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Die Kultur und Kunst der Brezelherstellung

Zwölf Zutaten braucht es für die vielleicht beliebteste Zwischenmahlzeit Süddeutschlands. Bekanntes wie Weizenmehl, Hefe und Butter, aber auch Überraschendes wie Sauerteig, Malz, Weizenpudding und Eis. In einer handgemachten Brezel stecken mehr Zutaten und Wissen als in so mancher Tortenkreation, sagt Brotsommelier Jörg Schmid. Die Brezel, Alltagsprodukt schon. und komplexes Backkunstwerk zugleich. Das ist natürlich nicht himmlisch, so eine lauwarme Brezel. Das ist einen schönen, süßlich-häfigen, leicht nach Milch und Butter, ein ganz tolles, feines Aroma. Eine schöne, zart-weiße Porung, die sich hier spiegelt. Und das Highlight ist natürlich immer die Verkostung. Echte, handgemachte Brezel braucht viel Zeit und Aufmerksamkeit. Auch wenn bei großen Brezelmengen Maschinen den Takt in der Backstube vorgeben. Die Kunst fängt schon bei der Auswahl der Zutaten an. Und bei Bäckermeister Jörg Schmid beginnt das Brezelbacken schon einen Tag früher als bei anderen. Sein ganz besonderer Tipp, Hefe und Sauerteig. Das Tuning für den Schwaben-Klassiker. Wir bereiten jetzt den Sauerteig für morgen für unsere Brezeln, den Libido Madre. Dazu verwiege ich jetzt Weizenmehl und etwas Madre vom letzten Sauerteig. Und dann setzen wir den für morgen gleich an. Übersetzt bedeutet das? Der Herrmann oder Anstellgut, wie wir Bäcker dazu sagen, das ist nichts anderes wie schon reifer Sauerteig. Und von diesem nehmen wir immer was ab und impfen damit den kommenden Sauerteig. Und das ist eine fortlaufende Kette. Und quasi ein endloser Prozess, den man immer so weiter treiben kann. Und deswegen sind Sauerteigkulturen auch oft schon viele Jahre alt. Also im ersten Fall ist der Name hier irreführend. Es soll nämlich nicht sauer schmecken, wie man das vielleicht in manchen Brotsorten kennt. Aber im Sauerteig bilden sich Aromastoffe, die wir allein durch die Hefelockerung nicht hätten. Und deswegen sage ich einfach, die Brezel schmeckt abgerundet aromatisch. Man muss sich dem Sauerteig auch widmen. Da sollte es ein bisschen daheim sein, um den zu hegen und zu pflegen, damit der nachher auch was wird. Und dann mischen wir diese 3 Zutaten einfach und verkneten diese. Und so wird daraus ein guter Sauerteig. Weizenmehl, warmes Wasser und vereinfacht gesagt ein Stück vom alten Sauerteig für die Herstellung des neuen. Dann so lange kneten, bis der Sauerteig schön glatt ist und nicht mehr ruppig. Und Sauerteig funktioniert im Prinzip wie die Herstellung von Wein. Durch Fermentation gibt es Aromen, die wir sonst gar nicht aus Mehl und Wasser herauskitzeln könnten. Also im fertigen Sauerteig sind über 300 Aromen nachweisbar. Ab in den Kunststoffeimer. Denn reifen muss der Sauerteig in einen geschlossenen Behälter, damit er keine Zugluft bekommt. Wir verwenden für viele unserer Backwaren regionales Getreide. Und wenn ich regional sage, meine ich das ehrlich, also super regional, nämlich aus Gomaringen, aus den Gemarkungen von Gomaringen. Das tun wir, weil wir eine lokale Bäckerei sind. Also wir sind aus Gomaringen und die Region gibt uns die Möglichkeit, die Rohstoffe hierher zu beziehen. Man könnte sie sicherlich preisgünstiger von woanders bekommen. Mehl vom Rande der Schwäbischen Alb. Aus einem speziellen Brotweizen, der zur Region passt. Über 140 verschiedene Weizensorten sind in Deutschland zugelassen. Der Landwirt liefert dem Bäcker feines 550er Weizenmehl. Die Typennummer zeigt den Nährstoffgehalt an. Je niedriger die Zahl, umso heller ist das Mehl, aber auch umso weniger Mineralstoffe befinden sich darin. Doch nur so lässt sich eine helle, fluffige und voluminöse Brezel backen. So Michael, jetzt ist es aber recht, dass du kommst. Jetzt hat Jörg das erste neue Mehl. Dieses Jahr war es ganz schön schwierig mit diesen vielen Regen und der wenigen Sonnenintensität, die wir hatten. Von den Parametern sind wir niedriger als letztes Jahr. Die Mühle hat aber die jetzigen Parameter bestimmt. Die sind grundsätzlich etwas schlechter, aber es müsste funktionieren. Wir hatten das Glück, einen Teil vor dem großen Regen noch zu ernten. Also wichtig ist uns natürlich eine gleichbleibende Qualität, auch die ganze Saison durch. Dann sollte das Mehl einen attraktiven Eiweißwert haben oder zumindest die Qualität des Eiweißes muss relativ gut sein, damit der Teig nachher schön plastisch, schön elastisch ist. Und wir den Brezelschwung machen, dass dann auch der Teig wirklich mitgeht und uns nicht reißt. Zurück zur Brezelbackkunst. Jetzt geht es um den eigentlichen Brezelteig und sein Geheimnis. Ich glaube, das Geheimnis liegt darin, dass man es immer innovativ gestalten muss. Das heißt mit dem Kochstück, mit dem Sauerteig und dann mit guten Zutaten. Hefe geben wir zu, um den Sauerteig zu unterstützen. Allein die Lockerung, die wir durch den Sauerteig haben, würde bei dieser Backware nicht ausreichen. Deswegen ist es eine kombinierte Lockerung aus Sauerteig und Hefe. Ich finde, der Geruch von frischer Hefe ist schon einmalig. Für mich sind das auch ein bisschen Kindheitserinnerungen. in unserer alten Backstube noch. Ich erinnere mich da, wenn ich abends als Kind runtergegangen bin in die Backstube, mein Vater hat den Vorteil gemacht, dann roch diese ganze Backstube nach dieser frischen Hefe, angeschlemmt mit Wasser und Mehl. Das hat so ein ganz eigenes Erlebnis. Und wenn du jetzt ab und zu, steigt mir diese Duft in die Nase und dann kommen diese Erinnerungen wieder. Ich bin jetzt die vierte Generation Bäckermeister. Also mein Ur-Opa Otto hat die Bäckerei 1922 gegründet, an meinen Opa Hans, Vater Klaus. Und jetzt bin ich am Werk. Und es ist schön, Teil einer solchen Bäckerkultur zu sein. Die schwäbische Brezel kennzeichnet sich einfach auch dadurch, dass sie einen relativ hohen Fettanteil hat, den wir hier in Form von Butter zugeben. Das macht sie halt schön mürb und schön zart. Das ist jetzt Gerstenmalz, Extrakt als Sirup. Und das sorgt dafür, dass unser Brezel so eine angenehme Süße hat und auch eine, im Idealfall, eine knusprige, rösche Oberfläche bekommt. Das ist unser Koch. Das ist kochendes Wasser und das geben wir in einen Weizenmehl und Semmelbrösel. Und durch diesen Kochprozess bindet das und wird wie so eine Art Getreidepudding. Und das verbessert nachher die Frischhaltung unserer Backware. Das Mehl ist Weizenmehl. Der Sauerteig, eine von zwölf Zutaten für die Brezel, hat die reife Phase jetzt hinter sich und ist quasi erwachsen geworden. Fermentiert und im besten Alter. Das ist unser angesetzter Lividomatre, unser Weizensauerteig, den wir jetzt beigeben. Viel Milch dazu. Mit Milch bräunt die Brezel etwas stärker. Sie sorgt für eine mürbere Gebäckstruktur. Und ein paar Schaufel Eis. Das Eis brauchen wir, um nachher die ideale Teigtemperatur hinzubekommen. Der Brezelteig sollte so zwischen 23 und 24 Grad haben. Und wenn ich jetzt Mehl mit 28 Grad Raumtemperatur, weil in der Bäckerei ist es erfahrungsgemäß ein bisschen wärmer, dann brauche ich ein bisschen Eis, um die Temperatur zu regulieren. Im Winter kann es sein, ich brauche bloß kaltes Wasser. Rund 20 Minuten sollte der Brezelteig in der Teigmaschine geknetet werden. Das Kneten des Teigs bewirkt die Entwicklung des Klebeeilweises. So kann der Teig viel Wasser binden und wird schön elastisch. Im Anschluss nimmt sich Bäckermeister Jörg Schmid den Teig auf eine ganz besondere Art vor. Der Teigtüff vom Meister. Also was wir jetzt machen ist der sogenannte Fenstertest. Das heißt, ich nehme ein Stück Teig raus, ziehe das zwischen den Fingern raus und dann sollte man da hauchdünn durchschauen können. Und das heißt uns, dass das Eiweiß im Weizen, also das Gluten, ist ideal ausgebildet. Und ich merke hier auch, dass der Teig schön elastisch ist, was wir nachher brauchen, um die Brezel schön zu schwingen. Also die Ruhephasen, die bei der Brezelerherstellung eingehalten werden müssen, haben zwei Hintergründe. Also die erste Ruhe nach dem Teigbereiten dient einfach der Entspannung. Das heißt, der Teig wurde geknetet, er wurde beansprucht. Und damit wir den Teig nachher schön formen können, muss er entspannen. Das Eiweiß hat sich wieder entspannt. Und die Bäcker portionieren aus gut 20 Kilo Teig die entsprechenden Mengen für die Brezeln. Als Bäcker hat man schon von Haus aus ein gutes Gespür für das Gewicht, aber so ganz akkurat und da sind wir schon sehr genau, da kriegen wir es eigentlich nicht hin. Die Vorstufe. Portionen a 2,7 Kilogramm. Daraus werden dann später jeweils 30 Brezeln. Und wieder darf der Teig ein paar Minuten ruhen. Kneten und entspannen. Der Rhythmus für jeden guten Brezelteig. Dann portionieren wir ja unsere Brezeln, machen dann unsere Stränge, heißt man das im Bäcker-Jargon. Und auch dann muss der Teig wieder ruhen. Und auch diese Ruhephase dient eigentlich der Entspannung. So tiefenentspannt geht der Brezelteig dann in die Portioniermaschine. Heraus kommen je 30 Kugeln a 90 Gramm. Alles richtet sich nach dem Entspannungs-und dem Reifeprozess des Teiges. Und dann wird's fast ein bisschen hektisch. Das gehört dieses Brezelmacher, gell? Grundsätzlich ist es so, dass wir im Bäckerhandwerk immer flinke Finger brauchen. Das heißt, immer zwischen diesen einzelnen Ruhephasen sollte der Teig möglichst schnell verarbeitet werden, damit von der ersten bis zur letzten Brezel auch der gleiche Reifezustand herrscht. Zeit für die eigentliche Handwerkskunst, das Formen und Schlingen oder vielmehr eine spezielle Wurftechnik. Jetzt rollen wir den aus. Wichtig ist, dass wir mit den Händen immer den gleichen Abstand zum Tisch haben. Und in der Mitte, das Stückchen, also den Bauch, da rollen wir eigentlich gar nicht. Der soll ja schön dick und saftig bleiben. Und dann rollen wir hier dünne Arme, wichtig außer die Knöpfchen lassen. Also ich gebe mit der linken Hand vor und fädel mit der rechten ein. Und fertig ist die Brezel. Um die Entstehung der ersten Giffeser Wasen, der Urbrezel, ranken sich zahlreiche Geschichten. Eine handelt vom Bäcker Frieder aus Urach. Der soll im Jahr 1477 so schlechte Backwaren hergestellt haben, dass er dafür in den Kerker kam. Begnadigt wurde er, als er mit der Brezel ein völlig neues Design in die Backwelt brachte, durch das dreimal die Sonne scheint. Aber wie bei jedem Kultobjekt gibt es viele Entstehungsmythen. Und wer hat es nun erfunden? In der Wahrheit ist es so, dass frühere Regionen, Gebildebrote, also an besonderen Anlässen, vor allem zu christlichen Festen, wurden oft solche Ringbrote gereicht. Das sah dann so aus. Man sieht diese runden Ringbrote oder Amannabrote sieht man auf vielen Darstellungen, auch vom letzten Abendmahl. Und die Vermutung, oder relativ bestätigte Vermutung, ist, dass aus so einem unförmig gemachten Ringbrot, wie man jetzt hier sieht, wenn der Verschluss jetzt ganz zu ist, wurde dann irgendwas, was mal ausgesucht wurde, sehr wieso Wie so ein Sechser, die Zahl 6. Wenn man hier von 2 gegenüberlegt, dann kennt man hier so die Urform der Brezel. Es gibt ja auch heute noch so besondere Brezeln zu besonderen Festhaken und in besonderen Regionen oder in speziellen Regionen, die die Brezel also nicht so wie wir das machen mit Knoten, sondern wo die Brezel im Prinzip so geformt ist. Und aus diesem Ursprung heraus ist dann wohl eines Tages die Brezel, wie wir sie heute kennen, mit dem Brezelknoten entstanden. Dicker Bauch und dünne Arme ist schwäbisches Schönheitsideal. Und bei der schwäbischen Brezel ist charakteristisch, dass eben die Ärmchen auch sehr tief sitzen, während die badische sich dadurch kennzeichnet, dass die Ärmchen etwas höher sitzen und der Bauch auch nicht ganz so ausgeprägt ist. Dann gibt es im Prinzip auch die bayerische Variante, die unterscheidet sich in der Rezeptur ein wenig. Das heißt, da kommt einfach weniger Fett, also sprich weniger Butter in den Teig. Und sie wird dann ohne Ausbund gebacken. Also Ausbund ist dieser weiße Schnitt, den wir nachher noch zeigen werden. Und das heißt, die ist komplett gleichgig. Und da werden die Ärmchen noch höher angesetzt. Die Badische kennzeichnet sich dadurch, dass die drei Löcher relativ gleich groß sind. Und die Schwäbische hat eben hier die zwei kleinere, größere und den dickeren Bauch. Und die Bayerische ist halt am Stück gleich dick und wird auch nachher nicht eingeschnitten. Dann stellen wir sie auf Gare, das heißt die Hefe darf ihre Arbeit verrichten und die Brezel darf schön aufgehen. Und dann kommt sie wieder in eine Ruhephase. Und das ist ja die lange Ruhephase und die hat jetzt nichts mehr mit Entspannung zu tun, sondern hier geht es einfach nachher um Aroma. Aroma und Bekömmlichkeit. Je länger die Brezel reifen darf, umso leckerer und bekömmlicher wird sie. Also raus aus der Hefegare. Und rein in die Kühlung für eine ganze Nacht Teigreifung. Unabgedeckt bekommen die Brezeln eine Haut, durch die bei der Laugendusche dann keine Lauge ins Gebäck eindringen kann. Schöne Arbeitsteilung. Der Teig darf reifen, während Bäckermeister Jörg Schmid und sein Team zwischenzeitlich von anderen Backwaren getrieben werden. Nach einer entspannten Nacht in der Kühlung sind die Brezeln bereit für die Laugendusche. Dieses spezielle Laugenbad gibt dem Kultgebäck den einzigartigen Geschmack. Doch das Natron in der Lauge ist ätzend und erst im Backofen zerfällt es. Das Belaugen gibt halt dieses besondere, einzigartige Brezelaroma. Das ist jetzt eine 4%ige Natron-Laugenlösung. Und Lauge ist ja erstmal ätzend, deswegen arbeiten wir hier auch mit Handschuhen. Aber während des Backprozesses zerfällt die im Prinzip. Und es schmeckt nachher eben dieses vielleicht sojaartige Leckere. Und da, wo ich jetzt geschnitten habe, das klafft nachher auf und wird schön weiß. Und das ist dann im Bäckerjargon der Ausbund. Salz war als Zutat früher ja etwas sehr Kostbares. Und klassisch wurde auch früher die Brezelrezeptur mit etwas weniger Salz hergestellt. Und dafür hat man das Salz auf die Oberseite gegeben. Es ging so ein bisschen um Dekadenz. Also so konnte man sich als Wohlhabender seine persönliche Salzmenge dosieren. Und die ganz... Die ganz gut Gesattelten, die konnten es sich sogar leisten, das Salz abzustreifen. Zehn Minuten in den Ofen. Und, ganz wichtig für das Ergebnis, auf Stein müssen sie liegen. Beim Backen reagiert die Lauge das Natriumhydroxid mit dem Teig. Die Brezel wird braun und knackig. Der Stein verleiht ihr die besondere Kruste und das Aroma auf der Unterseite. Der Bäckermeister hat bei sich die Lauge. seiner Zusatzausbildung als Brotsommelier gelernt, zu verkosten und zu bewerten. Auch die eigenen Produkte. Im Prinzip verkosten eigentlich alle Backwaren, ob jetzt Brot oder Brezel, ist egal, von außen nach innen. Das heißt, wir begutachten erstmal, ist die Farbe da? Typisch für eine Brezel, charakteristisch eben kastanienbraun soll sie sein, schön glänzend, das tut sie. Wichtig auch vor allem die Knöpfchen, die mir hier toll gelungen sind. Wenn wir jetzt mal oben schauen, dieser wattig-saftige Bauch. Und ich persönlich feiere es ja total, wenn dann hier noch so eine leichte Braunfärbung am Ausbund ist. Wenn wir es mal rumdrehen, sehen wir auch wunderbar, dass der Steinhofen seine ganze Arbeit getan hat. Wir sehen hier ganz toll, hier das sind alles Röstaromen, die ist richtig schön gebacken, direkt auf dem Stein. Es gibt einen Bombengeschmack. Und ich kann jetzt auch mal zeigen, wie eigentlich nicht schöne Brezel aussieht. Nämlich so. Das ist die traurige kleine Schwester, die ist nämlich unbelaugt worden. Und da sieht man halt, wie wichtig diese Laugendusche für das schöne Anglitz der Brezel ist. Und dann wollen wir sie mal aufbrechen und dran riechen. Highlight ist natürlich immer die Verkostung. So. Also besonders schön sind einfach die Gegensätze. Wir haben innen drin so eine leicht süße Note am Gaumen, aber auch das kräftige, salzige. Und die Lauge hat natürlich eine ganz eigene Aromatik, die ist so sojaartig, würzig und rundet das Ding perfekt ab. Also, muss sagen, haben wir gut hingekriegt. Hat dir diese Handwerkskunst gefallen? Dann schreib uns deine Meinung zum Film in die Kommentare. Und nicht vergessen, Kanal abonnieren.