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Die Entwicklung des Menschen und Neandertaler

Diese Geschichte geht uns alle an. Es ist die Geschichte von uns selbst. Die Geschichte des Menschen. Sie erzählt von Aufbruch und Überleben. Von großen Ideen, aber auch von Katastrophen und Zerstörung. Dabei gibt es uns erst wenige Sekunden im Vergleich zur Erdgeschichte. Ein Wimpernschlag. In einem evolutionären Sprint wurden wir zum Beherrscher der Erde und ihrer Arten. Wie ist uns das gelungen? Und auf wessen Kosten? Am Anfang ist die Erde, unser Heimatplanet, ein unwirtlicher Ort. Erst als sich das Inferno beruhigt, kann erstes Leben entstehen. In den Tiefen der Urozeane bildet sich ein Einzeller. Im Laufe von Jahrmillionen entwickelt die Evolution eine ungeheure Vielfalt des Lebens. Und erst ganz am Ende kommt der Mensch dazu. Von den ersten menschenartigen Vorfahren bis zum Homo sapiens ist es ein rätselhafter, weit verzweigter Weg. Vermutlich vor etwa sechs Millionen Jahren spaltet sich eine Entwicklungslinie der Menschenaffen ab. Aus ihr geht die Gattung Homo, Mensch hervor. In der Savanne Ostafrikas richten sich die Vormenschen auf, stellen sich auf ihre Hinterbeine. Sie werden zu ausdauernden Läufern und im Laufe der Zeit zu erfolgreichen Jägern. Der aufrechte Gang, ein großer Schritt in der Evolution des Menschen. Arme und Hände sind jetzt frei zur Nahrungsaufnahme. Zum Greifen und Halten von Werkzeugen. Die menschliche Hand, ein Geniestreich der Evolution. Im Laufe der Zeit verfeinert der Mensch sein Tastempfinden und seine Fingerfertigkeit immer weiter. Die Hand ist ein entscheidender Schlüssel auf seinem Weg zu neuen Fähigkeiten. Kunst und Kultur, Werkzeuge und Technik. All das ist nur möglich dank der geschickten menschlichen Hand. Das Smart Device der Steinzeit war der Faustkeil. Immer griffbereit und vielseitig einsetzbar. Zum Jagen, Zerkleinern von Fleisch oder Pflanzen, zum Schaben oder Enthäuten. Hunderttausende Jahre war der Faustkeil das Allzweck, welches die Welt vermittelt hat. Werkzeug der frühen Menschen. Seine Herstellung ist ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. Denn dieser geschickt bearbeitete Stein mit scharfer Klinge steht für einen historischen Moment, in dem das Gehirn einen riesigen Entwicklungssprung machte. Der frühe Mensch war zum ersten Mal nicht nur in der Lage, ein Werkzeug selbst herzustellen, er konnte sich auch vorstellen, wie er es einsetzen und verbessern konnte. Und das tat er. Genauso wie mit dem hier. Die frühen Menschen überwinden ihre Angst vor dem Feuer. Feuerstellen werden Treffpunkte. Sie sind Wärmequelle und wirksamer Schutz gegen Raubtiere. Ein weiterer großer Schritt des Menschen an die Spitze der Nahrungskette. Die ältesten Überreste einer Feuerstelle von Menschenhand sind fast 800.000 Jahre alt. Forscher fanden die Reste verkohlter Nahrung wie Samen und Tierknochen. Die Frühmenschen lernen, ihre Nahrung zu braten oder zu kochen. Durch das Erhitzen können sie nahrhafte Knollen und Fleisch leichter verdauen. Ihr Körper verarbeitet so mehr Kalorien und mehr Proteine. Voraussetzung für ein leistungsfähiges Gehirn. Die Evolution der menschlichen Linie ist untrennbar mit dem Wachstum des Denkorgans verknüpft. Im Vergleich zu anderen Säugetieren verfügt der Mensch über ein ungewöhnlich großes Gehirn. Seit den ersten Frühmenschen hat sich seine Größe in etwa verdreifacht. Der Preis dafür ist ein hoher Energieverbrauch. Doch das macht Homo sapiens locker durch seine Fähigkeiten wett. Die wissbegierigen Menschen lassen alle anderen Arten hinter sich. für den anatomisch modernen Menschen. Ein Prototyp unserer Spezies. 1969 in Ostafrika entdeckt, im Omotal in Äthiopien. Eine Analyse der Gesteinsschichten, in denen die Fossilien gefunden werden, macht es heute möglich, ihr Alter ziemlich genau zu bestimmen. Demnach entwickelt sich Homo sapiens vor etwa 195.000 Jahren. Doch dann schafft ein Schädelfund aus Marokko wieder neue Fakten. Er ist gut 100.000 Jahre älter als der Fund aus Äthiopien. Computertomographie beweist, anatomisch war uns der Urmarokkaner erstaunlich ähnlich. Der Fund könnte auch Beweis dafür sein, dass die menschlichen Wurzeln nicht nur in Ostafrika, sondern in ganz Afrika liegen. Der Drang von Homo sapiens in neue Gegenden vorzudringen, führt ihn über tausende von Kilometern. Und irgendwann auch aus seinem Heimatkontinent hinaus. Menschen, die schon so aussahen wie wir heute, machten sich auf die Reise. Sie verließen erstmals ihre Heimat Afrika, vermutlich vor ungefähr 60.000 Jahren. Genau weiß man das nicht. Denn die wenigen menschlichen Fossilien liefern den Forschern immer nur Schlaglichter auf unsere frühe Vergangenheit. Es gibt nur genetische Hochrechnungen und wenn morgen ein älterer Knochen gefunden wird, dann muss die Vorgeschichte des Menschen wieder einmal komplett neu geschrieben werden. Was treibt den Menschen damals an? Kriege mit anderen Clans? Nahrungssuche? Entdeckerlust? Generation für Generation wandert der Mensch immer weiter. Fast über den ganzen Erdball. Er lernt schnell, wie er überleben kann. Ob in extremer Hitze, schwindelerregenden Höhen oder eisiger Kälte. Homo sapiens ist ein Meister der Anpassung. Das führt zu verblüffender Vielfalt. Aus einigen Hunderten, die Afrika verließen, wurden über sieben Milliarden. Und trotz beträchtlicher äußerer Unterschiede, alle heutigen Menschen haben fast identische Gene. Wissenschaftler rätseln schon lange über, welche Wege der Mensch den Erdball erobert hat. Vermutlich wandert er erst über die arabische Halbinsel nach Osten und dringt von dort weiter nach Asien vor. Der Norden liegt dann noch unter einem dicken Eispanzer. Erst als das Klima allmählich wärmer wird, besiedeln die ersten Homo Sapiens auch den europäischen Kontinent. Bei der Ankunft der Einwanderer aus Afrika ist es bitterkalt. Und die mageren Jagdgründe müssen sie sich noch mit einer anderen Menschenart teilen. Mit dem Neandertaler. Er entwickelt sich in Europa, parallel zum Homo sapiens in Afrika. Lange Zeit hielt man ihn für eine primitive Art. Doch heute wissen wir, auch Neandertaler beherrschen das Feuer, stellen Schmuck her, nutzen Werkzeuge und Waffen. Und viel früher als beim Homo sapiens sind beim Neandertaler Totenrituale belegt. Der sogenannte alte Mann von La Chapelle ist ein etwa 50-jähriger Neandertaler, der vor etwa 60.000 Jahren in einem Erdloch begraben wird. Seine Bestattung gilt als die älteste der Menschheit. Mit der Ankunft des Homo sapiens beginnt das Ende der Neandertaler. Sie sind zwar stämmiger, muskulöser und besser an das frostige Klima in Europa angepasst, Doch moderne Menschen machen ihre körperliche Unterlegenheit durch Wissen und Technik wett. Sie entwickeln immer ausgefeiltere Werkzeuge. Eine ihrer berühmtesten Erfindungen, ein kleines unscheinbares Gerät mit großer Wirkung. Die Nähnadel. Sie macht es möglich, praktische Kleidung aus Fellen zusammenzunähen. Fürs Überleben in den letzten Jahrtausenden der Eiszeit ein wichtiger Pluspunkt. Homo sapiens hat auch die gemeinschaftliche Jagd immer weiter perfektioniert. Gemeinsam werden Strategien abgestimmt. Das Ausmaß an Verständigung und Kooperation ist bei modernen Menschen einmalig. Ein weiterer Schlüssel für seinen Aufstieg zum Beherrscher der Erde. Der Neandertaler, die viel ältere Art, stirbt rund 4000 Jahre nach der Ankunft des Homo sapiens aus. Allerdings nicht ganz. Homo sapiens und Neandertaler haben Nachwuchs miteinander gezeugt. Unser uralter Verwandter lebt also im Erbgut der Europäer weiter. In jedem Europäer stecken etwa ein bis vier Prozent Neandertaler-Gene. Sie sollen unseren Vorfahren geholfen haben, sich besser an die kühlere Umgebung außerhalb von Afrika anzupassen. Wir haben nicht nur die Beschaffenheit unserer Haut und unserer Haare von unserem eiszeitlichen Verwandten geerbt, sondern auch unsere effiziente Fettverwertung. Eine Eigenschaft, die den Neandertaler in Hungerphasen gerettet hat, heute aber in unserer Überflussgesellschaft nicht selten zu Übergewicht führt. Naja, ob wir Menschen wirklich erfolgreicher sind als der Neandertaler, das muss sich erst noch zeigen. Der Neandertaler hat nämlich drei bis viermal so lange überlebt wie der moderne Mensch bis jetzt. Und ob wir das auch in Zukunft schaffen, das müssen wir erst noch beweisen.