Zeitreise in das Jahr 1500. Spanier und Portugiesen entdecken eine Neue Welt. In Mittel- und Südamerika treffen die Europäer auf Kulturen die ihnen ganz und gar fremd sind. Leonardo Da Vinci entwirft Flugmaschinen und Kopernikus erkennt, dass sich die Erde um die Sonne bewegt. Gleichzeitig Glauben viele Menschen noch an Magie und Hexen. Mit dem Archäologen Matthias Wemhoff reisen wir zu geheimen Kaffeehäusern in Konstantinopel, zu Fußball spielenden Mönchen in Schottland und den Wüstenpalästen indischer Großmogule. Oftmals, ohne voneinander zu wissen, schaffen Menschen überall auf der Welt beeindruckende Zivilisationen. Matthias Wemhoff untersucht die Parallelgeschichte bekannter und unbekannter Kulturen. Eine Momentaufnahme unserer Welt im Jahr 1500. Wie lebten die Menschen an unterschiedlichen Orten der Welt zur gleichen Zeit? Jede Kultur hatte ihr eigenes Tempo, ihren eigenen Glauben, ihre eigenen Erfindungen. Historiker sprechen von der kulturellen Ungleichheit. Aber gab es trotz großer geografischer Distanzen nicht doch noch Ähnlichkeiten? Oder haben sich die Menschen in Europa, Afrika, Asien oder Amerika völlig unterschiedlich entwickelt? Unsere Zeitreise beginnt hoch im Norden Europas, in Schottland. Es ist eine Periode des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs. Neue Universitäten werden gegründet, prächtige Klöster und Paläste entstehen. Die größte Macht besitzt zu Beginn des 16. Jahrhunderts immer noch die Kirche. Dass in den Klöstern das Wissen des Mittelalters zusammengetragen wurde ist bekannt. Dass sie zugleich aber auch Stätten des Spiels und sogar des Sports gewesen sind, das ist in Vergessenheit geraten. Um 1500 etablierte sich in Schottland im Umfeld der Klöster ein merkwürdiges Spiel. Eine Unzahl von Männern rannte wie wild einem Ball hinterher. In einem Fall, in einem Kloster bei Glasgow, mit bitteren Konsequenzen. Bete und arbeite, so die Klosterregel. Aber der strenge Tagesablauf der Mönche lässt doch hin und wieder Lücken für einen beliebten Zeitvertreib. Ich habe neulich mit einigen anderen Priestern und Laien Fußball gespielt, berichtet ein Priester; John Smyth aus der Diözese Glasgow. "Und zwar nach Gewohnheit unseres Landes." Dieses Match ist nicht das erste Fußballspiel in Europa. Aber es ist das erste, von dem ein detaillierter Spielbericht vorliegt. Ein kickender Priester hat ihn verfasst. Beim Versuch, einen der gefährlichsten Angreifer der gegnerischen Mannschaft vom Ball zu trennen, prallt John Smyth mit seinem Mitspieler zusammen. Smyth kann weitermachen. Der andere aber bleibt reglos auf dem Boden liegen. Damals gab es noch keine Ärzte am Spielfeldrand. Nur den Gewissensbissen des Priesters haben wir es zu verdanken, dass wir davon heute noch Kenntnis haben. Denn er bittet im fernen Rom um Vergebung bei seinem Papst. Die Bußbehörde der katholischen Kirche in der ewigen Stadt. Hier lagern Tausende von Bittbriefen, in denen sich Menschen an den Papst wandten, um die Lossprechung von einer Sünde zu erlangen. Auch das Schreiben des Priesters aus Glasgow. Um den Ablass zu erlangen, schildert Smyth das Geschehen in aller Ausführlichkeit. Er berichtet von seinem Gegenspieler Robert, der sich im Ballbesitz befunden und diesen heftig verteidigt hat. "Pilam currendo ad pedes habuit." Er hat den Ball am Fuß geführt. Das ist vielleicht das erste Dribbling der Weltgeschichte, was wir hier überliefert haben. Und dann versuchen seine beiden Gegenspieler, John Smyth und John Patterson, ihm den Ball abzunehmen. Robert ist schneller, und die beiden Johns prallen aufeinander. Und John Patterson bleibt auf dem Spielfeld liegen und stirbt kurze Zeit später. Dies ist vielleicht auch der erste Unglücksfall der Sportgeschichte, den wir fassen können. Es ist tatsächlich ein Unglück und John Smyth wird deshalb auch losgesprochen gegen die Auflage, seinen Altardienst für sechs Monate ruhen zu lassen. Dieses Archiv ist etwas ganz besonderes. Hier erfährt man etwas über den Alltag der Menschen vor 500 Jahren. Schilderungen ihrer Schicksale so persönlich und unverfälscht, wie es andere Quellen der Epoche nur sehr selten überliefern. Überraschend ist, wie unverblümt vor allem aus den Klöstern schwere Vergehen gebeichtet werden. Es geht um Selbstmord, Sterbehilfe, oder sogar um Mord. Hier haben wir einen genau geschilderten Fall aus einem Kloster in Piacenza: Fünf Nonnen aus vornehmer Familie versuchten, sich ihrer verhassten Äbtissin zu entledigen. Zunächst mit Gift. Als das nicht klappte, ließen sie nachts einen Mann ins Kloster. Der erstickte die Äbtissin schließlich. Ein klarer Fall von Mord. Aber auch dieses Bittgesuch wurde positiv entschieden. Denn nur solche Gesuche fanden den Weg in diese Verzeichnisse hinein. Eine solche Lossprechung war dann häufig mit Auflagen verbunden. Und auch mit Bußgeldzahlungen. Eine solche Bußgeldbehörde war ein leichtes Ziel reformatorischer Polemik. Anfang des 16. Jahrhunderts mehren sich die Rufe nach Veränderungen in der Kirche. 1517 veröffentlicht Martin Luther seine berühmte Streitschrift mit den 95 Thesen. In denen er die Praxis der Geldzahlungen für das Seelenheil, den "Ablass", anprangert. Er nutzt dafür auch eine hochmoderne Technik, die fast 70 Jahre zuvor erfundene Druckerpresse. Die Thesen Luthers werden tausendfach in Umlauf gebracht. Und kurze Zeit später auch vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Keine Idee verbreitete sich bis dahin schneller. Luthers "Propositiones wider das Ablas" sind eine Kampfansage an den Papst. Seine Kritik trifft den Nerv der Zeit. Luther ist der Überzeugung, dass der Mensch die göttliche Gnade nicht durch gute Werke, sondern allein durch den Glauben erfährt. Der Ort, an dem der Reformator viele seiner revolutionären Ideen formulierte, wurde von Archäologen ans Licht gebracht. In mehreren Grabungskampagnen konnten die Wissenschaftler einen Anbau zum Lutherhaus in Wittenberg freilegen. Dabei kam auch ein Platz zum Vorschein, an dem der große Reformator sehr viel Zeit verbrachte: Auf dem "stillen Örtchen". Luthers Verdauungsprobleme sind ausführlich überliefert. Aber wo die "cloaca" war wusste man lange Zeit nicht. Bis ein rund 30 cm breiter Stein-Sitz mit Abfluss gefunden wurde. Das Loch ist noch da, das Holz ist natürlich vergangen. Aber das ist tatsächlich der Sitz der Latrine, auf der Luther vermutlich lange Zeit verbracht hat. Und der Ort ist auch nicht ganz unbedeutend. Denn Luther sagt ja in den Tischreden: Er habe auf der "cloaca" gesessen, als ihm der Heilige Geist die Idee gegeben hat. Die Reformation beginnt auf der Toilette. Nach Luthers Tod 1546 übernahm die Universität Wittenberg das Wohngebäude. Und entsorgte die übrig gebliebenen Stücke seines Haushalts im Hinterhof. Ein Glücksfall für die Archäologen. Denn in diesem Müll fanden sie das Schreibset des Theologen. Luthers Tintenfass ist auch deshalb so berühmt, weil er schrieb, er habe den Teufel mit Tinte ausgetrieben. Auch wenn das metaphorisch gemeint ist. Der Teufel war für Luther eine sehr reale Größe. In seiner Person zeigt sich die Zerrissenheit der Menschen in dieser Zeit. Während er der Kirche vorwarf, dass sie die Angst der Menschen vor dem Fegefeuer für den Ablasshandel ausnutzte. Hielt er die Angst vor dem Teufel für berechtigt. So befürwortete er auch die Verfolgung von Hexen. Damit ist Luther ganz ein Kind seiner Zeit. An vielen Orten Europas werden Zauberer und Hexen, die angeblich mit dem Teufel im Bunde stehen, auf grausame Weise hingerichtet. Die Angst vor dem Teufel schürt die Massenhysterie. Häufig werden die Opfer aber auch deshalb denunziert, um sich ihres Vermögens zu bemächtigen. Es ist eine Epoche extremer Gegensätze. Denn zur selben Zeit entwickelt Nikolaus Kopernikus die Theorie, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Was bedeutet, dass der Mensch nicht der Mittelpunkt der Schöpfung ist. Damals eine Sensation und ein Angriff auf die Kirche. Luther kann den Thesen des Kopernikus nicht folgen und nennt ihn einen Narren. Noch ist für ihn und die meisten unvorstellbar, dass sich die Erde überhaupt bewegt. Bis sich das "heliozentrische" Weltbild durchsetzt wird Zeit vergehen. Auch der Reformator ist noch ein Mann zwischen Mittelalter und Moderne, zwischen Teufelsglaube und Gewissensfreiheit. Noch zu seinen Lebzeiten erlebt Deutschland eine verheerende Dürrekatastrophe. Getreide vertrocknet, das Vieh verendet. Die Menschen Wittenbergs reagieren im Stil der Zeit und machen Wetterzauber und "Weidevergiftung" für die Katastrophe verantwortlich. Schnell werden Schuldige identifiziert und vor den Stadttoren als Hexen und Zauberer verbrannt. Noch wehrte sich die alte Zeit gegen Wissenschaft und Vernunft. Die beginnende Renaissance war einfach viel mittelalterlicher, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Die Deutungshoheit über Mensch und Kosmos, über Himmel und Hölle lag weiterhin bei der Theologie und der Kirche. Der Glaube an übernatürliche, ja teuflische Kräfte war weit verbreitet. Diese Gleichzeitigkeit des Glaubens an Magie und höhere Mächte einerseits und die Errungenschaften hochgebildeter Gelehrter andererseits. Dies unterscheidet Europa wenig von einer anderen, 10.000 km entfernten Kultur. Die befand sich im Jahr 1500 auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung. Der Glaube an übernatürliche Kräfte bestimmte auch den Alltag der Azteken. Die waren einst im heutigen Mexiko zu Hause. Ihre alte Hauptstadt Tenochtitlán, deren Pracht die europäischen Eroberer damals ins Staunen versetzte. Sie ist heute unter dem modernen Mexiko City begraben. Und nur in kleinen Teilen von Archäologen freigelegt worden. Viele Hinterlassenschaften der Azteken zeugen von ihrer religiösen Vorstellungswelt. Die war von vielen Göttern bevölkert. Und sie erzählen von düsteren Ritualen, zu denen auch die berüchtigten Menschenopfer gehörten. Für die Azteken wie für viele alte Kulturen sind Menschenopfer ein Mittel, um die Götter gnädig zu stimmen. Forscher haben nicht weniger als 13 Gottheiten identifiziert, auf deren Altären Menschen starben. Ritueller Kannibalismus, bei dem Teile der Geopferten auch in den Tempeln verspeist wurden, war bei den Azteken weit verbreitet. Die grausamen Kulte fügten sich gleichzeitig in eine hochentwickelte Gesellschaft ein. Ihre Führungselite hatte durchaus auch einen Sinn für schöne und ausgefallene Orte. Obwohl ihre technischen Mittel eher auf dem Stand der Bronzezeit sind, verfügten die Azteken über eine ausgeklügelte Wasserversorgung. Erließen Gesetze gegen Trunkenheit und Ehebruch und organisierten eine öffentliche Straßenreinigung. Während in Europa in dieser Zeit der Müll noch aus dem Fenster geworfen wurde. Im Vergleich dazu waren die Azteken echte Hygiene-Fans. Als im schmutzigen Europa die Pest wütet, baden in Mexiko die Azteken täglich. Ihre Könige mit fantastischer Aussicht sogar zweimal am Tag. Aus den Blüten und den Wurzeln eines Baumes haben die Azteken Seife gemacht. Sie nannten den Baum copalxocotl. Die Spanier bezeichnen ihn einfach als "Seifenbaum" und berichten, dass auch die Wurzel genutzt wurde. Um daraus ein Mittel zur Enthaarung zu gewinnen. Das hört sich mehr nach 21. Jahrhundert an. Aber die Azteken benutzten auch Deodorant und Mundwasser. Es konnte ihnen offensichtlich gar nicht sauber genug sein. Diese Reinlichkeit der angeblichen "Wilden" erregte das Misstrauen der Eroberer. Das alles weiß man aus den Überlieferungen der Spanier, die 1519 zum ersten Mal mit den Azteken in Kontakt gekommen waren. Damals herrschte in Europa die Vorstellung, dass Wasser in der Lage sei, durch die Haut in den Körper einzudringen. Und ihn dadurch allen im flüssigen Element lauernden Gefahren auszusetzen. Dass die Azteken den Spaniern womöglich in einigen Dingen voraus waren, darauf kamen die Konquistadoren nicht. Dabei war Tenochtitlán mit zahllosen Kanälen im Jahre 1519 eine der größten Städte der Erde. Mit rund 300.000 Einwohnern um ein vielfaches größer als jede spanische Stadt. Und auch größer als Paris, London oder Rom zu dieser Zeit. Am Stadtrand von Mexiko City findet man noch heute die schwimmenden Märkte auf Wasserwegen. Die wurden vor 500 Jahren schon von den Azteken genutzt. Avocado, Chili und Tomate verdanken die Spanier und letztlich auch wir den Azteken. Aber auch "Chocolatl" und "Kakao" sind Wörter aus der Sprache der Azteken. Die Spanier beschrieben schon die reichgefüllten Märkte. Etwas irritiert waren sie allerdings über die Art des Bezahlens mit Kakaobohnen. Wirklich beeindruckt waren sie von den Tempeln. Während Luthers Thesen in Deutschland verbreitet werden, prallen in Mexiko die alte und die neue Welt aufeinander. Für die Spanier ist die Religion der Azteken barbarisch und wild. Mehr als befremdlich finden sie den Opferkult. Den die selbst nicht gerade zimperlichen spanischen Eroberer in allen Details beschreiben. Mit der Beurteilung dieser Berichte sind Archäologen heutzutage jedoch vorsichtig. Ein Franziskaner berichtet, dass die Azteken an einem Tag 20.000 Gefangene geopfert haben sollen. Auch wenn die Menschenopfer zweifellos eine große Rolle spielten. Diese Zahl ist maßlos übertrieben. Dafür reichen die ergrabenen Tempel und Altäre überhaupt nicht aus. Die Zahl sollte wohl etwas anderes bezwecken. Und zwar die enormen Ausgaben zu rechtfertigen, die die Konquistadoren mit der Eroberung dieses Landes hatten. Ähnliches geschah 4000 km von hier entfernt in einem anderen Land. Wie die Azteken haben auch die Inka in Peru keine schriftlichen Überlieferungen hinterlassen. Nur ihre beeindruckende Architektur, auch in Macchu Picchu. Beide Kulturen kennen weder das Rad noch Eisenwerkzeuge. Sie blühen zur gleichen Zeit unabhängig voneinander und teilen doch ein gemeinsames Schicksal: Ihr Gold wird ihnen zum Verhängnis. Die Gier der Spanier nach dem Edelmetall führt zur völligen Vernichtung der altamerikanischen Kulturen. Dass beide Zivilisationen untergegangen sind ist im Grunde die Folge eines historischen Navigationsfehlers. 40 Jahre zuvor, 1492, landet der Italiener Christoph Kolumbus auf den Bahamas. Kolumbus ist überzeugt, den Seeweg nach Asien entdeckt zu haben. Aber er hat sich um 11.000 Seemeilen verrechnet. Viele Expeditionen werden auf den Spuren von Kolumbus folgen. Und mit jeder Fahrt bringen die Seefahrer neue wichtige Informationen über unbekannte Küsten und Länder nach Europa. Wo immer genauere Karten entstehen. Eine dieser Karten wird Geschichte schreiben. 1507 wird die "neue Welt" auf der Karte der Deutschen Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann zum ersten Mal als eigener Kontinent dargestellt. Nicht mehr als eine mit Asien zusammenhängende Landmasse. Ein kleines Exemplar dieser bemerkenswerten Karte schlummerte 500 Jahre unbemerkt in den Archiven der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Bis sie durch einen Zufall 2012 zwischen zwei Geometrie-Blättern wiederentdeckt wurde. Und hier liegt auch die berühmte Karte? Ja, haben wir schon für Sie bereitgestellt. Sie liegt sehr versteckt hier drinnen, die berühmte Karte von Waldseemüller. Waldseemüller und Ringmann benannten den neuentdeckten Kontinent nach dem italienischen Seefahrer Amerigo Vespucci. Der segelte zur gleichen Zeit wie Kolumbus mehrere Male nach Amerika. Kolumbus betrat wohl als erster amerikanischen Boden. Aber bis zu seinem Tode wähnte er sich in Indien oder Japan. Während Vespucci bereits von einer "Mundus Novus - einer neuen Welt" sprach. Die beiden Kartographen meinten, dass ihm der Ruhm der Entdeckung zustehe. Und nannten daher nach alter Tradition den neuentdeckten Kontinent nach seinem Vornamen. Allerdings nicht nach der männlichen, sondern nach der weiblichen Form. Aus Americo wurde Amerika. Das passt auch viel besser zu den Namen der anderen Kontinente: Europa, Afrika und Asia. Asien und der Osten sind damals ebenfalls eine fast noch unbekannte Welt Und während Spanien Mittel- und Südamerika erschließt, macht sich Portugal, die rivalisierende katholische Macht in Europa, auf den Weg nach Japan. Die Portugiesen kennen Marco Polos Reisebeschreibung aus dem 13. Jahrhundert, in der er von Cipangu schreibt: Einer Art Paradies mit Gold im Überfluss. Ein Seefahrer, der als einer der ersten Japan um 1540 erreicht, ist auch von den Menschen beeindruckt. "Sie sind in allem das Gegenteil von uns." "Das wäre nichts besonderes, wenn sie Barbaren wären." "Was mich aber erstaunt ist, dass sie durch und durch kultiviert erscheinen." Zu dieser Kultur gehört auch ihre Schrift. Schreiben ist in Japan damals weitverbreitet. Ganz anders als in Europa, wo nur die wenigsten das Alphabet beherrschen. Und solche Schreibutensilien hat der Seefahrer noch nie gesehen. "Sie schreiben alles wichtige auf ihre Fächer." "Egal, ob Adlige oder einfache Menschen." "Zum Beispiel geschäftliche Angelegenheiten." Fächer scheinen so etwas wie die Handys des 16. Jahrhunderts. Der Chronist berichtet weiter: "Sie schauen ständig auf die geöffneten Fächer." "Niemand würde auf die Straße ohne seinen Fächer gehen." Das einzige, was die Portugiesen dieser hochentwickelten Kultur anbieten können, was sie nicht ohnehin schon hat, sind Feuerwaffen. Die sind begehrt im unruhigen Japan des 16. Jahrhunderts. Es ist die Zeit der streitenden Reiche. Die bisher in Japan unbekannten Feuerwaffen werden innerhalb weniger Jahre tausendfach von japanischen Büchsenschmieden perfekt kopiert. Und entscheiden viele Schlachten. Im Kampf um die Vorherrschaft bekriegen sich die Shogune ab 1550 zunehmend mit Arkebusen. Umso erstaunlicher, was mit Ende des 16. Jahrhunderts einsetzt. Für die Kriegerkaste gelten Feuerwaffen als unehrenhaft. Und so kehren die Samurai zurück zum Schwert. Gewehre werden ab 1640 kaum noch hergestellt. Es ist wohl das erste und einzige Mal in der Weltgeschichte, dass eine moderne Waffentechnologie freiwillig aufgegeben wird. So etwas konnte wohl nur in Japan funktionieren. Denn hier gab es wichtigeres als den Sieg im Kampf: Die Einhaltung des Ehrenkodex der Samurai. So tauschten die Krieger vor dem Gemetzel zunächst in aller Form Komplimente aus. Die Vorstellung, dass irgendein dahergelaufener Schütze ohne ritterlichen Anstand einen Samurai mit einem lächerlichen Häufchen Pulver aus der Distanz niederstreckt, ist für sie ein Gräuel gewesen. Ehre und Stolz bedeuten dem Samurai alles. Über die Art, wie er kämpft, will er selbst bestimmen. Der Weg des Kriegers: Bushido heißt seine Philosophie. Als Ehrenmann mit dem Schwert in der Hand zu sterben, das ist seine Vorstellung von Ruhm. Der Schwert-Kult befiehlt den Samurai, ihre beiden Waffen, ein kurzes und ein längeres Schwert, immer bei sich zu tragen. Und die Ablehnung europäischer Waffen überträgt sich bald auch auf die Menschen aus der Ferne. Denn einige Hundert Portugiesen leben mittlerweile in Japan. Die Einheimischen bemitleiden die Langnasen. In den Augen der Japaner haben Europäer "körperliche Defekte". Außerdem fehlt es ihnen an der einfachsten Kultur. Japaner baden täglich, Europäer fast nie. Und ihre Esskultur finden sie einfach nur abscheulich. Denn während Japaner seit Jahrhunderten mit Stäbchen essen, nehmen die Europäer höchstens mal ein Messer zu Hilfe. Meist allerdings essen sie mit den Fingern. Für die Japaner sind sie einfach nur "Namban": Die "Barbaren aus dem Süden". Komisch, die Japaner. Barbarisch, wohl kein anderer Ausdruck hätte die Künstlerelite Italiens um 1500 tiefer getroffen. Die Renaissance, die Wiedergeburt der griechischen und römischen Kultur, will das Mittelalter hinter sich lassen. Und den Menschen möglichst naturgetreu in den Mittelpunkt stellen. Zum Wahrzeichen dieser Zeitenwende wird der David des Bildhauers Michelangelo Buonarotti. Fünf Meter hoch und sechs Tonnen schwer. Geschlagen aus einem großen Marmorblock. Die Zunft der Wollweber hat Michelangelo diesen monumentalen Auftrag erteilt. Im blühenden Stadtstaat Florenz ist der David mehr als nur ein weiteres, großes Kunstwerk. Er ist Ausdruck und Symbol des Aufstiegs des Bürgertums. Drei Jahre lang hat Michelangelo wie besessen am David gearbeitet. 1504 ist die Statue vollendet. Übrigens: So einsam wie hier findet man David nur in den frühen Morgenstunden. 80.000 Menschen leben damals in der Stadt, die neben Rom der Mittelpunkt der Renaissance in Europa ist. Ihre Fürsten und Bürger schmücken sich mit Architektur und Kunstwerken. An der Ponte Vecchio müssen die alteingesessenen Schlachter und Gerber weichen. Hier entstehen in der Renaissance Geschäfte, die mit Kunst und Schmuck handeln. Der Ponte Vecchio ist bis heute ein Publikumsmagnet. Tausende Drucke berühmter Bilder gehen hier wie schon damals über den Ladentisch. Die Gemälde führen uns direkter zu den Menschen der Zeit um 1500 zurück. Als es in diesem Fall einmal die archäologischen Funde könnten. Vorher hat man vor allem zur Ehre Gottes gemalt. Christus, Maria und die Heiligen. Nun schauen wir den Menschen selber ins Gesicht. Und vor allem den Frauen. Simonetta Vespucci galt damals als die schönste Frau von Florenz. Botticelli hat sie mehrfach ins Bild gesetzt, weil er wohl in "la Simonetta" verliebt war. Die verstarb schon mit 23 an Tuberkulose. Neun Jahre nach ihrem Tod setzte Botticelli ihr 1485 mit dem Bild "Die Geburt der Venus" ein Denkmal. Als nackte Frau. So etwas gab es zuvor noch nie. Nur Eva durfte bis zur Renaissance so gezeigt werden. Und im Gemälde "Der Frühling" gehört die Simonetta zu den in Schleier gehüllten Frauen. Sie haben eine erotische Ausstrahlung, die man damals nur von antiken Darstellungen her kannte. In dieser Zeit der Wiedergeburt der Antike gelten mittelalterliche Regeln immer weniger, auch in Venedig. Nicht nur in Kunstwerken suchen die Menschen nach einem neuen Selbstverständnis. Sondern auch für sich selbst. Und so ist man oder besser gesagt Frau in der Lagunenstadt dem neuen Zeitgeist der Renaissance gegenüber sehr aufgeschlossen. Da aber Gott den meisten der jungen Frauen dunkles Haar gegeben hat, sind einige bereit, für ihre Schönheit eine Todsünde zu begehen. Die "bella bionda" ist schon damals das Maß aller Dinge. Insgesamt 25 Öle und andere Färbemittel sind aus dieser Zeit bekannt. Auch Rezepte, die den Haaren einen goldenen Schimmer verleihen, damit sie wie "Goldfäden" wirken. Sogar das Edelmetall selbst kommt zum Einsatz. Manche Damen bedienen sich einer Art Hut mit Loch, aber mit breiter Krempe. Auf ihr legen sie die Haarsträhnen aus, beträufeln sie mit "aqua bionda" und lassen sie in der Sonne bleichen. Die Venezianerinnen sind ein wenig wie die innovativen Künstler ihrer Zeit. Statt an Kunstwerken arbeiten sie an sich selbst. Sie erweitern gewissermaßen ihr Gesichtsfeld, rücken das Irdische ganz in den Mittelpunkt. Selbst wenn der liebe Gott sie so erschaffen hat, wie sie aussehen, geht es ja vielleicht doch noch ein bisschen schöner. Die Priester sehen darin allerdings nur moralische Verwerflichkeit und Gotteslästerung. Die Damen aus Venedig waren sich durchaus bewusst, dass sie gegen die Vorschriften der Kirche verstoßen. Gut aber, dass man auch dafür den Papst um Vergebung bitten konnte. Wie Briefe in der Bußbehörde der katholischen Kirche in Rom belegen. Hier schreibt Isabella, die Tochter eines reichen venezianischen Bürgers, an den Papst: Heiliger Vater, ich bin von kleiner Statur und im heiratsfähigen Alter. Wenn ich nicht hohe Absätze trage und Kopfschmuck drei Finger höher als der Bischof erlaubt, dann finde ich vielleicht keinen Mann, der meinem Stand entspricht. Isabella wendet sich hiermit gegen die Luxusvorschriften ihres Bischofs. Der die Gestalt der Kleidung, den Perlenbesatz und ähnliches vorschreiben möchte. Sie will eine Befreiung von diesen Vorschriften. Natürlich setzen sich die venezianischen Damen auch in diesem Falle durch. Die berühmteste Frau aus dieser Zeit braucht aber weder Schmuck noch gefärbte Haare. Lisa del Giocondo, besser bekannt als Mona Lisa. Die Frau eines Kaufmanns wird um 1503 von Leonardo da Vinci gemalt. Das Porträt ist damals eine Sensation, denn die Augen schauen einen direkt an. Ihr Silberblick erweckt sogar den Eindruck, als ob sie dem Betrachter mit den Augen folge. Und das Lächeln ist natürlich eine wahre Pracht. Keinem Künstler war das je gelungen. Aber nicht nur seine Sfumato genannte Maltechnik ist revolutionär. Das Bild steht auch für den neuen Zeitgeist. Denn jetzt bekommen "normale" Menschen aus dem Bürgertum ein Gesicht. In seine Gemälde bezieht Leonardo wissenschaftliche Erkenntnisse ein, die er aus dem genauen Studium von Menschen und Tieren gewinnt. Dafür ist er oft mit seinem Notizbuch im umtriebigen Florenz unterwegs. In rund 13.000 Skizzen hält Leonardo die Kräfte der Natur fest. In der Tierwelt faszinieren ihn besonders die Flugbewegungen der Vögel. Wie viele andere auch träumt Leonardo vom Fliegen. Er ist einer der ersten, der versucht, den ewigen Menschheitstraum in technische Zeichnungen zu übersetzen. Leonardo geht an die Grenze der Vorstellungskraft in dieser Zeit und entwirft erste Flugmaschinen. Seine Ornithopter sind aber nie geflogen. Doch ist er nicht nur ein Visionär in wissenschaftlichen Dingen. Sondern weiß auch, die damals beginnende Globalisierung von Kunst und Ideen zu Geld zu machen. Dabei kennt er nur wenig Skrupel. Er weiß, wo das Geld steckt. Der Mailänder Herzog Ludovico Sforza gibt mehr als zwei Drittel seines Etats für Feldzüge gegen Venedig aus. Ihm dient sich Leonardo als Militäringenieur an. Er macht Vorschläge für gepanzerte Wagen, eine Riesenarmbrust und eine Art Maschinengewehr, eine mehrläufige Kanone. Himmel und Hölle wird er in Bewegung setzen, um die Feinde des Fürsten zu vernichten, verspricht Leonardo seinem Auftraggeber. Finanziell befriedigen ihn all diese Arbeiten aber scheinbar nicht. Italien wird damals schnell zu klein für da Vincis außergewöhnliche Einfälle. In einem Archiv in Istanbul ist Anfang der 50er-Jahre ein bisher kaum beachteter Bewerbungsbrief des Erfinders und Künstlers von 1503 aufgetaucht, gerichtet an den osmanischen Sultan. Auch ein Leonardo musste sich offensichtlich um seine Aufträge kümmern. Sie fielen ihm nicht einfach in den Schoß. Dieses auf Arabisch überlieferte Schreiben entdeckte ein deutscher Orientalist 1952. Leonardo schreibt darin: Ich, Euer Sklave, habe vernommen, dass Ihr beabsichtigt, eine Brücke zu bauen von Galata nach Stambul. Dass Ihr aber niemanden findet, der die technischen Fertigkeiten dazu besitzt. Ich werde sie bauen so hoch wie einen Bogen, dass niemand sich traut, darüber zu schreiten aufgrund der Höhe. Leonardo war es offenbar egal, wer hinter dem Auftrag stand. Hauptsache, der Bauherr hatte genügend Geld, um ihm die Umsetzung seiner Meisterleistungen zu ermöglichen. In diesem Falle ging es um den Bau der damals größten Brücke der Welt. Doch Leonardo kommt damals nicht zum Zug. Erst 300 Jahre später, 1845, wird ein vorläufiger Holz-Bau der heutigen Galata-Brücke errichtet. Und so kam da Vinci nie nach Istanbul. Auch hat er nie die Sophienkirche, die spätere Hagia Sophia, gesehen. Wo sich das Schicksal des christlichen Byzanz nur wenige Jahrzehnte vor 1500 entschieden hat. Als im Mai 1453 nach einer zweimonatigen Belagerung der Stadt die Plünderungen beginnen, ist das Gotteshaus Zuflucht der Christen. Um die 50.000 Menschen werden ermordet, Zehntausende gefangengenommen und versklavt. Viele Historiker sehen den Fall von Byzanz als das Ende des Mittelalters und den Beginn der Neuzeit an. Mit der Eroberung Konstantinopels und der Hagia Sophia fällt das letzte christliche Bollwerk im Vorderen Orient. Eine wirkliche Zeitenwende. Der Sultan residierte fortan im südlichen Teil der Stadt. Im eigens für ihn gebauten Topkapi-Palast. Eine imponierende, um drei große Höfe versammelte Gruppe von Gebäuden. Leicht und scheinbar zufällig wie ein prächtiges osmanisches Zeltlager aneinandergefügt Bis zu 5000 Menschen lebten hier. Im Palast blieb der Sultan in seiner Welt. Und suchte von Zeit zu Zeit Entspannung bei seinen Haremsdamen. Die meisten waren keine Muslima, da der Koran verbietet, sie zu versklaven. Verboten, auf Arabisch Haram, ist für fremde Männer aber, diese Frauen zu besuchen oder auch nur anzusehen. Ende des 16. Jahrhunderts sollen im Harem 1200 Frauen gelebt haben. Die meisten von ihnen bekamen den Herrscher im über 300 Zimmer großen Palast ihr Leben lang nicht zu Gesicht. Und den Palast verlassen durften sie schon gar nicht. Denn vor ihrer Tür lebten auch Christen, deren Glauben von den osmanischen Herrschern toleriert wurde. Gegen Zahlung einer Kopfsteuer. Muslime und Christen blieben in ihren Stadteilen meist unter sich. Aber manchmal teilten sie auch ein Geheimnis. Aber eines einte um 1500 beide Stadthälften doch: Die Leidenschaft für ein neuartiges Getränk, das geradezu süchtig machte, aber noch verboten war: Kaffee. Daher tarnten die Kaffeehaus-Besitzer ihre Lokale gerne als Barbierläden. Während im restlichen Europa Kaffee noch unbekannt ist, haben muslimische Pilger den schwarzen Trank um 1500 nach Istanbul geschmuggelt. Auf Geheiß der Imame wird das Kaffeetrinken aber verboten. Der aufputschende Kaffee gilt ihnen als Droge. Sein Genuss wird mit hohen Strafen belegt. Dennoch missachten viele Kaffeeliebhaber das Verbot. Und findige Geschäftsleute erkennen schnell, wie sich damit Geld verdienen lässt. Denn wer einmal dieses neue Getränk probiert hat, will mehr. Die verschworene Gemeinschaft der ersten Kaffee-Trinker Europas genießt den Wachmacher heimlich. Barbierläden sind eine gute Tarnung. Schon bald aber setzten sich die Kaffeetrinker durch. 1554 wird das erste Kaffeehaus in Istanbul offiziell mit dem Segen von oben eröffnet. Die etablierten osmanischen Herrscher fürchten nicht länger, dass viele Männer nur herumsitzen und vielleicht gegen sie konspirieren. Mit Konstantinopel hatten die Osmanen die drittgrößte Stadt der Welt unter ihre Kontrolle gebracht. Und sie wussten, dass zur gleichen Zeit weiter im Osten ein anderer muslimischer Herrscher seinen Einfluss ständig ausdehnte. Es ist ein Völkergemisch aus Usbeken und Afghanen, die aus Zentralasien aufbrechen und nach Indien ziehen. Sie dringen immer weiter nach Süden vor. Ihren Herrscher nennen die strenggläubigen Muslime "Großmogul". Ab 1526 ist Nord-Indien unter seiner Kontrolle. Dabei hilft den Eroberern ihre Kriegstechnologie, die sie von osmanischen Kanonengießern übernommen haben. Ausgerüstet mit dieser neuen Superwaffe kann die Invasoren niemand aufhalten. Aber sie haben nicht nur eine hochentwickelte und gut organisierte Armee. Ihr Großmogul Muhammad Akbar ist ebenso Philosoph und Baumeister. Und ein Visionär. 1569 ließ er im Norden Indiens seine neue Hauptstadt errichten: Fatehpur Sikri. Eine Metropole für die neben China bevölkerungsreichste Zivilisation der Erde dieser Zeit. Der islamische Großmogul herrschte über ein Reich mit über 100 Millionen Untertanen. Aber ihr Islam war ein äußerst liberaler, der religiöse Toleranz gelten ließ. So wie es im Subkontinent meist üblich war. Akbar war seiner Zeit weit voraus. Er hatte erkannt, dass das friedliche Miteinander der Religionen eine Grundvoraussetzung für das Wohlergehen seines Staates war. Einen solchen Herrscher wie Akbar könnten viele Länder heute gut gebrauchen. Der Schlüssel zum Frieden im Land war für den muslimischen Großmogul schnell gefunden: Keine Religion kann auf Dauer mit Gewalt und bloßer Macht über ein großes Reich herrschen. Akbar heiratete daher nicht nur eine Hindu-Prinzessin. Sondern schaffte auch jede Form von Sondersteuern für Nicht-Muslime ab. Sein Ziel war gegenseitige Toleranz. Diese Palast-Anlage ist so etwas wie die steingewordene Philosophie des Großmoguln. Aus der Verbindung der traditionellen islamischen Architektur mit den Elementen der hinduistischen Kulturen Indiens entstand ein ganz eigener Stil. Der Thronpfeiler in der Audienzhalle Akbars ist einzigartig in der islamischen Architektur. Er erinnert an die alt-indische Weltsäule, die den Mythen nach Himmel und Erde trägt. Ein Element, das nur von nicht-muslimischen Architekten konstruiert werden konnte. Und ein weiteres Indiz für Akbars Suche nach Harmonie. So umgibt sich der Herrscher mit Ratgebern und Gesandten verschiedenster Religionsgemeinschaften. Sein Ziel ist es, die Vorzüge aller Religionen in einer einzigen zu vereinen. Doch leider hat seine kühne Idee ebenso wenig überlebt wie seine schöne Stadt. Es gab einfach nicht genug Wasser. Nach nur zehn Jahren verlässt Akbar Fatehpur Sikri und kehrt nie zurück. Bei aller Toleranz: Die prächtige neue Hauptstadt der Moguln ist vor allem auch ein Zeichen der Stärke der neuen Herrscher in Indien. Nach Innen und Außen. Und es ist ein mächtiger Repräsentationsbau. Eine Parallele zu dem bedeutendsten Bauwerk der Christenheit, das 7000 km weiter westlich entstand zu genau der gleichen Zeit. Der Petersdom beeindruckt schon durch seine schiere Dimension: 20.000 Menschen finden hier Platz. Gute 40 Jahre, nachdem er den monumentalen David erschuf, übernimmt Michelangelo die Leitung für die Konstruktion der Kuppel. Sie sollte die Kirche für immer einzigartig machen. Und Michelangelo zum berühmtesten Künstler der Renaissance. Doch war es der Petersdom, der Kritiker wie Martin Luther auf den Plan rief. Denn über den Ablasshandel sollte der Monumentalbau finanziert werden. Für den Reformator eine Sünde wider den wahren Glauben. Wie kaum ein anderes Gebäude symbolisiert der Petersdom die Widersprüchlichkeit der Zeit in Europa um 1500. Eine Zeit, in der nie dagewesene Bau- und Kunstwerke entstehen. Neue Theorien alles infrage stellen. Aber gleichzeitig die Menschen teilweise noch einem finsteren Aberglauben anhängen. Die Kulturen der Welt sind vielfältig. Die Menschen haben in verschiedenen Regionen ganz unterschiedliche Wege eingeschlagen. Wenn Menschen verschiedener Kulturen sich austauschen, können alle davon profitieren. Wenn allerdings die Kulturen aufeinanderprallen, durch Entdeckungen, Eroberungen und Krieg, dann geht Vielfalt verloren. Die Zeit um 1500 ist eine solche Epoche. Voller Widersprüche und neuer Perspektiven. In gewisser Weise stellt sie den Beginn der bis heute stetig voranschreitenden Globalisierung dar.