Das Kolosseum. Höhepunkt römischer Baugeschichte. Das Kolosseum stand symbolisch für die Macht und Stellung Roms in der Mittelmeerwelt.
Mit Platz für rund 50.000 Zuschauer. Mehr als in jeder anderen Arena der Antike. Das Kolosseum ist die Summe vieler Innovationen, die bis ans Limit ausgereizt wurden.
Der Bau ist ein Mammutprojekt für Roms Ingenieure. Mit welchen Mitteln können sie die Aufgabe lösen? Das gesamte technische Know-how Roms steckt in diesem Gebäude. Die Geheimnisse eines Bauwerks, das mehr als 2000 Jahre überlebt und bis heute fasziniert.
Rom, einst Zentrum einer historischen Supermacht. Heute strömen rund 6 Millionen Menschen pro Jahr ins Kolosseum, um seine beeindruckende Geschichte zu entdecken. Die 23.000 Quadratmeter große Arena der Gladiatoren ruht auf einem 12 Meter tiefen Fundament.
Gegossen aus 200.000 Kubikmetern römischem Beton. 80 Eingänge führen zu 56 stufenartigen Sitzreihen. Unter der Arena erstreckt sich ein Labyrinth bis zu sechs Meter in die Tiefe.
Platz für die vielen Maschinen, die für spektakuläre Effekte im Kolosseum sorgen. Die Falltüren im Holzboden öffneten sich. Plötzlich kamen Löwen und Panther in die Arena.
Ein Blick in die Geschichte hilft, die verblüffende römische Technik zu verstehen. 64 nach Christus steht Rom unter der Herrschaft des Kaisers Nero. Als Nero an die Macht kommt, ist er sehr geschätzt.
Er veranstaltet viele Festspiele und sorgt dafür, dass sein Volk nicht hungert. Doch je mächtiger Nero wird, desto mehr ignoriert er die Entscheidungen des Senats. Der Kaiser ist zunehmend isoliert und unbeliebt. Ein tragisches Ereignis im Juli des Jahres 64 leitet seinen Untergang ein. Rom hatte eine Million Einwohner.
Nicht alle lebten in Marmorpalästen, eher in Häusern aus Holz und Strohlehm. Rom brennt eine Woche lang und wird dabei völlig zerstört. Wohnhäuser und Veranstaltungsgebäude fallen den Flammen zum Opfer. Viele werden obdachlos und erhoffen sich zum Trost ihre Spiele zurück. Nero ignoriert die Bedürfnisse des Volkes und lässt sich stattdessen eine riesige Palastanlage neu bauen.
Die Domus Aurea, das sogenannte Goldene Haus. Er enteignet Senatoren und reißt deren Grundstücke im Zentrum von Rom an sich. Die Leute fühlen sich um ihren Besitz gebracht. Domus Aurea ist ein weitläufiger Palast mit künstlichem See und einer riesigen Nero-Statue.
Der Bau lehrte die Kassen, woraufhin die Senatoren dem Ganzen ein Ende bereiteten. Für den Senat die perfekte Gelegenheit, Kaiser Nebel zu eröffnen. Nero im Jahr 65 als Tyrann zu Brandmarken und anzugreifen.
68 nimmt sich Nero das Leben. Rom schlittert in eine politische Krise. Keiner der drei nachfolgenden Kaiser kann sich lange behaupten.
Dann erscheint ein neuer Hoffnungsträger, Flavius Vespasian. Auf sein Betreiben wird später das größte Amphitheater der Welt gebaut werden. Das nötige Vertrauen erarbeitet sich der Feldherr durch militärische Erfolge.
Er schlägt einen Aufstand in Judäa nieder und macht sich damit über Nacht zum aussichtsreichen Thronanwärter. Vespasian wurde aus Mangel an Alternativen zum Kaiser gewählt, und zwar als es keine anderen Kandidaten mehr gab. Nahezu das gesamte Heer Roms unterstützt Vespasian, was ihm den entscheidenden Vorteil verschafft.
Außerdem ist er ein angesehener, ehrbarer Mann. 69 nach Christus verlässt Vespasian Judäa, um zum Kaiser ausgerufen zu werden. Sein Sohn Titus soll die Unterwerfung Jerusalems beenden. Vespasian stammt nicht aus einer römischen Senatorenfamilie.
Er sucht deshalb nach anderen Mitteln, die Bevölkerung von sich zu überzeugen. Der einzige Weg, sich als Kaiser Macht und Legitimität zu sichern, ist, etwas Riesiges zu bauen. Seit dem großen Brand von 64 hat Rom kein Amphitheater mehr. Vespasian will das auf spektakuläre Weise ändern und damit die Herzen der Römerinnen und Römer gewinnen.
Im Jahr 70 beginnen er und seine Ingenieure mit der Planung des größten Amphitheaters, das je gebaut wurde. Mit einer rund zwei Hektar großen Arena für über 50.000 Zuschauer. Das Bauwerk musste symbolträchtig sein und die Stärke des römischen Reichs repräsentieren. Etwas Vergängliches kam also nicht in Frage. Man baute für die Ewigkeit.
Doch Rom ist eng bebaut. Wo also dieses monumentale Amphitheater errichten, ohne Wohnraum zu zerstören und den Zorn der Betroffenen auf sich zu ziehen? Nach Neros Tod wurde die Domus Aurea schnell in Teilen abgerissen und man gewann diese großen Freiflächen.
Nero hatte, was er nicht bebaute, in Gärten verwandelt und das alles stand jetzt zur Verfügung. Vespasian beschließt, sein Amphitheater genau an der Stelle des künstlichen Sees zu bauen. Vespasian gab dem Volk damit die 80 Hektar zurück, die Nero für seine Domus Aurea enteignet hatte.
Aus politischer Sicht ist die Wahl des Standorts in erster Linie eine Entscheidung gegen Nero. Noch vor Baubeginn stellt sich den Ingenieuren die erste Herausforderung. Der Untergrund ist für ein Gebäude wie das Kolosseum nicht stabil genug.
Das Schwemmland in diesem Tal macht das Bauen schwierig. Und das Fundament sollte ein enormes Gewicht tragen. Deshalb musste es in großer Tiefe von etwa 12 bis 13 Metern gebaut werden.
Wie lösen die römischen Ingenieure das Problem? Historiker gehen davon aus, dass Bauarbeiter erst eine 6 Meter tiefe Grube ausheben, um darin einen 60 Meter breiten Betonring zu gießen. Die 30.000 Tonnen Aushub werden dann genutzt, um das Gelände rund um die Grube anzuheben. Anschließend wird ein zweiter Betonring auf den ersten gegossen. Das Fundament ist 12 Meter hoch und hat außen einen Umfang von 580 Metern.
Über 200.000 Kubikmeter Beton waren dafür nötig. Das Fundament ist ein Meilenstein in der Geschichte des römischen Städtebaus. Der Bau setzt nicht nur durch die schiere Größe der Fundamente neue Maßstäbe.
Der Beton, den die Römer nutzen, ist ein Vorläufer des heutigen Betons mit sogenannten hydraulischen Bindemitteln. Römischer Beton ist eine Mischung aus Sand, Kalk, Aggregaten und Puzzolanen. Diese werden aus vulkanischem Gestein gewonnen. Die Mischung sorgt für eine chemische Reaktion. Je mehr Feuchtigkeit er bekommt, desto härter wird er.
Dieser Beton hält ewig. Nach den Fundamenten kann der Bau des eigentlichen Gebäudes beginnen. Doch eine Arena, wie sie Vespasian will, erfordert außerordentliche Logistik. Auf der Megabaustelle arbeiten tausende Arbeiter. Selbst für einen Kaiser ist das ein enorm kostspieliges Vorhaben.
Der Triumph seines Sohnes Titus in Jerusalem kommt dafür Vespasian genau im richtigen Moment. Vespasian wusste, dass er den Senat nicht nach Geld fragen konnte. Also stützt er sich auf die Beute, die Titus aus Jerusalem mitbringt.
Ohne Rücksicht schmelzen die Römer die in Judäa erbeuteten Kunstgegenstände ein und prägen daraus Münzen. Gefangene Judäer werden als Arbeitssklaven verkauft. Gefangene werden für simple Aufgaben eingesetzt, zum Beispiel Beton in die Formen gießen und Baumaterial transportieren. Ein Heer von Sklaven wird gezwungen, Baugeschichte zu schreiben. Die Zuschauertribünen, KWR genannt, werden nicht wie bislang massiv, sondern stockwerkartig gebaut.
Ein völlig neuer Baustil mit freistehenden und selbsttragenden Tribünen. Die vorherigen Amphitheater wurden meist an einem Hügel gebaut, in einem Tal oder an einem Erdwall. Dadurch aber kann man sich den Standort des Veranstaltungsgebäudes nicht aussuchen. Die Zuschauerränge müssen da gebaut werden, wo der Hügel liegt.
Das hat das System der Hohlstrukturen revolutioniert. Um ein derart mächtiges Amphitheater aus Stein zu bauen, das nicht unter seinem eigenen Gewicht zusammenbricht, setzen die Römer eine revolutionäre Technik ein. Die Stapelung bogenförmiger Arkaden in bis dahin unbekanntem Ausmaß. Arkaden machen ein Denkmal leichter, weil sie Hohlräume im Gebäude schaffen.
Dadurch wird weniger Material gebraucht. Das spart Zeit und vor allem Geld. Gleichzeitig können Arkaden auch großem Druck standhalten. Das Gewicht wirkt auf den Schlussstein und verteilt sich dann auf die beiden Säulen. Damit der Bau den Jahrtausenden standhält, werden tragende Säulen aus Travertin, einem extrem festen Naturstein, hergestellt.
Travertin hat den großen Vorteil, sich gut bearbeiten zu lassen. Der Kalkstein stammt aus Sedimenten biologischen Ursprungs. Erstmal ist er feucht, aber beim Trocknen härtet er so gut aus, dass er großem Druckstand halten kann.
Arkaden lassen sich einfach reproduzieren und damit gut in Masse herstellen. Im Erdgeschoss reihen sich 80 Bögen aneinander. Sie tragen zwei weitere Stockwerke mit nochmals je 80 Arkaden. Das Kolosseum ist ein unglaublich standardisiertes Gebäude. Sobald die erste Arkade errichtet ist, können die Arbeitskräfte alle anderen nachbauen, ohne groß darüber nachzudenken.
So können mehrere Teams gleichzeitig arbeiten. Das ist ökonomisch und zeitsparend zugleich. Sobald die Pfeiler stehen, wird oben eine Holzschablone angelegt, um darauf den Schlussstein zu setzen. Dann werden die Travertine Platinenblöcke miteinander verbunden und die Holzschablone kann wieder entfernt werden.
Dieser Vorgang wird 240 Mal wiederholt. So entsteht die riesige elliptische Arena mit 527 Metern Außenumfang. Wenn die Runde einmal steht, hält alles zusammen. Die Arkaden stützen sich gegenseitig. Das Ganze ist also extrem stabil.
Die Entscheidung für die elliptische Form mit Arkadenreihen hat nicht nur technische Gründe. Auch die Art der Darbietungen beeinflusst die Architektur. Anfangs fanden die Spiele auf dem Forum Romanum mit seiner rechteckigen Fläche statt. Das funktionierte gut und die längliche Form sollte so bleiben.
Nur wollte man diesmal eine Arena ohne Ecken, damit keine toten Winkel mehr entstehen. Die elliptische Form bietet allen Zuschauern optimale Sicht, egal wo sie sitzen. Bei einer Kreisform wäre es schwierig geworden, große Flächen für Tierrennen, für Reiteraufzüge, für Gladiatoren zu Pferd oder für Kämpfe zu schaffen.
Sichtbarkeit spielt in der Arena eine wichtige Rolle. Die Ränge sind wie ein Modell der römischen Gesellschaft. Vom Kaiser bis zum Sklaven sind alle Schichten vertreten.
Die Leute kamen hierher, um gesehen zu werden und auch die anderen Bevölkerungsgruppen zu sehen. Der Kaiser begeistert sich für dasselbe Spektakel wie die anderen Zuschauer. Und die Leute sagen sich, der ist ein Fan wie wir. Diese Botschaft war wohl beabsichtigt.
Vespasian will nicht nur das größte Amphitheater aller Zeiten bauen. Er will einen spektakulären und stilvollen Bau zugleich. Mit kunstvollen griechischen Säulen.
Auch die Dekorationen richten sich nach griechischen Vorbildern. Dazu kommen 160 funkelnde Bronzestatuen. Das Kolosseum besuchte jeder.
Vespasian wollte auf diese Weise sein Prestige mit der ganzen Bevölkerung teilen. Die Fassaden des Kolosseums folgen architektonisch der Anlage des Innenraums. Ein Skelett aus Travertinsäulen soll Gewölbe und Mauern tragen.
Die ringförmigen und quer verlaufenden Gänge formen ein Netz von Galerien. Diese gestapelten Galerien dienten nur dazu, die Tribüne zu tragen. Die Neigung der Tribüne ist so angelegt, dass sie Zuschauern eine optimale Sicht ermöglicht.
Der erste Rang ist um 30 Grad geneigt. Die Reihe darüber um 40. Bei Gladiatorenkämpfen geht es vor allem um die Nahkampftechnik. Und deshalb will man nah dran sein.
Hier können sogar die Zuschauer ganz oben noch ausreichend gut sehen. Die oberen Etagen bestehen nicht aus Travertin, sondern aus Ziegeln. Sie sind leichter als Naturstein und halten der Witterung gut stand.
Der clevere Mix aus Materialien sowie die Anordnung von Gewölben und Säulen ermöglicht den Ingenieuren, das Kolosseum vergleichsweise schnell zu bauen. Doch wie koordinieren die Römer das Großprojekt? Wie verhindern sie, dass es nicht aus dem Ruder läuft?
Vespasian möchte etwas Großartiges. Er gibt Größe, Volumen und all das vor. Aber er kann sich nicht tagtäglich um die Baustelle kümmern. Wem vertraut er sie also an?
Sogenannten Societas. Eine Societas besteht aus mehreren wohlhabenden Personen, die eine finanzielle, handwerkliche oder kaufmännische Gesellschaft gründen. Und solche Societas haben sich quasi als Subunternehmer auf eine Art öffentliches Vergabeverfahren beworben. Die Baustelle wird in vier Sektionen aufgeteilt.
Jede Sektion arbeitet eigenständig und koordiniert zugleich. Es gab vier Baustellen gleichzeitig, geleitet von unterschiedlichen Baumeistern. Deshalb findet man auch kleine Unterschiede zwischen den Bereichen des Kolosseums.
Mehrere Teams konnten gleichzeitig arbeiten. Die einen montierten die großen Travertinsäulen. Andere bauten die quer verlaufenden Mauern und die Gewölbe und arbeiteten mit den Teams. Sie schlugen sich Richtung Zentrum der Arena vor.
Das ging so weit, dass ein Trupp noch mit dem Boden der Arena beschäftigt war, während andere schon das Skelett des Gebäudes in die Höhe bauten. Das Kolosseum soll das größte Bauwerk Roms werden. Für mehr als 50.000 Besucher.
Eine Herausforderung auch für die innere Sicherheit. Wo viele Menschen auf engem Raum sind, besteht die Gefahr von Tumulten und Massenpanik. Ein Unglück mit Toten oder Verletzten soll verhindert werden. Die Stimmung beim Gladiatorenkampf ist nicht wie beim Tennis.
Selbst Fußball-Hooligans von heute sind gegen die Besucher des Kolosseums nette Jungs. Die waren imstande, sich gegenseitig totzuschlagen. In einem Amphitheater in Pompeji heizte sich mal die Stimmung so sehr auf, dass die Leute angefangen haben, mit Steinen zu werfen und Messer zu zücken.
Menschen wurden gestoßen und fielen von den Rängen. Das führte zu zahlreichen Toten und hat sicherlich den Bau des Kolosseums beeinflusst. Zahlreiche Zugangspunkte sollten solche Massengedränge vermeiden. Die Hohlstruktur mit vielen Gängen ist ideal für den Ein- und Auslass der Zuschauer. 80 Arkaden führen auf direktem Weg zu den Rängen des Kolosseums.
Die Römer entwickeln ein System für die Zuschauerlenkung, das noch heute in großen Stadien angewandt wird. Der Zuschauerverkehr im Kolosseum war gut organisiert und effizient. Jeder Zuschauer bekam eine Eintrittsmarke.
Darauf stand die Nummer des Eingangs, den man nehmen sollte. Man wusste genau, ich habe Nummer 78 und gehe in Arcade Nummer 78. Sogar die Sitzreihe stand mit auf der Marke. Auf jede Treppe kommen gerade mal 400 Sitzplätze.
Dadurch verteilen sich die Zuschauer gleichmäßig über das Gebäude und es kommt kaum zu Warteschlangen. Man geht davon aus, dass das gesamte Amphitheater in wenigen Minuten evakuiert werden konnte. Die Zuschauer auf den Rängen werden gemäß ihrem Status in der gesellschaftlichen Hierarchie platziert. Soziale Klassen sollen sich nicht mischen. Auf der Tribüne ist die Gesellschaft quasi umgekehrt.
Die obere Schicht sitzt auf den unteren Rängen, die untere auf den oberen. Nah am Geschehen sitzen neben dem Kaiser, Senatoren und weitere wichtige Persönlichkeiten. Ihre Ränge sind mit Marmor verkleidet. Darüber der Ritteradel, das Großbürgertum Roms. Es folgen die Plebeier, männliche Bürger ohne Adelstitel.
Und ganz oben, mit der schlechtesten Sicht, Frauen und Sklaven. Die Frauen werden auf die obersten Ränge verbannt, weil Augustus, der erste Kaiser Roms, ein entsprechendes Gesetz erlassen hatte. Das Verbot gegen Frauen auf den unteren Rängen folgte der Logik, Frauen verlieben sich so schnell in die Gladiatoren, da ist es besser, sie sind weit weg von der Arena. Gladiatoren kämpfen ja halbnackt. Wenn die Frauen diese muskulösen Spitzensportler mit ihren Ehemännern verabschieden, vergleichen, könnte das für die Herren unangenehm werden.
Vespasian selbst sieht keinen Kampf im Kolosseum. Er stirbt 79 nach Christus, als sein Prachtbau noch nicht fertig ist. Rom trauert um einen Kaiser, der für volle Staatskassen und Frieden gesorgt hatte. Nach ihm übernimmt sein Sohn Titus die Macht.
Erstmals wird der Sohn eines Kaisers dessen Nachfolger. Nach seiner Rückkehr aus Judäa war Titus nicht sonderlich beliebt, weil er so viel Macht von seinem Vater bekam. Dazu kamen auch noch eine Seuche und der historische Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79. Das fing schlecht an, denn das war ja ein Zeichen Gottes. Es trug dazu bei, dass Titus die Fertigstellung des Kolosseums vorantrieb.
Zu diesem Zeitpunkt sind die drei ersten Etagen des Kolosseums bereits gebaut. Ganz oben fehlt noch die Etage für Sklaven und Frauen. Der neue Kaiser Titus aber wünscht positive Nachrichten. Die Einweihung des Kolosseums wird vorgezogen. Bei einem so gigantischen Bauwerk wollten die Römer natürlich wissen, was sich im Inneren befand.
Da Titus nicht geizig war und ein Interesse daran hatte, seine Herrschaft zu festigen, richtete er zur Einweihung 100 Tage atemberaubende Spiele aus. 80 nach Christus wird das Kolosseum mit spektakulären Darbietungen eröffnet. Das Programm ist nicht nur wegen seiner Länge und Dimensionen einzigartig.
Titus lässt ein Spektakel aufführen, das bis heute seinesgleichen sucht. Die Naumachie. Naumachien sind relativ seltene Darbietungen, in denen zwei Schiffe gegeneinander kämpfen.
Manchmal stellen sie sogar legendäre Seeschlachten nach. Das funktionierte so, dass man Menschen mit Waffen auf diese Schiffe setzte und sagte, jetzt bringt euch gegenseitig um. Dem Spektakel sind sehr viele Sklaven zum Opfer gefallen. Viele Fragen rund um diese Seeschlachten sind noch unbeantwortet. Wie kamen die Schiffe ins Kolosseum?
Wurden sie direkt in der Arena zusammengebaut? Sie wurden extra für diese Naumachin vorbereitet. Die Galeren hatten Ruderer und waren von bescheidener Größe.
Die Schiffe hatten nur einen flachen Rumpf, da das Becken nur bis zu rund 1,20 Meter hoch mit Wasser gefüllt werden konnte. Eine 100 Jahre alte Idee. Schon unter Augustus gibt es nachgespielte Seeschlachten. Ausgetragen in Becken, die extra dafür gebaut werden. Das Kolosseum hingegen ist nicht auf Wasserspiele spezialisiert.
Als erstes muss der Holzboden der Arena entfernt werden, damit das Fundament zu einer Art Becken wird. Man brauchte rund 7000 Kubikmeter Wasser für die Arena. Das entspricht dem Volumen von 100 Frachtcontainern. Wie ist es möglich, so viel Wasser ins Kolosseum zu leiten?
Für die Forschung ist das noch immer nicht endgültig geklärt. Vermutlich wird die Riesenarena mithilfe der zahlreichen Aquädukte der Hauptstadt geflutet. Wir kennen die genaue Antwort nicht. Kaiser Claudius hatte ein großes Aquädukt von rund 70 Kilometer Länge vollendet, die Aqua Claudia.
Claudius leitete das Aquädukt durch die Porta Maggiore nach Rom. Nero führte es in der Luft fort und durchquerte so einen Teil der Stadt. Neros Aquädukt reicht bis zum Hügel Caelius.
Der liegt einige hundert Meter entfernt vom Kolosseum und speist wohl auch den künstlichen See im Neros Palast. Damit ließe sich die Arena des Kolosseums fluten. 100 Tage lang begeistert Tito die Kulisse.
das Publikum mit spektakulären Aufführungen. Doch allzu lange unter der Sonne auf Tribünen zu sitzen, würde die Stimmung trüben. Die Ingenieure finden auch für den Komfort der Zuschauer eine Lösung.
Die Leute sollten die Spiele im Schatten sehen. und die Schatten genießen können. Dafür installierten die Römer ein großes Segel, vermutlich aus Leinen.
Das wurde über den ganzen Zuschauerraum gespannt. Die riesige Markise wird Velarium genannt. Die einzigen heute noch sichtbaren Spuren sind Löcher in den oberen Mauern des Kolosseums.
Sie geben Hinweise auf Form und Funktion des Sonnenschutzes. Aus technischer Sicht ist ein Velarium unglaublich. Da hängen 70 Tonnen Material, 80 Tonnen Seil, 12 Segel.
In der Mitte befindet sich ein Ring aus Seilen, der mit den Holzmasten verbunden wird, die sich oben auf dem Kolosseum befinden. Man hat also ein Seil, das vom Mast über den Ring bis zur Außenseite des Kolosseums gespannt ist. Die Seilwinden zwischen den Steinblöcken können den zentralen Ring auf 18 Meter Höhe anheben. Anschließend werden die Segel entlang der Seile aufgezogen.
Das Netz aus Segeln und Seilen wird von mehr als 500 Männern bedient, die sonst in Roms Flotte dienen. Wenn die Sonne direkt über den Segeln stand, muss es ein fantastisches Farbenspiel gegeben haben, was die Aufführungen noch spektakulärer machte. Aber das Velarium ist nicht der einzige Luxus im Kolosseum. Die Römer haben auch etwas gegen Hitze und Gestank parat.
Die Leute wurden mit parfümierten Wassertröpfchen besprüht. Es gab große Pumpen, die Wasser über den Rängen versprühten und so den Schweißgeruch der Zuschauer vertrieben. Das ist ein Vorläufer der Klimaanlage.
Dazu gab es eine zweite Wassersprühanlage, die auf die Arena zielte. Das Wasser darin wurde mit Safran rot-orange eingefärbt. Und das ergab fast goldene Nebelschwaden, die im Szenenbild der Arena als Effekt dienten.
Die Wassersprühanlage funktioniert wie Löschpumpen der damaligen Zeit. Zwei Zylinder, in denen sich Kolben abwechselnd auf- und abbewegen, leiten das Wasser in ein zentrales Reservoir. Die Mischung aus Druckluft und Wasser sorgt für einen dauerhaften Wasserausstoß. Der politische Nutzen der spektakulären 100 Tage ist für Titus nur von kurzer Dauer.
Er wird zwar fast so populär wie sein Vater Vespasian, aber schon im Jahr darauf stirbt er. Sein Bruder Domitian wird Kaiser und muss sich in seiner neuen Rolle erst noch behaupten. Domitian wurde von seinem Vater kaum beachtet, denn der war völlig auf Titus fokussiert. Als Domitian seinem Bruder folgt, weiß er nicht, wie man regiert, weiß nicht, wie er zum Volk, wie er zum Senat sprechen soll. Erneut sollen das Kolosseum und seine Spiele, Volk und Kaiser, einander näher bringen.
Domitian begeisterte sich für Gladiatorenkämpfe. Deshalb hatte er auch eine besondere Verbindung zum Kolosseum. Für den frisch gekürten Kaiser ist es ein Glücksfall, dass das gigantische Amphitheater noch immer nicht ganz fertig ist.
Das Kellergewölbe, Hypogeum genannt, muss noch ausgebaut werden. In diesem Labyrinth aus Gängen spielt sich all das ab, was an Logistik und Bühnenmaschinerie zu tun hat. wie hinter den Kulissen des Kolosseums geschieht. Wo sollte man die Kulissen lagern? Wo sollten sich die Gladiatoren vorbereiten?
Wohin mit den Waffen und Tieren? Vor allem unmittelbar vor den Spielen. Bisher sind die Kellergewölbe nicht für die Logistik derart prächtiger Spektakel ausgelegt. Das Hypogeum war aus einem hölzernen Stützensystem gebaut, das den Boden der Arena trug. Domitian vollendet den Bau des Kolosseums und sorgt dafür, dass das Gewölbe eine feste Struktur bekommt.
So verewigt sich mit Domitian ein dritter Kaiser mit dem Kolosseum. In der gut sieben Meter tiefen Grube unter der Arena liegen 15 Galerien, sechs elliptische Gänge und neun gerade verlaufende Korridore. In den Kellern begegnen sich wilde Tiere, Verurteilte, Gladiatoren und Maschinenführer. Das Personal der oft blutigen Aufführungen im Kolosseum.
Man verbrachte den ganzen Tag im Kolosseum. Morgens schaute man Tierhatzen, mittags ging die Stadtelite in umliegenden Gasthäusern essen, aber das einfache Volk blieb sitzen, weil man sonst seinen Platz verlor. In der Mittagszeit fanden Öffentliche, öffentliche Hinrichtungen statt. Am Nachmittag gab es dann Gladiatorenkämpfe.
Das römische Publikum ist anspruchsvoll. Es will nicht nur Tod und Kampf sehen. Es legt besonderen Wert auf Theater und Inszenierung.
Es gab ein ausgefeiltes System, das Gladiatoren, wilde Tiere und Kulissen erscheinen und wieder verschwinden ließ. Sie stellten Wälder mit echten Bäumen und Tieren nach. Das sollte den Römern wohl die Schönheit der Natur zeigen.
Doch wie befördert man wilde Tiere aus dem dunklen Hypogeum ins Tageslicht der Arena? Roms Ingenieure konstruieren Lastenaufzüge mit Käfigen. Seilwinden auf sechs Meter hohen Masten ziehen die Käfige nach oben. Um die schweren Aufzüge zu bedienen, sind bis zu acht Arbeiter notwendig.
Für die Zuschauer muss schon das Auftauchen der Käfige ein magischer Moment gewesen sein. Der Käfig blieb unterm Arena-Boden versteckt. Dann öffnete sich eine Klappe wie eine Rampe, worüber das Tier in die Arena laufen konnte. Grabungen im Hypogeum haben 28 Lastenaufzüge nachweisen können.
Der Innenraum des Hypogeums lässt sich kaum beschreiben. Der Schweiß der Arbeiter, Angstschweiß der Gefangenen, Exkremente von Tieren, der Lärm des Kolosseums, das alles vermischt in der Hitze der engen Räume. Das muss sich angefühlt haben wie...
Wie die Hölle. Das Ganze musste nahezu militärisch organisiert sein. Man konnte ja nicht den Tiger loslassen, wenn eigentlich der Elefant dran war.
Eingesperrte Tiere werden auf Wagen hin und her gerollt, Gladiatoren warten in ihren Zellen, eine unheimlich angespannte Stimmung. Geschichtsschreiber der Antike berichten von spektakulären Hatzen mit wilden Tieren aus fernen Ländern. Da traten hunderte Löwen zusammen mit anderen Tieren auf, wie Antilopen. Morgens steht Tierhatz auf dem Programm. Exotische fremde Tiere kämpfen gegen bewaffnete Jäger oder auch gegeneinander.
Die Tierhatz ist wichtig. Viele außergewöhnliche Tiere zeugen von der Größe des Kaiserreichs. Mittags nutzt man die wilden Tiere in der Arena, um die zum Tode Verurteilten fressen zu lassen. Das interessiert die Römer allerdings nicht besonders.
Viele gehen Mittagessen. ...aufwendig inszeniert. Die barbarische Seite einer Hochkultur. Marcial ist ein römischer Dichter des ersten Jahrhunderts.
Er berichtet, wie eine zum Tode Verurteilte als Mythenfigur Pasiphae inszeniert wurde. Die griechischen Götter wollen ihren Mann, König Minos, bestrafen und sorgen dafür, dass sie sich in einen Stier verliebt. Also wurde die Verurteilte als Parsifae verkleidet und man ließ einen Stier auf sie los. Hinrichtungen haben meist nur wenig Publikum.
Gladiatoren dagegen begeistern die Massen. Sie sind die Könige der Arena. Sie faszinieren Männer und Frauen, einfach alle, vom Sklaven bis zum Kaiser.
In den Gängen des Kolosseums werden Statuetten und Öllampen verkauft, auf denen die beliebtesten Gladiatoren zu sehen sind. Merchandising im alten Rom. Viele vornehme römische Ehefrauen waren der Meinung, dass man Liebestränke mit dem Schweiß der Gladiatoren herstellen könne. Die Virilität des Gladiators sollte sich auf den Ehemann übertragen.
Nicht immer kämpfen die Gladiatoren bis zum Tod. Häufig werden sie verschont. Die Gladiatoren wurden von einer Art Manager ausgebildet, dem Lanista. Er kümmerte sich während ihrer ganzen Karriere um sie.
Ein Gladiator war sehr teuer. Es war also nicht im Interesse des Lanista, dass er stirbt. Im Amphitheater geht es nicht um die schönen Künste, sondern um Leben und Tod. Aber man will nicht den Tod sehen, man will Kämpfe sehen.
Der siegreiche Gladiator muss zwingend den Verlierer unterwerfen. 50.000 Römer schauen dabei zu. In dem Moment bekommt der einfache Römer den Eindruck, über Leben und Tod des Verlierers zu entscheiden.
Wird ein weißes Tuch geschwenkt, soll der Unterlegene verschont werden. Geht die Hand nach unten, dann nicht. Da muss auch der Kaiser mitspielen.
Nach dem Motto, ich bin nur Schiedsrichter, ihr, die Bürger Roms, entscheidet. Man könnte fast sagen, das ist eine Art Ersatz für die Demokratie. Die vermeintliche Volksnähe des Kaisers erklärt die Langlebigkeit des Kaiserreichs.
Sie spiegelt sich auch in der Architektur des Kolosseums wider. Das Kolosseum ist ein römisches Wunder, das Herz Roms, das Herz der römischen Politik. Macht spiele Tod.
Noch 2000 Jahre nach seinem Bau erinnert das Kolosseum an die ebenso große wie brutale Zeit der römischen Kaiser.