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John Locke und die Staatsphilosophie

Habt ihr euch jemals gefragt, wieso ein Staat wie Deutschland eigentlich so aufgebaut ist, wie er es ist? Wieso gibt es so Dinge wie die Gewaltenteilung und das Recht auf Eigentum und die Entfaltung der Persönlichkeit? Nun, ein Baustein, vielleicht könnte man sogar sagen, die Grundlage ist die Staatsphilosophie von John Locke. Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Dass zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten. Dass, sobald eine Regierungsform diesen Endzweck verderblich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu verändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen. Diese Sätze stehen in der Einleitung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. die zusammen mit der Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 einen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Form moderner Staaten und die Rechte des Individuums hatten, die man kaum überschätzen kann. Und das nicht nur in Amerika. Denn die amerikanische Verfassung gilt vielen als Grundgesetz der ersten modernen Demokratie der Menschheitsgeschichte. Und diese Unabhängigkeitserklärung und Verfassung wiederum wären in dieser Form ohne ihn hier, John Locke, kaum denkbar. der mit seinen Texten auch auf die Französische Revolution 1789 sowie die Englische Revolution 1688-89 großen Einfluss hatte. Er entwickelte und formulierte viele der Ideen und Vorstellungen über die Zusammensetzung von Staaten und den Menschen an sich, die selbst heute noch das Fundament der Systeme vieler Nationen ausmachen. Etwa die Gewaltenteilung, das Recht auf Eigentum und die Gleichheit der Menschen vor Staat und Gott. Besonders Locke's Eigentumsbegriff hat auch zu der Interpretation geführt, dass er die theoretischen Grundlagen des Kapitalismus entwickelt hat. Geboren 1632 als Sohn eines Rechtsanwalts in der englischen Grafschaft Somerset, hing Locke in seiner Jugend zunächst monarchistischen Ideen an, war also ein Unterstützer der englischen Krone, während er später zu einem der wichtigsten Vordenker des politischen Liberalismus werden sollte. Wie Thomas Hobbes schrieb John Locke seine Staatstheorie unter dem Eindruck des in England tobenden Konflikts zwischen Monarchie und Parlament. der sich in seiner Kindheit und Jugend in Form des englischen Bürgerkriegs entblut. Während Hobbes in der Frage um die zukünftige Regierungsform Englands eher auf Seiten der Monarchie stand, war Loggs Antwort auf den Konflikt, das Bürgertum zu stärken und die Macht der Herrschenden einzuschränken. Logg war allerdings nicht nur Staatstheoretiker, sondern gilt auch als wichtiger Philosoph im Bereich der Erkenntnistheorie, also in der Frage, wie der Mensch seine Welt wahrnimmt und begreift. Heute gilt er als Begründer des englischen Empirismus. der Vorstellung also, dass Erkenntnis zuallererst auf Sinneserfahrungen beruht. Um die Staatstheorie von Locke zu begreifen, sollte man sich deswegen zunächst sein Bild vom Menschen und seine damit verbundene Erkenntnistheorie ansehen. Denn die Freiheit und die Rechte des Individuums, die er in seiner Staatstheorie fordert, haben hier ihre Grundlage. Locke stellte sich in seinem Werk »Ein Versuch über den menschlichen Verstand« gegen die Vorstellung angeborener Ideen, wie sie im 17. Jahrhundert noch häufig angenommen wurden. Dass also zum Beispiel einige logische Verknüpfungen und moralische Ideen von Geburt an im Menschen vorhanden seien. Ein Argument, das Locke zum Beispiel gegen diese angeborenen Ideen anführt, ist, dass viele Ideen Kindern dann noch eher oder zumindest ebenso einleuchten müssten wie Erwachsenen. Sie sind ja von Geburt an vorhanden, was aber nicht der Fall sei. Locke bezeichnet den menschlichen Geisten seinem Werk stattdessen als Tabula Rasa, ein unbeschriebenes Blatt Papier. Dazu passt auch seine Vorstellung menschlicher Identität. bei der er auf eine Vorstellung wie die Seele verzichtet und meint, die Kontinuität unseres Ichs entstehe nur aus Erinnerung und Bewusstsein. Ausnahmslos alle Ideen sind bei Locke durch Erfahrungen der Außenwelt erworben und werden durch den Verstand zu komplexeren Begriffen zusammengefügt. Also zum Beispiel die Vorstellung von Metall aus den Eindrücken glatt, hart, grau-weiß, reflektierend etc. Dabei sei für uns nie ganz erkennbar, ob diese komplexen Vorstellungen auch wirklich das Wesen der Dinge treffen. Es handelt sich beim Verständnis der Welt also immer nur um eine Annäherung. John Locke suchte im Gegensatz zu vielen Philosophen und Philosophinnen, die ihm vorausgegangen waren, nicht nach Gewissheit, sondern nur nach möglichst plausiblen Argumenten. Die Erkenntnis, also das Erlangen und Generieren von Wissen, ist dementsprechend bei Locke auch immer eine Sache von wahren und falschen Urteilen des Subjekts. Diese Vorstellung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und des Menschen als tabula rasa hat einen aufklärerischen Charakter. Anstatt dass Perspektiven auf die Welt bereits im Menschen vorhanden sind oder absolutes Wissen durch Autoritäten, Vorurteile und Dogmen vorgegeben wird, soll Erkenntnis durch die Untersuchung der Dinge selbst entstehen. Und zwar durch Methoden, die theoretisch allen Menschen zugänglich sind und die zu unabhängigen Erkenntnissen über die Welt führen können, die wiederum hinterfragt und ausgebaut werden können. Dazu passt übrigens auch Blocks Anspruch an seine eigene Philosophie, dass diese mit Common Sense, also gesundem Menschenverstand, jedem begreiflich sein sollte. Ganz im Sinne dieses Vertrauens in die menschliche Erkenntnisfähigkeit und der Kritik von allmächtigen Ideen und Autoritäten entwickelte Locke seine Staatstheorie. An dieser Stelle noch vielen Dank an alle, die mich auf Steady unterstützen. Schon ab einem Euro im Monat könnt ihr helfen, den Kanal am Laufen zu halten und bekommt Zugang zu zusätzlichem Content in Form von Texten, einem Mini-Podcast sowie kleinen Zusatzvideos. Zum Beispiel habe ich vor, hier demnächst noch ein wenig auf die recht wegweisende Sprachphilosophie-Logs einzugehen, die in diesem Video keinen Platz mehr gefunden hat. Seine Staatstheorie entwickelte John Locke in dem 1689-1690 erschienenen Werk Two Treatises of Government, zwei Abhandlungen über die Regierung. Damals wurde der Text übrigens anonym veröffentlicht, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, ob der königliche Absolutismus, dem die Arbeit Lockes fundamental widersprach, sich in England halten würde. Vielen gilt John Locke durch dieses Werk noch heute als der Denker, der die Grundlagen von liberaler Demokratie und auch, so wird Locke zumindest von vielen gelesen, des Kapitalismus erstmals ausformulierte. Wie Thomas Hobbes argumentiert auch John Locke mit einem Naturzustand, der hier allerdings andere Formen annimmt. Zum einen gibt es in Lockes Naturzustand natürliche Rechte, die im Endeffekt Gott gegeben sind. Das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit und das Recht auf Eigentum. Diese seien den Menschen ins Herz geschrieben. Die Rechtsprechung in Bezug auf das Naturrecht passiert durch die Individuen selbst. Wenn jemand mein Recht auf Eigentum einschränkt, muss ich die Verteidigung dieses Rechts selbst in die Hand nehmen. Man könnte gewissermaßen sagen, das macht hier horizontal verteiltes, ein Zustand der Freiheit und Gleichheit. Locke sagt, dass im Naturzustand jeder die vollziehende Gewalt des Gesetzes der Natur inne hat. Im Gegensatz zu Hobbes meinte Locke, dass trotz dieser vollkommenen Freiheit des Individuums Menschen im Naturzustand nicht zügellos werden, da es eben die besagten Naturrechte gibt, die für alle gelten, und die der Mensch im Rahmen seiner Fähigkeiten zur Vernunft größtenteils einhält. Der vorgesellschaftliche Zustand ist ja halbwegs friedlich. Aber, dem Seeherr hört sich das ja auch ohne Staat alles recht erträglich an, der Frieden im Naturzustand ist immer ein unsicherer Frieden. Einzelne Menschen, die sich bereichern wollen, die also übermäßiges Eigentum wollen, können das empfindliche Gleichgewicht hier jederzeit verletzen. Durch ihre Vernunft hätten die Menschen nach Locke also irgendwann von selbst erfasst, dass sie im Zusammenleben als Gemeinschaft größere Projekte bewältigen können und ihr Eigentum in Frieden genießen können. Daraus entsteht bei Locke das Staatswesen, ein Gesellschaftsvertrag zwischen den Menschen, der geschlossen wird, um ein besseres Zusammenleben zu ermöglichen, in dem die Naturrechte dementsprechend weiter konkretisiert und rechtlich geschützt werden. Wir sehen schon, dass gerade das Eigentum bzw. der Eigentumsbegriff bei Locke eine große Rolle für die Beschreibung und Begründung des Staates spielt, Weswegen ich für die Erklärung von Locke's Staatstheorie auch genau da anfange. Zunächst meint Locke, dass jeder und jeder an seiner eigenen Person Eigentum hat und genauso an der Arbeit seines Körpers, der Arbeit der eigenen Hände. Dadurch werden dann auch Sachen, die er mit seiner Arbeit vermischt, zu seinem Eigentum, solange für die anderen Menschen in einer Gesellschaft noch genug übrig bleibt. Wenn ich etwa durch die Natur spaziere und auf einen Baum klettere, um einen Apfel zu pflücken, vermische ich diesen mit meiner körperlichen Arbeit. Dadurch wird der Apfel zu meinem Eigentum. Über seine Person hat niemand ein Recht als nur der Mensch allein. Die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände sind im eigentlichen Sinne sein. Was immer er also jenem Zustand entrückt, den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat, hat er mit seiner Arbeit gemischt und hat ihm etwas hinzugefügt, was sein Eigen ist. Ist folglich zu seinem Eigentum gemacht. Ein anderes Beispiel bei Locke sind Land und Boden. Durch die Variation des natürlichen Zustandes und die Beimengung von Arbeit wird dieser zum persönlichen Eigentum, wenn also zum Beispiel ein Boden bearbeitet wird, um etwas anpflanzen zu können. Sogerechte wie das auf Unversehrtheit, also dass niemand eines anderen Leben oder Gesundheit schädigen darf, wird von Locke über den Eigentumsbegriff erklärt. In der Form, dass wir alle Eigentum Gottes sind, da dieser uns geschaffen hat, und das Eigentum anderer darf man eben nicht beschädigen. Eine wichtige Begrenzung für Locke ist, dass die verschwenderische Anhäufung von Eigentum nicht durch das Naturrecht abgedeckt ist. Nur so viel, wie jemand zu irgendeinem Vorteil seines Lebens gebrauchen kann, bevor es verdirbt, darf er durch seine Arbeit zum Eigentum machen. Was darüber hinausgeht, ist mehr als sein Anteil und gehört anderen. Nichts ist von Gott geschaffen worden, damit die Menschen es verderben lassen oder vernichten. Während sich das ganz gut und beinahe progressiv anhört, gilt dasselbe bei Locke. für Geld nicht, denn dieses verdirbt eben nicht und kann praktisch unbegrenzt angehäuft werden. Nach Ernst Vollrath, Professor für Politische Philosophie, hat Locke damit eine Konzeption entwickelt, die dann für den Hauptgang der Moderne entscheidend geworden ist, nämlich die Begründung des Rechts auf Eigentum in Arbeit. Das ist gleichsam die Eröffnung eines Horizonts, der dann ausgefüllt werden kann von dem, was wir nun ja, sagen wir mal abgekürzt, Kapitalismus nennen. Auch aus der angesprochenen Möglichkeit unterschiedlicher Besitzverhältnisse und aus Fragen des Eigentums generell, entsteht bei Locke die Notwendigkeit des Staates. Denn während Locke sich den Naturzustand wie gesagt zwar als grundsätzlich friedlich vorstellt, können Besitzunterschiede zu aggressiven Verhalten und Neid Einzelner führen, die den Frieden stören und zum Krieg führen. Das große Ziel, das Menschen, die in eine Gesellschaft eintreten, vor Augen haben, liegt im friedlichen und sicheren Genuss ihres Eigentums und das große Werkzeug und Mittel dazu. sind die Gesetze, die in dieser Gesellschaft erlassen worden sind. Die Gesellschaft stellt bei Locke also eine Art Schutzgemeinschaft dar, die den natürlichen Rechte des Menschen sichert. Dazu braucht es hier eine Gewalt, die Gesetze gibt und die Einhaltung von diesen überwacht und erzwingt. Die Bildung dieser Gewalt kann bei Locke nur freiwillig und auf Basis von gegenseitigem Konsens erfolgen, da die Menschen von Natur aus frei und gleich sind. Es kann unter ihnen also nur eine Autorität geben, wenn alle dieser zustimmen. Das einzelne Individuum entscheidet sich, seine ureigensten Naturrechte zu einem gewissen Grad einzuschränken, um so gemeinsam mit allen Vertragspartnern für sich selbst und diese größtmögliche Sicherheit und Frieden zu erlangen. Locke weiß dabei natürlich, dass wir diese Zustimmung nicht alle gegeben haben. Er sagt aber, dass derjenige, der sich eben am sicheren Genuss seines Eigentums erfreut, seine stillschweigende Zustimmung gibt. Durch die Übertragung eines Teils der Rechte des Individuums auf eine Regierung, Vereinte sofort an, also Gesetzgebung und Gesetzvollstreckung, die vorher in der Hand der Individuen lagen, als übergeordnete und unparteiische Autorität. Da Locke nicht naiv war, sah er aber natürlich auch, dass Herrschaft immer die Gefahr des Machtmissbrauchs birgt und die Gefahr, die Freiheit des Einzelnen, die der Staat ja eigentlich schützen soll, zu gefährden. Daraus entstand die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative. Er schreibt dazu, auch noch die Macht in die Hände bekämen, diese Gesetze zu vollstrecken. Dadurch könnten sie sich selbst von dem Gehorsam gegen die Gesetze, die sie geben, ausschließen und das Gesetz in seiner Gestaltung wie auch in seiner Vollstreckung ihrem eigenen persönlichen Vorteil anpassen. In diesen Gedanken spielt auch das Mehrheitsprinzip herein, in das wir heute oft als erstes denken, wenn wir an Demokratie denken. Bei John Locke hat in einem politischen Körper, dem Staat, von Natur aus die Mehrheit das Recht zum Handeln. Seine Argumentation dabei ist rein mechanistisch. Ein Körper kann sich nur in eine Richtung bewegen. Und er bewegt sich notwendigerweise in die Richtung, in die ihn die stärkste Kraft treibt. Dadurch ist in einem gesellschaftlichen Zustand jeder Einzelne verpflichtet, sich der Mehrheit zu beugen. So ist der Anfang und die tatsächliche Konstituierung einer politischen Gesellschaft nichts anderes als die Übereinkunft einer für die Bildung der Mehrheit fähigen Anzahl freier Menschen, sich zu vereinigen, und sich in einer solchen Gesellschaft einzugliedern. Und allein nur das ist es, was jeder rechtmäßigen Regierung auf der Welt den Anfang gegeben hat oder geben konnte. So ist auch bei Locke die staatliche Autorität nicht absolut, sondern dem Mehrheitswillen Rechenschaft schuldig. Locke formuliert den Zweck des Staates an einigen Stellen sehr eindeutig. Der Zweck der Regierung ist das Wohl der Menschheit. Er schreibt weiter, was ist aber nun am besten für die Menschheit? Dass das Volk immer dem schrankenlosen Willen der Tyrannei preisgegeben ist? Oder dass die Herrscher zuweilen mit Widerstand rechnen müssen, wenn sie im Gebrauch ihrer Gewalt maßlos werden und sie zum Verderben ihres Volkes anwenden? Damit ist abschließend ein letzter wichtiger Punkt in Locke's Staatstheorie beschrieben, den wir zum Beispiel auch in der Unabhängigkeitserklärung der USA finden. Das Recht auf Widerstand. Dieses beschreibt bei Locke das Recht der Bürger eines Staates, Regenten abzusetzen, notfalls mit Waffengewalt, die es nicht schaffen, Wohlstand und ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten. Die Legitimität des Staates beruht auf der andauernden Zustimmung der Mehrheit, die nach Locke der beste Schutz der natürlichen Rechte ist. Denn aller Gewalt, die im Vertrauen auf ein bestimmtes Ziel verliehen wird, sind durch jenes Ziel die Grenzen gesetzt und immer, wenn dieses Ziel offenkundig vernachlässigt oder ihm zuwidergehandelt wird, ist dieses Vertrauen notwendigerweise verwirkt und die Gewalt fällt zurück in die Hände derjenigen, die sie verliehen haben, und die sie dann von neuem so vergeben können, wie es ihnen für ihren Schutz und ihre Sicherheit am besten erscheint. Beenden wollen wir das Video mit einer Frage. Denn wenn uns etwas zum modernen Staat führt, dann ist es wohl die Frage. Was haltet ihr von der Idee Lox, dass es eine natürliche Grenze bei der Anhäufung von Eigentum geben sollte? Dass ein Mensch also nur so viel besitzen können sollte, dass immer auch genug für den Rest der Gesellschaft übrig bleibt? Hinterlasst mir eure Gedanken dazu in den Kommentaren und wir sehen uns das nächste Mal wieder.