Die Geschichte von Franzosen und Deutschen. Sie führt zurück zu gemeinsamen Wurzeln. Sie handelt von Machtkämpfen vergangener Tage und Missverständnissen, die bis heute fortwirken. Hoppla! Eine Erbfeindschaft?
Oder hat die Geschichte von Deutschen und Franzosen nicht doch mehr zu bieten? Seit dem Spätmittelalter streiten sich französische und deutsche Herrscher um die Vormacht auf dem Kontinent. Dazu kommt seit Martin Luther und Johannes Calvin der Kampf der Konfessionen.
Trauriger Höhepunkt der 30-jährige Krieg. Strahlender Sieger ist das Frankreich des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Prunk und Verschwendungslust, wohin man nur sieht. Die Schlösser der deutschen Fürsten sind Glanzstücke des Barock und Rokoko.
Doch es sind alles nur Kopien, nachgemacht bis ins kleinste Detail. Wunderschön, aber doch nur ein Abglanz des unübertroffenen Originals. Das Schloss Versailles bei Paris. Was als kleines Jagdschloss begann, wurde zur wohl prächtigsten Residenz aller Zeiten ausgebaut.
Zu einem sagenhaften Preis. So maßlos wie das Schloss ist auch sein Bauherr, Ludwig XIV. Er will Frankreich zur führenden, alles überstrahlenden Nation machen. Dafür wird er zahlreiche Kriege führen. Der Staat bin ich, soll Ludwig XIV.
gesagt haben. Zuzutrauen ist es ihm schon. Er wird der Sonnenkönig genannt. Denn Ludwig XIV.
sieht sich als Fixstern, um den sich alles dreht. An seinem Hof in Versailles, genauso wie in Europa. Der Sonnenkönig ist ein Meister der Inszenierung und der Eigenwerbung.
Sein Bildnis in Herrscherpose ist das vielleicht berühmteste Staatsporträt aller Zeiten. Noch heute müssen sich die ehrgeizigen Präsidenten Frankreichs den Vergleich mit dem Sonnenkönig gefallen lassen. Von Charles de Gaulle bis Nicolas Sarkozy.
Ludwig herrscht über ein mächtiges Reich. 18 Millionen Menschen leben hier, so viele wie in keinem anderen europäischen Land. Und Deutschland? Hier gibt es noch keinen geeinten Staat.
Es ist zersplittert in unzählige, fast souveräne Territorien, die meisten davon Kleinstaaten von der Größe Lichtensteins. Und jeder Landesfürst will ein kleiner Ludwig sein, so wie August der Starke von Sachsen. Unser Louis XIV war der Sonnenstrahl im Zentrum Europas. Die anderen waren nur kleine Planeten, die nur Gravität um ihn machten.
Oh, natürlich, die deutschen Prinzen hätten gerne an seinem Platz sein können, aber kein Glück, der Sonne. Es gibt nur einen. Ja. Und dafür ist bis heute bei den Franzosen alles so zentralistisch, dass ohne Paris gar nichts läuft.
Braucht die Putzfrau in Lyon einen neuen Lappen, muss sie ihn erstmal in der Hauptstadt beantragen. Bleibt's halt so lange staubig in Lyon. Bei uns dagegen konnte sich jedes Fürstentum frei entfalten.
Vielfalt nennt man das statt Einfalt. Oui, et quand chez eux tout à coup plus personne ne veut rien faire, alors là, plus rien marche. On appelle ça en allemand le fédéralisme.
Et ils en sont fiers. Auch August II. von Sachsen macht mit beim Schaulauf der Möchtegern-Sonnenfürsten.
Das vergleichsweise kleine Dresden erstrahlt unter seiner Herrschaft zum barocken Elbflorenz. Sehr eindrucksvoll. Chapeau! Lange Zeit ist Dresdens Architektur einzigartig in den deutschen Landen.
Kurfürst August ist stolz auf sein sächsisches Versailles. Alles ist hier à la française. Die Mode, die Kultur, die rauschenden Feste an seinem Hof. Und natürlich auch die Korkotten und Mätressen. An den Höfen von Sachsen, Preußen und Bayern wird die französische Lebensart imitiert.
Und man parliert auch auf Französisch. Es ist die Sprache des Adels in ganz Europa. August der Starke hat große Ambitionen. Er will auch auf dem europäischen Parkett glänzen und König werden, so wie sein großes Vorbild Ludwig XIV.
Als 1696 der König von Polen stirbt, sieht August seine Chance gekommen. Polen ist eine Adelsrepublik und die Königswürde wird per Wahl vergeben und nicht wie in Frankreich vererbt. August hat einen starken Kontrahenten, den Prinzen Conti aus Frankreich, der vom Sonnenkönig persönlich unterstützt wird.
Wer die Krone haben will, muss vor allem eins investieren. Bestechungsgeld. Damals durchaus gängige Praxis. Beide schmieren den polnischen Adel. Gigantische Summen fließen dorthin, um sich die entscheidenden Wähler gewogen zu machen.
Wer wirft mehr in die Waagschale? Gewichtiger ist am Ende August. Er wird König von Polen.
So gewinnt man Wahlen. Damals. deutschen Fürsten entbrennt ein regelrechter Wettbewerb um Aufwertung. Den Anfang macht der Kurfürst von Sachsen, der 1679 die polnische Krone erhält und danach mehrfach zum König von Polen gewählt wird.
Dann nimmt der Kurfürst von Brandenburg 1701 den Titel König in Preußen, dann von Preußen an. Hinter seinem Streben nach der Königswürde steckt mehr als nur persönliche Eitelung. Es geht auch um den Rang der aufstrebenden deutschen Staaten wie Sachsen oder Preußen im Konzert der europäischen Mächte.
Der Königstitel für August war kein Schnäppchen. Trotzdem, noch immer sind die staatliche Kunstsammlung Dresden und das grüne Gewölbe gut gefüllt. Barocke Lust auf Luxus, ganz nach dem Vorbild Frankreichs. Ironie der Geschichte? Bei den Franzosen sind nur wenige Prachtstücke aus dieser Zeit erhalten.
Ihre Könige haben fast nichts aufbewahrt. Sie gingen immer mit der Mode und ließen alles, was aus Silber war, einschmelzen. Wer also sehen will, mit welchen Prachtgegenständen sich der Sonnenkönig umgab, der muss nach Dresden. August macht's möglich. Ein blühendes Denkmal aus der Zeit des Sonnenkönigs hat überlebt.
Der Potager du Roi, der königliche Obst- und Gemüsegarten von Versailles. Eine Schatzkammer der Natur, ein Fest für die Sinne und, wie sollte es anders sein, der größte Küchengarten der Welt. In Versailles ist der Tisch immer üppig gedeckt.
Das Volk hingegen wird alle paar Jahre von Hungersnöten heimgesucht. Massen an Obst und Gemüse werden hier angebaut, um den Hofstaat und seine kulinarischen Gelüste zu befriedigen. Ludwig XIV. ist Selbstversorger und steht im Ruf, ein Schleckermaul zu sein und einer, der kräftig zulangt. Und wenn es den König im Winter nach Erdbeeren oder Tomaten gelistet, soll sich doch der Gärtner etwas einfallen lassen, wie man die Jahreszeiten überlistet.
Auch die Natur muss sich dem Sonnenkönig unterwerfen. Die deutsche Spargelzeit ist in den Monaten April und Mai. Wie stellte man es hier an, im Dezember Spargel zu haben? Man benutzte Techniken, die schon die alten Ägypter kannten.
nämlich Mistbeete. Durch Gärung wärmen sie den Boden und bewirken, dass der Spargel sogar im Winter wächst, als wäre es Frühling. Der Garten wird zum Experimentierfeld. Auch das allererste Gewächshaus wird im Namen des Königs entwickelt. Heute ist der Garten ein Hort längst vergessener Sorten aus der Zeit des Barock.
Die Franzosen führen die königliche Tradition des Eigenanbaus weiter. Selbst als die Mehrheit keinen eigenen Garten hatte, haben die Großeltern oder Onkel auf dem Land nie aufgehört, selbst anzupflanzen und ihre Neffen, Nichten oder Enkelkinder in der Stadt zu versorgen. Das hat dazu geführt, dass heute in Frankreich ungefähr 50% der verbrauchten grünen Bohnen und rund 40% der verbrauchten grünen Bohnen in der Stadt verbraucht werden.
der Tomaten aus Familiengärten stammen und nicht über den Handel vertrieben werden. Und in Deutschland? Der Schrebergarten mit seiner Gartenzwergidylle ist im Begriff der deutschen Spießigkeit. Doch inzwischen zieht es junge Städter auf die Scholle.
Sie wollen Gemüse ökologisch anbauen und suchen die Nähe zur Natur. Sogar Brachflächen werden zu blühenden Nutzgärten umgewandelt. In Sachen Esskultur haben sich Deutsche und Franzosen angenähert.
Frankreich hat eine Kenntnis darüber, was ein gutes Produkt ist und was ein schlechtes Produkt ist. Und diese Kenntnisse sind uns hier in den letzten Jahren schon ganz schön abhanden gekommen. Wir müssen uns das mühsam aneignen, das versuchen wir hier auch, die Zunge zu schärfen. wie schmeckt eigentlich eine gute Tomate oder eine gute Kartoffel im Vergleich zu einem Industrieprodukt.
Da sind die Franzosen uns schon ein bisschen voraus und sind auch ein bisschen unser Vorbild. Zurück ins 17. Jahrhundert nach Versailles. Eine junge Deutsche kommt im Jahr 1671 an den französischen Hof.
Lieselotte von der Pfalz wird mit 19 Jahren mit dem Bruder des Sonnenkönigs verheiratet. Allerdings nicht ganz freiwillig. Während der Herzog von Orléans sich lieber mit seinen Lustknaben vergnügt, verzehrt sich Lieselotte in zahllosen Briefen nach ihrer Heimat.
Das Landei und der gekünstelte Umgang bei Hofe, da prallen Welten aufeinander. Lieselotte macht sich nichts aus Mode, liebt Bücher und ist gerne an der frischen Luft. Sie war aufrichtig, bieder, leicht zu beeindrucken, sehr deutsch in ihrem ganzen Verhalten und voll eigener, wunderlicher Laune.
In Heidelberg ist Lieselotte aufgewachsen. Ihre Ehe wird aus Staatsräson geschlossen. Nichts Ungewöhnliches damals.
Der pfälzische Kurfürst will durch das Bündnis mit Frankreich sein kleines Land schützen. Doch der Schuss soll nach hinten losgehen. Und Lieselotte hält es in Versailles nur aus, weil sie weiter schreibt, täglich mehrere Briefe.
60.000 werden es am Ende sein. Schreibtherapie. In Frankreich fühlt sie sich ein Leben lang fremd.
Ich halte es jederzeit für eine Ehre, eine Deutsche zu sein und die deutschen Maximen zu behalten, obwohl sie hier nicht gefallen. Einzige Aufmunterung ist ihr königlicher Schwager, der Sonnenkönig höchstpersönlich. Eine enge Freundschaft verbindet die beiden.
Der Franzose und die Pfälzerin teilen die Leidenschaft für das Reiten, die Natur und die Jagd. Der König findet ihre bodenständige Art erfrischend. Sie ist diejenige Frau, die den meisten Verstand und das angenehmste Wesen der Welt hat. Er ist ein wahrhaft braver, guter Herr, den ich recht lieb habe.
Natürlich, und wie brav der da, der gute Sonnenkönig. Ich würde sagen, klarer Fall. Da ist ein deutsches Mädchen auf den Schar.
eines französischen Mannes reingefallen. Puh, sie wird schon sehen, was sie davon hat. Qu'est-ce que les Allemands ont pris de notre Louis?
Pas mal de choses, en fait. Il a montré au monde qui mène la baraque. Maîtresse, château, guerre.
A propos, la France dominait aussi l'économie. All'epocche. Damals.
Apropos Ludwigs Schatzmeister. Ist das nicht der Typ, dem wir die Erfindung der Mehrwertsteuer zu verdanken haben? Colbert ist Frankreichs Superminister.
Keiner ist so erfinderisch, wenn es darum geht, Geld für die Staatskasse einzutreiben. Sein Geheimrezept? Warum teure Luxuswaren aus dem Ausland kaufen, wenn man sie selbst herstellen kann? Überall in Frankreich gründet Colbert Manufakturen. Rohstoffe wie Wolle und Seide werden hier zu edlen Luxusgütern verarbeitet.
Pobelins aus der königlichen Tapisserie-Manufaktur in Paris sind heiß begehrt. Europas Fürsten reißen sich um die exklusiven Wandbehänge, um damit ihre zuigen Schlösser rauszuputzen. Noch heute klappern in der Pariser Manufaktur die Webstühle wie vor 300 Jahren. Und wie damals wird alles im Haus von Hand gefertigt. Vom Färben der Fäden bis zum Weben der komplizierten Muster.
Colberts Plan geht auf. Französische Luxusgüter wie Spitze, Kleider und Hüte werden im 17. Jahrhundert zum Exportschlager. Alles, was aus Frankreich kommt, gilt als Très Salamorde in ganz Europa. Die neuesten Schöpfungen werden an kleinen Putten präsentiert.
Kleider, Hüte und Schuhe nach dem letzten Schrei, en miniature. Die Mannequins werden nach ganz Europa verschickt, auch an die deutschen Fürstenhöfe. Der Versandkatalog des 17. Jahrhunderts. Seit damals gilt Paris als europäische Modemetropole. Berühmte Modeschöpfer wie Chanel, Dior, Cardin führen die Tradition fort.
Ob Haute Couture oder Prêt-à-Porter, die Modewelt ist französisch geprägt. In Deutschland taucht die Bezeichnung Allamode auf, die negativ behaftet ist. Denn sie steht für den wechselhaften Charakter des Hoflebens, in dem man an einem Tag in der königlichen Brunnen... Wunsch steht, aber schon am nächsten in Ungnade fallen kann. In Deutschland wird die Mode als Spiegel des schlechten, gar gefährlichen Einflusses des Hofes gewertet.
Dieser Scheinwelt, die sich sich am französischen Hof entwickelt. Auch die Möchtegern-Sonnenkönige auf deutschem Gebiet gründen jetzt Manufakturen. In Meißen lüftet ein Apothekerlehrling das Geheimnis der Porzellanherstellung.
Und der Sachsenkönig August gründet die erste deutsche Manufaktur für das weiße Gold. Das Porzellan mit den gekreuzten Schwertern. Bis heute echter Luxus. 50 Jahre später holt sein Konkurrent, der König von Preußen, auf.
Mit der königlich-preußischen Porzellanmanufaktur KPM. Mit dem Verbot von Kinderarbeit und einer eigenen Krankenkasse gilt diese als Musterbetrieb. Und Frankreich?
Schlusslicht beim Porzellan. In Sèvres, in der Nähe von Versailles, wird fieberhaft experimentiert, um das deutsche Porzellan zu imitieren. Doch zunächst gelingt nur die Herstellung von Weichporzellan. Das reicht zunächst nur für schönen Nippes.
Zehn Jahre später in Versailles. Der höfische Pomp interessiert Lieselotte noch immer nicht. Lieber lässt sie sich den Wind um die Nase wehen. Zum Glück hat sie noch ihren alten Pelzkragen. Den finden auch die Pariser Hofdamen schick und machen es ihr nach.
La Palatine, die Pfälzerin, so heißt ein Pelzkragen auch heute noch in Frankreich. Die Tage unbeschwerter Spaziergänge sind gezählt. Es gibt schlechte Nachrichten.
Ihr Bruder, Kurfürst Karl von der Pfalz, ist gestorben. Da es keinen direkten Thronfolger gibt, erhebt Ludwig XIV. gleich selbst Erbansprüche an die Kurpfalz.
Im Namen seiner Schwägerin Lieselotte. Dabei hatte sie doch bei der Heirat auf ihr Erbe verzichtet. Ludwig fackelt nicht lange.
Im Herbst lässt er sich in die Kirche. er seine Truppen in die Pfalz einmarschieren. Ohne Kriegserklärung.
Der Pfälzische Erbfolgekrieg schlägt Wunden, die bis heute nicht geheilt sind. Und dennoch ist es kein Krieg der Nationen. Es geht um territoriale Machtansprüche von Herrschern. Dorf um Dorf, Stadt um Stadt fällt in die Hand der Franzosen.
Mainz, Worms und schließlich die Kaiser- und Domstadt Speyer. Ein Augenzeuge berichtet. Grausiger als Mongolen wüteten die Franzosen.
Sie schändeten sogar den Dom, rissen dort beigesetzte deutsche Kaiser aus ihren Griften und spielten betrunken Kegel mit ihren Schädeln. Brûlée le Palatina, brennen Sie die Pfalz nieder. Mit der Politik der verbrannten Erde will der Sonnenkönig seinen Anspruch auf die Pfalz durchsetzen.
Unter Führung seines Generals Melak werden ganze Landstriche in Schutt und Asche gelegt. General Melak hat auf allen Dörfern alles so kahl wegbrennen lassen, dass nicht ein Schweinestall stehen blieb. Nachdem nun alles zu stumpf und stielverbrannt war, ist er mit großem Jauchzen weitergezogen.
Die Gräueltaten belasten das deutsch-französische Verhältnis nachhaltig. Also, ganz klar, dieser Melakwas, der hat alles versaut zwischen Deutschen und Franzosen mit seiner Strategie der verbrannten Erde. Das ging vom Erbfolgekrieg direkt zur Erbfeindschaft. So, dieser General Melak, das ist eine schreckliche Geschichte. Ein Typ, der ziemlich unglücklich ist.
Zudem findet man nirgendwo ein Monument an seiner Glorie, wie es für fast alle Generäle in Frankreich gibt. Und sein Dossier, nicht mehr möglich, es in den Militärarchiven zu finden. Das ist seltsam.
Man könnte fast sagen, dass er nie existiert ist. Ja, die Pfälzer und Badener, die haben den nicht vergessen, den Melak. Immer noch ein Schimpfwort heute.
Lackel. Erst 1693 werden die Franzosen aus der Pfalz zurückgedrängt. Auf ihrem Rückzug verwüsten sie mal eben Heidelberg, Lieselottes Heimat.
Die Brücke über den Neckar wird gesprengt, die ganze Stadt und das Schloss liegen in Trümmern. Selbst ein französischer Offizier berichtet schockiert. Bevor sie Brand anlegten, plünderten sie nicht nur alles. Sie vergewaltigten auch schamlos Mädchen und Frauen. Das Gerücht von diesen Gewalttaten hatte sich im Lande verbreitet, sodass die Bewohner vor uns flohen wie vor Feinden und Vermichtern des Menschengeschlechts.
Gegen den Krieg erheben sich heute die zerstörten Mauern des Schlosses über der Stadt. Versöhnlicher Nachtrag? 100 Jahre später wird ein Franzose zum Retter der schönsten Ruine der Welt.
Der Maler Charles de Graumberg macht den Erhalt des Schlosses zu seinem Lebenswerk und steckt sein ganzes Erbe in die Restaurierungsarbeiten. Mit seinen Gemälden macht er Heidelberg berühmt und zum beliebten Touristenziel. Von Versailles aus muss Lieselotte der Zerstörung ihrer Heimat tatenlos zusehen. Was mich am meisten schmerzt, ist, dass das erbärmliche Elend in der Armenpfalz in meinem Namen geschieht und dass ich sozusagen meines Vaterlands Untergang bin. So werden erstmals aus verehrten Vorbildern verhasste Erbfeinde.
Der Begriff Erbfeind wurde zunächst auf den Teufel und dann auf die Türken angewendet. Und als Ludwig XIV., obwohl er den Titel aller christlichster König war, beginnt, Krieg gegen das Heilige Römische Reich zu führen, also gegen Christen, während er gleichzeitig Geschäfte mit dem Osmanischen Reich macht, wird die Bezeichnung Erbfeind auf ihn übertragen. Der Sonnenkönig feiert die Zerstörung Heidelbergs mit einem Fest. Gottesdienst.
Geschmackloserweise lässt er noch eine Gedenkmünze prägen. Heidelberger Deleta. Heidelberg ist zerstört. Die Tat eines gekränkten Verlierers? Denn Ludwig muss mit der Allianz der europäischen Mächte einen kostspieligen Frieden schließen.
Er muss die Pfalz wieder abgeben und alle rechtsrheinischen Gebiete auch. Dafür erhält Frankreich das Elsass mit der bereits französischen Stadt Straßburg. Erstmals wird der gesamte Oberrhein als deutsch-französische Grenze festgelegt. Doch das Gebiet rechts und links des Rheins bleibt lange Zeit ein Zankapfel der Deutschen und Franzosen.
Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt in Paris ein neues Zeitalter. Die Aufklärung. In den Cafés und Salons treffen sich die führenden Denker der Zeit.
Montesquieu, Voltaire, Rousseau und Diderot diskutieren über Gott und die Welt. Und entwickeln eine gewagte Idee. Der Mensch besitzt ein mächtiges Werkzeug. Er muss es nur benutzen.
Die Vernunft. Also Frankreich hat im Unterschied zu Deutschland und auch zu vielen anderen europäischen Ländern eine Vorreiterrolle für die Aufklärung gehabt. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass es in Frankreich... einen Typus des freien, unabhängigen Intellektuellen gab, der, anders als im Heiligen Römischen Reich und in anderen Ländern, eine große Unabhängigkeit auch zur Monarchie, zur Politik, zum Regime gewinnen konnte.
Die Aufklärer sammeln das Wissen ihrer Zeit und erleuchten damit den Kontinent. Ihre Enzyklopädie, ein Wikipedia des 18. Jahrhunderts. Der Inhalt ist revolutionär und ketzerisch.
Für die Philosophen steht die Wissenschaft über dem Glauben. Damit wird das Weltbild der Kirche und die von Gott abgeleitete Macht der Könige infrage gestellt. Die Ideen verbreiten sich rasend schnell in ganz Europa. Die Botschaft kommt auch in Berlin an, der Hauptstadt von Preußen. Hier herrscht Friedrich II.
Er sieht sich nicht als absolutistischer Sonnenkönig, sondern als erster Diener des Staates. Nicht Willkür, sondern Vernunft soll seine Herrschaft prägen. Behauptet er zumindest. Eine der modernen Maximen Friedrichs ist die religiöse Toleranz. Zu einer Zeit, in der in weiten Teilen Europas noch Glaubenszwang herrscht.
In seinem Brandenburg-Preußen soll jeder nach seiner Fasson selig werden. Auch die Huguenotten, die protestantischen Glaubensflüchtlinge, die sein Großvater aus Frankreich aufgenommen hatte. Mit ihrem handwerklichen Wissen entwickeln sie das rückständige Brandenburg. Die Maulbeerbäume für ihre Seidenraupenzucht säumen noch heute die Alleen.
Der Brain Gain, die Gehirnverstärkung durch Zuwanderer, bringt das Land zur Blüte. Und was wäre die Berliner Küche ohne die französischen Zuwanderer? Die Bulette aus Hackfleisch und die Schrippe aus Weißmehl brachten die Hugenotten aus Frankreich an die Spree.
Genauso wie die Bockwurst. Sie ist eine Schwester der französischen Saucisson. Wer hätte das gedacht?
Aber doch nicht die Berliner Weiße. Bien sûr, natürlich, auch eine Erfindung der Huguenotten. Kein Wunder, dass man das Blubbergetränk Champagner des Nordens nennt. Friedrich der Große will nicht in Berlin leben, so wie der Sonnenkönig nicht in Paris. In Potsdam baut er sich ein Schloss und nennt es Sanssouci und nicht Schloss Sorglos.
Friedrich spricht fließend Französisch, Deutsch nach eigenen Angaben nur wie ein Kutscher. Er ist von Frankreich fasziniert und schätzt die deutsche Kultur eher gering. Es gelingt Friedrich, den Philosophen Voltaire mit einer lukrativen Anstellung als Kammerherr nach Potsdam zu locken.
Mit dem Superstar der Aufklärung will Friedrich sein Image als Roi-Philosoph, als Philosophenkönig aufpeppen. Voltaire wird Sanssouci nach drei Jahren im Streit verlassen. Aber sie werden sich weiter schreiben, ein Briefwechsel von weltliterarischem Rang. Doch zunächst bringt der berühmte Gast Glanz in die Tafelrunde.
Nach dem Vorbild der französischen Salons. Auch Wissenschaftler und Offiziere sind geladen. Man diskutiert, lästert und trinkt nur den allerbesten Wein aus Frankreich, versteht sich.
Das verrät uns das private Kassenbuch des Preußenkönigs. 2000 Flaschen edlen Bergerackwein und 5800 Flaschen Champagner für eine sechsstellige Summe. Das zum Thema preußische Sparsamkeit.
Den deutschen Dichtern und Denkern platzt bei so viel Franzosenliebe langsam der Kragen. Der Dichter Lessing schimpft. Wir sind noch immer die untertänigen Bewunderer der Franzosen. Und alles, was von jenseits dem Rheine kommt, ist schön, reizend, allerliebst, göttlich.
Um den kulturellen Minderwertigkeitskomplex zu überwinden, schaffen die Dichter der deutschen Klassik etwas Besonderes. Eine einheitliche deutsche Literatursprache und legen damit ein Fundament für die deutsche Kulturnation. Vor allem die Sprache verbindet die Menschen, die noch immer auf viele kleine Staaten verteilt leben.
Die Entdeckung, Wiederentdeckung der deutschen Sprache für die Kunst, vor allen Dingen für das Theater, auch für die Oper, auch für die Philosophie, geht etwa in den 1780er Jahren los und ist verboten. verbunden vor allen Dingen mit der Weimarer Klassik. Das ist ein Prozess, der langsam auf die Nationalismen des 19. Jahrhunderts hindeutet, der also zum ersten Mal auch eine Art Eigen... auch eine Selbstverortung auch versucht. Und was ist mit den typisch deutschen Tugenden?
Disziplin, Fleiß, Pflichterfüllung? Sie gehen auf Friedrichs preußische Armee zurück. Eine reine Männerwelt ist Friedrichs Preußen. Politik, die von Frauen gemacht wird, beschimpft er als Herrschaft der Unterröcke. Sein Sport zielt auch auf Frankreich.
Hier zieht eine Frau die Strippen hinter den Kulissen. Keine Königin, sondern die Geliebte des französischen Königs Ludwig XV. Es ist die Geschichte eines fantastischen Aufstiegs. Der ehrgeizigen Tochter eines einfachen Lebensmittelhändlers gelingt es, zur offiziellen Mätresse aufzusteigen. Damit ist sie die mächtigste Frau Frankreichs.
Fast zwei Jahrzehnte lang behält die Pompadour ihre herausragende Position. In ihren Privatgemächern wird große Politik gemacht. Obwohl sie kein staatliches Amt bekleidet, nimmt die Pompadour Einfluss auf die Wahl der Minister, fördert die Künste und empfängt ausländische Diplomaten aus ganz Europa.
Dem Botschafter des Hauses Habsburg wird sie später helfen, ein französisch-österreichisches Bündnis gegen Preußen einzufädeln. Auch in der Mode ist sie stilprägend. Das It-Girl des Rokoko entwirft eigene Kreationen. Zum Beispiel einen zum Kleid passenden Stoffbeutel, der ihren Namen trägt. Der Pompadour.
Im Palais, wo die Mätresse residiert und ihren König empfängt, wird noch heute Politik gemacht. Der Elysee-Palast ist der Amtssitz des Staatspräsidenten. Wie heißt es so schön?
Hinter jedem großen Mann steht eine große Frau. Eine. Ludwig der 15. brauchte gleich 14. So groß kann er also nicht gewesen sein.
Offenbar hat sowieso seine Madame Pompadour den ganzen Laden geschmissen. Madame Premierminister hat man die bei Hofe genannt. Sagt doch schon alles, der König unterm Pantoffel.
La Pompadour, c'est quand même rien moins que la première femme avoir fait une carrière politique en Europe. und damit eine echte Am preußischen Hof hat man sich ganz schön darüber lustig gemacht. Friedrich der Große hat sogar einen seiner Windhunde nach ihr benannt. Ja, komm her! Ja, Pompadour!
Ja, Pompadour! Hol Stückchen! Pompadour, machst du wohl Platz? Und ehrlich gesagt, in der Sache, kann die Kirche des Prinzen Prusses sich wieder anziehen. Aber die Frauen waren sowieso nicht wirklich willkommen in seiner Kirche.
Wir fragen uns, warum. Drei mächtige Frauen stehen Friedrich an der Spitze der europäischen Supermächte gegenüber. Die Marquise de Pompadour, Kaiserin Maria Theresia von Habsburg und die Zarin Elisabeth. 1756 verbünden sie sich gegen Preußen. Denn Friedrichs Großmachtgelüste sind ihnen ein Dorn im Auge.
Sein einziger Bündnispartner ist England. Doch die Engländer stellen nur Geld und keine Soldaten. Sie kämpfen in Übersee gegen Frankreich um die Vorherrschaft in den Kolonien Nordamerikas.
Friedrich sieht seine einzige Chance in einem Überraschungsangriff. Ohne Kriegserklärung überfällt er das reiche Sachsen, das er Preußen einverleiben möchte. Dem Monarchen geht es um einen Platz unter den Großmächten.
Mit aller Macht und ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist der Anfang des siebenjährigen Krieges, dessen Ausgang bis zuletzt ungewiss ist. Die Großmächte Österreich, Frankreich und Russland kämpfen Seite an Seite gegen Friedrich. Er ist von Gegnern umzingelt.
Doch am Ende wird es keine Gewinner geben, sondern nur Opfer. Für Friedrich den Großen war es überhaupt kein Widerspruch, französische Dichter zu lesen, französische Philosophen zu lesen, sich selber auf Französisch zu unterhalten und gleichzeitig die Franzosen in einer Schlacht zu schlagen. Das war für ihn kein Widerspruch, weil er trennte ganz klar zwischen einer bewundernswerten Kultur und einem Staat, der ihm bei seinen politischen Projekten im Weg stand.
Derweil zieht die Marquise de Pompadour die politischen Fäden. Mit Ehrgeiz und Ausdauer macht sie den Krieg gegen Preußen zu ihrem eigenen Projekt. Sie will den Attila des Nordens, wie sie Friedrich nennt, pulverisieren.
In ihrem Hass auf den Preußenkönig setzt die Pompadour alles auf eine Karte. Und macht dabei einen entscheidenden Fehler. Sie überzeugt den König, alle Kräfte für den Kampf gegen Preußen zu mobilisieren.
Statt wie geplant 24.000 Soldaten werden auf ihre Initiative hin gleich drei Armeen in den Kampf geschickt. Dafür muss aber die französische Kriegsflotte verkleinert werden, die gegen England in Übersee kämpfen soll. Ein fataler Entschluss.
Denn Frankreich wird im siebenjährigen Krieg seine nordamerikanischen Gebiete an den kolonialen Rivalen England verlieren. Der französische Traum von Neu-Frankreich ist geplatzt. Frankreich muss fast alle Besitzungen den Engländern überlassen.
Doch in Québec, einst Hauptstadt der französischen Kolonie in Übersee, wird seit 400 Jahren das kulturelle Erbe wachgehalten. Man spricht französisch und pflegt die französische Lebensart und nicht den American Way of Life. Und wie geht der Krieg in Europa weiter? Im November 1757 stehen sich bei Rosbach französische und preußische Truppen gegenüber. Friedrichs Infanterie kämpft mit der Präzision eines Uhrwerks.
Neben Mann, gestaffelt in drei Reihen, rücken die Soldaten wie eine Mauer gegen ihren Feind vor. Nach zwei Stunden ist die französische Armee geschlagen. Preußens König spricht überheblich vom Spaziergang in Rosbach. Die Niederlage wird zum Stachel im Fleisch des französischen Selbstbewusstseins.
50 Jahre später lässt Napoleon das preußische Siegerdenkmal in Rosbach zerstören. Nichts soll mehr an die Schmach erinnern. 5000 französische Soldaten ließen ihr Leben in der verhängnisvollen Schlacht.
Aufgeben? Niemals. Die Mätresse des Königs will sich nicht geschlagen geben. Mit allen Mitteln weiterkämpfen. Après nous, le déluge.
Nach uns die Sintflut, ist ihr Motto. Doch in Frankreich kippt die Stimmung. Das Volk macht jetzt die Pompadour für die Misserfolge im Krieg verantwortlich. Ein Jahr später stirbt die Marquise de Pompadour einsam in ihrem Palast. Und Friedrich kehrt als gefeierter Held zurück.
Sein Preußen ist jetzt auf dem Weg zur Großmacht. Die traurige Bilanz des siebenjährigen Krieges, eine Million Tote auf allen Kriegsschauplätzen. Gemessen an der Bevölkerungszahl hat dieser Krieg mehr Opfer gekostet als die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts zusammen.
Der Krieg hat Frankreich in den Bankrott getrieben. Die große Schuldenlast trägt das Volk. Wer sonst?
Der Adel und der königliche Hof in Versailles aber schwelgen weiterhin im Luxus. So stehen die Zeichen bald auf Veränderung. Auch die Zeit der Sonnenkönige neigt sich ihrem Ende zu.
Sonnenuntergang beim französischen Nachbarn. Na dann, gute Nacht allerseits. Nous verrons bien.
Il y a d'abord une révolution qui se prépare. Bonne soirée.