Liebe Studierende, ich begrüsse Sie ganz herzlich zu dieser ersten Lektion im Patentrecht. Das Patentrecht ist in der Privatrechtsordnung das wesentliche Instrument zum Schutz von Innovationen. Es schützt Erfindungen und es ist eines der wichtigsten im Materialgüterrechte. In diesem Video möchte ich Ihnen überblicksartig zeigen, was das Patentrecht ausmacht.
Ich spreche kurz über sein Patentrecht. seine wesentlichen Merkmale, dann über die Rechtsquellen, dann über die Frage, warum überhaupt Patente gewährt werden und schließlich mache ich noch ein paar Bemerkungen zum Interessenausgleich im Patentrecht. Ja, das Patentrecht schützt Erfindungen.
Eine Erfindung im Rechtssinn wird definiert als Lehre zum technischen Handeln. Die Technizität der geschützten Handlungslehre ist das Wesentliche, Merkmal, welches die Erfindung ausmacht. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, aus welchem Gebiet der Technik die Erfindung stammt.
Es kann sich also um eine mechanische Erfindung handeln. handeln, wie beispielsweise um einen Korkenzieher. Oder aber um eine vielleicht weniger anschauliche Erfindung aus dem Bereich der Biomedizin, wie die sogenannte Genschere CRISPR-Cas.
Das ist eine molekularbiologische Methode, um ganz gezielt DNA zu schneiden und zu verändern. Es kann sich aber auch um eine Innovation aus dem Gebiet der Elektrotechnik handeln geschützt sein. beispielsweise eine besondere Anordnung von Solarzellen. Wie bei anderen Immaterialgüterrechten muss das immaterielle Gut vom körperlichen Erzeugnis unterschieden werden. Geschützt sind also nicht Korkenzieher oder Solarzellen als solche, sondern die jeweils darin verkörperte Erfindung.
Und trotzdem erstreckt sich, wie wir noch sehen werden, der Rechtsschutz auch auf das körperliche Objekt. Nicht jede Erfindung kann mit einem Patent geschützt werden. Damit ein Rechtsschutz entsteht, müssen wie bei allen Immaterialgüterrechten bestimmte Schutzvoraussetzungen erfüllt sein.
Im Fall des Patentrechts muss die Erfindung neu und nicht naheliegend sein. Um in den Genuss eines Patents zu kommen, ist also immer ein gewisser innovativer Aufwand notwendig. Die Erfindung muss sich jedenfalls von dem abheben, was es bereits gibt. Zudem muss die Erfindung gewerblich anwendbar sein. Das Patentrecht kennt, wenn man so will, auch negative Schutzvoraussetzungen.
Denn manche Erfindungen sind selbst dann von der Patentierung ausgeschlossen, wenn sie die Schutzvoraussetzungen an sich erfüllen würden. Darauf und natürlich auch auf die Schutzvoraussetzungen. werden wir später noch genauer zurückkommen.
Das Patentrecht gehört gemeinsam mit dem Designrecht und auch dem Markenrecht zum sogenannten gewerblichen Rechtsschutz, also jenen Immaterialgüterrechten, die gemäss ihrer Zielsetzung eher gewerblichen als künstlerischen Interessen dienen und so vom Urheberrecht abgegrenzt werden. Das Patentrecht gehört auch zu den Registerrechten, das heißt Patente werden in einem staatlichen Verfahren von einer Behörde erteilt, anders als es beim Urheberrecht der Fall ist, wo das Recht uno actu mit der Schöpfung entsteht. Im Patentrecht wird die Erfindung also zunächst einmal beim zuständigen Amt als Patent angemeldet und erst mit der Erteilung des Patents erwirbt deren Inhaberin oder Inhaber das ausschließliche Recht zum Gebrauch der Erfindung.
Von diesem Zeitpunkt an kann der Inhaber oder die Inhaberin Dritten dann verbieten, die Erfindung zu nutzen oder die Nutzung gegen Entgelt erlauben. Das Patentrecht unterliegt gewissen Beschränkungen, wobei man oft auch von Schranken spricht. Der gesamte fünfte Abschnitt des Patentgesetzes widmet sich solchen Schranken und diese erlaubt glauben Dritten unter gewissen Umständen die Erfindung auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers oder der Rechteinhaberin zu gebrauchen. Etwa um am Patentgegenstand zu forschen, um nur ein Beispiel zu geben. Spätestens 20 Jahre nach der Anmeldung erlischt dann aber das Patentrecht.
Soweit der erste Überblick. All diese Merkmale schauen wir uns dann in weiteren Lektionen natürlich noch sehr viel genauer an. Jetzt geht es aber zunächst einmal darum, wo das Patentrecht eigentlich geregelt ist.
Das Patentrecht im objektiven Sinn regelt die Zuordnung von Erfindungen zu Rechtsträgern. Das wichtigste einschlägige Gesetz hierfür ist für die Schweiz natürlich das Patentgesetz von 1954, das aber in der Zwischenzeit natürlich mehrmals revidiert worden ist. Wie andere Immaterialgüterrechte ist das Patentrecht stark durch internationale Abkommen geprägt. Diese Entwicklung begann bereits im 19. Jahrhundert.
1883 wurde in Paris die sogenannte Pariser Verbandsübereinkunft, kurz PVÜ, unterzeichnet. Es handelt sich um einen internationalen Staatsvertrag, der in der Zwischenzeit einige Male revidiert wurde. Die jüngste Fassung steht in der Zeitung.
stammt aus dem Jahr 1967. Im Laufe der Zeit haben sich dann immer mehr Staaten dieser PVÜ angeschlossen, heute sind es mehr als 170. Die wichtigste Vorgabe der PVÜ ist, dass sie den Grundsatz der Inländerbehandlung aufstellt. Das bedeutet, dass ein Vertragsstaat den Angehörigen anderer Vertragsstaaten dieselben Vorteil gewähren muss, die er inländischen Staatsangehörigen. gewährt.
Das bewirkt zwar noch keine materielle Harmonisierung des Rechts, aber immerhin wird die Basis dafür geschaffen, dass die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber eines Landes auch in anderen Ländern einen Schutz erlangen und durchsetzen können. Auch das 1994 im Rahmen der WTO verabschiedete Abkommen über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums, kurz TRIPS, enthält materielles Patentrecht. Es baut auf der PVÜ auf und stellt wie diese gewisse Mindeststandards auf, welche die Mitgliedstaaten im nationalen Recht umsetzen müssen. Das TRIPS geht aber weiter als die PVÜ, indem es beispielsweise Vorschriften zur Verwaltung der Mitgliedstaaten im nationalen Recht umsetzen muss.
zu den Schutzvoraussetzungen und der Schutzfrist aufstellt oder auch Bestimmungen zu Zwangslinzenzen enthält. Ebenfalls unter dem Dach der WIPO abgeschlossen wurde der Patent Cooperation Treaty, kurz PCT, und der Patent Law Treaty, PLT. Der PCT schafft für seine Mitgliedstaaten ein Einzelhandel. einheitliches, weltweites System zur Einreichung, Recherche und Prüfung von Patentanmeldungen. Die Patentanmeldungen erfolgen zwar weiterhin bei nationalen Behörden, die Anmeldung in verschiedenen Ländern wird aber durch den PCT stark vereinfacht.
Und auch der PLT befasst sich mit der Patentanmeldung. Durch diesen Staatsvertrag werden einige Verfahrensfragen der Anmeldung harmonisiert. Etwa.
etwa wann ein Anmeldedatum zuerkannt wird und welche Formulare für die Anmeldung zu verwenden sind. Für die Schweiz ist noch ein weiterer Staatsvertrag relevant, nämlich das Europäische Patentübereinkommen, kurz EPÜ. Dem EPÜ gehören gegenwärtig 38 Vertragsstaaten an. Wichtig ist, der Begriff Europa bezeichnet hier nicht die Europäische Union, er ist vielmehr geografisch zu verstehen.
Vertragsstaaten sind neben der Schweiz beispielsweise auch Großbritannien und die Türkei. Das EPI enthält sowohl materielle Bestimmungen als auch formelle Regeln für das Erteilungsverfahren. Gestützt auf das EPI wurde auch das Europäische Patentamt mit seinem Hauptsitz in München gegründet.
Dort können Anmelderinnen und Anmelder einen Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents stellen. Dabei kann ausgewählt werden, für welche Mitgliedstaaten des EPI ein Schutz beansprucht wird. Das EPI ist also... keine Rechtsquelle der EU.
Und mit ihm wird auch kein Einheitspatent geschaffen, sondern ein Bündel nationaler Patente. Das heisst, mit einer Anmeldung kann man beispielsweise gleichzeitig ein deutsches, ein französisches, italienisches und schweizerisches Patent erlangen. Und obwohl dies möglich ist, versucht auch die EU seit vielen Jahren ein einheitliches Unionspatent einzuführen.
Seit dem Jahr 2012 bestehen mit zwei Verordnungen auch die Rechtsgrundlagen hierfür. Allerdings tritt dieses Unionspatent erst in Kraft, wenn auch ein einheitliches europäisches Patentgericht etabliert wird. Und dieses Patentgericht, das besser unter dem englischen Begriff Unified Patent Court, UPC, bekannt ist, gibt es aber bis heute noch nicht. Der Grund liegt darin, dass noch keine ausreichende Zahl von EU-Mitgliedstaaten das entsprechende Übereinkommen ratifiziert hat.
Auf EU-Ebene bereits in Kraft sind allerdings einige spezifische harmonisierte Regeln, namentlich im Bereich biotechnologischer Erfindungen, wo eine Richtlinie für eine gewisse Harmonisierung sorgt. Und daneben gibt es auch eine Verordnung, die ergänzende Schutzzertifikate regelt. Was ergänzende Schutzzertifikate sind, werden wir in einer späteren Lektion noch sehen. Seit seiner Entstehung haben sich am Patentrecht immer wieder Diskussionen zu dessen Rechtfertigung entzündet. Warum werden eigentlich Patente nun wieder verstanden als subjektive Rechte?
Warum werden eigentlich Patente gewährt? Fasst man die sehr umfangreiche Literatur zu dieser Frage zusammen, stößt man im Wesentlichen auf zwei Begründungslinien. Einerseits wird vertreten, das Patentrecht müsse der Erfinderin oder dem Erfinder deswegen zustehen, weil er oder sie die Welt um ein bestimmtes Gut, eben die Erfindung, reicher gemacht hat. Entsprechend sollen der Erfinderin oder dem Erfinder auch die Früchte dieser Arbeit zukommen. Sie merken schon, diese Begründung geht davon aus, die erfindende Person sei auch Inhaberin oder Inhaber der Rechte.
Das ist nicht erstaunlich, weil diese rechtsphilosophische Begründung ihre Wurzeln im Naturrecht hat. Viel häufiger werden heute aber wohlfahrtstheoretische Gründe für das Patentrecht vorgebracht. Nach dieser Auffassung werden mit dem Recht Anreize für innovative Tätigkeiten geschaffen.
Somit die dient der Rechtsschutz zunächst den Rechteinhabern, weil sie während einer gewissen Zeit vor Trittbrettfahrern geschützt sind, die ihre Leistungen übernehmen könnten. Gleichzeitig profitiert in diesem wohlfahrtstheoretischen Ansatz auch die Allgemeinheit, weil sich der Wissensschatz zugunsten der Allgemeinheit vergrößert. Die Ansporn-Theorie, die Belohnungstheorie und die Offenbarungstheorie stellen jeweils Aspekte dieser Überlegung in den Vordergrund.
In der Ansporn-Theorie ist es, wie der Name schon sagt, Tatsache, dass Erfinderinnen und Erfinder zu innovativer Tätigkeit motiviert oder eben angespornt werden sollen. Die Belohnungstheorie fokussiert demgegenüber auf die Kompensation der Erfindung. Erfinderinnen und Erfinder und damit auf die Tatsache, dass diese ohne eine Belohnung für ihre Investitionen möglicherweise gar nicht innovativ tätig würden.
Die Offenbarungstheorie schliesslich blickt aus einer gesellschaftlichen Perspektive auf dieses Anreizmodell. Sie besagt, dass den Erfinderinnen und Erfindern zwar ein rechtliches Monopol gewährt werde, diese im Gegenzug aber ihre Erfindung der Allgemeinheit offenbaren müssen. Diese Offenbarung geschieht, wir werden das noch sehen, in der Patentschrift. Erfinderinnen und Erfinder vergrößern also den Fundus technischen Wissens, erhalten aber im Gegenzug als Belohnung ein Schutzrecht. Es besteht also eine Art Austauschverhältnis zwischen Erfinderinnen und Erfindern auf der einen Seite und der Allgemeinheit auf der anderen Seite.
Reicht das aber nun? Um ein Patentrechtssystem einzuführen oder dieses zu rechtfertigen, sehen wir uns doch einmal an, was für und was gegen das Patentrechtssystem spricht. Positiv ist sicherlich, dass durch das Patentrecht innovatives Schaffen anerkannt wird.
Noch wichtiger scheint mir der soeben beschriebene Schutz vor einem Marktversagen zu sein, das also das Patentrecht Erfindungen hervorbringt, die ohne einen Rechtsschutz gar nicht erst. gemacht würden. In diesem System wird innovative Tätigkeit auch nicht durch eine zentrale Stelle gesteuert. Es ist also beispielsweise nicht der Staat, der bestimmt, welche Erfindungen belohnt werden oder geschützt werden sollen und welche nicht. Nein, es ist der Markt, welcher dies entscheidet.
Zumindest in der Theorie wird also dort investiert, wo die Forschung den grössten Erfolg verspricht. Allerdings gibt es auch begründete Kritik am Patentsystem. Immer wieder wird bezweifelt, dass das Patentrecht tatsächlich die ihm zugeschriebenen positiven Effekte erzielt.
Die beiden Ökonomen Michele Boldrin und David Levine haben beispielsweise einen vielbeachteten Aufsatz vertreten. Es gäbe keine empirischen Hinweise darauf, dass sich Patente tatsächlich positiv auf Innovation auswirkten. Außerdem wird bemängelt, die Kosten des Patentsystems seien zu hoch.
Gemeint sind dabei sowohl die administrativen Kosten, die bei den Behörden anfallen, aber auch jene der Rechteinhaber, die eben diese Patente anmelden und aufrechterhalten müssen. Und schließlich wird kritisiert, dass Patentrecht sei unspezifisch und es würden auch Erfindungen geschützt, die gar keinen oder keinen 20-jährigen Schutz verdienten. Die Entwicklung eines Medikaments dauert oft länger als zehn Jahre und kann Unsummen von Geld verschlingen, aber andere Erfindungen sind rasch entwickelt und ebenso rasch wieder veraltet.
Und trotzdem werden sie gleich lang geschützt wie Medikamente. Allerdings ist das Patentsystem nun einmal Tatsache, weil unklar ist, was bei seiner Abschaffung passiert. Geschehen würde, ist es auch nicht realistisch, eine solche ins Auge zu fassen. Das heisst, die Unzulänglichkeiten des Systems müssen innerhalb des Systems gelöst werden. Und dabei geht es, wie bei anderen Immaterialgüterrechten, immer um eine Interessenabwägung.
Besteht also beispielsweise ein Überschutz, in dem der Rechteinhaberin oder dem Rechteinhaber wesentlich mehr zugestanden wird, als was als Anreiz für die Innovation notwendig wäre, müsste das Recht zugunsten der Allgemeinheit wieder eingeschränkt werden. Das kann theoretisch auf ganz verschiedene Arten geschehen. Denkbar wäre, die Schutzvoraussetzungen anzuheben oder die Schutzfrist zu verkürzen, aber der wesentliche Hebel für den Interessenausgleich, den stellen die patentrechtlichen Schranken dar, auf die wir in einer separaten Lektion wieder zu sprechen kommen.
Nach diesem ersten Blick auf das Patentrecht geht es dann in der nächsten Lektion um dessen Gegenstand. Danke für die Aufmerksamkeit und bis dann!