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Der rätselhafte Fall Egon G.

Willkommen auf Doktorwissenschaft, wo es heute um einen kuriosen Todesfall geht. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass Mord, natürlicher Tod und Selbstmord oft schwer zu unterscheiden sind. Wir versetzen uns jetzt in die Lage eines Rechtsmediziners, um den Fall aufzuklären. Was passierte: Die Polizei fand den 40-jährigen Egon G. bei minus 10 °C nackt und tot in einem Sandkasten liegend. Aus ihrer Erfahrung heraus deuteten die Polizisten direkt auf ein Sexualdelikt und anschließenden Mord hin. Doch wir (die Rechtsmediziner) haben Zweifel daran: Wieso sollte ein 40-jähriger auf einem öffentlichen Spielplatz bei eisiger Kälte vergewaltigt worden sein? Unsere Vermutung: Egon G. ist im Sandkasten erfroren. Aber warum hatte er keine Klamotten mehr an? Die Obduktion sollte weitere Ergebnisse liefern, um den Todesverlauf des Mannes zu rekonstruieren. Die Pathologen fanden bei der Obduktion heraus: Der Verstorbene G. litt an einer Fettleber, also einer Erkrankung der Leber mit vermehrter Einlagerung von Fett. Übermäßiger Alkoholkonsum ist ein häufiger Grund einer solchen Krankheit. Ethanol wird in der Leber abgebaut und Bei ständigem, missbräuchlichem Konsum werden die beim Abbau entstehenden Fettsäuren vermehrt in der Leber gespeichert. Außerdem wissen wir: Alkohol erweitert die Adern und man empfindet ein wohltuendes Gefühl der Wärme, obwohl die Körpertemperatur nicht höher geworden ist. Das wäre eine Erklärung dafür, dass sich Egon G. bei diesen Temperaturen auf einem Spielplatz aufhielt, erklärt aber immer noch nicht, wieso er nackt war. In einem Fachbuch finden wir einen interessanten Hinweis: Es wurden wohl bereits mehrere Fälle von Menschen, die sich vor dem Kältetod ausziehen, aufgezeichnet. Wieso sollte sich ein Mensch ausziehen, wenn er erfriert? Wir lesen: Das Phänomen wird als „Kälteidotie“ bezeichnet. Wenn die Körpertemperatur unter 32 °C sinkt, wir erinnern uns, die normale Körpertemperatur ist 36 °C, löst der Körper des Betroffenen eine Wahnvorstellung von extremer Hitze aus – völlig paradox, oder? Aber wahr: Bei extremer Kälte ziehen sich die Blutgefäße an Armen und Beinen zusammen, da der Körper als Schutzmechanismus die Blutzirkulation auf die lebenswichtigen Bereiche des Körperinneren, also auf die Organe, beschränkt, um diese vor der Kälte zu schützen. Es wird vermutet, dass sich die Gefäße kurz vor dem Tod wieder schlagartig weiten und das Blut zurückschießt, woraufhin dem Betroffenen sehr warm wird. So warm, dass sich die Opfer der Kälteidiotie meist kurz vor dem Kältetod ausziehen. Egon G. konnte sich in dieser Situation leider nicht mehr selbst helfen und da kein Helfer in der Umgebung war, war sein Schicksal besiegelt. Übrigens hatte ein Oldenburger 2017, dem fast das gleiche passierte, mehr Glück: Ein Spaziergänger hat den ebenfalls betrunkenen Mann in einem Wassergraben gefunden – der Unterkühlte Mann hatte, getrieben von der Kälteidiotie, nur noch Unterhose, Socken und einen Schuh an. Der Spaziergänger konnte den 48-jährigen Mann aus dem Graben ziehen und den Notarzt rufen. https://www.nwzonline.de/oldenburg/blaulicht/spaziergaenger-rettet-hilflosen-mann-aus-wassergraben_a_31,2,4239565718.html Wie ihr am Fall von Egon G. seht, sind Mord und der Tod ohne Fremdeinwirkung oft gar nicht so leicht zu unterscheiden – dank immer besser werdender wissenschaftlicher Erkenntnisse und der guten Arbeit von Rechtsmedizinern können aber selbst die kuriosesten Todesfälle oft aufgeklärt werden. Wir sind jetzt auch Patreon! Wer mit unserer Arbeit zufrieden ist und uns unterstützen möchte, kann auf unserer Patreon-Seite Behind-the-scenes Material und Infos zu unserem Team bekommen, wenn sie oder er sich entschließt, uns monatlich einen kleinen Beitrag zu spenden. Wusstet ihr z.B., dass die 3D-Anmationen alle aus eigenem Haus von meinem Kollegen Darian gemacht sind? Ich finde, dass er eine super Arbeit macht! Bis zum nächsten Mal, doktorwissenschaft.