Neurotransmitter 1 - Katecholamine Stell dir vor, du sitzt mit deinem besten Freund im Seminar und du musst ihm unbedingt etwas erzählen. Wenn er direkt neben dir sitzt, kannst du ihm das leise zuflüstern. Wenn aber eineinhalb Meter Abstand zwischen euch sind und du eine Maske trägst, schreibst du ihm wohl besser eine Nachricht. Nervenzellen machen das ganz ähnlich: Innerhalb einer Zelle werden Informationen mithilfe elektrochemischer Membranpotentiale direkt weitergegeben, wie beim Flüstern. Die Potentiale entstehen dabei durch Verschiebung von Ladungen, was wir in der Auditorfolge zu den Aktionspotentialen genau erklären. Zwischen Nervenzellen, also an den Synapsen, werden Informationen hingegen wie beim Schreiben einer Nachricht in chemische Signale umgewandelt und über sogenannte Neurotransmitter weitergegeben. Die Vorgänge an Synapsen erklären wir dir in der entsprechenden AMBOSS-Animation. Natürlich gibt es viele verschiedene Neurotransmitter. Aber welche Botschaften überbringen die einzelnen Transmitter? Das sehen wir uns heute und in den nächsten Folgen genauer an. Wir beginnen mit den Katecholaminen. Die wichtigsten Katecholamine sind Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin. Sie haben unterschiedliche Funktionen, sind aber biochemisch verwandt. Die Katecholamine bilden eine Untergruppe der Monoamine, zu denen auch Serotonin gehört. Die Monoamine sind wiederum biogene Amine, zu denen auch Histamin gehört. Das Wissen über die Biochemie von Neurotransmittern hilft dir, wichtige medikamentöse Therapiekonzepte zu verstehen. Daher gibt’s jetzt die wichtigsten Fakten für dich! Katecholamine werden aus den Aminosäuren Phenylalanin oder Tyrosin gebildet. Phenylalanin wird als essenzielle Aminosäure über die Nahrung aufgenommen und dann durch die Phenylalaninhydroxylase zu Tyrosin umgewandelt. Das Schlüsselenzym der Katecholaminsynthese ist die Tyrosinhydroxylase, die nun im nächsten Schritt Tyrosin zu 3,4-Dihydroxyphenylalanin umwandelt, besser bekannt als L-Dopa. Aus diesem Aminosäurederivat entsteht mithilfe der aromatischen L-Aminosäure-Decarboxylase, kurz Decarboxylase, das Monoamin Dopamin. Aus Dopamin bildet die Dopaminhydroxylase in einem weiteren Schritt Noradrenalin. Noradrenalin wiederum dient der Phenylethanolamin-N-Methyltransferase als Substrat für die Synthese von Adrenalin. Auf welcher Stufe die Synthese stehen bleibt, also welcher Transmitter am Ende entsteht, wird in den entsprechenden Zellen durch das Vorkommen dieser Enzyme bestimmt: Dopaminerge Neurone besitzen nur die ersten beiden Enzyme für die Katecholaminsynthese, noradrenerge Neurone die ersten drei und adrenerge Neurone besitzen alle vier Enzyme. Die so gebildeten Neurotransmitter werden dann an den Synapsen der Neurone ausgeschüttet und übermitteln ihr Signal an benachbarte Neurone. Um dieses Signal zu beenden, müssen die Neurotransmitter anschließend wieder entfernt werden. Hierfür gibt es zwei Wege: Einer ist die Wiederaufnahme der Katecholamine in Vesikel der Präsynapse. Eine Hemmung der dafür verantwortlichen Transporter führt also logischerweise zu einer Verstärkung des Signals. So wirkt zum Beispiel Kokain: Die Transporter zur Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin werden gehemmt, weshalb die Transmitter somit länger im synaptischen Spalt bleiben und sich dort anreichern. Die Folgen sind Euphorisierung und Aktivierung. Ein weiterer Weg, die Signalübertragung der Katecholamine zu beenden, ist ihr Abbau. Der erfolgt primär über die Enzyme Monoaminoxidase, kurz MAO, und die Katecholamin-O-Methyltransferase, kurz COMT. Beim Dopaminabbau entsteht so Homovanillin, beim Abbau von Noradrenalin und Adrenalin Vanillinmandelsäure. Die Endprodukte des Katecholaminabbaus werden dann renal ausgeschieden. Das Katecholamin Adrenalin hat als Neurotransmitter keine so große Bedeutung, sondern wirkt hauptsächlich außerhalb des Nervensystems als Hormon. Es wird vor allem bei Stress von der Nebenniere ins Blut abgegeben und spielt beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Fight-or-Flight-Reaktion, auf die wir in der Folge zum Sympathikus eingehen. Adrenalin überwindet übrigens nicht die Blut-Hirn-Schranke. Im Gehirn sind vor allem Dopamin und Noradrenalin als Neurotransmitter relevant, Adrenalin spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Schauen wir uns zuerst die dopaminergen Neurone und ihre Funktionen an: Anatomisch gesehen befinden sich dopaminerge Neurone zum großen Teil im Hirnstamm, hier besonders in der Substantia nigra und der Formatio reticularis, außerdem noch im Hypothalamus und in den Basalganglien. Dopamin nimmt eine Sonderstellung unter den Neurotransmittern ein, da es sowohl exzitatorisch als auch inhibitorisch wirkt, je nach den vorhandenen Rezeptoren. In den Basalganglien ist es als Transmitter maßgeblich an der Steuerung der Motorik beteiligt, indem es motorische Impulse des extrapyramidalen und pyramidalen Systems moduliert. Außerdem spielt Dopamin eine Rolle bei der Aktivierung des Brechreizes in der Area postrema. Dopaminerge Neurone des Mesencephalon projizieren zudem ins limbische System und beeinflussen so das Sucht- und Belohnungsverhalten. Dopamin fördert das episodische Gedächtnis, also das Speichern persönlicher Erlebnisse im Langzeitgedächtnis und das Lernen. Über kortikostriatale Verbindungen ist das dopaminerge System darüber hinaus maßgeblich an Denkvorgängen und am Planen beteiligt. Noradrenerge Neurone befinden sich im Hypothalamus und in der Formatio reticularis, insbesondere im Nucleus caeruleus. Als exzitatorischer Neurotransmitter spielt Noradrenalin im Nucleus caeruleus beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Schlaf-Wach-Rhythmus und bei der Erhöhung der Aufmerksamkeit in Stresssituationen. Im Nucleus caeruleus werden außerdem Wechselwirkungen mit dem serotonergen System gesteuert und emotionale Prozesse beeinflusst, wie beispielsweise Angst. Tatsächlich sind die Monoamine als Transmitter für Neurone der Formatio reticularis so typisch, dass man sie als monoaminerges System bezeichnet. Im peripheren Nervensystem vermitteln Adrenalin und Noradrenalin für gewöhnlich die sympathische, postganglionäre Signalübertragung zwischen dem zweiten Neuron und der Effektorzelle. Dopamin hingegen ist als Neurotransmitter im peripheren Nervensystem weniger relevant. Ok, lass uns auf der nächsten Folie mal ansehen, welche Rezeptoren in welchen Organen eine Rolle spielen. Ihre Wirkung vermitteln die Katecholamine durch Bindung an verschiedene G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Alles Wichtige zur allgemeinen Wirkweise solcher Rezeptoren erfährst du in der Auditorfolge Signaltransduktion Teil 4. Die Transmitter Noradrenalin und Adrenalin binden an die sogenannten adrenergen Rezeptoren oder Adrenozeptoren. Man unterscheidet Alpha-1- und Alpha-2- sowie Beta-1-, Beta-2- und Beta-3-adrenerge Rezeptoren. Mit Ausnahme des Alpha-2-Rezeptors aktivieren alle stimulatorische G-Proteine, der Alpha-2-Rezeptor hingegen ein inhibitorisches G-Protein. Noradrenalin und Adrenalin binden vor allem an die beiden Alpha-Rezeptoren, die sich auf glatter Muskulatur befinden, etwa der der Gefäße und des Gastrointestinaltrakts. Beta-adrenerge Rezeptoren werden überwiegend durch Adrenalin aktiviert. Der Beta-2-Rezeptor ist der häufigste Typ, er kommt in vielen Organen und der glatten Muskulatur vor. Beta-1-Rezeptoren gibt es vornehmlich in Herz und Niere, Beta-3-Rezeptoren im braunen Fettgewebe. Im zentralen Nervensystem findet man alle Typen der adrenergen Rezeptoren. Dopamin kann ebenfalls, abhängig von der Dosis, mit den adrenergen Rezeptoren interagieren. Seine Wirkung vermittelt Dopamin aber in erster Linie über Dopamin-spezifische Rezeptoren, von denen es ebenfalls fünf Typen gibt. Die wichtigsten sind die D1- und D2-Rezeptoren. Die Dopaminrezeptoren der D1-Gruppe aktivieren ein stimulatorisches, die Rezeptoren der D2-Gruppe ein inhibitorisches G-Protein. D1-Rezeptoren befinden sich unter anderem in Darm und Niere und können die Aktivität dieser Organe steigern. D2-Rezeptoren gibt es insbesondere im Gehirn. Wenn wir an Katecholamine in der Klinik denken, fällt uns natürlich sofort Adrenalin als Notfallmedikament bei der Reanimation oder Anaphylaxie und Noradrenalin zur Kreislaufstabilisation ein. Aber was geschieht bei einem Ungleichgewicht der körpereigenen Katecholamine? Pathologische Veränderungen des noradrenergen Systems lassen sich unterscheiden in einen Noradrenalinüberschuss oder -mangel. Ein Überschuss ist beispielsweise mit Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus verbunden, ein Mangel typisch für Depressionen. Bei Depressionen spielen aber auch Dopamin und Serotonin eine wichtige Rolle, deswegen gehen wir darauf erst in der nächsten Folge zum Serotonin ein. Bleibt hier also noch das Dopamin: Auch in diesem System gibt es logischerweise Erkrankungen mit zu viel oder zu wenig Dopamin. Ein Dopaminüberschuss im Striatum ist beispielsweise Ursache bestimmter Ausprägungen der Schizophrenie. Zu den Symptomen gehören Wahnvorstellungen und Halluzinationen verschiedener Sinne wie Stimmenhören oder Dingesehen. Als medikamentöse Therapie nehmen Patientinnen und Patienten oft Antipsychotika – Dopaminantagonisten, die vor allem D2- und teilweise auch D4-Rezeptoren blockieren. Allerdings hemmen Antipsychotika die Dopaminwirkung großflächig, sodass die Einnahme zu zahlreichen Nebenwirkungen führt. Die Blockade des D2-Rezeptors verursacht insbesondere motorische Nebenwirkungen wie Katalepsie, also eine Haltungsstarre. Eine Hemmung des D4-Rezeptors führt hingegen zu deutlich weniger motorischen Nebenwirkungen, wie das atypische Antipsychotikum Clozapin zeigt, da es primär mit dem D4-Rezeptor wechselwirkt. Bei Dopaminmangel-Erkrankungen stehen motorische Einschränkungen im Vordergrund wie beim Parkinson-Syndrom. Es wird nur selten durch die Einnahme von Dopaminantagonisten ausgelöst wie Antipsychotika oder Antiemetika. Meist ist die Ursache ein idiopathischer Untergang dopaminerger Neurone, hauptsächlich in der Substantia nigra und im Nucleus caeruleus. Die Substantia nigra ist physiologischer Weise dafür verantwortlich, einen Teil des Striatums zu hemmen, der seinerseits hemmend auf die Motorik wirkt. Man nennt dies auch Disinhibition. Mit anderen Worten, Dopaminausschüttung in der Substantia nigra aktiviert die Motorik. Bei Dopaminmangel bleibt die Hemmung also bestehen und es kommt zu Bradykinese, also einer Verlangsamung der Willkürmotorik, Akinese, einer Bewegungsarmut, Rigor, einem erhöhten Muskeltonus, posturaler Instabilität, also einer Unsicherheit der Körperhaltung beim Stehen, und Tremor, also Muskelzittern. Vor allem der Ruhetremor ist typisch für das Parkinson-Syndrom. Für die medikamentöse Therapie gibt es verschiedene Strategien. Bei geriatrischen Patientinnen und Patienten tendiert man zur Gabe von L-Dopa als Vorstufe des Dopamins. Es kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und somit die Dopaminproduktion in dopaminergen Neuronen erhöhen. Damit L-Dopa nicht schon im Blut zu Dopamin umgewandelt wird, das die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann, werden oft bestimmte Decarboxylasehemmer kombiniert gegeben. Sie hemmen die Decarboxylase im Blut und verhindern so eine Umwandlung von L-Dopa außerhalb des zentralen Nervensystems. Eine weitere Strategie gegen den Dopaminmangel ist die Hemmung des Dopaminabbaus. Hierzu werden sogenannte MAO-B-Hemmer verabreicht, die das Enzym Monoaminoxidase hemmen, und COMT-Hemmer, die die Katecholamin-O-Methyltransferase hemmen. Ein dritter Therapieansatz ist die Gabe von Dopaminagonisten, also Wirkstoffen, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden und genau wie Dopamin die Dopaminrezeptoren aktivieren. Im Verlauf der Erkrankung werden meist mehrere Konzepte je nach Nebenwirkungen und Verträglichkeit bestmöglich kombiniert. Denn auch die Gabe von L-Dopa und Dopaminagonisten kann wiederum Nebenwirkungen hervorrufen, die einem Dopaminüberschuss ähneln. Dazu zählen Unruhe, Störungen der Impulskontrolle wie gesteigerte Libido oder Glücksspielsucht, Halluzinationen oder Psychosen. Ok, soviel zu den Katecholaminen. Bevor es in der nächsten Folge mit dem Neurotransmitter Serotonin weitergeht, haben wir hier aber noch ein paar Fragen für dich zusammengestellt. Viel Erfolg beim Kreuzen!