Transcript for:
Artenbildung und Mechanismen

In diesem Video geht es um die allopatrische und die sympatrische Artbildung, zwei sehr unterschiedliche Mechanismen, die allerdings beide zum gleichen Ergebnis führen, nämlich zur Bildung neuer Arten. Zum Schluss schauen wir uns noch kurz die parapatrische Artbildung an. Dazu nochmal kurz der Artbegriff zur Wiederholung. Eine Art ist eine Gruppe von Populationen, die eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden und reproduktiv von anderen Arten isoliert ist. Sie können sich also nur untereinander, aber nicht mit anderen Arten kreuzen bzw. fortpflanzen. Und somit ist für alle Artbildungsprozesse klar, dass das Ergebnis mindestens zwei reproduktiv voneinander isolierte Arten ist. Der Weg dorthin unterscheidet sich allerdings deutlich. Von der allopatrischen Artbildung spricht man, wenn eine Population durch eine physikalische Barriere aufgetrennt bzw. separiert wird. Das solltet ihr euch merken, denn darum geht es im Kern. Geografische Barrieren bewirken eine allopatrische Artbildung. Eine solche geografische Barriere, die das Verbreitungsgebiet einer Art unterteilt, kann für terrestrische, also landlebende Organismen, beispielsweise ein Gewässer, ein Gebirge oder ein anderes unbewohnbares Habitat sein, für aquatische, also wasserlebende Organismen, zum Beispiel trockenes Land. Bilden können sich solche Barrieren durch Kontinentalverschiebungen, durch den Anstieg bzw. die Senkung des Meeresspiegels, durch das Vorstoßen bzw. den Rückzug von Gletschern oder anderen Klimaveränderungen. Nachdem eine Population durch eine geografische Barriere aufgespalten wurde, entwickeln sich die Teilpopulationen aus verschiedenen Gründen unterschiedlich. Meist sind es unterschiedliche Umweltbedingungen und damit unterschiedliche Selektionsdrücke, der sich die Teilpopulationen im Laufe der Evolution angepasst haben. Aber auch Gentriffe, also eine zufällig bewirkte Veränderung des Genpools, zum Beispiel durch eine Naturkatastrophe, können Unterschiede der beiden Teilpopulationen bewirken. Die Entstehung einer neuen Art erfolgt dabei graduell, also allmählich. Durch Mutationen, also Veränderungen im Erbgut, ihr erinnert euch, das ist ein Antriebsfaktor für Evolution, evolvieren zunächst Unterarten. Zwar unterscheiden sich diese bereits, zum Beispiel morphologisch, also in ihrem äußeren Erscheinungsbild, allerdings können sie sich noch miteinander fortpflanzen. Und die weitere getrennte Entwicklung bewirkt schließlich auch eine genetische Isolation. Fällt die geografische Barriere wieder weg, können die Populationen das dazwischenliegende Gebiet wieder besiedeln und auch gemischte Bestände bilden, sich aber nicht mehr miteinander kreuzen. Ein bekanntes Beispiel für die allopatrische Artbildung sind die 14 Finkenarten der Galapagos-Inseln, die ursprünglich aus einer einzigen südamerikanischen Art hervorgehen. Die geografische Barriere bildete das Meer und die einzelnen Inseln waren so weit voneinander entfernt, dass sich die Finken nur selten zwischen ihnen ausbreiten konnten. Aufgrund der unterschiedlichen Umweltbedingungen auf den Inseln haben sich so unterschiedliche Arten entwickelt. Im Gegensatz dazu erfolgt die sympatrische Artbildung ohne physikalische Barrieren. Eine Artbildung ohne eine physikalische Isolation erfolgt allerdings nur unter besonderen Umständen und wird eher selten in der Natur beobachtet. Gerade haben wir festgestellt, dass es sich bei der Artbildung um einen graduellen, also allmählichen Prozess handelt, bei der es zu einer reproduktiven Isolation kommt. Aber wie kann eine reproduktive Isolation entstehen, wenn die Individuen häufig die Chance haben, sich miteinander zu kreuzen? Am häufigsten erfolgt die sympathische Artbildung durch Polyploidie. Die Verfehlfachung des Chromosomensatzes bei einem Individuum infolge einer Genommutation, häufig auftretend bei höheren Pflanzen. Auf den genauen Vorgang möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, dazu würde ich bei Interesse mal ein eigenes Video machen. Individuen mit unterschiedlicher Anzahl von Chromosomensätzen derselben Art sind reproduktiv voneinander isoliert. Sollten sie sich kreuzen, sind ihre Hybridnachkommen in der Regel steril. Sie können also keine lebensfähigen Geschlechtszellen produzieren. weil ihre Chromosomen sich in der Meiose nicht gleichmäßig verteilen. Somit kann Polyploidie innerhalb von nur zwei Generationen zu einer vollständigen reproduktiven Isolation führen. Eine bemerkenswerte Ausnahme der sonst geltenden Regel, dass es sich bei der Artbildung um einen allmählichen Prozess handelt. Sympathische Artbildung kann aber auch durch eine Form der disruptiven Selektion erfolgen. Erinnert euch! die disruptive Selektion und wird auch aufspaltende Selektion genannt. Hier sind die häufigen Formen einer Population einem Selektionsdruck ausgesetzt, wohingegen Individuen mit extremer Merkmalsausprägung Vorteile haben. Eine solche Artbildung erfolgt bei der Apfelfruchtfliege im Osten von Nordamerika. Während lange Zeit Balz, Paarung und Eiablage ausschließlich auf Weißdornfrüchten stattfand, entwickelten vor ca. 150 Jahren einige Apfelfruchtfliegen das Verhalten, ihre Eier an Äpfel abzulegen, welche europäische Einwanderer mitgebracht haben. Die Apfelbäume sind zwar nah mit dem Weißdorn verwandt, aber die Früchte verströmen einen anderen Duft und zudem reifen die Äpfel früher als die Früchte des Weißdorns. Und so kam es, dass einige früh geschlüpfte Apfelfruchtfliegen ihre Eier an den schon reifen Früchten der Apfelbäume ablegten. Sie entwickelten eine genetisch festgelegte Präferenz für Äpfel anstatt für die Früchte des Weißdorns. Und so findet die Paarung auf den Äpfeln nur mit anderen auf den Äpfeln geschlüpften Fliegen statt, welche die gleiche Präferenz zeigt. Und so entwickelten sich im Laufe der Evolution zwei Arten. Bei der einen Art erfolgt Paarung und Eiablage auf Weißdornfrüchten, bei der anderen auf Äpfeln. Zuletzt noch ein paar Sätze zur parapatrischen Artbildung. Häufig wird die parapatrische Artbildung als Mittelweg zwischen allopatrischer und sympatrischer Artbildung gesehen. Zwei Teilpopulationen besiedeln Verbreitungsgebiete, die geografisch aneinander grenzen. Der Prozess der Artbildung findet also im Gegensatz zur allopatrischen Artbildung nicht in zweiräumlich vollständig voneinander getrennten Gebieten statt, aber auch nicht im selben Gebiet wie bei der sympatrischen Artbildung. Auch hier wirkt durch unterschiedliche Umweltbedingungen eine disruptive, aufspaltende Selektion, wie das nachfolgende hypothetische Beispiel mit Echsen veranschaulichen soll. Nehmen wir mal an, dass in einem Gebiet A vor allem dunkle Felsen einen Großteil des Gebietes einnehmen und in einem Gebiet B der Felsuntergrund vor allem hell ist. Dann sind dunkelhäutige Echsen vor allem im Gebiet A besser angepasst und hellhäutige Echsen im Gebiet B. Zunächst entstehen zwar in einer Überlappungszone auch Mischlinge mit einer grauen Farbe, die fertil bzw. fruchtbar sind, allerdings sterben diese langfristig infolge der geringeren Angepasstheit aus. In beiden Gebieten haben sie einen Selektionsnachteil, weil sie relativ leicht von Fressfeinden entdeckt werden. So kommt es auf lange Sicht zu einer Unterbrechung des Genflusses und zur Entstehung neuer Arten. Zum Schluss habe ich euch in einer Tabelle nochmal die wichtigsten Unterschiede der verschiedenen Formen der Artbildung zusammengefasst.