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Der Mythos der Illuminaten

Wer ihre Symbolik kennt, sieht es plötzlich überall: das Dreieck der Illuminaten. Ein angeblicher Beweis für die Allmacht des Geheimordens. Seine Mitglieder sollen hinter den großen Krisen und Katastrophen der Geschichte stecken. Auch sollen sie längst die ganze Welt unterwandert haben. Das behauptet zumindest eine beliebte Verschwörungstheorie. Was ist dran am Mythos, der sich hartnäckig um die Illuminaten rankt? Die Geschichte der Illuminaten beginnt 1776 an der Universität im bayrischen Ingolstadt. Der junge Philosoph und Kirchenrechtler Adam Weishaupt lehrt im streng autoritären Geistesklima der Uni. Öffentlich darf er seinen Studenten nicht vermitteln, was er eigentlich lehren möchte – nämlich die neuen Ideen, die in Europa die Runde machen: Freiheit, Gleichheit, Vernunft und Bildung. Also vermittelt er diese Ideale in einem privaten Zirkel von Gleichgesinnten. Zunächst nennen sie sich "Perfektibilisten“, später die „Erleuchteten“ – die Illuminaten. Weishaupt selber fühlte sich als junger Mann eher zur Aufklärung hingezogen, kam möglicherweise auch mit diesen älteren, jesuitisch beeinflussten Kollegen einfach nicht gut zurecht und hat deswegen überlegt, dass er so eine Art Lesekreis gründet, in dem er Studenten, die er besonders gut fand, um sich schart und mit denen eben er in Richtung der Aufklärung arbeitet. Geheime Männerbünde haben in Europa eine lange Tradition. Im Mittelalter schließen sich Steinmetze in eigenen Bruderschaften zusammen. Ihre Verschwiegenheit über Berufsgeheimnisse macht sie zu eingeschworenen Gemeinschaften. Sie kommunizieren mit kodierten Symbolen, um sich gegen unliebsame Konkurrenz zu schützen. Dann wandelt sich das so zu einer Art Gesellschaft, eben einer abgeschlossenen Gesellschaft, die nichts mehr oder nur noch wenig mit dem eigentlichen Handwerk zu tun hat. Zwar erinnert ihr Name „Freimaurer“ noch an die alten Wurzeln des Bauhandwerks. Doch ihre Ziele haben sich verändert: In ihren örtlichen Vereinigungen, den Logen, wollen die Freimaurer ihre Mitglieder zu besseren Menschen im Sinne der Aufklärung erziehen. Noch heute ist sozusagen das Zentrum der Freimaurerei die sogenannte Arbeit am rauen Stein. Und der raue Stein ist eben der Mensch. Das ist das Symbol dafür. Und dieser raue Stein muss behauen werden, wie in den mittelalterlichen Turmbau-Hütten, damit er sich eben einfügt und dann glatt wird. Die Freimaurer breiten sich schnell aus. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts entstehen in Europa mehrere hundert ihrer Logen. Zu den Mitgliedern gehören viele einflussreiche Persönlichkeiten wie Mozart, Lessing, später auch der erste US-Präsident George Washington. Ihr Selbstverständnis ist allerdings ganz anders als das der Illuminaten. Also ein Unterschied zwischen Freimaurern und Illuminaten ist ganz klar, dass die Illuminaten ein Geheimbund sind. Die halten also sowohl ihre Existenz geheim wie auch ihre Mitglieder. Während es sich bei den Freimaurern eher um eine sogenannte diskrete Gesellschaft handelt, die eben nicht ihre Existenz verheimlicht, und die Geheimhaltung bezieht sich bei den Freimaurern ausschließlich auf diese rituelle Arbeit. Illuminatengründer Adam Weishaupt verfolgt dagegen politische Ziele. Seine „Erleuchteten“ sollen den Staat und seine Institutionen unterwandern und das Volk in eine herrschaftsfreie Zukunft führen. Sie rekrutieren den Freimaurer Adolf Freiherr Knigge, um mehr Mitglieder zu gewinnen. Heute ist Knigge vor allem für seine Benimmregeln bekannt. Und der fängt dann an, ganz viele Freimaurer rüber zu ziehen. Wobei – rüber ziehen heißt nicht, dass die austreten, sondern im Gegenteil: Die Illuminaten unterwandern in gewisser Weise die Freimaurer. Die sagen: Bleibt ruhig Freimaurer, aber kommt auch zu uns. Bei der Freimaurerei macht Ihr einfach weiter so mit, und bei uns macht ihr dann das, was wirklich richtig interessant ist. Um den Zulauf zu bewältigen, entwickeln die Illuminaten eine strenge Hierarchie, die sich an der der Freimaurer orientiert. Zwölf Grade müssen sie bis zur Erleuchtung durchlaufen. An der Spitze steht Weishaupt selbst. Die Illuminaten kommunizieren untereinander mit geheimen Codes. Buchstaben werden mit Zahlen verschlüsselt. Städte bekommen außergewöhnliche Decknamen. Niemand soll ihnen auf die Schliche kommen. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Witzigerweise haben sie es teilweise selbst nicht beherrscht. Also, wir haben das öfter, dass die Leute die Dokumente falsch datieren, weil der Jahreswechsel eben nicht am 31. Dezember stattfindet, sondern am 21. März. Und da ist mancher Illuminat früher auch durcheinandergekommen und hat dann nicht mehr gewusst, in welchem Jahr er sich jetzt eigentlich gerade befindet oder diesen Jahreswechsel eben verpasst. Dabei wollen sie die Elite Deutschlands für sich gewinnen, darunter auch Johann Wolfgang von Goethe - Dichter, Geheimrat und Minister in Weimar. Man hat eine erste Versammlung bei der sowohl der junge Herzog von Sachsen Weimar, Karl August, als auch Johann Wolfgang von Goethe, als auch Johann Gottfried Herder anwesend sind, also große Namen später der Weimarer Klassik. Und die erste Sitzung verläuft auch noch ganz gut, aber danach verläppert es sich, und die zweite läuft nicht mehr so gut. Die machen sich ja dann über diese freimaurerischen Dinge und Geheimbünde eher lustig in ihren Werken. Aber ich würde sagen, am Anfang sind die wahrscheinlich schon interessiert und wollen es sich angucken. Manche Neulinge macht skeptisch, was sie auf den Versammlungen erleben. Vor allem der Illuminaten-Gründer Adam Weishaupt irritiert die anderen Mitglieder. Weishaupt hat schon so einen Hang dazu, so ein bisschen zum Totalitären und die Leute zu kontrollieren. Dadurch klingt das so ein bisschen, wenn man das heute liest, wie man das eigentlich im 20. Jahrhundert eher von Geheimdiensten kennt. Also, der Nachbar soll gucken und auch ruhig mal ein bisschen berichten, wie sich der andere so verhält. Bei seinen höheren Mitordensführern stößt Weishaupt schon mit dieser Art, alles unter Kontrolle haben zu wollen, auch teilweise unangenehm an. Die sagen also: Der Weishaupt ist ein autoritärer Charakter, mit dem lässt sich das eigentlich nicht machen. Auch zwischen Weishaupt und Knigge kommt es zum Konflikt. Weishaupt besteht auf eine genaue Prüfung der neuen Mitglieder, während Knigge auf rasche Ausbreitung drängt. Das Ende kommt mit Donnerhall. An einem Juli-Abend 1785 geht Adam Weishaupt mit einem Ordensbruder in Regensburg spazieren. Bei einem aufziehenden Gewitter erschlägt ein Blitz Weishaupts Begleiter. Was der Geheimbündler nicht weiß: In die Jacke des Toten ist eine Liste mit den Namen einflussreicher Illuminaten eingenäht. Sie gerät an die bayrischen Behörden, die den Orden verbieten. Weishaupt muss aus Bayern fliehen. Er findet Unterschlupf bei seinem Ordensbruder, dem Herzog von Gotha. Ohne Weishaupt versinken die Illuminaten schnell in der Bedeutungslosigkeit. Elf Jahre nach der Gründung existiert der Geheimbund nicht mehr. Doch mit ihrem Ende entsteht der Mythos um die Illuminaten. Als die Französische Revolution den europäischen Kontinent erschüttert, wähnen konservative Kräfte den Geheimbund am Werk. Der geistliche Gelehrte Augustin Barruel behauptet, Freimaurer und Illuminaten hätten die Revolution angestiftet. Er beschimpft die Illuminaten als Satanisten. Nur teuflische Mächte hätten die jahrhundertealte Monarchie stürzen können. Dann weiß man gerade bei den Illuminaten, die sind auch 1785 in Bayern schon verboten worden, doch sicher nicht ohne Grund. Bestimmt wollten die da auch schon den Umsturz. In der Tat wollten sie ja den Regierungsapparat insoweit, wenn man will, unterwandern, indem sie da Leute von sich reinsetzen, die in ihrem Sinne handeln. Und dann ist eigentlich diese Verschwörungstheorie schon sehr schnell komplett. Und ist nicht mehr aufzuhalten. Angeblich seien Mitglieder der Illuminaten ins Ausland geflohen und hätten auch die amerikanische Revolution angestiftet. Ihr Einfluss sei überall nachweisbar. Zum Beispiel auf der Ein-Dollar-Note. Auf der Vorderseite in Latein: Novus Ordo Seclorum. Auf deutsch: eine neue Ordnung der Zeitalter. Darüber in römischen Zahlen das Jahr 1776 – das Gründungsjahr der Illuminaten. Außerdem: die Pyramide mit dem Auge, angeblich das Symbol der Geheimgesellschaft. Das ist ein sehr verbreitetes Symbol, was im Grunde aus christlichen Kontexten kommt. Und das Dreieck steht dann eben auch für die christliche Trinität, also die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist. Man spricht ja auch vom Auge Gottes. Es sind eben auch in der Zeit selber schon viele Versatzstücke, die miteinander gemischt werden. Das Dreieck bei dem Auge erinnert dann natürlich wieder an die Pyramiden, und auch eine Pyramide ist ja auf dem Dollarschein zu sehen. Das war aber eben generell eine ganz allgemeine Faszination in dieser Zeit, in der die Vereinigten Staaten gegründet wurden. Ganz einfach ist die Jahreszahl 1776 zu erklären. Es ist nicht nur das Gründungsjahr der Illuminaten, sondern auch der Vereinigten Staaten. Auch im Stadtbild Washingtons sollen sich die Spuren des Geheimbundes finden. Satellitenaufnahmen des Regierungsviertels zeigen ein ungewöhnliches Muster. Das Kapitol, bestimmte Straßenzüge und die Promenade zum Lincoln-Memorial bilden eine Pyramide mit dem sehenden Auge. Wirklich ein Hinweis auf die Illuminaten? Die Spur führt zurück nach Deutschland – nach Karlsruhe. Eine Planstadt, konzipiert im 18. Jahrhundert. Auch ihr Grundriss erinnert von oben an eine Pyramide. Mit dem Schloss als darüber stehendem Auge und Straßen, die sich strahlenförmig ausbreiten. Und tatsächlich gibt es eine Verbindung zwischen Karlsruhe und Washington. Thomas Jefferson war damals als Gesandter in Europa unterwegs. Der Karlsruher Grundriss hat ihn so beeindruckt, dass er ihn später zum Vorbild für Washington genommen hat. Auch die Zahl 23 soll auf geheime Machenschaften der Illuminaten hinweisen. Beispiel Titanic: Am 15.4.1912 ging sie unter. Die Quersumme daraus ist 23. Genauso wie die Quersumme des 11.9.2001. Für die Anhänger des Verschwörungsmythos kann das kein Zufall sein. Dabei hat die Zahl 23 gar nichts mit der Geheimbruderschaft zutun. Sie taucht erst in der Trilogie „Illuminatus“ auf, in der zwei Journalisten Leserbriefe zu einem Science-Fiction-Roman verarbeiten. In dem Verschwörungs-Schmöker von 1971 geht es um sprechende Delfine, Nazi-Zombies, die Illuminaten und die Zahl 23. In der Romanwelt von Dan Brown lebt der Mythos um die Illuminaten fort, der von vielen allzu oft für bare Münze genommen wird. Auch die amerikanische Unterhaltungsindustrie soll von der geheimen Elite unterwandert sein. Denn wer Symbole sehen will, sieht sie auch. Also grundsätzlich, glaube ich, dass Verschwörungsmythen oder Verschwörungstheorien gerade jetzt in den letzten Jahren eben Konjunktur haben und viele Anhänger gefunden haben, weil sie Dinge, die nicht so leicht zu verstehen und nicht so leicht zusammenzubringen sind, eben immer auf eine relativ einfache Erklärung bringen. Bei Verschwörungstheorien haben Sie immer einen Anfang, einen Grund, eine Ursache, und dann haben Sie meistens sogar auch noch jemanden, der dahintersteckt. Und Verschwörungstheorien bieten dann eben einen relativ geschlossenen Erklärungsansatz. Kein Wunder, dass die Verschwörungsmythen um den Geheimbund der Illuminaten nicht verstummen, obwohl die einstige Bruderschaft von Adam Weishaupt nicht mehr als eine Fußnote der Weltgeschichte ist. Was glaubt ihr, weshalb Verschwörungstheorien gerade jetzt wieder Konjunktur haben? Schreibt es uns in die Kommentare, und wenn Euch das Video gefallen hat, freuen wir uns über ein Like oder ein Abo.