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Notizen zur Präsentation über YouTube und Content Creation

Ich weiß, ich bin ein bisschen late to the party und ich wusste auch gar nicht, ob ich mich überhaupt zu Annie the Duck äußern will, soll. Ich will mich auch gar nicht zu dem Fall an sich äußern, sondern vielmehr zu uns allen. Ich fand es ziemlich problematisch, wenn auch vorhersehbar, wie sich gefühlt ganz YouTube drauf gestürzt hat, mit wie viel Popcorn und Sensationslust wir den Downfall von öffentlichen Personen feiern. Wir lieben es.

Und mit wir meine ich wir Menschen. Es ist etwas sehr Menschliches, also wir sind psychologisch so programmiert. Genauso wie wir dazu neigen, öffentliche Personen zu idolisieren, sie zu überhöhen. Würden wir sie nicht so überhöhen, wären wir auch nicht so schockiert, wenn sich unsere positive Wahrnehmung dann doch als falsch herausstellt. Ich sehe aber die Chance, dem Ganzen doch etwas Konstruktives abzugewinnen.

Denn sei es jetzt Annie the Duck oder Unge oder Finn Kliemann, also sowas passiert ja immer wieder. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir von der nächsten öffentlichen Person schockiert sind. Und zwar von mir.

Ich habe etwas Schlimmes getan. Nee, Quatsch. Ich will das Ganze zum Anlass nehmen, um euch heute YouTube ein bisschen zu entzaubern. Also ich will euch ein paar Betriebsgeheimnisse verraten. Wenn ihr die erstmal auf dem Schirm habt, werdet ihr Online-Content mit anderen Augen sehen.

Und die Personen dahinter auch. Ich hoffe, nach diesem Video sind nicht alle anderen Youtube sauer auf mich. Also holt euch einen Tee, macht es euch gemütlich, wir steigen durch. Erstmal, wir wissen ja, das was wir auf Social Media sehen, das ist nicht echt, das ist inszeniert.

Das muss ich euch nicht erklären. Aber... Die Inszenierung geht vielleicht tiefer, als ihr glaubt.

Ich höre immer wieder von Menschen, die in der Filmproduktion arbeiten, dass sie sich keinen Film mehr normal anschauen können, ohne ständig zu analysieren, wie das gemacht wurde. Und so ähnlich geht es mir mit Online-Content auch. Und ich weiß, ihr denkt jetzt, was gibt es da zu analysieren?

Also ich zum Beispiel sitze hier halt offensichtlich in meinem Zimmer mit einer Kamera auf Stativ. Ja, genau darin liegt ja auch der Reiz, dass hier ist alles self-made, authentisch, echt. Aber wenn ihr euch mal bewusst macht, was selbst hier...

inszeniert oder zumindest ganz bewusst gesetzt ist, werdet ihr checken an wie vielen kleinen Stellen, vielleicht auch eher unbewusst als bewusst, ihr gerade beeinflusst werdet. Nehmen wir mal diesen Kanal als Fallbeispiel und schauen uns an, wie unsere Videos entstehen und wie all die Entscheidungen, die wir hierfür treffen, eure Wahrnehmung beeinflussen. Vorbereitung. Ich war in meinen YouTube-Videos schon immer komplett geskriptet, also Wort für Wort. Letztendlich lese ich gerade vor, was ich mir vorher aufgeschrieben habe.

Manchmal weiche ich auch noch spontan vom Skript ab, also dann fällt mir doch noch ein Witz ein oder irgendein Einschub. Aber die allermeisten Witze und Einschübe sind geskriptet. Dieser Part steht genau so im Skript. Ich finde das bei Wissenschafts-Content auch sinnvoll, um sich auch ganz korrekt und präzise auszudrücken. Nicht alles auf YouTube ist so sorgfältig geskriptet.

Oder es gibt sicherlich auch Sachen, die nicht geskriptet sind. Streams, wo man einfach drauf losredet. Aber so gut wie immer gibt es...

irgendeine Art von Skript. Wenn nicht Wort für Wort, dann gibt es so eine Art Drehbuch oder groben Fahrplan, an dem man sich entlanghangelt, selbst bei Gesprächsformaten. Und selbst wenn etwas Wort für Wort geskriptet ist, heißt das nicht, dass ihr das zwingend merken werdet, wie ich jetzt hoffentlich mit dieser Performance belegen kann.

Das ist letztendlich alles nur Moderationshandwerk. Und weil ich die Skripte auch von vornherein so schreibe, wie ich spreche. Zweitens, Dreh.

So sitze ich hier beim Dreh, Kamera, Ringlicht, Skript und ganz viel Chaos, das machen wir schnell weg. Bei MyThinkX, die Show, gibt es auch ein Drehbuch und da habe ich für den Text einen Teleprompter, also ich sehe dann den Text in der Kamera. Übrigens, in Fernsehshows hat man so gut wie immer einen Teleprompter, wenn man über längere Strecken etwas präsentiert. Auch hier nur eine Frage der Moderationsskills, ob das Publikum das merkt oder nicht.

Hier benutze ich keinen Prompter, also es gibt sowas, es gibt Apps und so, die auch Content Creator benutzen, aber... Ich habe hier so viele Schnitte in meinen YouTube-Videos, dass das eh nicht nötig ist. So sieht das Skript aus.

Und immer, wenn ich mir so einen Abschnitt setze... Wird da ein Schnitt gesetzt. Das ist schon von vornherein geplant. Deswegen gehe ich mein Skript abstellweise durch.

Ich mache jeden Abschnitt mindestens zweimal, mindestens zweimal zur Sicherheit. Falls ich mich mal verspreche oder vernoschle, ohne es zu merken. Oder ich verspreche mich und merke es, dann mache ich den Abschnitt auch drei oder viermal.

Oder ich verspreche mich oder vernosche mich auch mal. Ja, da ist es schon. Kommen wir zum Setting.

Ich sitze hier an meinem persönlichen Schreibtisch. Ich trinke Tee. Die Kamera ist nah an mir dran. Ich kann sie fast berühren. Zum Vergleich die Show.

Da stehe ich nicht nur weit von der Kamera weg, sondern auch noch auf einer Bühne, leicht erhöht. Das schafft natürlich mehr Distanz. Bei den MyThinkX Insta-Reels-Reels ist es so ein Zwischending. Ich sitze recht nah an der Kamera, allerdings mit professionellem Set und Team. Das habe ich hier nicht.

Das merkt man auch. Zum Beispiel sind Haare und Make-up hier nie so perfekt, aber dafür... Natürlicher. Ich brauche allerdings genauso lange, mich für einen YouTube fertig zu machen, wie ich in der Maske sitze.

Selbst NoMakeupMakeup ist Arbeit, Leute. Die Kamera ist außerdem leicht nach unten geneigt, das ist eine beliebte Einstellung. Früher war das noch viel schlimmer, ich meine, Hilfe. Jetzt fällt die Neigung vielleicht kaum auf, aber es führt dazu, dass sie so ein bisschen auf mich runter schaut, nicht so kleiner, netter, nahbarer wirke, was gar nicht unbedingt meine Absicht ist. Also ich bin tatsächlich sehr klein, ich muss mich nicht noch kleiner machen, als ich schon bin.

Aber sonst würdet ihr zum Beispiel auch den Tisch und den Tee nicht sehen. Manche lassen sich wiederum extra von unten fotografieren oder filmen, um größer und dominanter zu wirken. Fassen wir zusammen.

Allein durch das Set wirke ich hier real. Also authentisch, nahbar, natürlich. Und das, obwohl ein Youtuber wahnsinnig unnatürlich ist. Also dass ich mich gerade überhaupt natürlich verhalten kann, schaffe ich nur, indem ich mir ganz hart vorstelle, dass mir gerade jemand zuhört. Oder dass jemand hinter der Kamera steht, aber das bin auch nur ich.

Deswegen wollte ich auch immer eine Show mit Publikum haben. Das ist dann so ein bisschen wie früher, als ich noch Science-Labs auf der Bühne gemacht habe. Die Show ist paradoxerweise, weil sie ja so viel größer und professioneller produziert wird, die viel natürlichere Experience für mich und auch für das Publikum vor Ort.

Wenn ihr hingegen jetzt bei mir im Raum wärt, wäre das sehr awkward für mich und euch. Und mich! Zum Beispiel, weil ich alles, was ich sage, mindestens zweimal sagen muss und zwischendrin auf mein Skript schaue.

Machen wir weiter mit Schnitt! Beim Schnitt nutze ich ganz typisch für YouTube den Jumpcut. Das ist der hier.

Dieses sprunghafte nennt man Jumpcut. Und er ist wirklich ein fantastisches Stilmittel. Ich liebe ihn. In den Anfängen von YouTube war der Jumpcut eher so Mittel zum Zweck.

Da haben sich die Leute wahrscheinlich wirklich spontan vor die Kamera gesetzt und drauf losgeredet und hinterher ihre Sätze so zusammengeschnitten, dass es dann mitten im Satz einen Schnitt gab. Heute ist das eine bewusste Art zu schneiden, die Dynamik reinbringt. Man muss es aber richtig anwenden.

Ich kann euch das mal zeigen. Ich hoffe nach diesem Video sind nicht alle anderen Youtube sauer auf mich. Also holt euch einen Tee, macht es euch gemütlich, wir steigen durch.

Komisch, ne? Warum war das jetzt so langsam und awkward? Weil die Atempausen nicht rausgeschnitten waren. Also im echten Leben muss man vielleicht mal ab und zu Luft holen, aber auf Social Media nicht. Ich hoffe nach diesem Video sind nicht alle anderen Youtube sauer auf mich.

Also holt euch einen Tee, macht es euch gemütlich, wir steigen durch. Das wird nicht nur dynamischer, sondern auch normaler. Obwohl es ja völlig unnormal ist. Wir haben uns aber daran gewöhnt, dass Menschen im Internet ohne Atempausen und Füllwörter sprechen. Jump Cuts schaffen unrealistische Ideale für Eloquenz.

Außerdem ermöglichen Jump Cuts eine eigene Art von Humor, der nur durch Schnitte funktioniert. Doch wenn man sich deswegen jetzt Rotwein reinschüttet, bleibt ja immer noch das Problem... Ethanol.

Dass es nach wie vor Alkohol und ungesund ist. Die inhaltlichen Reviews der anderen Wissenschaftler hätten verhängnisvolle Konsequenzen. Und dass die Kritik angenommen wurde, ist......brisant. Diese Art von Humor ist total dankbar, weil ich das Timing, was ja sehr wichtig ist bei Witzen, im Nachhinein, im Schnitt, in aller Ruhe perfektionieren kann.

Und ich kann natürlich alle Amps, Wörter, Nebensätze und so weiter beliebig rausschneiden. Und ich habe ja gesagt, ich mache mehrere Takes. Das heißt, ich kann mir auch unter allen Takes die besten raussuchen und so meine Moderation perfektionieren.

Auch hier eigentlich paradox, obwohl oder gerade weil... an einem YouTube-Video so viel rumdoktern kann, wirkt es am Ende, wenn ihr es zu sehen bekommt, mühelos effortless. Unreal.

Produzierte Authentizität. Würde ich sagen, dass ich auf YouTube fake bin? Nein. Ich denke, meine Freunde würden sagen, das hier ist die Mai, wie wir sie kennen. Da das hier aber nur eine Darstellung von mir ist, könnte ich mich auch ganz anders darstellen.

Ich kann mich dank Skript, Dreh und Schnitt hier so darstellen, wie ich will. Das hier ist produziert. Auch bei Formaten, die anders produziert sind, die nicht oder weniger gescriptet oder geschnitten sind.

Das, was ihr am Ende zu sehen bekommt, ist nur das, was die Creator euch zeigen wollen. Es gibt sicher Momente, wo eine Kamera auch echte, authentische Dinge einfangen kann. Bei der Reportage oder Doku oder wenn man mal vergisst, dass die Kamera da ist.

Aber vor allem, wenn Menschen direkt in die Kamera sprechen, moderieren, presenten. Egal, ob es so aussieht. In den letzten Jahren beschäftigte sich die US-Army bereits mit dieser Frage.

Moin moin und hallo, herzlich willkommen bei Game Two. Guten Abend Ihnen allen und willkommen. Oder so. Ich überlege, ich spiele euch jetzt einfach mal einen kleinen Song vor. Ich kann es fühlen, ich kann es schmecken.

Ich meine das ernst. Ich habe mich heute das erste Mal selbst dabei erwischt. Dass es peinlich wäre, sich so auf ein Taylor Swift Konzert zu freuen. Da kann man schon mal im weitesten Sinne ein Deutschlandtrikot anziehen. Es ist in jedem Fall eine Darstellung.

Die vermeintliche Authentizität von Online-Content kann parasoziale Beziehungen stärken. So nennt man das, wenn man eine anhaltende Verbundenheit oder Intimität fühlt mit einer Medienperson. Also das kann eine fiktive Figur sein aus einem Roman oder Film, aber natürlich auch all die Menschen, die wir auf YouTube, Insta-Reels oder TikTok sehen.

Hinzu kommt, wenn ich dich jetzt anspreche, weißt du rational, dass wir uns gerade nicht wirklich unterhalten, aber es könnte gut sein, dass dein Gehirn dir das Gefühl verleiht, dass... Ich dich kenne und wir gerade wirklich interagieren, das nennt man dann parasoziale Interaktion. Eine Zeit lang dachte man in der Wissenschaft, dass man parasoziale Beziehungen führt, weil einem im echten Leben etwas fehle, weil man zum Beispiel einsam ist. Das ist die sogenannte Substitutionshypothese. Aber die hält man inzwischen für weniger plausibel als die sogenannte Punk-Sepp-Jakobson-Hypothese.

Die besagt, unsere Evolution hat sich nicht schnell genug anpassen können an die Existenz von Medien, sodass wir... emotional auf Medien ähnlich reagieren wie auf echtes Leben. Das heißt auch auf Medienperson emotional ähnlich reagieren wie auf echte Menschen. Selbst wenn wir rational wissen, dass es sich hier nur um Darstellungen von Menschen handelt, sprich wir seien alle von Natur aus anfällig dafür.

Die Forschung zu parasozialen Beziehungen ist noch recht jung und methodisch tricky. Deswegen gibt es vieles, was man nicht so im Detail nachvollziehen oder erklären kann. Es scheint aber so, dass das soziale Verhalten, das man im echten analogen Leben hat, sich auch auf Medien überträgt. Das heißt, wenn ich jetzt zum Beispiel jemand bin, der sehr schnell Freundschaften schließt im echten Leben, neige ich auch eher dazu, schnell parasoziale Beziehungen einzugehen. Idolisierte Influencer.

Influencer und Content Creator profitieren natürlich von einer starken Bindung zu ihrem Publikum und suchen auch die Interaktion mit ihm. Ich auch, ne? Also gerade bei so nüchternen Themen wie Wissenschaft hilft mir ein möglichst persönliches Abholen meines Publikums dabei. meine Themen zu vermitteln. Außerdem ist es mein Selbstverständnis, dass Wissenschaft nahbar sein sollte.

Also ich will nicht Dreh May sein, die euch von oben herab etwas erklärt, sondern auf Augenhöhe, beziehungsweise sogar etwas unterhalb eurer Augenhöhe, wie gesagt. Und ich will zeigen, dass hinter Wissenschaft nicht nur kalte Zahlen und Daten stehen, sondern auch Menschen, die nett sind und mit denen man sich identifizieren kann und will. Aber dadurch trage ich gleichzeitig zu einem Problem bei, denn wenn Menschen mich... sympathisch oder vertrauenswürdig finden, hinterfragen sie mich natürlich auch weniger und das ist für wissenschaftliches und kritisches Denken schlecht. Und sicher lassen wir uns auch leichter beeinflussen, wenn man uns was antreten will, Stichwort Influencer-Marketing.

Vor allem finde ich, dass wir sehr schnell dazu neigen, Menschen, denen wir folgen, nicht einfach nur sympathisch zu finden, das wäre ja okay, sondern sie direkt als Helden abzufeiern, sie zu überhöhen. Idolisierung. Obwohl wir unsere Idole eigentlich nicht kennen. Aber das produzierte Bisschen, das wir zu sehen bekommen, halten wir für ein vollständiges Bild.

Anhand kleiner Darstellungen glauben wir, einen ganzen Menschen zu kennen. Aber du kennst eine Creatorin, die ungeschminkt in eine verwackelte Handykamera drauf losplappert, genauso wenig wie eine Hochglanz-Travel-Bloggerin, die offensichtlich drei Filter drauf hat. In jedem Fall kennst du nur die öffentliche Personen, nicht die Privatperson. Wenn ihr also in Zukunft Creator lobt oder kritisiert, Checkt nochmal für euch selbst.

Bezieht ihr euch gerade wirklich auf die öffentliche Personen, auf ihre Inhalte? Oder projiziert ihr vielleicht etwas auf die Privatperson, die ihr aber eigentlich gar nicht kennt? Versucht euch dabei zu ertappen, wenn ihr in so Schwarz-Weiß-Muster reinfallt, wenn euch eine Person in der Öffentlichkeit entweder als der beste oder der schlimmste Mensch überhaupt erscheint. Und versucht eine gesunde Distanz zu Creator zu bewahren. Wir machen hier alle nur unseren Job.

Übrigens, mein Tee ist auch meistens nach der Hälfte des Videos leer. Ich halte da die Tasse einfach nur noch so in der Hand. Wir sehen uns im nächsten Video und damit meine ich, ihr seht mich, ich sehe euch nicht.

Bis dahin, bleibt sicher.