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Gendrift und Effekte

In diesem Video geht es um die Gendrift. Wir schauen uns an, wie die Gendrift als Evolutionsmechanismus die genetische Struktur von Populationen verändert. Und wir schauen uns in diesem Zusammenhang den Flaschenhals-Effekt und den Gründer-Effekt an, zwei Effekte, bei denen Gendrift wirksam ist. Eine wesentliche Frage in der Evolutionsbiologie lautet, welche Mechanismen bewirken evolutionäre Veränderungen? Evolutionsmechanismen sind Kräfte, die zu einer Veränderung der genetischen Struktur einer Population führen. Und im Unterricht habt ihr euch wahrscheinlich schon intensiv mit der natürlichen Selektion von Darwin auseinandergesetzt, die zweifelsohne in vielen Fällen der zentrale Evolutionsmechanismus ist. Aber selbst Darwin erkannte bereits, dass neben der Selektion noch andere Evolutionsmechanismen wirksam sind und ein Evolutionsmechanismus ist die Gendrift. Unter Gendrift versteht man die zufällige Veränderung der Allelhäufigkeiten in einer Population. Erinnert euch, Allele sind unterschiedliche Varianten eines Gens. Für ein Gen, das die Blütenfarbe bestimmt, kann es zum Beispiel ein Allel für die Ausprägung blauer Blüten und ein Allel für die Ausprägung oranger Blüten geben. Bereits die Kreuzung von zwei Individuen kann eine veränderte Allelhäufigkeit zur Folge haben, also zu Gendrift führen. Nehmen wir mal an, dass die beiden Individuen ein dominantes Allel für die blaue Blütenfarbe, Groß A, und ein rezessives Allee für die Blütenfarbe Orange, klein a, besitzen. die Allele also zu gleichen Anteilen verteilt sind. Sollte der Genotyp bei den Nachkommen auch Groß-A, Klein-A sein, bleibt die Häufigkeit beider Allele gleich. Wenn jedoch zweimal Groß-A vererbt wird, verschiebt sich die Allelhäufigkeit zugunsten von Groß-A. Wenn zweimal Klein-A vererbt wird, verschiebt sich die Allelhäufigkeit zugunsten von Klein-A. Wird genetisches Material ausgetauscht, kann sich also die Allelhäufigkeit zufällig verändern. Im Gegensatz zum Flaschenhals-Effekt und Gründer-Effekt, die ebenfalls eine Gendrift bewirken, erzeugt die Rekombination genetischen Materials eine genetische Variabilität. Ein signifikanter Unterschied zu den beiden anderen Effekten, bei denen durch Gendrift ein Großteil der genetischen Variabilität eingebüßt wird. Je kleiner die Population, desto geringer ist die genetische Variabilität. Bei beiden Effekten ist die Population klein. Der Flaschenhals-Effekt beschreibt eine Situation, in der die Größe einer Population drastisch schrumpft. Der Gründer-Effekt bezeichnet eine Situation, in der wenige Individuen einer Art als Pioniere ein neues Gebiet besiedeln. Verständlich, dass in kleinen Populationen auch die genetische Variabilität geringer ist. Denn nehmen wir mal an, in einer großen Population gibt es viele verschiedene Allele, die sehr unterschiedliche Blütenfarben erzeugen. Ist die Population klein, ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, dass die Population all diese Allele aus der Ausgangspopulation aufweist. Vielleicht sind jetzt nur noch drei unterschiedliche Blütenfarben vertreten. Die genetische Variabilität ist also geringer. Es gibt viele Situationen, in der die Größe einer Population drastisch schrumpfen kann. Denkt beispielsweise an Naturkatastrophen wie zum Beispiel Vulkanismus, Tsunamis oder anhaltende Dürre. Aber auch der Mensch kann mit seinem Eingriff in die Umwelt dafür sorgen, dass sich Populationen so stark dezimieren, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Wird ein Populationsbestand vorübergehend stark dezimiert, führt dies automatisch zu einer geringeren genetischen Variabilität. Veranschauen lässt sich der Vorgang mithilfe des Flaschenhalses einer Flasche, daher auch der Name. Die ursprüngliche Population enthält ungefähr mit gleicher Häufigkeit rote und gelbe Bohnen. Die roten und gelben Bohnen repräsentieren dabei zwei unterschiedliche Allele eines Gens. Durch ein Umweltereignis wird die Populationsgröße stark dezimiert. Die Allelhäufigkeiten der überlebenden Population weichen von denen der ursprünglichen Population ab. In diesem Beispiel überleben rein zufällig vor allem rote Bohnen. Die Allelhäufigkeiten verschieben sich also. Wenn die Population nach Überwinden des Flaschenhalses wieder anwächst, spiegeln ihre Allelhäufigkeiten die der überlebenden Population wieder. Also mehr rote als gelbe Allele. Auch beim sogenannten Gründereffekt. bei dem einzelne Individuen als Pioniere ein neues Gebiet besiedeln, führt die genetische Drift zu einer Verringerung der genetischen Variabilität. Klar, denn wie schon vorhin deutlich geworden, können ein paar wenige Individuen kaum all die Allele aufweisen, die sich bei den Mitgliedern der Ausgangspopulation finden. Gerade in Zusammenhang mit der Globalisierung führt der globale Personen- und Warenverkehr zu einer großen Anzahl an Gründereffekten. Ein Beispiel ist eine Tauffliegenart, die ursprünglich nur in Europa beheimatet ist. und die im Laufe des letzten Jahrhunderts mit dem Schiff nach Chile gelangt ist. Forscher haben festgestellt, dass die Alleevielfalt europäischer Populationen um ein Vielfaches höher ist als die der Populationen aus Chile. In der Regel ist bei beiden Prozessen die Wahrscheinlichkeit hoch, dass nachteilige Alleele verloren gehen. Es kann allerdings auch sein, dass zufälligerweise nachteilige Alleele häufiger werden und vorteilhafte Alleele verloren gehen. Die natürliche Selektion, hohe biologische Fitness, hohe Überlebenschance, ist hier also ausgesetzt. Denn fehlen viele vorteilhafte Allele, ist der Selektionsdruck auf die nachteiligen Allele nur noch sehr gering, sodass diese sich sogar entfalten können. Je kleiner die Population, desto größer kann die Änderung der genetischen Struktur durch Gendrift sein. Besonders deutlich wird dies auf der Insel Pingelab des Staates Mikronesien im Westpazifik, die auch die Insel der Farbenblinden genannt wird. Von den ca. 450 dort lebenden Menschen weist jeder sechste die Krankheit Akromatopsie auf. Eine genetisch bedingte Augenkrankheit, bei der Betroffene keinerlei Kontraste sehen können, unter Augenzittern und extremer Lichtempfindlichkeit leiden. Exemplarisch kann auf dem Bild unten die Sicht eines Akromaten im Vergleich zum Bild eines Normalsichtigen oben simuliert werden. Charakteristisch ist, dass Betroffene ihre Augen extrem zusammenkneifen. Dass im Gegensatz zu uns, wo die Krankheit nur bei einem von 30.000 Menschen auftritt, so viele Menschen von dieser Krankheit betroffen sind, liegt an einem Taifun, der 1775 über das Land fegte und ca. 90% der Bevölkerung tötete. Durch diesen Flaschenhals-Effekt überlebten von den ca. 20 Menschen zufällig einige Merkmalsträger dieser Genkrankheit. Und diese veränderte Allelhäufigkeit spiegelt sich auch in der heutigen Bevölkerung wider. Weil die natürliche Selektion als Selektionsfaktor, bei der Individuen mit einer hohen biologischen Fitness eher überleben, nicht wirksam ist, kann die Gendrift wie gesagt zu einer erheblichen Verringerung der biologischen Fitness einhergehen. Dies zusammen mit der anfänglichen Inzucht bei einer kleinen Populationsgröße führt beispielsweise dazu, dass sie ohnehin vom Aussterben bedrohten Tierarten, es mit ihren kleinen Beständen besonders schwierig haben.