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Die komplexe deutsche Identität und Kultur

Deutschland. Eine Nation voller Widersprüche. Das Sommermärchen 2006. Deutschland erfand sich neu. Und heute? Wer sind wir? Was macht die Deutschen aus? Was ist Deutsch? Im vergangenen Sommer glänzten wir durch eine weltweit beachtete Willkommenskultur. Die Dämonen erwachen. Und auch die dunkle Seite wird sichtbar. Ich will der Frage nachgehen, was uns ausmacht. Ist es das legendäre Made in Germany? Sind es unsere Tugenden? Unser Verhalten? Hängt es mit der Sprache zusammen? Oder mit dem Aussehen? Oder versteckt es sich gar in den Genen? Was ist typisch deutsch? Auf jede dieser Fragen suche ich eine Antwort. Und meine Reise beginnt in Köln. Schon auf dem Parkplatz sieht man ein stolzes Stück deutscher Kultur. Autos, allesamt made in Germany. Gilt dieses Qualitätsprädikat noch immer? Was ist deutsch am made in Germany? Unser Check beginnt in einem ganz normalen deutschen Haushalt. In der Küche. Der Herd ist ein deutsches Markenprodukt von AEG. Aber ganz made in Germany ist er nicht. AEG lässt seine Kühlschränke, Geschirrspüler und Herde unter anderem in Polen und Italien bauen. Der Backofen aber ist tatsächlich in Deutschland zusammengesetzt. In Rothenburg ob der Tauber. Die einzelnen Bauteile kommen unter anderem aus China, Italien, Polen und Bulgarien. Im Kinderzimmer geht es weiter. Playmobil. Aus Deutschland? Das Rohmaterial der Plastikpolizisten ist ein Kunststoffgranulat. Es kommt aus aller Welt, unter anderem aus Südostasien. Seine berühmten Figuren lässt der Spielzeughersteller aus dem fränkischen Zirndorf schon seit 40 Jahren auf der Mittelmeerinsel Malta produzieren. Gebäude und Zubehör machen die Franken selbst, doch ein Großteil des deutschen Playmobil kommt aus dem Ausland. Produkte der Firma Kercher stehen für deutsche Sauberkeit in Haus und Garten. Seine Dampfreiniger haben das Familienunternehmen aus dem Schwäbischen berühmt gemacht. In Deutschland hergestellt werden immerhin zwei Drittel der Bauteile. Der Rest kommt aus Österreich, Polen, Italien und China. Die Rohmaterialien stammen aus Italien, Frankreich, Polen und Großbritannien. Für deutsche Erfolge und deutsche Wertarbeit stehen die drei Streifen von Adidas. Aber die Zeiten, in denen die Sportfirma aus dem bayerischen Herzogen Aurach all ihre Schuhe zu Hause herstellte, sind lange vorbei. Bei diesem Laufschuh stammen nur drei der 26 Teile aus Deutschland. Der Rest wird in Fabriken in China, Taiwan, Vietnam, Indonesien und Korea produziert. Made in Germany, das trifft auf diesen Schuh jedenfalls nicht zu. Ein Produkt steht beispielhaft für Made in Germany, das Auto. Und da besonders der Golf von VW. Seit über 40 Jahren ein Dauerbrenner auf den Straßen. Vom Band rollt der Golf in den VW-Stammbärten Wolfsburg und Zwickau. Aber aus deutscher Produktion ist der Golf trotzdem nur teilweise. Die Motoren zum Beispiel werden zum Teil aus Ungarn und Polen zugeliefert. Und schon sein Ur-Design ist von einem Italiener, Giorgetto Giugiaro. Trotzdem ist der Golf immer noch ein gutes Stück deutscher als die meisten seiner Geschwister. Der VW Polo beispielsweise ist ein Spanier aus Pamplona. Und der Kleinwagen Up rollt in der Slowakei vom Band. So ganz made in Germany sind selbst die deutschen Autos also nicht. Wo also Made in Germany draufsteht, verbirgt sich dahinter häufig der bunte Mix einer globalen Weltwirtschaft. Bei den Waren haben wir das längst akzeptiert. Doch was ist mit den Menschen? Meine Mutter ist Luxemburgerin, mein Vater Inder. Ich habe einen Luxemburger Pass, doch ich lebe schon lange. In Deutschland. Bin ich deutsch? Es gibt immer mehr, die so sind wie ich. Irgendwo zwischen den Stühlen. Andersartigkeit macht vielen Deutschen Angst. Wer hier lebt, soll sich anders fühlen. Die deutsche Lebensweise annehmen, soll sich integrieren. Ich suche selber im Moment, wir haben diese bewegten Zeiten und frage mich selber, was ist Deutsch? Die Leute sagen alle jetzt, die müssen sich integrieren. Du sprichst deutsch? Ja. Ich auch. Ich bin auch in einem kleinen Dörflein aufgewachsen. Wir waren die einzigen Ausländer dort. Jeder kennt jeden. Keiner hat je das Gefühl gegeben, dass wir anders wären. Ich fühle mich super wohl hier. Aber es gibt die anderen, die sagen, die fühlen sich nicht wohl, weil zu viele kommen, die Pandrabi sprechen können. Obwohl, wenn man sich integriert, ist es vielleicht gar nicht so schwer für die. Das ist das Interessante. Ja, Angela Merkel. Jeder Mensch ist ja anders. Jeder Deutsche ist ja nicht der Klischee-Deutsche. Es gibt sicher auch Deutsche, die überhaupt nicht pünktlich sind, die völlig neben der Spur sind, nicht arbeiten gehen. Weil Fleiß ist ja auch typisch deutsch. Ist Fleiß wirklich typisch deutsch? Überhaupt, die viel zitierten deutschen Tugenden. Sind sie ein eindeutiges Merkmal unserer Nation? Was ist mit Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Fleiß, Ordnung, Ehrlichkeit und Sauberkeit? Beispiel Pünktlichkeit. 70% der Deutschen halten sich für besonders pünktlich. 64% sagen, Pünktlichkeit ist typisch deutsch. Im größten deutschen Transportunternehmen wird... Pünktlichkeit allerdings nicht so streng genommen. Die Süddeutsche Zeitung hat in einer Studie ermittelt, ein Fernzug der Deutschen Bahn ist durchschnittlich drei Minuten und eine Sekunde zu spät. Zusammengezählt sind das allein am Kölner Hauptbahnhof 12 Stunden und 24 Minuten Verspätung täglich. In Japan undenkbar. Dort sind die Züge im Durchschnitt gerade einmal 54 Sekunden zu spät. 44 Prozent der Deutschen halten sich selbst für fleißig. 50 Prozent sagen, Fleiß ist typisch deutsch. Stimmt das? Jährlich machen die Deutschen knapp 50 Überstunden, mehr als alle anderen Europäer. Allerdings haben die Deutschen auch zehn Feiertage plus Ferientage, die sie fleißig im Urlaub verbringen. Und egal, wohin sie dann reisen, die Deutschen mögen es sauber. Aber halten die Deutschen sich auch selbst sauber? Eine Studie des Badspezialisten Hans Grohe hat ergeben, in keinem Land verbringen die Menschen weniger Zeit im Bad als in Deutschland. Zusammengerechnet gerade einmal 49 Minuten täglich. Ehrlichkeit. 73% der Deutschen erwarten von ihren Kindern, dass sie ehrlich bleiben. Doch wie ehrlich sind sie selbst? 15% geben zu, schon einmal etwas geklaut zu haben. Und knapp 40 Prozent sind schon schwarz gefahren. Die Tugenden der Deutschen. Pünktlich wie die Bahn, sauber wie ein Volkswagen und ehrlich wie der Deutsche Fußballbund. Es gibt sie vielleicht doch, die typisch deutschen Tugenden, auch wenn wir sie nicht ganz so streng leben, wie wir meinen. Sauberkeit zum Beispiel. Ja, es ist sauber bei uns. Doch mir fällt etwas auf. Türkische Frauen sorgen häufig für die deutsche Sauberkeit. Vielleicht sind sie es, die unsere Tugenden wirklich leben. Die Deutschen reisen, mehr als je zuvor. Doch wie verhalten sie sich, wenn sie im Ausland sind? Gibt es ein typisch deutsches Verhalten? Ein beliebtes Reiseziel bei uns Deutschen. In diesem Paradies kann man viel über uns lernen. Wie die Deutschen Urlauber sind, was sie ausmacht. Die deutschen Gäste haben den Ruf als sehr, sehr anspruchsvolle Gäste. Wir möchten, dass ihr Urlaub perfekt abläuft. Sie möchten keine Überraschungen erleben. Roberto Caldenya arbeitet seit über 20 Jahren als Tourguide. Mehrmals die Woche bietet er Touren ausschließlich für deutschsprachige Urlauber an. Ihnen gut kennenlernen, Land und Leute. Nicht nur Hotel, Strände oder Rum oder so am Strand liegen. Es gefällt ihnen gut, auch rausgehen, ein bisschen gucken. Wir Deutschen interessieren uns für Land und Leute. Das fällt den Reiseexperten auf. Und, dass man sich in Sachen Pünktlichkeit auf uns verlassen kann. Deutsche sind Nummer eins, wenn man über Pünktlichkeit spricht. Oder sogar die Fahrer, alle wissen Bescheid. Na, sind Deutsche. Kein Problem, sie sind immer da. Hallo. Geht's dir besser? Pünktlichkeit verlangen wir Deutsche allerdings auch von unseren Gastgebern. Die deutschen Gäste mögen es nicht, wenn zum Beispiel Sachen passieren, die nicht geplant waren. Wenn das Programm sich verspäte, finden die das nicht so toll. Alles, was nicht nach Plan läuft, missfällt uns Deutschen. Ich plane zum Beispiel extrem viel. Also ich hasse es tatsächlich auch, wenn etwas nicht so verläuft, wie ich es mir vorgenommen habe. Ich glaube, das ist auch so typisch deutsch. Ich muss also schon vorher genau wissen, wie das Hotel ist, wie es bewertet ist. Ich liebe keine unangenehmen Überraschungen. Unangenehme Überraschungen mögen wir also nicht. Aber es gibt ein weiteres Klischee über uns Deutsche, an dem etwas dran zu sein scheint. Ich finde, der Urlaub beginnt einfach mit Sauberkeit. Und Sauberkeit ist einfach Urlaub. Wichtig ist natürlich die Sauberkeit in den Hotels, ganz klar. Für mich ist immer das Schlimmste, wenn ich Haare oder Ähnliches auf dem Bett finde. Das ist etwas, was mir sofort auffallen würde. Es sind die Details, die uns Deutsche verraten. Bei unseren deutschen Gästen ist es öfters mal der Fall, dass wirklich schon, wenn die Hausdame reingeht am Morgen, die Betten schon gemacht worden sind. Sie möchten nicht peinlich ertappt werden. Selbst beim Essen sind wir deutlich zu erkennen. Die Deutschen essen auch in Teller sauber ab als alle anderen. Das fällt mir besonders auf und das genieße ich immer wieder, dass wir selber auch so sind, wie wir sind. Nur beim Feiern gelten wir nicht als Weltmeister. Ab und zu, wenn Sie noch nicht getrunken haben, so laute Musik, gefällt Ihnen vielleicht nicht gut. Aber nach Palco Valibre, nach Palco Valibre ist es ein bisschen leiser, alle einfacher. Für eine Gewohnheit sind wir Deutschen berüchtigt. Das Reservieren der Liegen. Wir haben uns eben schon abgesprochen, dass jeden Tag einer früher aufsteht und schon mal die ganzen Liegen reserviert. Lieben mit Handtüchern reservieren, pünktlich sein, Ordnung halten und alles genau planen. Ja, es gibt wohl ein typisch deutsches Verhalten. Was ist deutsch? Alleine diese Frage zu stellen, ist für mich typisch deutsch. Per Nation würden so etwas nicht tun. Doch manchmal fröstelt es mich. wenn ich die dunkle Seite sehe. In solchen Momenten beginne ich zu zweifeln. Ist auch das Teil dieser Nation? Hallo! Darf ich Ihnen was abnehmen? Ja. Koffer. Ne. Tasche, Digger. Bist du Berliner? Ich bin Berliner, ja. Gebürtiger Berliner. Gebürtiger Berliner. Sieht aber nicht wie ein gebürtiger Berliner aus, oder? Ne, ich sehe nicht aus wie ein gebürtiger Berliner, aber ich fühle mich eigentlich so wie ein Berliner. Was bist du von Haus aus? Von Haus aus? Ich bin ein Deutscher. Aber meine Eltern stammen aus dem Libanon. Ich fühle mich wie ein Araber, wie ein Libanese. Aber wenn man hier sein Leben lang lebt und man kriegt die Frage gestellt, Woher man kommt. Was ist da die richtige Antwort? Deutscher? Oder doch Libanese? Also mein Blut ist auf jeden Fall arabisch. Muss man denn deutsch sprechen, wenn man länger hier ist? Das ist für mich, was Integration heißt, ist in erster Linie die Sprache lernen. Ich integriere mich und lerne die Sprache. Aber Integration heißt für mich nicht, meine Kultur zu vergessen oder meine Religion zu vergessen. Was ich meine Kultur ist, ist die Sprache. Gebräuche zu vergessen. Das ist für mich nicht Integration. Integration heißt, die Sprache zu lernen. Das ist das Wichtigste, das Fundament von Integration. Das Fundament von Integration. Doch gibt es diese eine deutsche Sprache? Nordwind und Sonne. Einst stritten sich Nordwind und Sonne, wer von ihnen beiden wohl der Stärkere wäre, als ein Wanderer, der in einen warmen Mantel gehüllt war, des Weges daherkam. Hans, Luise, Dorothee, Michael und Stefan. In einem Sprachtest sprechen alle denselben Standardtext. Die Probanden stammen aus fünf deutschen Regionen. Und sie alle sprechen Hochdeutsch. Er wärmte die Sonne die Luft mit ihrem freundlichen Strahlen. Und schon nach wenigen Augenblicken zog der Wanderer seinen Mantel aus. Da musste der Nordwind zugeben, dass die Sonne von ihnen beiden der stärkere war. Sprachwissenschaftler wie Roland Kehr ein erkennen die Nuancen in der Sprache. Von unseren Probanden kennt er nur die Vornamen und die Aufnahme des Standardtextes. Seine Aufgabe? herauszuhören, woher genau die Probanden stammen. Sie wurden einig, dass derjenige für den Stärkeren gelten sollte. In den beiden Fällen Hans und Michael war es nicht besonders schwer. Hans wird durch sein apikales R, das gerollte R, eindeutig als Bayer identifizierbar. Michael zeigt eine Reihe von Phänomenen. Am auffälligsten ist sicherlich das, was wir als Zentralisierung, das Ä in Stärkeren bezeichnen, das R-Feld. Bei Stefan, Dorothee und Luise bin ich mir nicht so sicher. Da würde ich gerne noch mal ins Material hören. Bei Dorothee habe ich einen leichten Verdacht. Sie spricht in dem Ausschnitt von freundlichen Strahlen. Das bezeichnen wir als Koronalisierung. Die trifft man häufig in der Mitte Deutschlands und dort v.a. im Westen. Kleine Details beim Sprechen des Hochdeutschen verraten Wissenschaftlern viel. Bei Dorothee kam hier noch die Aussprache von Nordwind als Nordwind hinzu. Und auch das finden wir häufig bei Sprechern im Kölner Raum und auch südlich von Köln. Stefan und Luise machen es dem Sprachwissenschaftler schwerer. Besonders Luise. Sie scheint perfektes Hochdeutsch zu sprechen. Doch in einem sogenannten Wortschatztest kreuzt Luise die Worte Bulette und Bräuler für Hähnchen an. Ein klares Indiz für ihre Herkunft aus dem Osten. Bei Stefan ist die Sache verzwickter. Doch eine genaue Analyse des Wortschatz-Tests bringt uns auch hier weiter. Die Worte puschen und krapfen sind nur in einem kleinen Gebiet südlich von Hannover gebräuchlich. Die Wissenschaftler konnten alle Probanden allein anhand ihres Sprachgebrauchs eindeutig zuordnen. Wir haben eine ausgesprochen reiche Sprachlandschaft und das ist ja auch historisch so gewachsen. Also viel älter sind ja die Dialekte, als es die Standardsprache, das was wir als Hochdeutsch bezeichnen, ist. Und so gesehen, das erhält man ja auch. Das ist etwas Gutes. Ich liebe Hochdeutsch. Ich finde Hochdeutsch etwas ganz Feines. Ich möchte das nicht vermischen. Es gibt also nicht das perfekte Deutsch. Vielmehr ist unsere Sprache ein Mix regionaler Dialekte. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin, kurz LAGESO genannt. Anlaufstelle für viele Flüchtlinge. Hier können sie ihren Asylantrag stellen. An manchen Tagen ist es übervoll, doch heute ist es ruhig. Tja, so kommen sie an und sind zuerst einmal verloren. Und das Interessante ist, in Deutschland, wo alles organisiert ist, tja, weiß man das auch nicht so genau. Man muss suchen. Die auch. Das La Geso ist zum Symbol geworden für die Desorganisation unserer Verwaltung. Doch unzählige freiwillige Helfer engagieren sich und leisten einen großartigen Beitrag. Eine von ihnen ist Diana. Jana Henniges von Moabit hilft. Was die Flüchtlingskrise angeht, die Flüchtlingskrise ist eigentlich nur eine Behördenkrise, es wurde eine Flüchtlingskrise daraus gemacht. Und da reden wir vom Deutschsein, das was uns Deutschen anzusehen. Wir sind Dichter und Denker, wir sind diejenigen, die gut strukturiert sind, die weltweit dafür bekannt sind, für ihre maßgeblichen, innovativen Techniken. Und sind nicht in der Lage, ein paar Geflüchtete, die zu uns kommen, entsprechend zu versorgen. Ich möchte dann, dass Deutschland sein, was repräsentiert, das ist durchaus möglich. Wir haben es ja gesehen, man kann Menschen mit Essen versorgen, man kann sie medizinisch versorgen, man kann Menschen auch mit Kleidung versorgen und ihnen die humanitäre Grundlage geben, der wir uns eigentlich vereidigt haben mit der Genfer Kommission. Wir haben sie ja nicht eingeladen, sondern das ist unsere Verpflichtung. Warum machst du das? Warum ich das mache? Weil ich tatsächlich Romantiker bin. Du auch? Ja, immer noch. Ich habe das große Glück, eine schöne Familie zu haben. in einer tollen Familie zu haben, in einem tollen Elternhaus aufgewachsen zu sein. Die Gnade meines Geburtsortes, ich kann es immer wieder sagen, meine Eltern kommen aus Ungarn, sind eigentlich auch Wirtschaftsflüchtlinge. Ich bin aber in Deutschland aufgewachsen und habe alles schätzen und lieben gelernt, was dieses Land kann, wenn es denn will. Und ich möchte davon ein Stück abgeben können. Und mein zweiter Antrieb ist Wut auf diese unfassbare Blödsinn, der hier verzapft wird. Die Flüchtlinge stellen dieses Land vor eine Zerreißprobe. Manche wollen Grenzen schließen. Zündeln mit populistischer Einfachheit. Doch in einer menschlichen Trotzigkeit wehren sich andere. Wir schaffen das, meint die Bundeskanzlerin. Doch es gibt andere, die sagen, dunkle Hautfarbe unerwünscht. Wie sieht ein Deutscher aus? Gibt es das typisch deutsche Aussehen? Frankfurt, Januar 2016. In einem Saal treffen sich über 350 Deutsche zu einem Jubiläum. Sie feiern das 30-jährige Bestehen der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Heute sind sie eine starke Initiative. Doch vor 30 Jahren kämpften viele noch vereinzelt in kleinen Gruppen für ihre Interessen und gegen Rassismus. 30 Jahre Schwarze Bewegung in Deutschland, hat Spuren hinterlassen, ist sichtbar geworden, hörbar geworden. Als ich dann aufstand, den Kittel überstreifte, weiß natürlich, schön war's, ich war's, stark war's und schwarz war's. Natürlich! Schwarz und Deutsch, das sind etwa 500.000 Menschen in Deutschland. Sie eint eine Erfahrung. Ich werde so oft gefragt, oder früher, ja, wenn Sie so ein Deutscher... Aber sie sehen gar nicht aus wie ein Deutscher. Und dann muss ich immer darauf verweisen, dass das Grundgesetz nichts dazu sagt, wie ein Deutscher auszusehen hat. Schwarze in Deutschland sind schon lange Teil der Gesellschaft. in die Jahrhundert hinein gibt es gut dokumentierte Biografien von schwarzen Deutschen. Schwarz und Deutsch, eigentlich heute eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich wären da nicht die vielen Weißen, die das noch lernen müssen. Am Aussehen kann man das Deutschsein also nicht festmachen. Es gibt kein typisch deutsches Gesicht. Derzeit besuche ich viele Konferenzen. Auch das typisch deutsch. Alles wird diskutiert. Migration, Flüchtlinge, Integration. Auch wenn es kein typisch deutsches Aussehen gibt, so spielt das Aussehen für manche eine wesentliche Rolle. Ist das ein Ausdruck von Rassismus? Ich will es verstehen und frage die Sozialwissenschaftlerin Naika Fogultan von der Humboldt-Universität Berlin. wo man das Gesicht sieht, wo man die Hautfarbe sieht, wo man das Aussehen sieht, völlig egal ist, ob du Spätzle isst, ob du gerne Urlaub in Mallorca machst, ob du perfekt Deutsch sprichst, da gibt es einige, die sagen, du gehörst nicht hierhin. Und spätestens bei einer politischen Diskussion kriege ich Mails, die sagen, hau ab. Ja, aber Rassismus ist gar keine Debatte bei uns in Deutschland. Deswegen finde ich das ganz interessant, dass du das überhaupt aufmachst. Ich finde, das ist das Kernzentrum. Wir freuen uns immer wirklich über das... Thema selber zu reden. Das Thema heißt ja nicht Rassismus. Und bei uns ist aber Rassismus keine Debatte, weil... Wir wollen sie nicht zur Debatte machen. Hier wird gedacht, Rassismus ist etwas, das hat mit Kolonien zu tun. Und Deutschland hatte keine Kolonien. Das ist der Frame. Natürlich hatte Deutschland Kolonien, aber die Selbstwahrnehmung ist, wir hatten keine. Und auch ein bisschen. Ein bisschen da unten, das zählt nicht. Im Vergleich zu den anderen waren wir hier die Güter. Dann ist das zweite, Rassismus gab es im Nationalsozialismus. Und das ist auch... Und das dritte ist, Rassismus ist etwas, was die Neonazis haben und ich bin kein Neonazi. ihre Vergangenheit mit Triumphbögen und Denkmälern. Doch keine andere Nation konfrontiert sich selbst auf so ehrliche Weise mit den Schattenseiten der eigenen Geschichte. Aufgestellte Betonblöcke. Sie erinnern an das Unvorstellbare. Den Holocaust. Das Ausmaß dieser Gewalt ist so unfassbar, dass ein Land sich selbst ermahnt. Heute und auch morgen noch. Diese tiefe Narbe ist ein Teil der deutschen Geschichte. Du hast viel Kontakt mit anderen Nationen in Brüssel. Wenn man die fragt, was macht die Deutschen aus? Also sagen die manchmal vorwurfsvoll, ihr Deutschen nimmt das alles zu eng? Oder was sind so, was müsst ihr dir anhören? Sehr interessante Frage. als ich ins Europaparlament gewählt wurde, wenn mir 1994 einer gesagt hätte, oder damals haben mir Leute gesagt, ja, es gibt so was wie einen Volkscharakter. Das hätte ich mit Abscheu und Empörung zurückgewiesen. nicht glaubte, weil ich, es gibt kein volles Charakter. Heute, 22 Jahre später, bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Einer meiner engsten Kollegen hat mir mal gesagt, ihr seid ein romantisches Volk. Entweder seid ihr euphorisiert oder ihr seid zutiefst betrübt. Was Deutsche ausmacht, ist in einer gewissen Weise sind wir ein radikales Volk. Im Positiven wie im Negativen. Also die Wegmarken unserer Geschichte, der Impulse. Positiven wie im Negativen, wirken nach. Die Bundesrepublik Deutschland kann sich von dem Erbe, das sie hat, auch nicht trennen. Es geht gar nicht anders. Aber wir sind eben... Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Ja, ich glaube, dass die Deutschen schon die Neigung haben, weil wir alles so richtig perfekt machen wollen, wollen wir es richtig gut oder dann eben auch richtig schlecht machen. Deshalb ist es deutsch. Ein Spezifikum, das man an uns wahrnimmt aus anderen Ländern, ist schon unser Hang, es unbedingt richtig gründlich machen zu wollen. Jetzt gibt es viele Leute, die skandieren und sagen, Deutschland den Deutschen. Was meinen die eigentlich mit Deutsch? Das ist doch nicht so einfach. Das ist eine Frage, die ich mir häufig ausstelle. Wir dürfen das rassistische Element, das es immer gab, das wir lange unter Kontrolle gehalten haben, das jetzt wieder zum Vorschein kommt, nicht unterschätzen. Diese Überlegung, dass alles, was nicht, und das werde ich ja nicht näher konkretisieren, so ist wie ich selbst, der ich mich hier zum Deutschen erkläre, hat hier nichts zu suchen. Das ist eine Haltung, die gab es immer und die gibt es. Die Antwort, was ist eigentlich Deutsch, kann man so schnell nicht geben, weil man zunächst mal genau die Frage stellen muss, ist Pegida deutsch? Ist die AfD deutsch? Ist das tatsächlich eine Gruppe, die für sich reklamieren kann, Deutschland zu repräsentieren? Und meine Antwort darauf ist mitnichten, auf keinen Fall. Aber was ist eine deutsche Identität? Dass man sich zugehörig fühlt zu dem Volk, in dem man lebt. Das kann jedem gelingen, wenn dieses Volk jeden aufzunehmen bereit ist, der sich mit den Grundwerten dieses Volkes identifiziert. Und wir haben eine Verfassung, wir Deutschen, die in den ersten 20 Artikeln, wie ich finde, wie kaum eine andere Verfassung beschreibt, welchen Rahmen man zu einem toleranten und offenen Leben... in einem Volk schaffen kann. Und schaffen muss. Und wer sich dem zugehörig fühlt, der ist Deutscher im Sinne unseres Grundgesetzes. Wie die Hautfarbe ist, wie die Nationalität seiner Vorfahren, man spielt dabei keine Rolle. Das deutsche Grundgesetz. In jeder Zeile spüre ich diese berührende Sehnsucht nach einer friedlichen, freien, offenen und menschlichen Welt. Deutschland hat aus seinen Fehlern gelernt. Und wenn Deutschsein bedeutet, dieses Gesetz zu achten, dann wünschte ich mir, dass die Welt ein wenig deutscher wäre. Bei meiner Suche bin ich verabredet bei der Bild-Zeitung. Gleichermassen ein Seismograph und Stimmungsmacher der Nation. Ich frage Kai Diekmann, wo stehen die Deutschen im Moment? dass wir jetzt wieder in einer Phase sind, wo wir uns so natürlich versuchen, uns selbst zu vergewissern, was sind wir eigentlich. Also wenn man jetzt auf der negativen Seite ist, erleben wir auch wieder etwas, was typisch deutsch ist, nämlich diese... Deutsche Angst. Und diese deutsche Historie. Und das ist eine Sache, die du ja immer und immer wieder erlebst. Also wenn du dir anguckst, wie die Deutschen reagiert haben auf die Ankunft der Flüchtlinge. Himmel hoch jauchzend. Genau, Himmel hoch jauchzend, zu Tode betrübt. Also Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof wurden mit Teddys beworfen. Und es war alles ganz großartig. Und binnen weniger Monate schlägt das alles um und das Abendland ist bedroht. Das ist ein witzig Monotaufe Cocktail. Sie nicht, aber insgesamt. Das sind ja glaube ich nur extreme Vorkommnisse, die ja auch nicht typisch sind, die aber in unserer Wahrnehmung jetzt auch schon wieder verzerrt werden. Also ich glaube, wenn du über dieses Thema sprichst, was ist Deutsch, gehört das auf jeden Fall dazu, dieses Nicht-Ausgeglichen-Sein. Genau wie du es gesagt hast, Himmel hoch jauchten, zu Tode betrübt, wir fallen von einem Extrem in den anderen. ins andere. Und ich glaube, wenn es darum geht, hysterisch zu sein, dann sind wir in beide Richtungen auch Weltmeister. Sowohl was unsere Selbstüberheblichkeit mitunter angeht. Wir wissen es besser, wir können es besser, sind da dann beispielsweise mit VW ganz böse auf die Schnauze gefallen, nachdem wir den Amerikanern immer erzählen, was den Umweltstandard sind. Was macht ihr dort eigentlich? Und auf der anderen Seite übertreiben wir dann auch sofort wieder in die andere Richtung. Also wenn es darum geht, dass wir in alarmismus zu machen angst zu haben vor was auch immer und wenn jetzt einen deutschland denkst du was denkst du dann denkst du an begriffe wie heimat dann denkst du an die deutschen landschaften dann denkst du an die 16 bundesländern dann denkst du an vier jahreszeiten dann denkst du an walden alles was dazu gehört und dann gibt es natürlich einen teil unserer seele der ja der hat irgendwas mystisches wir haben ja ich hab das gerade gezeigt dass wir diese ausgabe gemacht haben haben da gibt es ein foto drin das lag mir besonders am herzen da haben wir mal versucht natürlich überzeichnet aber im klischee zusammenzufassen was deutsch ist und kommt ihr auf das hier und dann fand ich das irgendwie natürlich ist der wald käppchen der wald die die blonden genau und der wald als sehnsuchtsort Wir sind natürlich auch ein unglaublich organisiertes Land. Das, wo wir vielleicht manchmal dran leiden, wird hier von außen als großartig empfunden. Und mal ganz im Ernst, du hast ja auch auf der ganzen Welt gelebt. wenn du einmal in Amerika gelebt hast und einmal versucht hast, einen Plummer zu bekommen, also einen Klempner, der die Abwasserleitung repariert. dann weißt du, wie großartig deutsche DIN-Normen sind. Dann weißt du, wie großartig ist, dass jemand, der sich Klempner nennt, auch tatsächlich Klempner gelernt haben muss, dass der ganz viele Prüfungen abgelegt hat und dass der wirklich in der Lage ist, seine Abwasserleitung zu reparieren. Und du nicht neun ausprobieren musst, um danach ein ruiniertes Erdgeschoss zu haben, einen ruinierten Garten zu haben, weil die einfach Plammer draußen aufs Auto schreiben können. Also ich glaube, da sind wir... negativ sagen willst, also in unserer manchmal Unbeweglichkeit oder unserer Statik, da sind wir schon präzise. Und ich glaube, das hat natürlich auch etwas mit der Tatsache zu tun, dass wir ein Land von Ingenieuren sind, in dem wir Dinge und Abläufe... ordentlich durchorganisieren. Was ist Deutsch? Die Antwort ist wohl auch eine Frage der Perspektive. Der weltgewandte Journalist sieht das vielleicht anders als der einfache Mann auf der Strasse. Zum Beispiel hier, im Herzen von Berlin-Kreuzberg. Hier sprechen die Menschen türkisch und das, obwohl viele hier geboren und aufgewachsen sind. Manche hier wollen gar nicht deutsch sein. Ein Land in einem Land. Gut, und selbst? Wenn man Sie jetzt fragt, was sind Sie? Deutscher? Also ich bin seit 47 Jahren hier in Berlin. Also ich fühle mich als Deutscher. Natürlich, das ist klar. Aber mein Kopf ist immer noch in der Heimat. Die Heimat ist immer noch die Türkei. Auch nach 47 Jahren bleibt man mit dem Kopf... Wir haben immer die Sehnsucht gehabt. Die habe ich immer noch. Aber da kann ich mich nicht mehr lieben. Ich fühle mich hier wohl. Ich kann nur da zwei Monate, höchstens zwei Monate oder zweieinhalb Monate, da sage ich, ich muss raus, muss wieder in Berlin. Wenn ich in Berlin komme, denke ich, ich bin in meinem Dorf wieder. Berlin als Dorf. Es ist eben eine Frage der Perspektive, vielleicht der Mentalität. Manche glauben, deutsch zu sein habe gar mit Vererbung zu tun. Doch kann man Deutsche an ihren Genen erkennen? Woher Tim Giesbers stand, ist ihm nicht anzusehen. Weisen ihn möglicherweise seine Gene als Deutschen aus? Einer, der das untersucht, ist der Bioinformatiker Sven Bergmann. Wir haben uns die Get-Profile von ungefähr 6000 Menschen angeschaut, um herauszufinden, was ähnlich ist und was unterschiedlich ist zwischen diesen Leuten. Tim Giesbers Familie stammt seit Generationen aus Norddeutschland. Doch wie sehr ähnelt sein Genprofil dem eines Süddeutschen? Zum Beispiel Björn Baumgärtner. Seine Vorfahren sind in Bayern verwurzelt. Wenn es ein deutsches Genprofil gibt, dann sollten Tim und Björn es haben. Eine Genanalyse sucht in ihrem Erbgut nach Auffälligkeiten. Rund 500.000 Stellen im Erbgut vergleichen die Forscher dabei. Und sie vergleichen die Gendaten der beiden Deutschen mit ihrer Datenbank. Darin haben sie die Gensätze von 6000 Europäern untersucht und berechnet, wie ähnlich sich deren Gene sind. Tatsächlich zeigen sich Netzwerke von eng beieinanderliegenden Punkten. Das bedeutet tendenziell, dass diese Leute genetisch ähnlicher sind und dass sie potenziell verwandt sind. Also wenn zum Beispiel zwei eineige Zwillinge wären der gleiche Punkt. Schließlich entsteht eine riesige Wolke aus genetischen Ähnlichkeiten und Unterschieden. Sie zeigt die Genprofile der 6000 untersuchten Europäer. Und wenn man sie dreht? Europa als bunte Genwolke. Und diese Abbildung sah so aus wie die Karte von Europa. Nach dieser Karte können Gene verraten, woher ein Europäer kommt. Doch halten sich die Ähnlichkeiten der Genprofile nicht an nationale Grenzen. Auch Tim und Björn sind auf Bergmanns Karte eingeordnet. Tim in Norddeutschland und Björn in Süddeutschland. Also es ist so, dass diese Abbildungen aufgrund der Genprofile nie ganz eindeutig sind. Also diese Wolken sind nicht völlig trennbar und es kann gut sein, dass zum Beispiel ein Bayer auch in der Schweizer Wolke abgebildet würde oder ein Norddeutscher ganz nah. Bei den Dänen oder vielleicht sogar bei den Polen oder bei den skandinavischen Ländern. Ein deutsches Genprofil gibt es nicht. Tim ähnelt genetisch den Skandinaviern mehr als einem Landsmann Björn. Und Björn könnte von den Genen her auch ein Schweizer sein. Anhand der Gene kann man also nicht ablesen, ob jemand wirklich deutsch ist oder nicht. Es gab und gibt keine Sortenreinheit. Weder bei den Menschen noch bei den Produkten. Offensichtlich ist die Antwort auf diese einfache Frage, was ist Deutsch, wohl nicht ganz so einfach, wie manche meinen. Weder das Aussehen, noch die Gene, die Sprache oder die Produkte erlauben diese klare Trennung in Deutsch und Nicht-Deutsch. Ja, es gibt Tugenden und Verhaltensweisen und ein wunderbares Grundgesetz, das uns alle in unserer Vielfalt eint. Vielleicht sollten wir das Deutschsein offener betrachten. Davon erzählt auch das Wahrzeichen dieser Nation, das Brandenburger Tor. Jahrzehntelang war es verschlossen, das Symbol einer verletzten und geteilten Nation. Doch nun ist das Tor offen und damit vielleicht auch ein Symbol für ein offeneres Deutschland. Oh, wie schade, schon vorbei. Glücklicherweise haben wir noch mehr Videos. Einfach da abonnieren, dann kommen wir automatisch zu Ihnen. Oder, falls Sie es gar nicht erwarten können, entweder da oder da klicken, da gibt es noch mehr schöne Filme.