Bald ist Ostern. Der Frühling steht vor der Tür. Und in den Geschäften... ...die Schokoladenosterhasen. * Musik * Einige von ihnen haben nahezu
einen Kultstatus erreicht. Letztes Jahr wurden in Deutschland
230 Mio. Stück produziert. Es gibt Osterhasen
in Vollmilch, Zartbitter, in weißer und veganer Schokolade. Von allen bekannten
und nicht so bekannten Firmen. Doch können wir
unbekümmert genießen? 2001 haben sich die weltweit
führenden Schokoladenhersteller verpflichtet, Kinderarbeit
bis 2008 deutlich zu verringern. Doch viele Hilfsorganisationen
prangern an, dass dieses Ziel nie erreicht wurde und bis heute viel Kinderarbeit
in Schokolade steckt. Uns alarmiert
eine Studie aus den USA, die in Westafrika
durchgeführt wurde. Das Institut spricht davon,
dass die Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen
sogar noch zugenommen hat. Untertitel: WDR mediagroup GmbH
im Auftrag des WDR * Musik * Wir fahren in die Schokoladenfabrik, in den Landkreis Tübingen
zur Firma Klett. Seit 1953 wird hier produziert. Ihr Markenzeichen: Hohlfiguren wie
Weihnachtsmänner und Osterhasen. Christopher Klett
ist Geschäftsführer des Familienunternehmens. Rund 70 Mio. Figuren
werden hier im Jahr gegossen. Das sind bis zu 400.000 täglich. Aber wo kommt der Kakao
für seine Schokolade her? Zu 100% genau
kann ich es nicht sagen. Wir wissen, dass es
aus Westafrika kommt, der Großteil. Das liegt daran, dass der Rohstoff
an der Börse gehandelt wird. Deshalb können wir
nicht zu 100% genau sagen, diese Schokolade
kommt exakt von diesem Farmer. Über 2.000 t Schokolade
verarbeitet die Firma pro Jahr, und Klett ist
eine kleine Schokoladenfabrik. Weltweit werden
rund 5 Mio. t Kakao geerntet. Christopher Klett
hat sich die Anbaubedingungen in Westafrika selbst angeschaut. Ich persönlich, wo ich dort war,
das hat meine Einstellung geändert. Das nimmt einen mit. Es ist toll zu sehen,
was die Leute da leisten. Das muss honoriert werden.
Und es soll dort ankommen. Ohne die Kakaobauern
funktioniert die Kette nicht. Das ist ein Kreislauf. Da sind wir verpflichtet,
als Hersteller und als Kunden, dass man da was zurückgibt. Klingt gut. Aber ist das
in der Schokoladenindustrie auch so? Wir fliegen nach Westafrika. Das Ziel, die Elfenbeinküste oder
der Staat Republik Côte d'Ivoire, wie er offiziell heißt. * Musik * Die Kakaoproduktion des Landes ist in den letzten Jahrzehnten
explodiert. Die Côte d'Ivoire
ist fast für die Hälfte der weltweiten Ernte zuständig. Wenn man sich
die bunten Internetseiten der Schokoladenfirmen anschaut,
scheint auf den Plantagen Westafrikas
die Welt in Ordnung zu sein. So gut wie jede Firma verspricht,
nachhaltig zu sein. San-Pédro, im Westen des Landes,
ist das Zentrum der Kakaoindustrie. * Musik * Hier sind wir verabredet
mit Abelle Galo. Er ist Vorstand
der Hilfsorganisation ID-Cocoa, die sich mit den Problemen
in der Kakaoindustrie beschäftigt. * Musik * Die Produktion von Kakao
steigt immer weiter an. Und man braucht
immer mehr Arbeiter dafür. Und wenn ich sage Arbeiter,
meine ich Kinder, denn die arbeiten bis heute
auf den Feldern. Kann man hier wirklich
Kinderarbeit finden? Früh am nächsten Morgen
sind wir im Anbaugebiet. Es ist ganz einfach, Kinderarbeit
zu finden, erzählt Abelle. Sein Plan: Wir warten einfach
am Rande eines Dorfes und beobachten die Arbeiter,
die aufs Feld gehen. * Musik * Es ist kurz vor 7, und wir sehen das 1. Kind
mit einer Machete in der Hand. Zur Schule wird es wohl nicht gehen. Dann ein Mann,
der 2 Jungs bei sich hat. Galo stellt ihn zur Rede. Hey, wie alt sind die beiden Jungs? Sie sind 20. Er lügt, weil ihr ihn filmt. Jemand hat sie zu mir gebracht
und gesagt, sie sind 20. Ich kenne sie kaum. Abelle ist ärgerlich. Seit Jahren hört er
immer wieder die gleichen Ausreden. Egal wie jung die Arbeiter aussehen, immer sagen die Bewacher,
sie sind 20 Jahre alt. Wir wollen sehen,
wer auf den Kakaofeldern arbeitet. Und als Erstes sehen wir Kinder. Nach internationalem Recht
ist das verboten. Sie säubern den Boden für die Ernte,
denn die Kakaofrüchte sind reif. * Musik * Wir wollen wissen,
ob die Jungs zur Schule gehen. Meine Eltern haben
nicht genug Geld für die Schule, deshalb muss ich
auf dem Feld arbeiten. Hast du auch mal frei? Sonntags. Und wann fängst du an zu arbeiten? Um 8 Uhr morgens. Und wann gehst du wieder nach Hause?
- Um 4. Beide Jungs sind 14 Jahre alt,
erzählen sie, und arbeiten
6 Tage die Woche 8 h lang. Sie können weder lesen
noch schreiben. Dann entdeckt Abelle ihre Wunden. Machetenhiebe. Warst du damit in einer Klinik?
- Nein. Beide haben eitrige Wunden am Bein, immer wieder rutscht ihnen
die Machete bei der Arbeit aus. Der Mann, der die Kinder bewacht, möchte nicht,
dass wir mit ihnen sprechen. Abelle fordert uns auf zu gehen, bevor der Wachmann
Unterstützung holt. Die Kinder müssen weiterarbeiten. Abelle Galo möchte uns ein weiteres
Problem im Kakaoanbau zeigen. Das Gebiet hier bestand noch vor
wenigen Jahrzehnten aus Dschungel. Obwohl der Wald
offiziell geschützt ist, sind die meisten Bäume den
Kakaopflanzen zum Opfer gefallen. Am Straßenrand stehen
meist noch ein paar Bäume. Dahinter nichts als Kakao. * Musik * Doch hier wird nicht nur
die Natur ausgebeutet. * Musik * Wir stehen auf einer Kakaoplantage, die sich mitten
im Naturschutzgebiet befindet. Schon lange
prangern wir diese Praktik an, doch es entstehen
immer neue Plantagen. Dazu kommt noch, dass hier
auch wieder Kinder benutzt werden, um den Kakao zu ernten. Wir erfahren,
dass die Jungs 13 Jahre alt sind und aus dem armen Nachbarland
Burkina Faso stammen. Wir fragen sie, ob sie
schon mal zur Schule gegangen sind. Ja, bis ich 10 Jahre alt war. Ich auch, bis 10. Ich bin noch nie
zur Schule gegangen. Als ich 10 war,
wurde ich hierhergebracht. Auch hier haben die Kinder
einen Wachmann dabei. Die Regel ist einfach: Er gibt die Anweisungen,
und die Kinder arbeiten. Für die Jungs ist es
immerhin besser, hier zu arbeiten, als in die Stadt zu gehen
und kriminell zu werden. Hier können wir ihnen
wenigstens helfen. Mittags dürfen die Kinder
eine Pause machen. * Musik * Ihre Nahrung
müssen sie selbst anpflanzen. Das Einzige, was sie haben:
Cassava-Wurzeln. Wir wollen wissen, ob sie auch
manchmal Fleisch zu essen bekommen. Hühnchen- oder Rindfleisch
habe ich noch nie gegessen. Wenn wir Fleisch essen wollen, dann
müssen wir Ratten oder Füchse jagen. Ihre Eltern in Burkina Faso hätten
sie nicht mehr ernähren können, erzählen die Kinder, und hätten sie deshalb
in die Elfenbeinküste verkauft. Wenn sie 17 oder 18 Jahre sind,
dürfen sie ihrer Wege gehen. Hilfsorganisationen schätzen,
dass Tausende Kinder und Jugendliche genau so
auf die Kakaoplantagen kommen. 22 Jahre, nachdem alle großen
Kakaoproduzenten das Protokoll zur Beseitigung von Kinderarbeit
unterschrieben haben, können wir diese Bilder filmen. Ohne große Suche. * Musik * Obwohl sie schon seit Jahren
auf Kakaoplantagen arbeiten, haben sie noch niemals
in ihrem Leben Schokolade probiert, erzählen sie uns. Wir haben welche dabei. Du kannst das Papier abmachen. * Musik * You can open it here. * Musik * Das ist süß, oder? Beiß einfach ab. * Musik * Es ist wahnsinnig süß. Wir erfahren,
in welchem Dorf die Kinder leben. Überall vor den Hütten
trocknet Kakao. Einer der größten Farmer
ist Alexandre Krah Yao. Wir trauen unseren Ohren kaum,
als er erzählt, dass er schon seit Jahren Kinder aus anderen
Ländern als Arbeitskraft kaufe. Wenn ich mir ein Kind
z.B. aus Benin besorge, muss ich den Vermittler bezahlen. Das restliche Geld
kriegt dann der Vater in Benin. Das Kind selbst bekommt von mir
für die Arbeit nichts. Vermittler kaufen den Eltern die
Kinder ab, bezahlen den Transport und verkaufen sie teuer
an Bauern weiter. Offiziell erlaubt ist das nicht. Die Familien im Dorf schicken ihre
Kinder nun vermehrt in die Schule. Aus diesem Grund brauchen die Bauern neue Arbeitskräfte
für den Kakaoanbau. * Musik * Nach einem langen Arbeitstag sind auch die 3 Jungs
vom Feld zurückgekehrt. Wir erfahren, dass sie Youssouf,
Marcelin und Kouassi heißen. Sie leben gemeinsam in einem Raum. Einziger Schmuck,
ein alter Kalender. * Musik * Ich besitze nicht viel. Genauso wie meine Freunde. Nur eine Machete und
das weiße Tuch da oben gehören mir. Oft sitze ich hier einfach
und denke an meine Mutter. Der Besitzer der Jungs stellt ihnen
den Schlafraum zur Verfügung. Er war nicht bereit,
sich filmen zu lassen. * Musik * Die meisten Felder im Land
gehören den Bauern, aber gekauft wird die Ernte
von großen Händlern. In San-Pédro betreiben die größten
Schokoladenhersteller der Welt Fabriken, in denen die Bohnen
gereinigt und verarbeitet werden. Wie etwa das Unternehmen Cargill. Oder die Nr 1. in der Branche,
Barry Callebaut. Wir wollen wissen,
ob sie von der Kinderarbeit auf den Plantagen wissen
und was sie dazu sagen. Ich rufe vom deutschen Fernsehen an. Wir sind in der Stadt und würden gerne ein Interview
mit Ihnen führen. Egal, wo wir anfragen, niemand
ist bereit, mit uns zu sprechen. Weder Cargill noch
der Großproduzent Barry Callebaut. Nicht nur wir
haben bei unseren Stichproben Kinder auf den Feldern gefunden. Eine US-amerikanische Studie zeigt,
dass ungefähr 1,56 Mio. Kinder in Westafrika
in der Kakaoproduktion arbeiten. Das sind mehr als vor 20 Jahren. Viele Firmen behaupten im Netz,
sie würden Kakao aus der Elfenbeinküste beziehen,
in der keine Kinderarbeit steckt. Ist das überhaupt möglich? Wir sind verabredet
mit dem Koordinator der Hilfsorganisation RAIDH,
Bakayoko Falikou. Es ist sehr, sehr schwierig zu
sagen, ob es überhaupt möglich ist, irgendwo in der Elfenbeinküste
Kakao zu bekommen, in der keine Kinderarbeit steckt. Die Industrie im Land
hat auch überhaupt kein Interesse, die Kinderarbeit zu beenden. Sie versuchen,
sie lieber zu verstecken. Schwere Vorwürfe,
die sich nicht überprüfen lassen. Wir haben ein Treffen mit
einem Mitarbeiter der Firma SACO, die Barry Callebaut gehört, und
befragen ihn zu den Anschuldigungen. Er möchte unerkannt bleiben. * Musik * Wir sind in Afrika. Sie wissen doch,
wie es hier funktioniert. Kinder gehen nicht zur Schule, denn wenn sie in der Schule sind,
sind sie nicht auf den Feldern. Und selbst die ganz jungen Kinder werden von ihren Eltern
aufs Feld geschickt. Kann es wirklich sein, dass sich
an den Zuständen auf den Plantagen so wenig verbessert hat
in den letzten Jahren? Wir fahren in die größte
Stadt des Landes, Abidjan. Hier sitzt die
International Cocoa Initiative. Die Organisation wurde
von der Kakao-Industrie gegründet und soll gegen Kinderarbeit kämpfen. Die Direktorin für Westafrika,
Euphrasie Aka, ist bereit, uns ein Interview zu geben. * Musik * Wie sehr hat sich die Situation in den letzten 20 Jahren
hier im Land verändert? Auch wenn es immer noch sehr viel
Kinderarbeit gibt, hat doch eine deutliche Verbesserung in der Härte
der Kinderarbeit stattgefunden. Die ganz jungen Kinder müssen nicht mehr
die schwerste Arbeit verrichten. Wie z.B. schwere Lasten tragen,
Chemikalien versprühen oder mit scharfem Werkzeug
hantieren. Wir haben 13 Jahre alte Kinder
mit Macheten gesehen, ohne jeglichen Schutz. So sieht doch die Realität
auf den Feldern aus. Ich sage auch nicht,
dass es keine Kinderarbeit gibt, aber wir haben noch viel zu tun. Der karge Erfolg nach 23 Jahren
Kampf gegen Kinderarbeit: 12-Jährige müssen angeblich nicht
mehr die schwerste Arbeit leisten. Zurück auf den Plantagen
will uns unser Begleiter Abelle ein weiteres Problem
in der Kakao-Industrie zeigen. Den starken Pestizideinsatz. * Musik * Bonjour. Was tut ihr hier?
- Wir müssen spritzen. Warum? Insekten haben
die Kakaofrüchte befallen. Ist es das?
- Ja, genau. * Musik * Hier kommt ein Pestizid zum Einsatz. Ohne jeglichen Schutz
hantieren die Jungs mit dem Gift. * Musik * Hat niemand mit euch über
Schutzausrüstungen gesprochen, wie Handschuhe und Masken? Ich habe gehört,
dass es gefährlich ist, aber wir müssen es
aufs Feld bringen. Die Chefin der International
Cocoa Initiative hatte recht. Die Jungs
sind nicht 12 Jahre alt, sondern 16. Wie die anderen Kinder
stammen sie aus Burkina Faso. * Musik * Nachdem das Pestizid versprüht ist, kommt das Breitbandherbizid
Glyphosat zum Einsatz. Glyphosat tötet alle Gräser
um den Kakaobaum ab, damit sich der Kakao
später leichter ernten lässt. Nicht einmal Gummistiefel
hat der Junge. Das Pflanzengift
geht auf seine Haut, was laut Hersteller
unbedingt vermieden werden sollte. Durch Insekten- und Pilzbefall fällt die Ernte in ganz Westafrika
in diesem Jahr schlecht aus. Das lässt den Kakaopreis
an den Börsen zwar steigen. Doch die Bauern
hier haben nichts davon, denn sie bekommen einen Festpreis. Und wenn sie weniger ernten,
bekommen sie weniger Geld. Durch die Kakaoplantagen
schlängelt sich ein Fluss. Und der Fluss
fließt durchs nächste Dorf. Hat der Pestizideinsatz
gesundheitliche Auswirkungen auf die Menschen? * Musik * Die Krankenstation des Dorfes
ist immer voll. * Musik * Souleyman Koala
arbeitet hier als Sanitäter. Und es fehlt ihm hier an allem,
erzählt er. * Musik * Wie alt bist du?
- Ich bin 10 Jahre alt. Gehst du zur Schule? - Nein,
ich arbeite auf dem Kakaofeld. Welche Arbeit machst du gerade?
- Ich säubere den Boden. Ivane kommt nicht
aus einem Nachbarland, er ist im Dorf aufgewachsen. Er arbeitet jeden Tag von morgens
bis abends auf dem Kakaofeld. Er hat Fieber,
Schwindel und Kopfschmerzen. Möglich,
dass die vielen Chemikalien, die sie auf den Kakaofeldern
benutzen, schuld sind. Viele Kinder verletzen sich auch
mit ihren Macheten, haben Typhus oder Malaria. Nur ein paar Schritte
von der Klinik entfernt gibt es die Chemikalien zu kaufen. * Musik * Die Plantagenbesitzer
kaufen die Chemikalien, und die Kinder holen sie ab. Viele der Produkte
sind aufgrund ihrer Toxizität in Europa längst verboten. Die Verkäuferin hat
einen Rat für ihre Kunden. Nach dem Spritzen
muss man einfach viel Milch trinken. Das spült das Gift
wieder aus dem Körper. Ein gefährlicher Irrglaube, der zeigt,
wie wenig die Menschen hier wissen. * Musik * Wir nehmen eine Wasserprobe aus dem
Fluss, der durch das Dorf fließt, und wollen diese
in Deutschland untersuchen lassen. Das Ergebnis
wird eindeutig ausfallen. * Musik * Zurück in San-Pédro. Die Stadt hat einen der größten
Häfen für Kakao in Westafrika. Tag und Nacht
werden hier die Containerschiffe mit dem Rohkakao beladen. Vieles passiert hier noch von Hand. Kein leichter Job
für die Hafenarbeiter. Wenn der Kakao die Felder verlässt,
haben die Kinder gelitten. Wenn der Kakao hier ankommt,
leiden die Hafenarbeiter unter schlechter Bezahlung
und schlechten Arbeitsbedingungen. Gegenüber vom Hafen
liegen die Slums von San-Pédro. Hier leben die Arbeiter. Rund 150 Euro verdienen
die Männer hier im Monat. Das ist zwar knapp über
dem sehr kärglichen Mindestlohn, aber zu wenig zum Leben. Der Sprecher der Hafenarbeiter,
Aina Youkou, ist bereit, mit uns zu reden. Da, wo der Kakao hingeht,
verdienen alle. Und wir hier verdienen nichts. Der Kakao
geht in verschiedene Häfen. V.a. aber nach Amsterdam
und Hamburg. Am Ende des Monats
hat Youkou meist kein Geld mehr, um seiner Familie Essen zu kaufen,
erzählt er. Dann muss er sich
beim Geldverleiher etwas besorgen. Ein Teufelskreis,
aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Hier in Afrika ist das Überleben
sehr, sehr schwierig. Wenn Gott mir die Gelegenheit gibt,
Afrika zu verlassen, dann würde ich sofort abhauen. Das Ziel vieler Hafenarbeiter
ist das gleiche wie das der Container: Europa. Der Hamburger Hafen. Hier haben auch die großen
Kakaoproduzenten Fabriken. * Musik * Wir möchten die Schokoladenindustrie gerne mit unseren Recherchen
konfrontieren. Doch niemand
möchte mit uns sprechen. Ferrero möchte kein Interview geben. Genauso wenig wie
Milka, Storck, Nestlé und Lindt. Lindt schreibt uns u.a.: Weiter heißt es: Auch die anderen Firmen verweisen
darauf, dass man daran arbeite, Bedingungen zu verbessern
und Kinderarbeit zu verhindern. Ferrero schreibt: Nestlé meint: Cargill gibt kein Interview
und verweist auf den Verband. Auch Barry Callebaut geht nicht
konkret auf unsere Fragen ein. Auf YouTube entdecken wir
eine Ansprache des ehemaligen CEOs. Die Schönheit des Kakaos
bringt so viel Freude. Es ist ein Produkt zum Genießen. Ein Produkt, was Abermillionen
jeden Tag genießen. Diese Freude, die wir
zu unseren Konsumenten bringen, sollten wir, so glaube ich, auch zu den Menschen in
unserer Produktionskette bringen. Deshalb wollen wir uns
um die Familien kümmern, die uns den Kakao liefern. Kinderarbeit,
die müssen wir benennen. Wir wollen sie beenden,
aber das ist schwierig. Wie also sollen wir damit umgehen? Jeden Tag zerbrechen wir uns
darüber die Köpfe. Barry Callebaut schickt uns noch den Link zu einem 11-seitigen Papier
über Kinderarbeit vom August 2023. Zitat: Und eine Strategie hat die Firma
laut ihres Papiers auch. Sie schreibt: Doch was haben die Strategien
bis heute konkret bewirkt? Wir versuchen, ein Interview
mit dem Geschäftsführer des Vereins der am Rohkakaohandel
beteiligten Firmen zu bekommen. Hier sind auch Cargill
und Barry Callebaut Mitglied. Der Verband gibt uns eine Zusage. Wir haben die Wasserprobe,
die wir in dem Dorf in der Elfenbeinküste
aus dem Fluss entnommen haben, von einem unabhängigen Labor
untersuchen lassen. * Musik * Die Ergebnisse wollen wir uns
von Julius Kontchou erklären lassen. Er ist Giftstoffexperte
bei Greenpeace Hamburg. Die Glyphosatwerte
stechen für ihn heraus. Wir sitzen hier direkt an der Elbe. Und hätten wir solch hohe Werte
hier im Fluss, wäre das wirklich alarmierend. Die Werte,
die ich hier sehe, zeigen, dass es in dem Fluss
ein echtes Pestizidproblem gibt. Die Werte von Glyphosat
sind deutlich höher, als man erwarten würde. Konzentrationen in dieser Höhe
haben toxische Auswirkungen auf alle Wasserorganismen. Studien haben auch gezeigt, dass
hohe Konzentrationen von Glyphosat zu Krebs bei Menschen führen können. Das Abbauprodukt von Glyphosat
überschreitet den vorgeschlagenen EU-Grenzwert
um mehr als das 100-Fache. Einen Tag vor dem Interview
mit dem Geschäftsführer des Vereins der am Rohkakaohandel beteiligten
Firmen bekommen wir eine E-Mail. Darin heißt es: "Mit großem Bedauern
muss ich leider aufgrund starker zeitlicher Belastung
unseren morgigen Termin absagen." Geht es auch anders? Gibt es bessere Bedingungen
in der Kakao-Industrie als die in der Côte d'Ivoire? In der Dominikanischen Republik soll Kakaoanbau
auch ohne Kinderarbeit gehen. Aus dem Karibikstaat stammten 2020
nur rund 1,2% der Welternte. Trotzdem ist Kakao für das Land
ein großer Wirtschaftsfaktor. Zentrum des Kakaoanbaus ist
die Stadt San Francisco de Macorís im Norden des Landes. Hier sind wir verabredet
mit der Journalistin Marie Benzo, die sich
in der Kakao-Industrie auskennt. In der Landwirtschaft ist Kakao
unsere wichtigste Nutzpflanze. Für unsere Wirtschaft
ist Kakao extrem wichtig, denn er bietet viele Arbeitsplätze. Unser Kakao
hat schon viele Preise gewonnen. Wir exportieren ihn zu den
führenden Schokoladenproduzenten, nach Europa und in die USA. Wir fahren zu den Kakaoplantagen. Wie in Afrika wollen wir
einfach zufällig ausgewählte Plantagen besuchen, um zu sehen,
ob Kinder auf ihnen arbeiten. Plantage Nr. 1. Hier sehen wir erst einmal nur
erwachsene Männer bei der Ernte. * Musik * Wie viel verdienst du hier am Tag? So 1.000 Pesos. Und was verdienst du
in der Haupterntesaison pro Woche? Manchmal bis zu 6.000,
7.000 Pesos in der Woche. Im Durchschnitt verdienen sie
umgerechnet rund 400 Euro im Monat, was ungefähr
dem Mindestlohn entspricht. Viel ist das nicht. Wir fahren weiter, wollen
noch andere Plantagen besuchen. * Musik * Auch hier finden wir keine Kinder. Ist das nur ein Zufall oder
gibt es wirklich keine Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen
der Dominikanischen Republik? Jose Ortiz ist der Besitzer
der kleinen Plantage und hat sein ganzes Leben
mit dem Kakaoanbau verbracht. Wir fragen ihn nach Kinderarbeit. Früher haben sehr, sehr viele Kinder
auf den Feldern gearbeitet. Aber heute gibt es das kaum noch. Wie lange schon nicht mehr? Schon seit 6 oder 7 Jahren. Anders als in Afrika trocknen die
Farmer den Kakao hier nicht selbst, sondern müssen ihn möglichst schnell
zur Weiterverarbeitung bringen. Jose Ortiz ist seit
einigen Jahren Mitglied in der Kooperative COOPROAGRO,
die ihm den Kakao abnimmt. Täglich liefert der 73-Jährige
seine Ernte bei der Kooperative ab. Egal ob viel oder wenig. Die Plantage muss 5 Leute ernähren,
erzählt er, ihn selbst und seinen Sohn
mit Frau und 2 Kindern. Da ist ein Tag mit einer schlechten
Ernte wie heute nicht gut. Am Ende jeden Jahres zahlt die Kooperative
noch einmal spezielle Prämien aus. Mit denen kann die Familie
ihr Leben einigermaßen finanzieren, ohne ihre Kinder
aufs Feld schicken zu müssen. Wir fragen den Manager
der Kooperative, Francisco Soto, nach Kinderarbeit. Kinderarbeit ist
in der Dominikanischen Republik nicht sehr verbreitet. Da die Regierung
4% des Bruttoinlandsprodukts in Bildung investiert,
gehen die Kinder zur Schule. Im Falle unserer Kooperative
kommt noch dazu, dass unsere Mitglieder wissen,
wie wichtig die Bildung für das zukünftige Wohlergehen
der Familie ist. Rund 4% wird in Bildung investiert. Das ist nicht viel mehr
als in der Elfenbeinküste. Davon profitieren v.a. Familien
wie die von Jose Ortiz, der uns heute Morgen eingeladen hat. Er wohnt mit seinem Sohn
und dessen Familie zusammen. Ich kann nicht genau sagen,
was wir verdienen. Aber es reicht,
um die Familie zu ernähren. Wir müssen viel arbeiten. Rund 1.000 Pesos
verdienen wir am Tag. Nur am Sonntag arbeiten wir nicht. Am Ende des Jahres bekommen wir noch
die Prämie von der Kooperative. Auch wenn das nicht viel ist,
mit den Lebensbedingungen der Bauern in Afrika
hat das hier nichts zu tun. Und Tochter Amerlin
kann jeden Tag zur Schule gehen. Als ich klein war,
war es sehr schlimm. Heute aber kann man mit Kakao
ein paar Pesos mehr verdienen. So viel,
dass man über die Runden kommt. Die Dominikanische Republik
ist immer noch arm, hat aber die am schnellsten wachsende
Wirtschaft in Süd- und Nordamerika. Sie hat es geschafft,
mehr Kinder in die Schulen zu holen. Auch die Kakaokooperative
leistet ihren Anteil. Ein gewisser Prozentsatz
ihrer Einnahmen geht in gemeinnützige Projekte. Z.B. in eine Klinik, in der sich alle Mitglieder
kostenfrei behandeln lassen können. Dr. Rayden Almanzar
leitet diese Klinik. * Musik * Hier werden Menschen
mit Fieber behandelt und auch kleine Eingriffe
durchgeführt. Wir nähen z.B. Wunden und so was. Wir behandeln
aber auch zu hohen Blutdruck und Menschen
mit psychischen Problemen. Die Gemeinnützigkeit der Kooperative
ist festgeschrieben. Die ist Teil des Fair-Trade-Handels,
zu dem sie sich verpflichtet hat. COOPROAGRO hat auch deutsche Kunden. Einer von ihnen ist die Firma GEPA. Die Einkäuferin des Wuppertaler
Unternehmens ist gerade im Land und prüft die Qualität der Ernte. Wir möchten von Silvia Kurte wissen,
was der Unterschied zwischen GEPA und einem konventionellen
Schokoladenproduzenten ist. Der größte Unterschied ist, dass wir direkte Handelspartnerschaften haben
zu unseren Kooperativen. Dass wir mit den Kooperativen
direkt Handel betreiben, dass wir sie kennen. Dass wir zu fairen
Handelsbeziehungen auch einkaufen, d.h. faire Preise zahlen. Das Unternehmen gehört der evangelischen
und katholischen Kirche. Ihr Ziel, der Wirtschaft zeigen,
wie fairer Handel mit Entwicklungsländern
möglich sein kann. Wir sind in der Elfenbeinküste
momentan nicht aktiv. Wir können dort nicht sicherstellen,
dass wir Kakao beziehen können, an dem
keine Kinderarbeit stattfindet. Von Bio ganz zu schweigen,
das ist auch schwer. Warum aber kann offenbar
der Kakaoanbau in der Karibik ohne Kinderarbeit funktionieren
und in Afrika nicht? Wo bleibt das Geld, das für
den Kakao in Afrika gezahlt wird? Bei den Bauern scheinbar nicht. Der Manager der Kooperative
Francisco Soto hat einen Verdacht. Ich denke, der größte Unterschied
zwischen uns und der Elfenbeinküste oder anderen
westafrikanischen Staaten ist, dass dort multinationale
Kakaohändler das Geschäft bestimmen. D.h. die Kakaofarmer
in der Elfenbeinküste können den Preis nicht bestimmen. Diese Probleme haben wir hier nicht. Alle Unternehmen,
die am Kakaohandel beteiligt sind, werden von Dominikanern geführt
und gehören auch Dominikanern. Deshalb haben wir selbst die
Möglichkeit, den Preis zu bestimmen. Und das
ist natürlich besser für uns. Die Dominikanische Republik ist
ein Beispiel, das Hoffnung macht. Es zeigt einen Weg, wie es
in Zukunft besser laufen könnte. Über 20 Jahre nach dem 1. Abkommen
in der Schokoladenindustrie haben Unternehmen und Politik
noch viel zu tun, um die Kinderarbeit
wirklich zu beenden. Copyright WDR 2024