgebracht. hast du kein Interesse zu hören, warum ich das gemacht hätte.
Da hat er mich ganz groß angeguckt. Und dann haben wir das Thema abgehandelt und besprochen. Das ist meine Aufgabe. Und das ist das Einzige, was ich noch tun kann. Mit dazu beizutragen, dass sich das wirklich nicht wiederholt.
Und ich bin ja auch mit einer Jüdin, die hier geblieben ist und gerettet wurde. und versteckt wurde, mit denen gehe ich auch in die Schule zusammen. Und wir treten gemeinsam auf. Und das ist auch wunderbar. Und das ist wieder Gutmachung für mich.
Wenn manche Jugendliche in Deutschland so für den Frieden begeistern können, wie man damals für den Krieg begeistert hätte, dann hätten wir schon Frieden in Europa. Für immer. Die Leute meckern dauernd über Mängel in der Demokratie.
Das ist das Wichtigste. Dann sage ich immer, sehen Sie sich da und da an, denken Sie an das Dritte Reich. Also eine schlechtgehende Demokratie ist mir immer noch besser als ein totalitärer Staat.