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Dokureihe über Naturwunder und Erhalt

EINE NETFLIX ORIGINAL DOKUREIHE Vor erst 50 Jahren brachen wir endlich zum Mond auf. Zum ersten Mal blickten wir auf unseren eigenen Planeten. Seitdem hat sich die Bevölkerungszahl mehr als verdoppelt. Diese Reihe feiert die Naturwunder, die verblieben sind, und zeigt, was wir bewahren müssen, um das Gedeihen von Mensch und Natur zu gewährleisten. Auf der Erde gibt es noch Zufluchtsorte, wo es spektakuläre Ansammlungen von Flora und Fauna geben kann. Sie bieten lebenswichtigen Raum, aber sie verschwinden rasch. WÜSTEN UND GRASLAND ERZÄHLT VON CHRISTIAN BRÜCKNER Ein Fünftel der Landmassen auf der Erde ist von Wüsten bedeckt. Die trockenste ist die Atacama-Wüste in Südamerika. An manchen Stellen wurde noch nie Regen verzeichnet. Wüsten mögen öde und leer wirken. Aber sie sind von entscheidender Bedeutung für das Leben. Wer in der Lage ist, die Herausforderungen zu meisten, findet hier eine lebenswichtige Zuflucht. Sokotrakormorane tauchen aus einem Staubsturm in der Arabischen Wüste auf. Die Leere dieser Landschaft hat sie hergeführt. Und sie sind in Massen gekommen. Es sind 50.000 Vögel. Ein Viertel der Gesamtpopulation. Hier können sie brüten. Ungestört. Aber das Nisten in der Wüste ist schwierig. Die Temperatur kann 40 Grad Celsius erreichen. Die ausgewachsenen Vögel und ihre weißen Küken sind dafür jedoch gerüstet. Sie kühlen sich durch stoßweises Atmen ab. Jeder ausgewachsene Vogel, mit Nahrung im Kropf, wird belästigt. Die Nahrung wird nur an das eigene Küken abgegeben, das hier irgendwo sein muss. Die Küken verfolgen einen erwachsenen Vogel in die Wüste. Pech gehabt. Jetzt müssen sie rasch zurück in den Schutz der Kolonie. Diese Wüste bietet den Kormoranen mehr als nur eine sichere Zuflucht. Jeden Morgen beginnt eine Massenwanderung. Es ist Rushhour. Ein flacher Nebenarm des Meeres, gleich neben der Kolonie, steckt voller Nahrung. Dieser Reichtum stammt aus der Wüste selbst. Vom Land angewehter Staub enthält Nährstoffe, die die umgebenden Gewässer anreichern. Die Wüste selbst reichert das Meer also an. Im Oman wälzt während des Sommermonsuns Nebel vom Meer heran und wabert über dem Dhofar-Gebirge. Der Nebel führt genug Feuchtigkeit für eine geringe Vegetation mit. Dieses spärliche Grün wird zu einem Brennpunkt für das Leben. Über die fast vertikalen Klippen erreichen Steinböcke eine der wenigen Quellen. Sie sind nervös. Aus gutem Grund. Ein arabischer Leopard, einer von weniger als 200, die noch in der Wildnis überleben. Das Gebiet dieses Männchens erstreckt sich über 350 Quadratkilometer hoher Berge und tiefer Wadis. Der südliche Rand der Arabischen Halbinsel ist einer der wenigen Orte, an denen es noch genügend Beute für eine Population dieser Leoparden gibt. Trotzdem gibt es wohl weniger als 60 Tiere auf über 15.000 Quadratkilometern. Diese Leoparden waren schon immer selten. Konflikte mit Menschen lassen ihre Zahl heute jedoch weiter schrumpfen. Diese Leoparden sind rar. Was unsere versteckten Kameras jetzt filmen, grenzt daher an ein Wunder. Ein Leopardenweibchen. Sie verfolgt ein Männchen. Solche Treffen gibt es immer seltener. Diese kurze Vereinigung mag die Zukunft der Leoparden kurzfristig sichern. Doch langfristig hängt ihr Schicksal vom Schutz ihres Territoriums ab. Nördlich des Dhofar-Gebirges liegt ein Ort von nahezu unvorstellbarer Leere. Die Rub al-Chali. Das "leere Viertel". In diesem Namen schwingt die Romantik dieser Wüste mit. Es ist das größte Sandmeer der Welt. In einige Winkel wagen sich Menschen niemals hinein. Nur die besten Wüstenspezialisten können hier überleben. Die Arabische Oryx. Ihr Radius ist riesig. Er erstreckt sich über mehr als 3000 Quadratkilometer. Dies ist einer ihrer letzten Zufluchtsorte. Einst fast bis zur Ausrottung gejagt, haben sie ihr angestammtes Gebiet wieder in Besitz genommen. Unterstützt von Naturschützern sind sie heimgekehrt. Doch die erneute Ansiedlung kann nicht alle Wüstentiere retten. Wüstenelefanten. Weniger als 150 leben noch hier in Namibia. Diese älteste aller Wüsten wird von trockenen Flussbetten durchzogen, eingeschnitten durch Wasser, das nur ein oder zwei Tage im Jahr fließt. Ausgewachsene Elefanten benötigen täglich bis zu 200 Kilo Nahrung, um nicht zu verhungern. Für diese letzten Überlebenden ist das Leben eine endlose Wanderung. Angeführt wird die Herde von einem alten Weibchen, der Matriarchin. Sie führt ihre Familie zu einem besonderen Ort, an dem es sogar bei Dürre Nahrung geben sollte. Ihre Mutter zeigte ihr diesen Ort vor vielen Jahren. Jetzt zeigt sie ihrem eigenen Kalb den Weg dorthin. Nicht nur die Elefanten suchen Nahrung. Wüstenlöwen. Sie sind ebenso selten wie die Elefanten. Das Kalb wird von der Mutter geschützt. Die Löwen lassen sie vorbeiziehen. Bäume in der Ferne weisen auf Wasser hin. Das Flussbett ist ausgetrocknet. Die Anabäume sind aber noch grün. Es gibt ein Problem. Zu dieser Jahreszeit ist der Boden normalerweise übersät von Samenhülsen der Anabäume. Nahrhaftes Futter für Elefanten. Dieses Jahr fällt die Ernte jedoch aus. Die Matriarchin hat ihre Herde umsonst hergeführt. Sogar die belaubten Äste der Bäume sind außer Reichweite. Die Familie hat keine Wahl. Sie muss weiterziehen. Ein Bulle, der fast vier Meter groß ist. Er erreicht das Blätterdach. Und er könnte die Lösung für ihr Problem sein. Das alte Weibchen kennt ihn ihr Leben lang und hat sich schon früher an ihn gewandt. Elefanten können hier nur überleben, weil sie ihr Wissen über Generationen weitergeben. Aber es gibt inzwischen weniger als 20 Matriarchinnen. Wenn ihr Wissen verloren geht, werden Elefanten hier vielleicht nicht mehr leben können. Wüsten können nicht viele Tiere das ganze Jahr hindurch ernähren. Selbst jene, die an die Bedingungen angepasst sind, überleben nur in geringer Zahl. Aber in besonderen Fällen verwandeln sich Wüsten. Alle zehn Jahre kann es einen Wolkenbruch geben. Ein einziger davon kann die Wüste ergrünen lassen. In Südkalifornien ist diese Veränderung aus dem Weltall sichtbar. Hunderte Quadratkilometer blühen schlagartig auf. Finden diese Verwandlungen regelmäßig statt, kann sich ein neuer Lebensraum bilden. Grasland. Eine der fruchtbarsten Landschaften unseres Planeten. Hier gibt es die größten Gruppen großer Tiere auf der Erde. Die Serengeti ernährt Herden aus über einer Million Gnus. Sie folgen dem Regen, um das frisch sprießende Gras zu fressen. Diese riesigen Herden locken Raubtiere an. Fünf männliche Geparden. Einer der größten Zusammenschlüsse, die je beobachtet wurden. Sie beherrschen ein 450 Quadratkilometer großes Gebiet. Sie patrouillieren gemeinsam. Und das fällt auf. Eine neue Strategie muss her, wenn die Jagd Erfolg haben soll. Sie brauchen Deckung. Ein ausgewachsenes Gnu ist ein respektabler Gegner. Vier Geparden beginnen zu lauern und laufen direkt auf die Beute zu. Der fünfte schleicht sich seitlich an. Sie müssen sehr nahe herankommen, bevor sie zum Sprint ansetzen. Gleich sind sie da. Alle fünf brechen hervor. Jede Katze verfolgt ein anderes Opfer. Chaos. Ein einzelner Gepard ist zu schwach, um seine Beute zu verteidigen. Sie müssen zusammenarbeiten. Diese Dramen finden nur noch statt, weil die Serengeti geschützt wird, und zwar seit über 65 Jahren. Aber die Serengeti ist eine Ausnahme. Weltweit geht der Raum für Grasland kontinuierlich zurück. Vor 180 Jahren grasten Herden von Millionen Bisons in den Great Plains Nordamerikas. Sie streiften durch eine Prärie, die 100 Mal größer als die Serengeti war. Das war der wahre Wilde Westen. Im Sommer brüllten die Männchen ihre Herausforderungen und kämpften um die Herrschaft über die Weibchen. Mit zunehmender Brunst wurden die Kämpfe immer brutaler. Heute jedoch herrscht in der Prärie größtenteils Stille. Menschen schlachteten die großen Herden ab. Weniger als 30.000 wilde Bisons sind verblieben. Und 90 Prozent der Prärie ist verloren gegangen, hauptsächlich an die Landwirtschaft. Was wir essen und wie wir unsere Nahrung produzieren, wird die Zukunft der Graslandgebiete der Erde bestimmen. Unsere Vergangenheit könnte uns zeigen, wie wir uns ernähren und der Natur Raum lassen können. Die alten Heuwiesen Ungarns, die auf traditionelle Art bestellt werden, bieten Lebensräume von außergewöhnlicher Fülle. Es gibt Schmetterlinge im Überfluss. Der Lebenszyklus einer Art ist nahezu unglaublich komplex. Der Kleine Moorbläuling. Paarung und Eiablage aller Weibchen erfolgen auf einer einzigen Pflanzenart, dem Lungen-Enzian. Aus den Eiern schlüpfen bald Raupen. Hoch oben auf den Pflanzen sind sie vor Raubtieren geschützt. Doch dann verhalten sich die Raupen scheinbar selbstmörderisch. Sie seilen sich an Seidenfäden auf den Boden ab... ...und in die Gefahr hinein. Sie können sich nicht gegen die Ameisen verteidigen, die sie wegtragen. Aber genau darauf haben es die Raupen abgesehen. Sie produzieren einen Duft wie den, den eine Ameisenlarve abgibt. Die Ameisen reagieren, indem sie sie zurück in ihr Nest bringen. Dort legen sie sie in der Brutkammer der Kolonie ab. Die violetten Raupen liegen zwischen den weißen Ameisenlarven und senden die richtigen Signale aus. Und die Ameisen füttern sie eilig. Das ist nicht alles. Die Raupen imitieren die Geräusche, die die Ameisenkönigin von sich gibt. Daraufhin behandeln die Ameisen sie königlich. Wird die Nahrung knapp, füttern die Ameisen sogar die Raupen anstelle der eigenen Jungen. Sie geben ihnen so viel Nahrung, dass die Raupen enorm wachsen. Unter dieser Erde fressen und wachsen die Raupen fast zwei Jahre lang. Bis die Ameisen eines Tages ihr Futter nicht mehr loswerden. Die Raupen haben sich verpuppt. Nach einigen Wochen krabbelt ein Schmetterling heraus. Der Kleine Moorbläuling. Jetzt verlassen sie das Nest, das in den letzten 23 Monaten ihr Zuhause war. Der junge Erwachsene verlässt das Nest und klettert einen Grasstängel empor. Die Flügel breiten sich aus, bevor er losfliegt und eine Partnerin sucht. Dieses komplexe Leben mag dem Schmetterling Arbeit ersparen, ist aber riskant. Falls den Ameisen oder dem Enzian etwas zustößt, würde der Kleine Moorbläuling aussterben. Es gibt nur noch winzige Fragmente dieser uralten Wiesen in Europa. Weiter im Osten jedoch erstreckte sich einst Grasland über ein Fünftel der ganzen Welt, von Rumänien bis nach China. Hier gibt es an manchen Orten meilenweit weder Straßen noch Zäune. Hier, wo es keine Bäume gibt, nisten Adler auf dem Boden. Die Beute dieser Adler waren einst Antilopen, die es zu Millionen gab. Und einige gibt es noch. Es sind Saigaantilopen, die nirgendwo sonst auf der Welt leben. Ihre ungewöhnlichen Nasen sind speziell dazu ausgelegt, den Staub herauszufiltern, den die riesigen Herden aufwirbelten, die einst hier lebten. Heute sind sie extrem gefährdet. Wilderei und der Verlust des Lebensraums hatten vernichtende Auswirkungen. Doch seit Kurzem zeigt der Naturschutz eine Wirkung. Es besteht noch Hoffnung für die außergewöhnlichen Bewohner der Ebenen. Den Beweis findet man weiter östlich, in der Mongolei, wo das Grasland weitgehend intakt ist. Dies sind Przewalski-Pferde. Vor 50 Jahren waren sie in freier Wildbahn ausgestorben, aber einige erwachsene Tiere überlebten in Gefangenschaft. Durch sorgsame Fortpflanzung von 12 Pferden wuchs ihre Zahl, bis sie in den Ebenen ausgewildert werden konnten. Das sind ihre Nachkommen. Ein Hengst beschützt jeden Harem. Sie müssen wachsam sein. Sie eilen heran, um die Herde zu verteidigen. Oder sie verjagen Junggesellen, die eine Stute weglocken wollen. Mit fast 300 Tieren scheint die Zukunft dieser Wildpferde nun gesicherter. Sie konnten sich nur erholen, weil die riesige mongolische Steppe weitgehend unberührt geblieben ist. Diese Gräser gehören zu den höchsten auf unserem Planeten. Sie sind so hoch, dass sie sogar Elefanten verdecken können. Die Giganten, die hier leben, wirken klein. Ein letztes Versteck für das stark bedrohte Indische Panzernashorn. Dies ist Indien, eines der bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Dennoch ist man hier entschlossen, die wichtigen Graslandgebiete zu schützen. Wie mag es sein, in dieser dichten, klaustrophobischen Welt zu leben? Jede Bewegung könnte zur Gefahr werden. Die Gräser verbergen Tiger. Streifen und Schatten verwischen. Hohes Gras kann eine Tigerin vor ihrer Beute verstecken. Aber es versteckt auch die Beute vor ihr. Sie muss bis auf 20 Meter herankommen. Und sie muss immer genau wissen, wo sich die Beute versteckt. Vielleicht hat sie sie verloren. Sie riskiert einen Blick. Alle Rehe wissen jetzt genau, wo sich der Tiger befindet. Andere haben das Signal gehört, das ihr Scheitern ankündigte. Ihre Jungen. Sie hatte sie im Gras versteckt zurückgelassen. In den letzten 100 Jahren sank die Zahl der wilden Tiger um mehr als 95 Prozent. Aber hier in Indien, trotz des enormen Drucks durch Wilderei und einer wachsenden Bevölkerung, steigt die Anzahl der Tiger sogar. Wenn man den kostbaren Lebensraum in Grasland und Wüsten schützt, kommen die Tiere zurück. Unter ourplanet.com erfahren Sie, was wir tun müssen, um wildes Grasland zu schützen. Untertitel von: Irina Janke