Guten Abend, Herr Heim. Guten Abend, Herr Horowitz. So spät noch ausgehen?
Ein bisschen spazieren. Was hat man sonst vom Leben? Wie viel Uhr haben wir das schon? Meine Uhr haben die Deutschen, Herr Horowitz.
Hüten Sie sich vor acht, Herr Heim. Halt! Weißt du nicht, dass es verboten ist, nach 8 auf der Straße zu sein?
Ich weiß es. Was? Es ist verboten.
Und wie spät ist es jetzt? Ich weiß nicht. Das solltest du aber wissen. Weißt du wenigstens, was das für ein Haus ist? Das Revier.
Da gehst du jetzt rein. Du meldest dich beim Wachhabenden, sagst ihm, dass du nach 8 auf der Straße gewesen bist und bittest um eine gerechte Bestrafung. Ist was? Nein. Und worum bittest du?
Um eine gerechte Bestrafung. In einer erbitterten Abwehrschlacht gelang es unseren heldnachkämpfenden Gruppen, den bolschewistischen Angriff 20 Kilometer vor Besanika zum Stehen zu bringen. Im Verlauf der Kampfhandlungen, die von unserer Seite mit äußerster Härte und Schlagkraft...
Pesanika! ...erfuhren die Bolschewisten große Verluste an Wissen und Material. So wurden allein im Südabschliff...
Was machst du hier? Der Herr Posten hat mich angehalten und hat gesagt, dass es schon 8 ist. Er hat mich hier reingeschickt, damit ich mich melde beim Herrn Wachhabenden.
Und da horchst du hier? Ich hab nicht gehorcht. Ich hab nur nicht gewusst, welches Zimmer, weil ich noch nie hier gewesen bin.
Und deswegen wollte ich gerade an diese Tür klopfen. Letzte Tür links. Der Schlag soll euch treffen. Ja. Wie spät ist es denn?
Paar Minuten nach halb acht. Was verschafft mir die Ehre? Nur keine falsche Scham, Mäuscheleben, immer raus mit der Sprache.
Wo brennst du denn? Ach, redest du nicht mit Deutschen? Der Herr Posten auf dem Turm in der Kurländischen hat gesagt, ich soll mich bei Ihnen melden, weil ich nach 8 auf der Straße gegangen bin. Und sonst hat er nichts gesagt? Er hat noch gesagt, ich soll um eine gerechte Bestrafung bitten.
Name? Heim. Jakob Heim. Kennst du Paragraph 7 der Ghetto-Verordnung?
Natürlich. Wer nach 8 auf der Straße angetroffen wird, wird erschossen. Danke. Wohnst du weit? Keine zehn Minuten.
Geh nach Hause. Na los, hau schon ab. In einer Abwehrschlacht gelang es...
Es gelang... Da ist euch was gelungen, ist euch was... pfff... Behalte euch, Russen! Beeilte euch!
Platz nicht in der Gegend rum, wir werden beide noch fallen! Der Wagen da. Welcher Wagen?
Auf dem vorletzten Gleis, der ohne Dach. Na und? In dem Wagen sind Kartoffeln.
Bist du noch gescheit? Dann sind eben Kartoffeln drin. Was hast du davon?
Sollen drin sein eingelegte Heringe oder gebratene Gänse? Was geht's dich an? Wenn sie sich ablösen, werde ich's versuchen.
Mach dich nicht lächerlich. Und wenn er dich sieht? Dann werde ich nicht verhungern, sondern erschossen.
Glänzendes Geschäft. Weißt du, wo Besanika liegt? Ja. Die Russen sind 20 Kilometer vor Besanika. Hätte doch nicht solchen Mist.
Hör zu, gestern Abend haben sie mich gefasst und aufs Revier gebracht. Dort hab ich es gehört, im Radio. Rein zufällig, ne Tür war offen. Hinterher hat mich ein anständiger Mensch wieder laufen lassen. Ich weiß selber, wie unwahrscheinlich das alles klingt, aber du siehst, ich bin hier und lebe.
Ich sag dir die Wahrheit. Ich habe ein Radio. Was sagst du da? Steh jetzt auf!
Und vor allem Hals im Maul! Kein Mensch darf davon erfahren! Ach, Jakob...
Gibt es Neuigkeiten? Na, was ist? Was für Neuigkeiten, wieso fragst du mich?
Jakob, sind wir nicht alte Freunde? Was hat das damit zu tun? Also schön, reden wir offen.
Stimmt das mit den Russen? Mit was für Russen? Mit was wir Russen besinnen, ich werde nehmen, der Sitz, Jakob.
Die ganze Welt weiß, dass er ein Radio hat seit Jahren. Oder wird es im Ghetto gekauft sein? Und mir, seinem besten Freund, will er nichts sagen. Die ganze Welt weiß das?
Nein, nicht gleich die ganze Welt, aber der und jener wird es schon wissen. Hat man es einer gesagt, oder bin ich ein Hellseher? Das mit den Russen stimmt, und jetzt lass mich in Ruhe.
Sie sind 20 Kilometer vor Bessanika? Ja! Wirst du wenigstens schweigen? Jakob, du kennst mich doch. Ja, eben.
Die Russen. Es ist langweilig. Du überlegst immer so furchtbar lange. Willst du gewinnen, weil ich in der Eile einen falschen Zug mache, oder willst du gewinnen, weil du besser spielst? Du stehst doch sowieso besser.
Nicht sowieso, sondern weil ich überlege. Mit ihm dauert jede Partie zwei Stunden. Es ist besser, in zwei Stunden eine Partie zu gewinnen, als fünf zu verlieren. Das geht nicht, du verlierst deine letzte Dame.
Das geht auch nicht. Und was geht sonst? Nichts mehr. Noch eine? Guten Abend.
Guten Abend. Guten Abend, Micha. Ihr habt gespielt?
Und wer hat gewonnen? Na wir schon. Sie spielt schneller als sie denkt. Ist dir das auch schon aufgefallen?
Hast du überhaupt schon das Neueste gehört? Ihr wisst es schon? Vorhin auf der Arbeit haben sie es erzählt.
Ihr versteckt eure Freude aber ganz gut. Freuen sollen wir uns? Worüber sollen wir uns denn freuen, Jünglichen? Früher hätte man sich darüber freuen können.
Mit der Verwandtschaft leben soll sie. Zusammen einen saufen. Heute ist es ein Unglück für die Leute. Es wird schwer sein, das Kind groß zu ziehen.
Das Kind? Du weißt es ja doch noch nicht. Im zweiten Bezirk ist heute ein Kind geboren worden, in der Witewska. Zuerst waren es Zwillinge, aber eins ist gleich nach der Geburt gestorben in der letzten Nacht.
Wenn alles vorbei ist, wollen sie den Jungen auf den Namen Abraham eintragen lassen. Wenn alles vorbei ist... Wenn alles vorbei ist, dann lebt das Kind nicht mehr.
Und die Eltern leben nicht mehr. Wir alle werden nicht mehr leben. Dann ist alles vorbei.
Ich finde David schöner. Du, Wedel. Erinnert ihr euch, seit der Sohn von Annette geheißen?
Abraham hört sich so sehr alt an, überhaupt nicht wie ein Kind. Dabei ist doch nur bei Kindern der Name von Bedeutung. Herr Frankfurter, ich wollte, weil doch jetzt sozusagen... Ich meine, wir sind doch jetzt alle hier.
Und da wollte ich Sie fragen, und auch Sie, Frau Frankfurter... Nun ziehe dich nicht, als ob du meine Hand anhalten willst. Ich möchte Rosa heiraten. Rosa heiraten?
Ist jetzt die Zeit dafür! Wir sind im Ghetto, Mischa. Er ist verrückt geworden, die Not hat ihn verwirrt. Sag du doch was dazu!
Sag mir bitte, was für Sicherheiten du zu bieten hast, denn sie ist meine einzige Tochter. Soll ich dir sagen, was für eine Mitgiftrosa bekommt? Oder soll ich zum Rabbiner gehen und ihn fragen, wann es ihm am besten passt mit den Festlichkeiten?
Da bricht dir lieber den Kopf, wo du dich versteckst, wenn sie dich holen kommen. Hört euch das an! Sein Schiff ist untergegangen, er schwimmt mitten auf dem Meer, weit und breit kein Mensch, der ihm hilft. Und er überlegt, ob er abends lieber ins Konzert gehen soll oder in die Oper. Die Russen sind bei Besanika.
Na? Sagen sie noch immer, keine Hilfe weit und breit? Woher weißt du das? Von Heim. Jakob Heim?
Ja. Und er? Woher er das weiß? Ich hab versprochen, es keinem zu erzählen.
Jakob Heim hat ein Radio. Komm, wir gehen zu dir. Felix, Besanika ist doch nicht so unendlich weit. Stell dir vor, Felix, wenn das wahr ist.
Mir dreht sich schon der Kopf. Stell dir das vor. Nicht mehr lange und alles wird sein wie früher.
Du wirst wieder spielen können auf einer richtigen Bühne. Ich werde dich nach jeder Vorstellung abholen. Neben der Pförtnerloge werde ich auf dich warten. Stell dir das vor. Was willst du im Keller?
Felix, was tun wir denn hier? Dieser Jakob Heim ist ein Trottel. Warum? Warum, warum? Er hat eine Nachricht gehört.
Wunderbar, aber das ist seine Sache. Soll er sich freuen und nicht andere damit verrückt machen? Ist das nicht schön, dass wir das auch wissen? Hm, sehr schön. Heute weißt du es.
Morgen wissen es die Nachbarn und am nächsten Tag spricht das ganze Ghetto von nichts anderem. Und auf einmal weiß es die Gestapo. Felix, denkst du im Ernst, die Gestapo erfährt nicht ohne uns, wo die Russen sind?
Wer redet davon? Auf einmal weiß die Gestapo, die Pest auf sie gibt, dass im Ghetto ein Radio ist. Und was tut sie?
Sie stellt jede Straße auf den Kopf, Haus für Haus. Sie werden nicht eher Ruhe geben, bis sie das Radio gefunden haben. Und wo werden sie es finden? Du hast unser Radio mitgenommen. Warum hast du mir nichts davon gesagt?
Ich hab allein genug gezittert. Aber damit ist jetzt Schluss. Hast du auch gehört, dass die Russen bei Besanika sind?
Ich habe nie gehört. So ein Held bin ich auch wieder nicht. Misha!
Misha! Was ist denn? Meine Eltern werden doch bei uns wohnen.
Sie werden nicht bei uns wohnen. Und warum nicht? Hast du was gegen sie? Sehr leise, Feingold könnte aufwachen. Der ist doch taubstumm.
Trotzdem. Feingold! Feingold!
Was ist denn? Ich muss dir was erzählen. Jetzt, mitten in der Nacht? Ja. Ich habe ein Mädchen kennengelernt.
An der Pumpe. Sie heißt Rosa. Warum soll sie nicht Rosa heißen?
Sie sieht aus, wie du noch keiner gesehen hast. Soll ich dir beschreiben, wie die aussieht? Nein! Ach, Feingold, wenn du wüsstest, wie gern ich sie zu mir nehmen möchte.
Hierher. Wenigstens manchmal. Ich hab nichts dagegen.
Darum geht's nicht, ob du etwas dagegen hast. Es geht darum, ob sie etwas dagegen hat. Sie weiß noch nicht, dass du in meinem Zimmer wohnst. Ich in deinem?
Du wohnst in meinem. Egal. Feingold, wenn uns da nichts einfällt, wird kaum etwas aus der Sache werden.
Das ist doch nicht dein Ernst. Du verlangst, dass ich mich nachts auf der Straße herumtreibe? Hast du die Gesetze vergessen?
Wer redet denn davon? Wir könnten das Zimmer teilen. Der Schrank in die Mitte, vielleicht das Tuch daneben.
Hängt das Tuch auf und dich daneben. Aber das wird dir nicht reichen. Anzieh eine Mauer.
Ich könnte ja sagen, dass du taubstumm bist. Sag ihr, was du willst. Du machst mit? Hör zu, ich mach alles, was du willst, wenn du mich jetzt schlafen lässt. Das ist nett von dir, Feingold.
Sag mir, was du gegen meine Eltern hast. Ist das so wichtig, dass wir uns mitten in der Nacht darüber unterhalten müssen? Ja.
Ist ja gut, ich habe nichts gegen sie. Sie werden nicht bei uns wohnen. Und jetzt will ich schlafen. Mama könnte sich um die Kinder kümmern.
Oma, es war zehn Kinder bloß. Und kochen kann ich auch nicht. Es gibt Bücher.
Unser Haus müsste fünf Zimmer haben. Eins für dich, eins für mich und zwei für die Eltern. Und natürlich ein Kinderzimmer.
Fang nicht gleich an zu schreien, bescheiden waren wir lange genug. Schlafen würden wir bei mir und wenn Gäste kommen, könnten wir in deinem Zimmer sitzen. Zu viele Gäste will ich aber nicht, das sag ich dir gleich.
Nicht wegen der Unordnung, aber ich bin lieber alleine mit dir. Und in die Küche darf sie mir sowieso nicht reinreden. Sie muss gekachelt sein, am besten blau-weiß und an den Wänden hängen Kellen und Töpfchen und Borde mit allen Gewürzen. Kein Mensch weiß, wie viele Gewürze es gibt. Safran zum Beispiel.
Hast du gewusst, wozu man Safran nimmt? Was er Kuchen und Nudeln gelb macht. Eins verstehe ich nicht.
Seit du mir die Sache verraten hast, bist du schlecht gelaunt. Du musst dich doch genauso freuen wie ich. So, muss ich. Musst du ausgerechnet mit mir arbeiten?
Es gibt so viele Menschen hier. Was ist denn auf einmal los? Auf einmal sehr gut. Ich kann dein gottverdammtes Gesicht nicht mehr sehen. Mit diesem Mund, mit diesem Geschwätzigen.
Tu mir den Gefallen und arbeite du mit ihm. Ich trage lieber. Gerne. Geh du rauf. Zieh dich nicht, geh du.
Ich war gestern oben, heute gehst du. Was hat Jakob? Ich weiß nicht.
Es ist sein böses Gewissen. Und ab! Dort. Ich habe viele damit eingerieben, aber ich hätte sie auch mit Wasser einreiben können.
Das war nicht grün, sondern gelb. Und es fräht endlich. Was hört man Neues? Nichts. Du willst mir doch nicht im Ernst erzählen, dass an einem ganzen Tag ein Krieg nichts passiert.
Ein ganzer Tag. Und eine ganze Nacht. Menschenskind, lass mich endlich in Ruhe. Habe ich dir nicht gestern gesagt, es ist in 20 Kilometer vor Besanika? Reichte das nicht?
Und hopp! Ich bitte dich, Jakob, verschweig mir nichts. 24 lange Stunden sind vergangen. Da werden Sie doch wenigstens ein paar lumpige Kilometer weitergekommen sein. Drei Kilometer.
Nach den neuesten Meldungen. Das wirst du so gleichgültig. Was sind schon drei Kilometer?
Na, du bist gut. Für dich ist es vielleicht nicht viel. Du hörst jeden Tag Neues.
Aber drei Kilometer sind drei Kilometer. Und außerdem ist es wichtig, dass Sie überhaupt vorwärts kommen. Lieber langsam vorwärts als schnell zurück. Die Russen sind schon wieder fünf Kilometer weiter.
Mir geht es schon besser. Habe ich noch Fieber? Höchstens noch ein bisschen, wenn mein Thermometer funktioniert.
Warum steht aber aus? Das haben wir nicht zu entscheiden. War der Professor heute schon da? Nee. Willst du abbeißen?
Vielen Dank, ich kann nicht mehr. Ich bin schon satt. Was macht die Arbeit?
Alles bestens. Danke für die Nachfrage. Bist du wieder mit der Lokomotive gefahren? Was für eine Lokomotive?
Weißt du nicht mehr? Neulich bist du doch bis Rotburg gefahren und wieder zurück? Ach, richtig.
Aber heute nicht. Die Lokomotive ist schon seit ein paar Tagen kaputt. Schade. Wie geht's eigentlich Micha? Der war ja lange nicht mehr hier.
Er hat viel zu tun, aber ich soll dich von ihm grüßen. Danke, grüßen auch von mir. Guten Abend allerseits.
Guten Abend, Herr Professor. Na? Bist du wieder gesund? Ja.
Kein Glück. Hemd aus. Jetzt kann ich es euch ja sagen, es hat ziemlich böse um diese junge Dame ausgesehen, aber bei artigen jungen Damen lässt sich meistens etwas machen. Wir haben den Schaden ziemlich ausgebessert.
Hm. Hm. Tiefluft holen. Luft anhalten. Was ist denn das?
Da pfeift doch etwas drin. Das ist doch Onkel Jakob. Tatsächlich, warum ist er denn so fröhlich?
Vielleicht weil ich wieder gesund werde. Ich lege mich hin. Iss, geh auch schlafen, schon spät. Was ist mit dir Brüderchen?
Ich habe Angst, Roman. Ich habe große Angst. Dieses Radio kann Unglück bringen über uns alle. Du weißt, wozu die Lumpenfee sind.
Richtig, Jan. Angst kannst du auch im Bett haben. Ja, ich, der Gott. Behüt uns vor dem Unglück, ich bitte dich, behüt uns.
Lass nicht zu, dass uns so kurz vor Schluss noch etwas geschieht. So lange hast du deine schützende Hand über uns behalten. Lass die Deutschen nichts von dem Radio erfahren.
Mach die Spitze blind und taub. Nur du weißt, wie viele Spitzel unter uns sind. Lass sie nichts merken. Oder noch besser, die Russen, lass ihnen den Flügel wachsen, werden so und so kommen. Vernichte dieses verfluchte Radio, bevor es uns vernichtet.
Du weißt, wozu unsere Peiniger fähig sind. Nicht locker lassen, Brüderchen. Ohne Strom spielt das beste Radio nicht. Gratuliere. Ich danke dir, gerechter Gott.
In deiner Weisheit hast du den besten Weg gefunden. Deine Beziehung müsste man haben. Was meinst du? Wie lange kann das dauern mit dieser verfluchten Stromsperre?
Hoffentlich 20 Jahre. Warum bist du so gehässig? Darauf kommst du nie.
Also, manchmal bist du unerklärlich streitzüchtig. Auch früher schon. Wenn man in deine Diele gekommen ist und dich ganz normal gefragt hat, wie die Geschäfte gehen, was hast du geantwortet?
Statt zu sagen, die Geschäfte gehen so und so, hast du einen angeschrien. Man soll dich so dämlich fragen. Man braucht sich bloß umzusehen. Weil alle Tische leer waren.
Trotzdem antwortet man so einem Freund. Ich höre. Wir haben da eine Idee, Jakob.
Die Sache ist die... Wir haben uns gedacht, wenn der Strom nicht zum Radio kommt, dann muss das Radio zum Strom. Der Kowalski in der Straße ist Strom.
Sie wollen mich umbringen. Wie findest du die Idee? Hast du gehört, was sie von dir wollen? Von mir? Was denn?
Es handelt sich um den Strom. Man könnte das Radio zu dir bringen. Zu mir? Ja. Das Radio?
Ja. Hervorragend. Und du?
Was sagst du dazu? Man muss es überlegen. Weißt du auch, was du dabei riskierst?
Was heißt das überhaupt, man könnte das Radio zu mir bringen? Wer ist das Mann? Ich, du, er? Wer ist Mann?
Wollt ihr das Radio am hellen, lichten Tag durch das Ghetto tragen? Oder noch besser nachts? Nach acht vielleicht? Eine Prozession wollen sie machen. Die Posten und Streifen werden die Schlafen legen und wenn das so weit ist, gehen wir hin, wecken sie auf und sagen, wir können weitermachen.
Das Radio ist sicher bei Kowalski. Scheiße, er hat recht. Einfach abdehnen. Entschuldige die Störung.
Ich wollte dir nur was zeigen. Was zeigen? Dann schließ das auf.
Komm, hör rein. Ich hab gebetet, Jakob. Zu Gott gebetet, dass er uns jetzt nicht ohne Nachrichten lässt. Gerade jetzt nicht.
Und was macht Gott der Gerechte? Oh, ich will nicht länger stören. Du hast sicher noch zu tun. Stimmt es, dass Sie uns gegen Lösegeld verkaufen wollen?
Es sind Verhandlungen im Gange. Und die Aussichten? Das ist noch ungewiss.
Das hängt vom Geld ab. Du gehst nie wieder weg, ohne mich zu fragen. Wer wohnt denn da oben?
Sag doch mal, wer wohnt denn im Schloss? Komm, wir kürzen den Weg ab. Geh ein paar Schritte vor. Wir haben gehört, ein jüdischer Staat soll gegründet werden.
Von wem habt ihr das gehört? Wir stellen hier die Fragen. Also was ist? Ihr habt richtig gehört, man spricht davon. Und wer hintertreibt es?
Niemand. Ein Staat wird nicht von heute auf morgen gegründet. Würden die Herren jetzt bitte so freundlich sein und mich vorbeilassen? Na, na, na. Guten Tag, Herr Heim.
Guten Tag, Herr Horowitz. Verzeihen Sie. Verzeihen Sie eine neugierige Frage.
Haben Sie etwas von Kipura gehört? Von Kipura? Unser Sänger Kipura. Er ist doch, wie ich gehört habe, in Amerika. Wie geht es ihm?
Findet er sich zurecht? Warten Sie, neulich war was. Er kommt langsam ins Geschäft.
Das freut mich. Das freut mich aufrichtig. Gern geschehen, Herr Horowitz. Wie viele Seiten hat eine Zeitung?
Sagen wir vier, das ist das Mindeste. Also heißt die Seite einmal, dann nochmal und nochmal. Mehr nicht, da hat sie ja genug. Das gibt pro Seite, Moment, pro Seite acht Stückchen.
Vier mal acht, das sind 32 Stückchen. Aber so viel braucht kein gesunder Mensch. Was murmelt zu dauernd?
Ich murmel? Die ganze Zeit. 4 und 16, das müsste so viel und so viel...
Was rechnest du? Ich weiß nicht, wovon du redest. Arbeite weiter und rede dich nicht nach mir um. Warum? Was ist?
Ich gehe auf Ihr Klosett. Bist du wahnsinnig? Kannst du nicht warten bis zur Pause und dann an den Zaun gehen? Nein! Beeil dich, Kamerad, ich hab Durchfall.
Hast du gehört, dass Marotzke wieder Heimaturlaub kriegen soll? Der muss irgendwelche Leute ganz oben kennen. Fährt alle Nase lang und unser eins......hockt egal weg bei diesen Knoblauchfressern.
Ihr Scheißer! Den ganzen Tag Mist machen! Was? Wir sind hier ein Sanatorium! Was?
Danke dir. Er hat's mit Absicht getan, ich hab's genau gesehen. Hast du wenigstens gut geschießen?
Sieh dir mein Gesicht an. Schön muss es aussehen. Das war nicht er.
Das warst du. Ach, beschreibe mich auf. Hauptsache, du hast herrschaftlich geschissen.
Nur eins schwöre ich dir heim. Versuch das noch einmal. Versuch es ruhig, dann wirst du sehen, wer dir hilft. Hab ich dir überhaupt schon erzählt, dass die Deutschen große Verluste haben? Ein schönes Radio.
Sport, Unfälle. Für solchen Tinev zerschlagen sie Kowalski das Gesicht. Wer ist da? Ich, Lina. Hast du mich heute vergessen?
Aber nein! Ich wollte gleich zu dir nach oben kommen. Ich hatte nur noch etwas zu tun. Was denn?
Nichts, was du unbedingt wissen musst. Hast du dein Abendbrot gegessen? Was du mir hingestellt hast.
Heute habe ich keine Lust mehr, aber morgen räume ich bei dir auf. Das wirst du nicht. Der Professor hat gesagt, du sollst noch nicht so viel herumlaufen. Hast du gehört, wovon sie alle reden?
Wovon? Dass die Russen bald kommen. Weißt du nicht, Sachs?
Wer erzählt sich das denn? Alle. Frau Sonnenschein, Frau London, Raphael. Eben alle. Weißt du denn noch nichts?
Nein. Das heißt, gehört habe ich schon was, aber nichts Genaues. Wahrscheinlich sind die Menschen, die hier leben, die hier leben, die hier leben.
Das sind nur Gerüchte. Wie wird es sein, wenn die Russen hier sind? Wie soll ich das wissen? Besser oder schlechter? Besser natürlich.
Aber wie besser? Was wird dann anders? Wir werden keine Sterne mehr tragen müssen. Du kannst anziehen, was du willst, und keiner fragt, wo dein Stern ist.
Das ist alles? Du wirst satt zu essen kriegen. So viel ich will?
So viel du willst. Stell dir vor, auf dem Tisch stehen alle möglichen Sachen. Du nimmst dir, worauf du gerade Lust hast. Und wenn du nicht mehr kannst, wird abgeräumt. Und zum nächsten Essen steht alles wieder da.
Das schwingst du. Das ist die reine Wahrheit. Und schöne Kleider wirst du haben. Wir werden zusammen in den Stoffladen gehen. Warte doch, was für Sachen werden auf dem Tisch stehen?
Was du gerne isst. Pastete mit Butter und Weißbrot. Auch Eier.
Gefehlte Fisch. Du kannst es dir aussuchen. Wirst du auch wieder Kartoffelpuffer braten? Werde ich. In der Diele?
In der Diele. Du erinnerst dich doch, was du mir versprochen hast. Dass ich dir, Nadile, helfen darf.
Ja, ich erinnere mich. Du stehst hinter dem Herd und brutzelst die Puffer und ich darf sie den Gästen bringen mit meiner weißen Haube. Und im Sommer bringe ich ihnen Eis. So wird es sein.
Und meine Eltern? Sind sie auch bei uns? Das weiß ich nicht.
Zuerst müssen wir sie finden. Aber was wird mit der Schule? Was soll sein? Du wirst hingehen. Und die Diele?
Schule ist wichtiger. Willst du nicht in die Schule? Die Schule ist ein wunderbares Haus. Da gehen lauter dumme Kinder rein und lauter kluge Kinder kommen wieder raus.
Aber wenn du meinst, dumm gefällst du mir besser, hier hockst du dich hin und rührst dich nicht, bis ich rufe, verstanden? Da hast du mich wieder auf dem Hals. Dann willst du nicht die Tür zu machen?
Was lachen. Ich will nichts Bestimmtes. Zu Hause wird mir die Decke immer nieder. Geh auf einen Schwad zu Jakob, habe ich gedacht.
Wenn wir das ähnlich gehen, er wird sich freuen, habe ich gedacht. Früher hat man sich auch nach der Arbeit getroffen. Jeder hat das normal gefunden.
Soll man nicht langsam anfangen, sich wieder an Normales gewöhnen? Das ist wirklich nett von dir. Außerdem hast du mir heute wenig erzählt. Ja, das mit den deutschen Verlusten war ja ganz erfreulich.
Aber andere Dinge interessieren mich mehr. Davon war heute noch kein Wort. Gütiger Gott, was quälst du mich so, Kowalski? Musst du jedes Mal davon anfangen.
Wenn ich was weiß, sage ich es dir. In meinem eigenen Zimmer kannst du mir doch Ruhe gönnen. Jedes Mal, wenn ich dich nach Neuigkeiten frage, wirst du aufgeregt. Von alleine sagst du nie was.
Also muss ich fragen und kaum frage ich, bist du wütend. Das fiel mir nicht in den Kopf. Wo steckt da die Logik? Stell dir den umgekehrten Fall vor. Wenn ich das Radio hätte und du hättest keins.
Bist du wahnsinnig? Vor dem Kind. Geh, geh nach oben. Ich komm nachher noch rauf. Geschwindelt hast du.
Von dir wissen es alle. Ja, das hast du großartig gemacht. Nicht genug, dass schon das ganze Ghetto davon quatscht. Jetzt zwei Sie es auch noch.
Entschuldige schon, wie soll ich sie sehen, wenn du sie versteckst? Dazu mit dem Auge. Hm?
Sieht nicht gut aus. Denkst du auch an Heimball? Balabusene.
Wie kommst du frei in Balabusene? Und jetzt der Sache, Jakob, wie sieht es draußen aus? Was hört man von den Russen?
Lieber wär mir, ich könnte dir was angenehmeres sagen. Sie werden zurückgeschlagen! Nein, nein, so schlimm nicht gleich. Na was denn sonst? Red doch endlich!
Stell dir vor, vorhin setz ich mich an den Apparat, drehe am Knopf, wie ich es immer tu, aber kein einziger Ton. Verstehst du das? Gestern spielte er noch nicht zu übertreffen und heute nichts. Was willst du machen, Mäuscheleben?
So ein Radio ist nun mal ein unbegreifliches Ding. Hopp und hopp! Auch wenn Sie Anwalt sind, Herr Schmidt, Sie müssen fester anfassen. Meine Hände sind dafür nicht geeignet.
Meine auch nicht. Hast du schon gehört? Sein Radio ist kaputt.
Was heißt gehört? Ich habe es als erster gewusst. Nehmen Sie mir meine Neugier nicht übel, Herr Heim. Aber was sagt eigentlich Sir Winston zur augenblicklichen Situation?
Wer? Churchill. Der englische Premier.
Haben Sie noch nicht gehört? Mein Radio ist kaputt. Um Himmels Willen.
Wie ist das denn geschehen? Na wie schon? Ihr Radio kaputt geht und... Hopp!
Erst dann spielt es und heute spielt es nicht mehr. Hände weg da! Hast du es vorhin nicht gehört?
Verdammt nochmal, dieser Waggon wird nicht angerührt! Jawohl. Habt ihr es jetzt alle kapiert?
Dieser Waggon wird nicht angerührt! Was mag das für ein Wagen sein? Was weiß ich?
Dabei kann Herr Stahn doch von Glück reden, dass er nichts abgekriegt hat. In der Tat befeiert er der Posten am Morgen, dass wir uns um diesen Wagen nicht kümmern sollen. Sie haben es doch auch gehört! Ja.
Na, was geht da also hin? Um Himmels Willen, woher soll ich das wissen? Was war los, Herr Stimm? Du wirst es nicht glauben, ich habe in dem Waggon Stimmen gehört. Stimmen?
So weiche Stimme, menschliche Stimmen. Glauben Sie, dass das stimmt? Und hopp! Dass was stimmt?
Was mit den Stimmen? Stellen Sie doch nicht solche Fragen! Denken Sie, Herr Schelstamm will sich wichtig machen? Aber wer kann in dem Wagen sein?
Ich bin sicher, Herr Schmidt, Sie kommen selber drauf. Sehen Sie doch! Hallo!
Hallo, hört ihr mich? Wir hören dich. Wer bist du? Ich bin aus dem Ghetto.
Bleib ruhig, du Idiot. Du machst ihn auch auf ihn aufmerksam. Nur noch kurze Zeit müsst ihr aushalten.
Die Russen sind bei Besanika vorbei. Woher weißt du das? Ihr könnt mir glauben, wir halten ein Radio versteckt.
Danke, Bruder. Hey du, was ist geschehen? Brüderchen Ich fürchte, wir müssen weitermachen, Herr Heim.
Ja. Wie heiße ich? Wie ich heiße? Was tust du hier? Ich wollte doch bei dir aufräumen.
Aber du bist hoffentlich noch nicht fertig. Was wolltest du wirklich hier? Nichts.
Aufräumen. Was hast du gesucht? Warum steht die Lampe hier? Welche Lampe?
Na die hier. Oder siehst du vielleicht noch eine andere? Was hast du?
Nichts. Sag mir, was los ist. Hat's mit der Lampe zu tun?
Hast du sie schon mal gesehen? Soll ich sie dir erklären? Pass auf.
Dieses Ding hier ist eine Petroleumlampe. Früher hat es nur solche Lampen gegeben vor dem elektrischen Licht. Hier gießt man das Petroleum rein, in diese kleine Wanne.
Das hier ist der Docht. Der saugt sich ganz voll und nur seine Spitze guckt raus. Man kann sie länger oder kürzer stellen mit dieser Schraube hier. Den Docht zündet man an, dann wird es hell im Zimmer. Kannst du es nicht mal machen?
Ich habe leider kein Petroleum. Weißt du, was ich gedacht habe? Na?
Aber du darfst mich nicht auslachen. Ach, wie wertig. Ich habe gedacht, das ist dein Radio.
Zeigst du mir jetzt dein Radio? Ich hab dir hundertmal gesagt nein. Hat sich was geändert? Jossele, es geht los! Guten Morgen, Jakob.
Das ist er. Wer ist was? Ach, ihr kennt euch nicht. Das ist Josef Neidorf. Ich heiße Jakob Heim.
Ich weiß. Sie arbeiten nicht auf dem Bahnhof? Nein, in der Werkzeugfabrik. Aber dann gehen Sie doch ganz falsch.
Sie müssen entgegengesetzt. Sie fangen später an als wir. Aha. Und weil er noch Zeit hat, begleitet er uns eben der Stickel zum Bahnhof. Ist klar.
Nur sag ihm jetzt, weswegen du hier bist. Eigentlich bin ich Rundfunkmechaniker. Da hast du aber einen schönen Beruf. Er wird dein Radio ganz machen. Keine Angst, der Junge ist zuverlässig.
Das muss er auch in dem Beruf. Ich kann aber nichts garantieren. Wenn zum Beispiel eine Röhre hin ist, kann ich... Ich habe keine Ersatzteile, das habe ich Herrn Kowalski gleich gesagt. Du gehst mal hin und siehst die an.
Das kannst du noch gar nicht wissen, du hast dir umsonst so viel Mühe gegeben. Das Radio ist inzwischen wieder ganz, aber es war trotzdem nett von dir. Wie ist es gekommen? Hast du es selber repariert? Es spielt wieder.
Reichte das nicht? Aber wie? Ein Radio repariert sie nicht von selber. Das war nur der Draht von der Zuleitungsschnur. Ich habe ihn einfach ein Stück kürzer gemacht.
Dann kann ich wieder gehen. Du kannst. Netter Junge. Wann bist du auf die Schnur gekommen?
Gestern Abend. Dann hast du also nachts gehört. Hat es Nulligkeiten gegeben? Sie sind schon in Tobolin vorbei und marschieren auf Pri. Die Russen?
Nein, die Kirken. Oh, ist das schön. Nach Hudes, nach Hudes, wir treten in der Express. Jakob, was ich dich fragen wollte.
Langsam wird es doch Zeit, an andere Sachen zu denken. Zum Beispiel? Zum Beispiel an Geschäfte. Was für Geschäfte? Ich will kaufen.
Du bist Friseur. Gibt es eine bessere Gelegenheit, wenigstens in Gedanken alles vorzubereiten? Nein. Vier später.
Jetzt haben wir Zeit. Ganz unter uns, Jakob. Ich habe etwas Geld versteckt.
Na, nicht direkt ein Vermögen. Aber kann man es nicht besser anlegen als in meinem alten Laden? Manchmal geben sie doch im Radio Wirtschaftsnachrichten. War nicht etwas dabei, wonach man sich richten könnte?
Irgendein Wink? Manchmal wirst du direkt kindisch. Denkst du im Ernst, sie erzählt im Radio, wir empfehlen ihnen ihr verstecktes Geld nach dem Krieg anzulegen?
Da oder da oder da? Na schön, dann frage ich dich als Freund. Wenn du Geld hättest, wo würdest du es am ehesten reinstecken?
Vielleicht bei Genussmitteln. Wenn du dich erinnerst, nach dem letzten Krieg sind sie alle verrückt gewesen danach. Und David Gedalje, du kennst ihn auch, hat sich damals aus Schnaps ein herrliches Haus gebaut. Hat er, hat er.
Aber denkst du, in der ersten Zeit werden genug Kartoffeln sein, dass man Schnaps daraus machen kann? So darfst du nicht rechnen. Grundstoffe wird es für gar nichts geben.
Nach dem Krieg brauchst du keine Logik, sondern Nase. Setz dich hierher. Du bleibst hier ganz still sitzen. Das Radio steht hinter dieser Wand.
Ich gehe jetzt hin und schalte ein. Dann spielt es. Wir werden es beide als einziger hören.
Aber wenn ich merke, dass du aufstehst, mache ich es sofort wieder aus. Darf ich es nicht sehen? Auf keinen Fall. Eigentlich darf man es auch nicht hören, wenn man so klein ist. Das ist streng verboten.
Aber ich mache bei dir eine Ausnahme. Einverstanden? Was spielt denn Radio?
Mal sehen. Weiß ich nicht vorher. Ich muss sie erst anstellen. Es geht los. Guten Abend, meine Damen und Herren in fern und nah.
Sie hören jetzt ein Gespräch mit dem englischen Erstminister Sir Winston Churchill. Guten Abend, Sir Winston. Guten Abend allerseits.
Gleich zur ersten Frage. Würden Sie unseren Hörern bitte sagen, wie Sie die augenblickliche Situation einschätzen? Dass, äh...
Ist nicht schwer. Ich bin fest überzeugt, dass der ganze Schlamassel bald zu Ende sein wird. Wunderbar. Und wie steht es speziell in der Gegend um Besanika?
Gesundheit, Herr Minister. Danke. Danke. Aber zurück zu Ihrer Frage.
In der Gegend von Besanika steht es besonders schlecht für die Deutschen. Die Russen schlagen Sie, wie Sie wollen. Besanika ist schon längst in Ihrer Hand.
Sie marschieren bereits auf Pri. Ach, da werden unsere Hörer sehr zufrieden sein, wenn es nicht eben Deutsche sind. Sir Winston, ich bedanke mich für das aufschlussreiche Gespräch.
Bitte, bitte. Das, meine Damen und Herren, war das Interview mit dem englischen ersten Minister. Auf Wiedersehen. Hat es dir gefallen?
Ja, aber es ist doch noch nicht zu Ende. Was denn sonst? Ich möchte mehr hören.
Bitte, bitte, bitte noch was. Für alle Kinder, die uns zuhören, erzählt der Märchenonkel von der kranken Prinzessin. Kennst du das?
Nein, aber wie kann es im Radio einen Märchenonkel geben? Was heißt wie? Es gibt ihn eben.
Du hast gesagt, Radio ist für Kinder verboten. Und Märchen sind doch für Kinder. Das stimmt, aber ich habe damit gemeint, bei uns im Ghetto ist es verboten. Wo kein Ghetto ist, da dürfen Kinder hören und Radios gibt es überall, klar?
Klar. Wann fängt das denn endlich an? Das Märchen von der kranken Prinzessin. Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter.
Und er hatte sie sehr, sehr lieb. Wenn sie weinte, musste er selber weinen. So lieb hat er sie gehabt.
Eines Tages wurde die Prinzessin krank. Der König fragte, was ihr fehlt, und da hat sie geantwortet, ich will eine Wolke haben. Wenn ich eine Wolke habe, werde ich wieder gesund. Ach, das war ein Unglück. Denn jedes Kind kann sich vorstellen, dass es gar nicht so einfach ist, eine Wolke, eine richtige Wolke zu beschaffen.
Sogar für einen König nicht. Den ganzen Tag konnte er vor Kummer nicht regieren. Und als es Abend wurde, hat er alle klugen Männer seines Landes ins Schloss rufen lassen. Ganz still ist es geworden.
Und der König hat gesagt, Demjenigen von euch, der meiner einzigen Tochter eine Wolke vom Himmel holt, gebe ich so viel Gold und Silber, wie er nur schleppen kann. Uiuiui, als das die klugen Männer hörten, haben sie auf der Stelle angefangen zu singen. und zu klären und zu trachten, denn das viele Geld wollten sie alle haben.
Aber nicht einem von ihnen ist es gelungen, eine Wolke aufzutreiben. Die Prinzessin ist immer dünner und kränker geworden, denn sie hat vollkommen viel Geld. vor lauter Kummer keinen Bissen mehr angerührt. Nicht einmal Matze mit Butter.
Eines schönen Tages ist der Gärtnerjunge zu ihr gekommen. Er hat sie gefragt, warum sie nicht mehr in den Garten kommt. Da hat sie auch ihm gesagt, dass sie krank ist und nur gesund wird, wenn ihr jemand eine Wolke bringt.
Der Gärtner Junge hat ein bisschen nachgedacht und dann hat er gerufen, aber das ist doch ganz einfach, Prinzessin. So, das ist einfach, hat die Prinzessin verwundert gefragt. Alle Klugen im Land zerbrechen sich umsonst die Köpfe und du sagst, es ist ganz einfach?
Ja, hat der Gärtner Junge gesagt. Du musst mir nur verraten, woraus so eine Wolke gemacht ist. Da hätte die Prinzessin fast lachen müssen, wenn sie nicht so krank gewesen wäre.
Sie hat gesagt, jedes Kind weiß doch, dass Wolken aus Watte sind, du Dummkopf. Ah, aus Watte. Und sagst du mir auch noch, wie?
Wie groß eine Wolke ist? Ach, nicht einmal das, weißt du, hat sie sich gewundert. Du brauchst ja bloß den Himmel anzusehen, dann siehst du, eine Wolke ist genauso groß wie mein Kopfkissen.
Der Gärtnerjunge hat zum Himmel geblickt und gerufen, Aha, so groß wie dein Kissen. Und er ist losgelaufen und hat der Prinzessin gebracht ein Stück Watte. Das war so groß wie ihr Kopfkissen.
Da hättest du ihre Augen sehen sollen. Feingold ist verschwunden. Schon seit vier Tagen.
Zuerst habe ich gedacht, er ist einen Freund besuchen gegangen und hat sich verplauscht. Hat dann gemerkt, dass es schon acht vorbei ist und hat dort übernachtet. Aber er ist bis heute nicht zurückgekommen. Wie kann sich ein Mann wie Feingold verplauschen?
Glaubst du, vielleicht Taubstürme können sich nicht unterhalten? Sie können sich genauso verständigen wie du und ich, bloß eben in der Zeichensprache. Aber du hast ihn noch gar nicht gekannt.
Und sogar wenn ja, was können wir ändern? Nichts. Lass mich. Ich hab eine Bitte, die muss dir seltsam vorkommen.
Sag. Ich möchte, dass das Zimmer wieder wird wie vorher. Was soll das heißen wie vorher? Der Schrank soll wieder in die Mitte und der Vorhang.
Wozu denn? Feingold ist doch nicht mehr da. Ich möchte es so.
Nur wenn du mir einen vernünftigen Grund nennen kannst. Ich möchte es so. Hör zu, Rosa.
Es ehrt dich, dass sein Verschwinden dir so nahe geht. Obwohl du ihn nicht gekannt hast. Nur seinen Atem und sein Schnarchen.
Aber im Ghetto gehen jeden Tag viele Menschen verloren, die man genauso wenig kennt. Und wenn man bei jedem Einzelnen so ein Theater macht, das wäre doch nicht zum Aushalten. Du bist ein grober Klotz, ein Abgestumpfter. Na, ich weiß. Wenn jetzt nicht bald acht wäre, würdest du aufstehen und auf der Stelle nach Hause gehen.
Ja, das würde ich. Das war's. Gibt es heute keinen Tee?
Jakob Heim, ich habe mit dir zu sprechen. Bitte? Kennst du Avrominsch? Sollte ich ihn kennen? Avrominsch, mein Lieber, ist der Mann...
Mit dem ich vor drei Jahren in deiner Diele war. Falls du dich erinnerst. Ich erinnere mich genau.
Du hast damals gesagt, er wäre ein flüchtiger Bekannter. Was ich damals gesagt habe, ist das eine. Heute früh hat mich Avram gefragt, ob ich seine Frau werden will.
Und was hast du geantwortet? Jakob, es ist ernst. Du musst dich endlich entscheiden. Ich?
Hör auf mit deinen Witzen, Jakob. Ich bin jetzt 36. Er will zu seinem Bruder nach Amerika. Er hat mich gefragt, ob ich mitkommen will. Ich muss die Sache in Ruhe überlegen. Ah, ein seltener Besuch.
Bitte. Bitte. Vermutlich können Sie sich denken, weswegen ich Sie aufsuche.
Wegen Lina? Geht es ihr wieder schlechter? Nein, nein. Ich komme, weil ich mit Ihnen über Ihren Radioapparat sprechen möchte. Na schön.
Einer mehr oder weniger. Verstehe nicht. Sie wollen auch Nachrichten hören. Im Gegenteil.
Ich bin gekommen, um Ihnen Vorwürfe zu machen. Längst hätte ich das schon tun sollen. Vorwürfe? Ich weiß nicht, wer da daheim von welchen Beweggründen sie sich leiten ließen, als sie die bewussten Informationen verbreiteten. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie sich wohl überlegt haben, welcher Gefahr sie uns alle dadurch aussetzen.
Und ganz besonders die Bewohner dieses Hauses. Muss ich Ihnen wirklich erklären, wo wir leben? Aber nein. Und doch scheint es mir angebracht, Sie sollten sich anders verhalten.
Wie? Behalten Sie Ihr Wissen für sich. Und dann?
Haben Sie einmal, ein einziges Mal gesehen, mit was für Augen Sie mich um Neuigkeiten bitten? Wissen Sie, wie nötig Sie eine gute Nachricht brauchen? Wissen Sie das? Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Trotzdem...
Bleiben Sie mir doch vom Leib mit Ihrem trotzdem. Natürlich weiß ich selber, dass die Russen dann auch nicht schneller kommen, wenn ich sonst was erzähle. Ihr Weg bleibt derselbe. Aber ich will Sie auf etwas anderes aufmerksam machen.
Seit sich die Nachrichten im Ghetto herumgesprochen haben, ist mir kein Fall bekannt geworden, dass sich jemand das Leben genommen hätte. Ihnen? Vorher waren es viele, ich weiß wie oft man sie gerufen hat.
Meistens war es zu spät. Vielleicht ist es Zufall. Vielleicht doch nicht.
Wie hat der König überhaupt geheißen? Benjamin! Ein König heißt doch nicht Benjamin. Weißt du, wer er so heißt? Mein Onkel in Tarnopol.
Aber doch kein König. Lass sie erst mal erzählen. Jedenfalls ist die Prinzessin krank geworden.
Und der König Benjamin hat einen Arzt gerufen. Aber der konnte nichts finden. Sie hat gesagt, sie wird erst wieder gesund, wenn ihr jemand ein Stück Watte bringt.
Das muss so groß sein wie ihr Kopfkissen. Was für eine Krankheit soll sie haben? Hast du doch gehört.
Und ich sag euch, so eine Krankheit gibt es überhaupt nicht. Das weißt du doch nicht. Wenn sie Keuchhusten gaben, hätte oder typhus weißt du was deine prinzessin in wirklichkeit gehabt hat einen furz im kopf los kommt Entschuldigen Sie, arbeiten Sie in dieser Näherei?
Ja. Wissen Sie, ob Rosa Frankfurter noch drin ist? Sie sind Misha, nicht wahr? Ja.
Ist sie noch drin? Vor ein paar Minuten ist sie weggegangen. Man hat ihr gesagt, sie kann heute nach Hause gehen. Wie lange ist sie weg genau?
Vielleicht zehn Minuten. Hat man sie auch zurückgeschickt? Ja.
Geh nicht nach Hause, versteck dich! Warum denn? Weil die Franziskaner deportiert wird! Wie man sich so trifft. Was machst du denn hier?
Was machst du hier? Ich geh nach Hause. Stell dir vor, ich war noch keine Stunde in der Fabrik, da durfte ich wieder weg. Sie haben einfach gesagt, ich kann nach Hause. Ein paar andere auch, aber nicht alle.
Bei mir war es ähnlich. Du hast auch frei? Hm? Den ganzen Tag? Ja.
Schön. Wir wollen zu mir gehen. Hm. Aber warum bist du ausgerechnet hier?
Weil ich dich von der Fabrik abholen wollte. Als sie mir freigegeben haben, dachte ich, vielleicht lassen sie dich auch laufen. Aber du warst gerade weg.
Eine junge Frau aus der Näherei hat es mir gesagt. Sie wusste, wer ich bin. Das war Larissa. Wie kommt es nur, dass sie uns einen ganzen Tag freigeben? Ich überlege auch schon.
Ob es mit den Russen zu tun hat? Mit den Russen? Na versteh doch. Wenn die Deutschen spüren, dass es mit ihnen zu Ende geht.
Sie wollen sich schnell noch ein bisschen beliebt machen. Da greifst du nicht wegen Spätem. Ja, vielleicht.
Welche Straße heute? Ich weiß nicht. Hast du Hunger? Soll ich uns was machen? Jetzt nicht.
Komm doch her. Misha, Misha, Misha, das ist unsere Straße. Lass mich los!
Du darfst mich loslassen! Lass mich los! Steh auf!
Blut ist am Hals. Deswegen hast du mich abgeholt. Du hast es gewusst.
Es war keine Zeit mehr, deine Eltern zu warnen. Hast du sie denn überhaupt gesehen? Du hast mich ja nicht gelassen.
Du siehst sie bestimmt wieder. Jakob hat gesagt... Du lügst! Ihr lügt alle! Ihr redet und redet und nichts ändert sich!
Du wirst jetzt hier wohnen. Hast du zuletzt was über die Deportation gehört? Nein.
Wie geht's mit Rosa? Wie soll's gehen? Man lebt. Kommt ihr mit dem Essen zurecht? Glänzen.
Sie kann sich doch jetzt keine Marken mehr holen. Wem sagst du das? Kann nicht jemand aus dem Haus helfen?
Bei mir ist es ähnlich mit Lina. Der Professor gibt immer was für sie. Ich glaube nicht mehr an ein gutes Ende. Sie gehen jetzt Straße für Straße durch.
Möglich, aber überleg selbst. Die Deutschen sind in Panik. Wenn du mich fragst, ist die Transporter ein Beweis, dass die Russen schon ganz in der Nähe sein müssen.
Und so gesehen sind vielleicht sogar die Transporter ein gutes Zeichen. Ein schönes gutes Zeichen. Erklär das mal Rosa. Willst du zu Onkel Jakob?
Ja. Er wird bald hier sein. Möchtest du drin warten? Wohnst du denn hier? Du bist die Lina, stimmt's?
Woher weißt du meinen Namen? Von Mischa. Dann weiß ich auch, wer du bist.
Na, sag's. Du bist Rosa. Na?
Stimmt. Warst du schon mal bei uns? Noch nie.
Zu uns kommen in letzter Zeit viele Leute. Und weißt du, was sie wollen? Nein.
Sie wollen Nachrichten hören. Auch deswegen? Nein. Aber gehört hast du schon davon? Wovon?
Dass alles bald anders wird. Ja. Warte, ich zeig dir was.
Hast du so etwas schon mal gesehen? Ja. Na, was ist das? Eine Lampe, was sonst?
Warum bist du so traurig, wenn alles bald anders wird? Weil ich nicht daran glaube. Du glaubst nicht, was Onkel Jakob sagt? Nein. Du meinst, er schwindet?
Kannst du nur was... Ich habe es selbst... Die werden bald hier sein! Du freust dich zu früh. Du hast uns noch nicht mal einen Brief.
Und ich sage, die Pri ist eine alte Geschichte. Sie sind schon längst an Miravorna vorbei. Keine 120 Kilometer von hier. Komm zu uns in die Ziegelei, da weiß es jeder.
Wer arbeitet auf dem Bahnhof? Du oder ich? Wer hört alles aus erster Hand? Du oder ich?
Begeisterst du nicht, dass alles, was ihr euch dort erzählt, auf irgendeine Falte von Jakob stammen muss? Oder gibt es hier... Vielleicht ein zweites Radium-Ghetto. Was weiß ich?
Ein langer Weg ist für Nachrichten immer gefährlich. Einer zählt sie dem anderen, tut sein eigenes dazu, weil er aus dem Guten noch Besseres machen will. Und am Ende kommen die Nachrichten einem Aufzug daher, dass ihr eigener Vater sie nicht erkennt.
Jedenfalls sind sie an ihrer Worte vorbei. Soll ich wieder gehen? Nein. Nein, bleib.
Ist was passiert? Passiert, nicht passiert. Man wird nicht jünger.
Weißt du, was sich diese Idioten und nicht auf dich gedacht, in der Ziegelbrennerei erzählen? Dass du Russisch und Emil auf vorne sein sollst. No, Jakob, was ist mit dir? Ich hab kein Radio Kowalski.
Ich hab nie eins gehabt. Ich weiß auch nicht, wo die Russen sind. Vielleicht kommen sie morgen.
Vielleicht kommen sie nie. Sie stehen in Pri oder in Kiew oder noch weiter. Vielleicht sind sie schon geschlagen, Gott behüte, nicht mal das weiß ich. Das Einzige, was ich mit Gewissheit sagen kann, vor einiger Zeit haben sie gekämpft um Bessanika. Du sagst nichts.
Was soll ich sagen? Ich versteh dich schon. Ich versteh dich ganz gut. Wenn ich ein Radio gehabt hätte, von mir hätte kein Mensch ein Wort erfahren.
Oder ich hätte es aus Angst einfach verbrannt. Ich mach mir da nichts vor. Ein ganzes Ghetto mit Nachrichten beliefern.
So weit wär ich nie gegangen. Wenn ich irgendwann im Leben jemanden verstanden hab, Jakob, dann dich jetzt. Du glaubst mir nicht.
Glauben, nicht glauben. Damals heißt das schon. Keine Angst, Alter. Ich werde dich nicht mehr mit Fragen quälen. Haben Sie ihn gekannt?
Was? Ob Sie ihn gekannt haben. Ja. Ich mach dir einen Vorschlag, Jakob. Wie wär's, wenn du umsonst bei mir bedient wirst und ich umsonst bei dir?
No? Einverstanden. Was grinst du? Abgemacht ist abgemacht. Aber sonst, warum grinst du?
Du hast vergessen, dass deine Haare langsamer wachsen als mein Hunger. Ja, das ist wahr. Aber du hast das Rasieren vergessen. Abgemacht ist abgemacht.
Wie konntest du mir das antun? Gibt's nicht genug Mörder auf der Welt? Warum hast du dir gerade mich ausgesucht? Wann?
Les Werba. Warum packst du die Sachen ein? Warum packt man nur Sachen ein? Weil man wegfährt.
Genau darum. Wir fahren weg? Ja, wir fahren weg.
Wohin? Weiß ich nicht so genau. Weit oder nah? Ich glaube, ziemlich weit. So weit wie nach Amerika?
Nein. Und wie nach China? Auch nicht.
Und wie nach Afrika? Ja, ungefähr so weit wie nach Afrika. Warum freust du dich nicht? Ich verreise nicht gern. Du wirst sehen, wie...
Wie schön es wird. Nehmen wir die Lampe nicht mit? Nein.
Ach bitte, nehmen Sie doch mit. Vielleicht gibt es da, wo wir hinfahren, Petroleum. Wir haben keinen Platz. Holen jetzt deine Sachen vom Boden. Was ist?
Hebst du mich ans Fenster hoch? Lange halte ich das nicht aus, du bist ganz schön schwer. Gib sie her. Hast du dich an das Märchen? An welches?
Von der kranken Prinzessin? Ja. Ist das wahr? Selbstverständlich ist das wahr. Siegfried und Raphael sagen, so was gibt es auf der ganzen Welt nicht.
Was gibt es nicht? Dass man wieder gesund wird, wenn man ein Stück Watte bekommt. Die Prinzessin wollte doch ein Stück Watte, so groß wie ihr Kissen.
Sie wünschte sich eine Wolke. Der Witz ist nur, dass sie dachte, Wolken sind aus Watte. Papa, wir sind in Wolken.
Stoß, warte!