Die Mitte Europas im zweiten Jahrtausend. Ein Land, das lange braucht, um eins zu werden. Menschen, die sich erst im Laufe der Jahrhunderte als deutsch verstehen. Wer sind wir?
Woher kommen wir? Musik Fragen an ein Jahrtausend deutsche Geschichte. Musik Im 19. Jahrhundert regieren in Deutschland Dutzende von Fürsten. Musik Die Bürger wollen Freiheit und die Einheit der Nation.
Revolution bricht aus. Ein Wortführer ist Robert Blum. Sein Schicksal steht für eine große Chance.
Meine liebe Jenny. Ich werde unfreiwillig hier zurückgehalten. Blum, Robert! Denke dir indessen nichts Schreckliches.
Wir werden sie gut behandelt. Sei also ruhig. Und wenn du das bist, wirst du zu meiner Ruhe wesentlich beitragen. Geh, komm ans Bittschön! Ich denke dich stark und gefasst und bin's deshalb selbst.
Lebe recht wohl, bleibe gesund und heiter, grüße alle Freunde und unsere Gefährten. Was in der Revolution erforschen wurde, ist das Bewusstsein, dass der Gedanke stärker, größer und gewaltiger ist als die Macht der Bayonette und Kanonen. Wie man jetzt noch halb, unentschieden, zweideutig sein kann, das ist mir unerklärlich. Wem nützt es, wenn euer Blut fließt?
Da, die Pautröche, dort muss auch die Heft werden. Mit Worten, nicht mit Blut und Tod. Es gilt nur Siegen oder Sterben.
Und wer das Erste will, muss zeigen, dass er zu Letzterem bereit ist. Nun empfange für dich und unsere lieben Kinder von Herzen Gruß und Kuss von deinem Robert. Ein Gefängnisaufenthalt stand auch am Beginn seines politischen Werdegangs. 1844 war Robert Blum in Leipzig schon einmal wegen eines kritischen Zeitungstextes inhaftiert worden. Die Kinder werden sich so freuen.
Ich hab euch auch vermisst. Wie meine königlich-sächsische Freiheit. Der vierfache Familienvater versteht sich als Freiheitsfreund, als Liberaler.
In Wort und Tat wendet sich der Leipziger gegen die bestehenden Verhältnisse in seinem Vaterland, das immer noch in 38 einzelne Staaten und Städte zerstückelt ist. Feminiert von Preußen und der Vormacht Österreich, sind sie nur lose zusammengefügt im deutschen Bund, der seinen Sitz in Frankfurt hat. Der ist sich einig, vorwiegend in der vereinten Verfolgung jeglicher Opposition, von der Oder bis zum Rhein.
Wie heißt das Land, so dichtet Robert Blum, wo zwar noch Land und Ströme gleich, die Zeiten nimmermehr. Wo zwar der Geist die Schwingen regt, doch ach, durch Fesseln, die er trägt, gedrückt am Boden klebt. Der alte Goethe sagte, ein kleines Kind kann nicht einmal über die Straße laufen.
ohne von einem Polizeidiener aufgegriffen zu werden. Das heißt, dieses Gefühl der Überwachung, der Kontrolle und das vor dem Hintergrund, dass man nach Belgien schaute oder nach Frankreich, wo ein anderes, freieres Leben möglich war, das war eine Provokation. Besonders beagwühnt werden fortschrittlich gesinnte Deutsche, die ihre Überzeugung in Worte fassen. Robert Blum hat seine Stelle als Sekretär am Leipziger Theater gegen die unsichere Existenz eines politischen Publizisten eingetauscht.
Eine Fülle von Artikeln, Buchtexten, Dramen und Reden sind die Frucht. Darin macht er auch öffentlich Druck gegen die erstarrte Herrschaftsordnung in den deutschen Ländern. Als Autor und Herausgeber einer regimekritischen Zeitung führt er einen ungleichen Kampf. Denn alle aktuellen Druckerzeugnisse werden vorab von einem staatlichen Zensor geprüft, der streichen und verbieten kann. Der Überwachungsstaat war natürlich auch in Leipzig sehr präsent.
Und Plum wusste ganz genau, dass er da regelmäßig Schwierigkeiten mit den Überwachungsbehörden bekommen wird. Und hat das sozusagen geradezu als... Marketinginstrument verwendet, die Tatsache, dass er verfolgt wird. Einmal hat er sogar den Überwachungsbehörden gedankt dafür, dass sie ein Jahrbuch von ihm verboten haben, weil dadurch die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird.
Also er war sehr offensiv, fast aggressiv im Umgang mit den Überwachungsbehörden. Wo stecken Sie sich als nächstes hin für ein freies Wort? Ich will keinen Witwinschleier.
Hörst du? Ja. Jenny, es ist kein Spiel, aus dem man sich einfach zurückzieht, wenn es gefährlich wird.
Hätte es je eine Reformation oder sonst was Großes gegeben, wenn jeder denken würde, ich ändere ja doch nichts. Du ernährst dich jedenfalls nicht. Bist immer noch der alte Brausekopf.
Die Welt der Worte und des Wissens hat Robert Blum schon von klein auf angezogen. Bildungshungrig hat sich der gebürtige Kölner aus der Armut seiner Kindheit hochgearbeitet. Bis in das liberale Bürgertum der Bücherstadt Leipzig.
Robert Blum war unter den Liberalen derjenige, der am stärksten den Kontakt zur Bevölkerung gesucht hat. Er hat diese Verarmungskrise der 40er Jahre sehr persönlich registriert. Er hat sich aus der Zeit der Verarmungskrise sehr persönlich registriert.
erste Hand informieren lassen über die Zustände im Erzgebirge, wo die Menschen also nur noch von irgendeinem undefinierbaren Brei gelebt haben. Also ganz grausige Verhältnisse. Für die Schufterei bei Tag und Nacht gibt es selten mehr als eine Handvoll Kartoffeln.
Hunger, Aufstände und Tod sind die Folge. Nur die Hälfte der Kinder erreicht das fünfte Lebensjahr. Heinrich Heine dichtet Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht, Wir weben emsig Tag und Nacht.
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch. Beschleunigt wird die Misere durch die rasante Industrialisierung. Maschinell gefertigte Waren aus dem Ausland, vor allem England, zerstören die Preise und damit das traditionelle Handwerk.
Neue Technik wälzt althergebrachte Lebensformen um. Mit Dampfkraft. Die Lage wird immer explosiver.
Ein Ventil ist die Flucht. 740.000 Auswanderer allein in der ersten Jahrhunderthälfte ziehen meist per Dampfschiff zu den Übersee-Häfen. Zwei Drittel der 37 Millionen Deutschen leben damals auf dem Land. Knapper Boden, schlechte Ernten und der Drang nach Freiheit treiben ganze Dörfer nach Amerika.
Für Blum ist das kein Ausweg. Nein, liebe Jenny, nach Amerika gehen wir nicht. Wenigstens nicht, solange noch ein Fündchen Hoffnung vorhanden ist, für die Freiheit und einen besseren Zustand des Vaterlandes wirken zu können.
Über die Wege zu diesem Ziel sind die Meinungen indes geteilt. Das gemeinsame Ziel, die politische Reform, Parlamente, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, das war übergreifend, aber dann gab es diejenigen, die meinten, dass es ist noch möglich mit den Fürsten, das waren die gemäßigten Liberalen. Und dann gab es die anderen, die entschiedenen Demokraten, die sagten, wir müssen eine stärkere Opposition machen. Und es gab, das war aber eine kleine Gruppe, die entschiedenen Republikaner, die sagten, mit diesen Fürsten geht gar nichts, sie müssen weggeräumt werden.
Und den Feinden der Freiheit erfuhren wir schnöden Undacht und grobe Täuschung. Der Gedanke, das Wort wurden gefesselt und die begeisterte Vaterlandsfamilie... zunehmend Gehör.
Auch Robert Blum in Leipzig. jedem Mund ein einiges festes deutsches Vaterland, fest wie seine Berge. Die Idee ist Fleisch und Blut geworden. Trotz aller Unterdrückung und Verfolgung wird sie sich verwirklichen. Die Revolution!
Die Revolution hat in Paris gesiegt. Im rasenden Tempo des Dampfzeitalters verbreitet sich die Kunde vom Sturz des französischen Königs im Februar 1848. Sie erneuert den Mythos der französischen Revolution in ganz Europa. Auch in Deutschland erwacht Hoffnung auf einen europäischen Völkerfrühling.
Als erstes verstoßen Bürger in Baden gegen Pressezensur und Versammlungsverbot. Vielfältig, oft gegensätzlich, bricht aus, was lange angestaut war. Bürger fordern Mitsprache. Handwerker begehren gegen die Zunftordnung auf.
Bauern verbrennen Grundbücher ihrer Gutsherren, die sie in Abhängigkeit halten. Mitunter mischen sich demagogische, auch antisemitische Tendenzen in die landesweite Märzrevolution. In den Städten rebellieren Kleinbürger, Tagelöhner, Studenten gegen die Militärmacht der Fürsten. Aus Angst vor oft nur drohender Gewalt berufen die Landesherren Liberale sogenannte Märzminister.
Vom Westen aus fegt ein nie dagewesener Sturm durch die deutschen Lande. In einer Residenz nach der anderen weichen Monarchen dem Aufstand. Selbst im mächtigen Vielvölkerstaat Österreich muss Staatskanzler Metternich fliehen. Ein unerwarteter Durchbruch.
Jetzt! Jetzt hört mir zu! Jetzt ist die Zeit reif! Auf, bei uns!
Auf Drängen der Liberalen ist schließlich auch der sächsische König bereit, sein Kabinett auszutauschen und Freiheitsrechte zu gewähren. Alle Blicke richten sich nun auf Berlin, zu der Zeit eine aufstrebende Metropole. Musik Scheinbar ungerührt vom europaweiten Aufruhr, sorgt in Preußens Hauptstadt die gefürchtete Militärmacht für Ruhe.
Doch ausgerechnet als auch König Friedrich Wilhelm IV. sich endlich entschließt, vom Balkon seines Stadtschlosses aus Reformen zu verkünden, Fallen auf dem Vorplatz Schüsse. Keiner weiß genau woher. Doch das ist der Zündfunke, der die Wut über die allgegenwärtigen Soldaten entlädt. Die Volksstimmung, bisher durchaus königstreu, wendet sich gegen das Militär.
Die Unruhen eskalieren in einem erbitterten Straßenkampf. Im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold, den Farben der Revolution, erheben Anwohner ihre Waffen gegen Soldaten, die für den Feldkrieg gedrillt sind. Kaum haben die königlichen Truppen eine Barriere erobert, ist die nächste schon wieder errichtet. Eine Schlacht in der Häuserschlucht.
Ohne Sieger. Nachbarn, Frauen und Kinder eilen den Barrikadenkämpfen zu Hilfe, mit allem was sich zu Munition machen lässt. Ein adliger Leutnant berichtet, die Aufrührer schossen mit allen Arten Gewehren aus Kellern und Dachfenstern, mit Projektilen der verschiedensten Art. So wie der Befehl zur Wegnahme der Barrikade erfolgte, waren die Truppen losgelassen und ihre Wut machte sich Luft. Ein pensionierter Diplomat, 10, 12 junge Leute, entschlossen und todbereit, haben Barrikaden siegreich verteidigt gegen Kanonen, Reiter und Fußvolk.
Ganze Regimenter mussten mit Verlust weichen. Nach zweitägigem Gefecht ziehen sich die Soldaten aus Berlin zurück. Die schlagkräftigste Armee des Kontinents, vertrieben von aufmüpfigen Untertanen. Zurück bleiben mehr als 300 Tote. Zur Mahnung sind ihre Särge vor dem Deutschen Dom aufgebahrt.
Die Berliner verehren ihre Märzgefallenen wie Märtyrer im Kampf um die Freiheit. Im Angesicht der Todesopfer neigt sogar König Friedrich Wilhelm sein Haupt. Seine Botschaft wird als Unterwerfungsgeste verstanden.
Ich habe mich und mein Volk unter das Banner des Reiches gestellt. Preußen geht fortan in Deutschland auf. Das war geheuchelt. Der König war eine ja auch psychologisch merkwürdige Gestalt.
Einerseits modern und dann den Eindruck der Öffentlichkeit gegenüber erwecken, ich bin national. Ich mache diese Bewegung mit, ich stelle mich an die Spitze und andererseits keine Verfassung, das heißt die monarchische Gewalt, unerbittlich in der Hand halten. Im Herzen teilt der Taktiker die Meinung seiner Offiziere. Gegen Demokraten helfen nur Soldaten. Die Demokraten sind jetzt in Aufbruchstimmung.
Ein politisches Frühjahrserwachen. Die scheue Biedermeierzeit scheint überwunden. Lebt wohl Kinder, der Vater muss los. Passt auf Mama auf. Hört was Mama sagt.
Wie Robert Blum machen sich Abgesandte der Bürgerbewegung aus allen Teilstaaten auf den Weg. Sie wollen die Demokratie mit Leben erfüllen, die sie den Fürsten abgetrotzt haben. Ziel der Reise ist Frankfurt.
Dort muss die moralisch vernichtete Staatsgewalt gesammelt, die Republik ausgerufen und eine Regierung eingesetzt werden. Leid sollten mir Kosten und Zeit tun, wenn man dazu den Mut nicht hätte. Frankfurt am Main.
Bis heute Wirtschafts-und Bankenmetropole im Herzen des Landes. Die freie Reichsstadt, wo früher Kaiser gekrönt wurden und nun der Bund der Fürsten tagt, Ende März 48 ist sie Schauplatz für ein einzigartiges Experiment. In der zentral gelegenen Paulskirche treffen die Delegierten zusammen, um den deutschen Bund demokratisch umzugestalten und die ersten freien Wahlen vorzubereiten.
Dieses sogenannte Vorparlament, das Robert Blum zu einem seiner Vizepräsidenten wählt, vereint die führenden Köpfe der liberalen Bewegung. An ihnen liegt es jetzt, dem Volk Mitsprache zu erstreiten und zugleich die deutschen Länder zu einer Nation zu einen, unter den nun amtlichen Farben Schwarz-Rot-Gold. Inspiriert durch die Uniformen aus dem Kampf gegen Napoleon, stehen sie für einen langersehnten Traum. Schon 16 Jahre zuvor, auf dem Hambacher Schloss, hatten, trotz strenger Verbote, annähernd 30.000 Freiheitssinnige erstmals öffentlich Flagge gezeigt und Reformen verlangt. In Hambach ist die Forderung nach Freiheit und Einheit so unüberhörbar und dem Zeichen der schwarz-rot-goldenen Fahnen in die Diskussion eingebracht worden, dass dieses Thema überhaupt nicht mehr von der Tagesordnung zu bringen war.
Darin liegt die große Bedeutung des Hambacher Festes. Manche Reden, die dort gehalten wurden, vor allem von Demokraten, klangen gemäßigten Liberalen schon viel zu militant. So offenbarten sich seit der Großkundgebung auf dem Hambacher Schloss auch Gegensätze innerhalb der liberalen Bürgerbewegung, die danach in den Untergrund verbannt war. Unter strikter Geheimhaltung trafen sich einmal im Jahr die treibenden Kräfte der Opposition in Hallgarten am Rhein, auf dem Weingut des altgedienten Liberalen Johann Adam von Itzstein, unter ihnen auch Landtagsabgeordnete.
Wie der badische Anwalt Friedrich Hecker, links neben Blum, ein radikaler Verfechter der Demokratischen Republik. Nun, da in der Paulskirche das langerste Land der Welt war, Sehnte Ziel zum Greifen nah scheint, scheiden sich über den Weg dorthin die Geister. Während Friedrich Hecker und seine Gesinnungsfreunde die Republik mit dem Druck der Straße erzwingen wollen, setzen eher Gemäßigte wie Robert Blum auf Recht und Reform. Es kommt zum Streit. Wir sind noch nicht gewählt.
Wir sind bloß die Wegbereiter. Wenn Sie sich schon als Anwalt des Volkes sehen, dann geben Sie dem Volk doch mindestens eine Wahl. Wieso?
Wir besitzen doch ein Mandat als Treuhänder der Revolution. Jetzt, wo die Fürsten gelähmt sind, müssen wir die Republik schaffen. Sonst wird sie blutig erkämpft auf den Barrikaden.
Sie können unsere Überzeugung der Mehrheit auch nicht aufzwingen. Sie müssen sie überzeugen und zwar hier. Hecker bricht mit dem Vorparlament. Er ruft zusammen mit seinem Gefährten Gustav von Struwe in Baden auf eigener Faust die Republik aus. Durch den deutschen Südwesten ziehen sie mit einer Schar Unzufriedener in Richtung Frankfurt.
Doch der erhoffte Zulauf bleibt aus. Bei Kandern im Schwarzwald werden die erschöpften Rebellen von überlegenen Bundestruppen niedergeräumt. Für Blum war Heckers Weg ein Irrweg. Sie haben das Volk verraten durch ihre wahnsinnige Erhebung und es mitten im Siegeslauf aufgehalten. Das ist ein entsetzliches Verbrechen.
Hecker flieht in die neue Welt. Gleichwohl wird er im Volk weiter als Held verehrt. Die gemäßigten Liberalen empfinden das, was Hecker und Struwe machen, geradezu als Anschlag auf die Verwirklichung der Ziele von Einheit und Freiheit.
als eine Art Verrat an der Sache des Fortschritts, dem diese gemäßigten Liberalen eben durch Vereinbarungen mit den Fürsten und durch parlamentarische Mittel verwirklichen wollen. wollen und zunächst einmal durch freie wahl erstmals in ihrer geschichte dürfen die deutschen als nation an die urnen treten jedenfalls die 80 prozent der männer die beruflich selbstständig sind von der ostsee bis zum schwarzwald Von den Alpen bis nach Pommern geben sie in allen deutschen Ländern ihre Stimmen ab. In Städten wie in abgelegenen Dörfern wollen sie selbst mitbestimmen, wer die Deutschen künftig im Parlament vertritt. Auch wenn viele damals weder lesen noch schreiben können.
Einige nehmen dafür meilenweite Fußmärsche in Kauf. Je nach Region schwankt die Wahlbeteiligung zwischen 20 und immerhin 70 Prozent. Am 18. Mai 1848. schlägt die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland.
In der Frankfurter Paulskirche versammeln sich die zuerst eingetroffenen 330 von insgesamt knapp 600 gewählten Abgeordneten. Eine Sternstunde der Geschichte. Die Eröffnung der ersten frei gewählten Nationalversammlung für alle Deutschen.
In ihrer Mitte auch Robert Blum, wortgewaltiger Volksvertreter aus Leipzig. Gerade für ihn eine Stunde besonderer Genugtuung. Der Einzug Blums in die Paulskirche war für ihn natürlich eine grandiose Sache, auch persönlich grandiose Sache. Das war ja immer noch nicht richtig zu fassen im Grunde. Er war ein Jahr vorher noch als Sekretär am Theater beschäftigt gewesen.
Und nun steht er sozusagen da in der ersten Reihe der Nation, was war für ihn schon in vieler Hinsicht die Krönung seiner Biografie. Die Wähler haben in der Regel angesehene Bürger in die Paulskirche entsandt, darunter auffallend viele Akademiker und Staatsdiener. Sie sollen hier eine Verfassung schaffen, die allen Deutschen Grundrechte und Mitbestimmung garantiert. Unter den Verfassungsvätern sind so renommierte Geister wie der Dichter Ludwig Uland, Turnvater Jan oder der Märchensammler Jakob G. Grimm.
Es ist ein nie dagewesenes, gleichwohl riskantes Vorhaben, das die Volksvertreter im Kuppelbau anpacken. Alles liegt nunmehr in ihrer Hand. Das ist exakt die Abgeordnetenschärpe, mit der Robert Blum 1848 hier die Paulskirche betrat.
Damit erfüllte sich für ihn ein Traum, als demokratisch gewählter Abgeordneter die Einheit und Freiheit des Landes mit Grundrechten zu realisieren. Bald muss Blum erkennen, dass er mit seiner Vision von der Republik wenig Aussichten hat gegen die konservative Mehrheit, die die Verständigung mit den monarchischen Mächten sucht. Unser Kampf ist eine Sache der Überzeugung, aber völlig fruchtlos.
Alles, was vorkommt, ist im Voraus entschieden. Und so unverschämt ist die Mehrheit, dass sie verwirft, was wir geben, oder ablehnt, nur weil wir es beantragen. So überträgt die Mehrheit ausgerechnet dem habsburgischen Erzherzog Johann die Regierungsgewalt der Märzrevolution.
Kein gelungener Einstand aus Sicht der überstimmten Minderheit. In der Paulskirche gruppieren sich erstmals verschiedene Fraktionen. Bei ihrer Sitzverteilung, vom Podium aus gesehen, werden sie als rechts, links oder Mitte benannt.
Die hier vorgeprägte Parteienlandschaft spiegelt sich noch heute im Deutschen Bundestag. Wir heute leben, wie selbstverständlich, in einer Bundesrepublik, wie Blum sie gewollt hat. Aber hinter Blum stand nur die Minderheit. Die Parlamentsmehrheit wollte die Fürsten in die Verfassung einbeziehen.
Und da hängt alles vom preußischen König ab. Der hat Hoffnungen erweckt, als könne er sich an die Spitze der Bewegung stellen. Aber die Schlüsselfrage war, konnte man ihm trauen?
Sind die alten Mächte bereit, die neue Demokratie mitzutragen? Das ist die Kernfrage, auch für Robert Blum. Es muss sich entscheiden, wo denn der Mittelpunkt in Deutschland ist.
Ob da, wo von der Volkssouveränität und der von ihr gewählten Nationalversammlung geschaffen wurde, oder da, wo man ihn sich anmaßt. Es muss sich entscheiden, ob Preußen in Deutschland aufgeht, oder ob dort... Ich muss dann preußisch werden. Die Nagelprobe naht im hohen Norden.
Als das Königreich Dänemark das Herzogtum Schleswig besetzt, unterstützen preußische Truppen anfangs den patriotischen Sturm dagegen. Doch europäische Mächte wie England und Russland, die dem neuen deutschen Zentralstaat ohnehin misstrauen, drohen mit Krieg um die Küste. Musik Rofin zieht sich Preußen zurück und gibt damit die Region um Flensburg militärisch Preis.
Ohne Rücksprache mit der Frankfurter Paulskirche schließt Friedrich Wilhelm IV. einen Waffenstillstand mit Dänemark. Der preußische Monarch hat dem neuen Souverän, so wie er sich verstanden hat, dem Volk repräsentiert in der Frankfurter Parlamentsversammlung gezeigt, ihr könnt da beschließen, was ihr wollt, ich führe es nicht aus.
Und das hat die Revolutionsbewegung auch so verstanden. Man hat im Parlament und außerhalb des Parlaments gesehen, das ist jetzt nicht nur eine außenpolitische oder internationale Entscheidung, es ist auch eine innenpolitische Entscheidung. Wer hat denn eigentlich das Sagen in dieser Revolution?
Die Frankfurter Volksvertretung offenbart ihre eigene Machtlosigkeit, als sie den Waffenstillstand nachträglich billigt. Das treibt vor allem die einfachen Volksschichten erneut auf die Straße. Als Träger der Revolution fühlen sie sich von der Paulskirche nicht mehr vertreten.
Doch die Revolutionsregierung antwortet mit dem Einsatz preußischer Bundestruppen. Reichsinnenminister Schmerling, was machen die Soldaten da draußen? Die sind auch zu ihrem Schutz da.
Im Kampf um Schleswig das Feld räumen, aber hier auf unbewaffnete Bürger schießen. Ja, das können sie, die Preußen. Geben Sie mir zwei Stunden, bis dahin kein Feuerbefehl.
Und ich verbürge mich dafür, dass die Barrikaden wegkommen. Sie haben eine halbe Stunde und keine Minute länger. Blum stand in dieser Phase in der Tat zwischen zwei Stühlen.
Es gab ja eine zweite Revolutionswelle, ein Septemberaufstand, gegen die Kräfte und Institutionen der ersten Revolution, der Märzrevolution, gegen die Pauskirche, gegen die Reichsregierung. Das allein war für ihn jetzt schon fatal, weil er ja immer alle revolutionären Kräfte in einem Boot sehen wollte. Dazu kam jetzt noch, dass beide Seiten Gewalt anwenden wollten. Feinde, Vertreter des Volkes seid ihr!
Ich bin doch auf eurer Seite, Mensch! Dann kommt rüber zu uns! Wem nützt es, wenn euer Blut fließt? Da, die Paulskirche!
Dort muss darum gekämpft werden! Mit Worten, nicht mit Blut und Tod! Wir scheißen auf eure Worte! Davon kriegen wir nichts zu fressen!
Ihr grabt nicht euer eigenes... Vorsicht! Na dann seid doch froh, dann braucht ihr euch eure Finger nicht schmutzig zu machen! Ihr macht einen Fehler! Ihr macht einen großen Fehler!
Jenny, ich war noch nie so lebens-und wirkensmüde. Dafür hast du doch überhaupt keinen Grund. Ihr habt doch so viel erreicht!
Was denn? Die haben doch alle unsere Vorhaben niedergestimmt. Wir sind von der Republik, selbst von der Nation, genauso weit entfernt wie von Amerika.
Robert, ihr habt ein Parlament erkämpft. Ihr habt zum ersten Mal Grundrechte für alle Deutschen deklariert. Ja, das interessiert bloß keinen. Hauptsache es herrscht Ruhe im Land. Friedhofsruhe, Jenny.
Vielleicht sollten wir auch auswandern, Jenny. Was willst du denn in Amerika? Naja, vielleicht ist dir auch ausgewandert die Freiheit.
Blum musste ja den Eindruck haben, dass die gesamte Paulskirche ihre zentrale Position, die ihr zukommt, bei der Gestaltung des neuen Deutschland verloren hat. Denn sie hat zusammen mit der Reichsregierung ja zurückgegriffen auf das Militär der Einzelstaaten, hat sich damit indirekt in die Hände der alten Gewalt begeben. In der Nationalversammlung verfolgt aus Bosheit, vom Volke in die traurigste Stellung gebracht, aus Dummheit, stehen wir isolierter als jemals. Wäre es nicht eine Schande, sich im Unglück von den Kampfgenossen zu trennen, ich würde zusammenraffen, was ich habe, und nie wieder in die Welt zurückkehren. Nicht, weil ich mutlos bin, sondern wirklich müde, völlig abgerungen in dieser Sisyphus-Arbeit.
Ach... Das Schicksal unseres Volkes ist doch ein sehr trauriges. Als ob es zum Tode verurteilt sei und ich die Kraft zu einer Auferstehung habe. Abschied.
Neuer Aufbruch. In Österreich ist die Revolution wieder aufgeflammt, nachdem Teile der Armee übergelaufen sind. Das Habsburger Herrscherhaus ist vor den Kämpfen aus Wien geflohen.
Als Abgesandter seiner Fraktion eilt Blum hoffnungsfroh zum Ort der Kaiserdämmerung. Liebe Jenny, Wien ist prächtig, herrlich, die liebenswürdigste Stadt, die ich je gesehen, dabei revolutionär in Fleisch und Blut. In Wien entscheidet sich das Schicksal Deutschlands, vielleicht Europas.
Wien war für ihn jetzt eine ganz große Chance. Er glaubte eigentlich, durch eine erfolgreiche Revolution in Wien könnte man das Kräftegleichgewicht, das sich zu Ungunsten der Revolution verschoben hatte, durch diese Septemberereignisse, wieder zurückschrauben. Siegt die Revolution hier, dann beginnt sie von Neuem ihren Kreislauf.
Erliegt sie, dann ist, wenigstens eine Zeit lang, Kirchhofsruhe in Deutschland. Wenn Wien nicht siegt, so bleibt nur ein Schutt und Leichenhaufen übrig, unter welchem ich mich mit freudigem Stolz begraben lassen würde. In der Stunde der Entscheidung ringt sich Blum zu einem Schritt durch, den er zuvor stets abgelehnt hatte.
Mit der Waffe in der Hand stellt er sich dem Kampf gegen die Habsburger Truppen, die die aufständische Metropole zurückerobern wollen. 36 Stunden lang hart der frisch ernannte Kommandeur in Kugelhagel aus. Er hält selbst einen Streifschuss.
Muss er den aussichtslosen Kampf? aufgeben. Nach ihrem Sieg unterwerfen die kaiserlichen Soldaten plündernd und mordend die letzte Bastion der Revolution. Mit der Rückeroberung der Wiener Hofburg ist auch der Stab über die Frankfurter Paulskirche gebrochen. Die wiedererstarkte Habsburger Monarchie mit ihrer geballten Militärmacht will jetzt um jeden Preis verhindern, dass ihr Vielvölkerreich durch eine geeinte demokratische Republik zersprengt wird.
Der reaktionären Macht ist nun auch Robert Blum schutzlos ausgeliefert. Trotz seiner Immunität als Abgeordneter wird er in einem Wiener Militärgefängnis widerrechtlich inhaftiert. Die neue Habsburger Regierung im mehrischen Exil unter Ministerpräsident Felix Fürst zu Schwarzenberg hat sein Schicksal in der Hand. Da wäre noch die Sache mit diesem Blum aus Frankfurt. Der gehört doch auch zu den Aufrührern.
Der Feldmarschall lässt anfragen, wie er mit ihm verfahren soll. Bekommen wir da nicht Ärger mit unseren Bundesbrüdern in Frankfurt? Mit Verlaub, nur wenn wir ihn klar aburteilen, werden seine Genossen begreifen, dass wir uns nicht vor ihnen fürchten.
Schreibens. Feldmarschall Windisch-Grez ist Militärkommandant in Wien. Nowacek, bestellen Sie doch bitte Major Cordier herein.
Er muss eine Standrechtskommission einberufen. Das Urteil ist bereits vorherbestimmt, auch wenn es mit geltendem Recht und bestehenden Vereinbarungen bricht. Zu offensichtlich soll der Schuldspruch gegen Robert Blum Lektion für alle deutschen Demokraten sein.
Jetzt hört ihr zu! Jetzt ist die Zeit frei! Auch bei uns!
Urteil vom 8. November 1848 Robert Blum soll mit dem Tode bestraft werden, weil er überwiesen ist, am 26. Oktober an dem bewaffneten Aufruhr in Wien tätigen Anteil genommen zu haben. Es gibt ja einen Zeitzeugen, Fröbel, war ja mit ihm gefangen genommen worden. Er hat berichtet, dass er dann also mitunter ganz geistesabwesend aus dem Fenster gestarrt hat und ihm die Tränen über die Mangen gelaufen sind.
Er hat also wirklich sein Leben offensichtlich zerrinnen sehen. Mein teures, gutes, liebes Weib, leb wohl. Wohl für die Zeit, die man ewig nimmt, die es aber nicht sein wird.
Erziehe unsere, jetzt deine Kinder zu edlen Menschen, dann werden sie ihrem Vater nimmer Schande machen. Hübner! Es gibt eine neue Lage. Ich fürchte, wir müssen unsere Empfehlung dieser arretierten Abgeordneten betreffend nun doch umgehend wieder zurückziehen.
Sie meinen die Aufrührer und diesen... Blum? Hübner?
Schreiben Sie... Alles, was ich empfinde, rinnt in Tränen dahin. Ich sehe gerade eine neue Eitel. Mach deinen Fehler! Mach deinen großen Fehler!
Daher nochmals, leb wohl, teures Weib. Betrachte unsere Kinder als teures Vermächtnis und ehre so deinen treuen Gatten. Die Reichstagsabgeordneten sind nicht standrechtlich zu behandeln, wenn's nicht in flagranti ergriffen werden kann.
Sie sind auf freien Fuß zu setzen. Nowacek, weisen Sie bitte an die Vollstreckung. erst einmal auszusetzen. Ich fürchte euer Durchlauf, dafür ist es mittlerweile etwas zu spät.
Die Revision des Todesurteils erreicht den Richtplatz nicht mehr zur rechten Zeit. Am 9. November 1848, einen Tag vor seinem 41. Geburtstag, wird Robert Blum auf dem Militärübungsplatz Brigittenau bei Wien erschossen. Ich sterbe für die Freiheit, sind als seine letzten Morde überliefert. Möge das Vaterland meiner ein Gedenk sein. Leib wohl, tausend letzten Küsse von deinem Robert.
Es haben die Büchsen der Jäger, der Freiheit-Fahnenträger, den Robert Blum gefällt. Heißt es in einem zeitgenössischen Lied. O du Deutschland! Für das ich gestritten, für das ich im Leben gelitten, verlass die Freiheit nicht.
Um sechs Uhr habe ich vollendet. Ich drücke dir den letzten Kuss auf den Trauring. Man kommt.
Leb wohl. Robert Blum hat in seinem Abschiedsbrief auch signalisiert, dass er für einen größeren Zweck stirbt. Dass es nicht nur ein persönliches Scheitern ist, sondern es auch eine nationale Botschaft ist.
Und es wurde zugleich begriffen als ein Anschlag auf die demokratische Bewegung insgesamt. Die tödlichen Schüsse machen Blum zu einem Märtyrer. Leitfigur der Demokraten in Deutschland.
Nach dem Wiedererstarken der alten Mächte werden ihre Vorstöße Schritt für Schritt zurückgedrängt. Die Verfassung der Paulskirche, die erstmals Grundrechte für alle Deutschen festschreibt, tritt nicht mehr in Kraft. Im Jahr nach der Revolution wird das Parlament aufgelöst und mit ihm der Traum von der Deutschen Einheit in Freiheit. Und doch haben Männer wie Blum ein bleibendes Erbe hinterlassen.
Ideen können nicht erschossen werden, sagt sein Mitstreiter Franz Jelinek nach seinem Tod. Die Visionen von 1848 blieben Vorbild für jeden Kampf um Freiheit und Demokratie in Deutschland bis in die Gegenwart.