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Al-Andalus: Geschichte und Kulinarik

Ich begrüße Sie ganz herzlich zu diesem historischen und später auch noch kulinarischen Abend. Schön, dass Sie trotz des Biergartenwetters und trotz der EM so zahlreich hier nach Hohenheim gefunden haben. Andalusien. Wo dann denken Sie, wenn Sie dieses wohlklingende Wort hören? Olivenöl, Sherry, Ramon Imbérico, weiße Dörfer, die Küste von Almería, die Straße von Gibraltar, die Sierra Nevada vielleicht. Vielleicht denken Sie an Flamenco oder an Stierkampf oder vielleicht an den FC Sevilla. Vielleicht haben Sie Andalusien auch schon bereist oder haben das vor. Vielleicht haben Sie die Moschee von Cordoba schon besichtigt oder das bekannteste Bauwerk. Spaniens die Alhambra von Granada. Vielleicht denken Sie aber sowieso, wenn Sie historisch interessiert sind, oder spätestens nach dem heutigen Abend, an das sogenannte maurische Spanien, an die verschiedenen islamischen Reiche auf der iberischen Halbinsel, an kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt und vielleicht auch an die Frage, ob und wie dieses interreligiöse Zusammenleben im mittelalterlichen Spanien gelingen konnte. Vielleicht denken Sie... Sie sogar an die wissenschaftlichen Debatten zur Frage Convivencia oder Conveniencia. Denn Andalusien ist natürlich nicht nur ein zeitgenössischer geografischer Name, sondern steht in seiner ursprünglichen arabischen Form Al-Andalus, auch für eine fast acht Jahrhunderte währende Epoche, die hierzulande vielen kaum bekannt ist, die aber in ihrer Bedeutung für die gesamte europäische Geschichte kaum zu unterschätzen ist. Einfach mal so als Appetithäppchen rausgepickt im Jahr 1050, vor fast 1000 Jahren, da waren Städte wie Rom, London, Venedig nach heutigen Maßstäben noch Kleinstädte mit wenigen 10.000 Einwohnern und zur gleichen Zeit war das... maurische Cordoba mit 450.000 Menschen die größte Stadt Europas, gefolgt vom damals ebenfalls muslimischen Palermo und dann an dritter Stelle dem andalusischen Sevilla. Einige der bedeutendsten Denker des Mittelalters muslimischen... muslimische und jüdische Philosophen stammten aus Al-Andalus. Wir verdanken unter anderem ihnen auch die Bewahrung und die Weiterentwicklung der antiken Philosophie und Wissenschaft, zum Beispiel in den Übersetzerschulen des kosmopolitischen Toledo. Auch das arabische Ziffernsystem kam über Al-Andalus nach Europa. Und auch theologisch ist die Epoche natürlich hochinteressant. Al-Andalus war eben nicht nur ein muslimisches Herrschaftsgebiet, sondern es lebten dort immer auch Christen und Juden. Also die drei großen monotheistischen Religionen so nah beieinander, das war für das Mittelalter sicher einzigartig. Man arrangierte sich, man bekämpfte sich gegeneinander, untereinander, schmiedete Allianzen, trat in kulturellen und wissenschaftlichen Austausch und darüber werden wir gleich auch noch einiges hören. Mich persönlich interessiert als Historiker auch die Nachwirkung dieser Epoche. Wir sind hier und jetzt. Wie steht ein so katholisches Land wie Spanien heute zu dieser muslimisch geprägten interreligiösen Vergangenheit? Wie wird die Rolle von Al-Andalus in Gesellschaft, Politik und Geschichtswissenschaft bewertet? Ist Spanien Spanien trotz oder gerade wegen seiner muslimisch-christlich-jüdischen Geschichte? Werden die spanischen Muslime des Mittelalters als Fremde gesehen oder als Vorfahren? Einigkeit scheint es dazu heute bis heute zu sein. heute nicht wirklich zu geben, was nicht verwundert, wenn man bedenkt, welche große Rolle Geschichte auch in aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten spielt. Zum Beispiel, wenn sich manche, nicht nur in Deutschland oder Spanien, die Rückbesinnung wünschen auf eine große nationale Vergangenheit, die in den meisten Fällen aber vor allem Imaginationen und Projektionen moderner Vorstellungen entspringt und weniger den historischen Tatsachen entspricht. In diesem Zusammenhang, das nur als Beispiel herausgepickt, Er erfährt seit einigen Jahren auch der historische Begriff der Reconquista, also der christlichen Rückeroberung der iberischen Halbinsel. Eine unzählige Renaissance von der sogenannten Identitären Bewegung und anderen rechtsextremen Kreisen. Aufgewärmt wird dieses Schlagwort und instrumentalisiert und dient als Kampfbegriff, der als Reconquista die christliche Rückeroberung Deutschlands und Europas propagiert. Also konkret die Vertreibung, Deportation, Displomation. die sogenannte Remigration muslimischer Menschen. Reconquista Germanica nannte sich zum Beispiel ein geheimes Netzwerk, ein rechtsextremes Netzwerk, das bei den Bundestagswahlen 2017 Online-Kampagnen zugunsten der AfD orchestrierte und momentan ermitteln die baden-württembergischen Behörden gegen eine Gruppe namens Reconquista 21, die davor noch Wackere Schwaben hieß, wegen mehrerer rassistischer Schraftaten. Sie sehen also... Ob Sie eher historisch, theologisch oder politisch interessiert sind, es gibt bei der Auseinandersetzung mit Al-Andalus zahlreiche Anknüpfungspunkte. Ich hoffe, ich habe damit so ein bisschen Ihren Appetit geweckt. Es ist natürlich so, dass wir diesem breiten Themenfeld an zwei Abenden sicher nur Schlag... Lichtmäßig uns annähern können. Das tun wir dann aber mit geballter Expertise. Zunächst heute Abend mit dem Historiker Dr. Erik Böhme, den ich Ihnen gleich noch näher vorstelle. Und dann am 11. Juli, am zweiten Abend dieser kleinen Reihe. Organisiert mein Kollege Christin Ströbele vom Fachbereich Interreligiöser Dialog einen Abend, an dem der Tübinger Religionswissenschaftler Professor Sultan Schreiner dann speziell über die Beziehungen der Religionen im historischen Al-Andalus sprechen wird. Der Abend wird dann auch musikalisch noch umrahmt. Die Idee zu dieser kleinen Reihe, wenn man sie Reihe nennen mag, stammt von unserem ehemaligen Kollegen Hussein Hamdan, der bis vor wenigen Monaten den Fachbereich Muslim in Deutschland an der Akademie leitete und der uns seit Jahren immer wieder vorgeschwärmt hat vom heutigen Andalusien und vom historischen Al-Andalus und gemeint hat, wir müssen doch mal was machen, eine fachbereichsübergreifende Veranstaltungsreihe. Endlich haben wir es geschafft, seine Anregung aufzugreifen. Deswegen freue ich mich ganz besonders, dass er heute Abend auch bei uns ist. ist. Danke für die Inspiration, lieber Hussein. Und bedanken will ich mich auch ganz besonders bei der Vereinigung von Freunden und Förderern der Akademie, kurz dem Akademie, der die beiden Abende durch großzügige Förderung möglich macht. Wenn Sie die Akademie schon länger kennen, werden Sie wissen, welche wichtige Rolle der Akademie für unsere Arbeit spielt. Wenn Sie noch nicht Mitglied sind, können Sie ja vielleicht auch mal darüber nachdenken, ob Sie nicht auch uns durch eine Mitgliedschaft im Förderverband der Vereiniger unterstützen mögen. Jetzt darf ich Ihnen aber unseren Referenten des heutigen Abends vorstellen, Dr. Erik Böhme. Er hat in Leipzig, an der Uni Leipzig, Geschichte studiert und dort promoviert, 2017 zu den Außenbeziehungen des Königereichs Jerusalem im 12. Jahrhundert. Danach war er noch wissenschaftlicher Mitarbeiter in Leipzig, bevor er dann 2020 an die Uni Konstanz gewechselt ist. Dort ist er akademischer Mitarbeiter an der Professur für Geschichte der Religionen und letztes Jahr mit einer Arbeit zur Etablierung des normannischen Sizilien und des Königereichs Valencia aus der Perspektive der muslimischen Gemeinden habilitiert. Herzlichen Glückwunsch noch mal. Herr Böhme forscht schwerpunktmäßig zu interreligiösen Beziehungen im mittelalterlichen Euro-Mediterraneum, zu Diplomatie und Herrschaftsaushandlungen in kultureller-religiösen Grenzbereichen und auch zur Epoche der Kreuzzüge und ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt eben auch auf der Geschichte von Al-Andalus und er ist auch Mitherausgeber der Zeitschrift Transmediterranean History. Ich könnte mir kaum jemanden vorstellen, der uns besser in dieses Thema einführen könnte. Herr Böhme, ich bin gespannt auf Ihren Vortrag. Lieber Johannes, vielen herzlichen Dank für die freundliche Einführung sowie die Einladung zu dieser schönen Veranstaltung, über die ich mich natürlich sehr freue. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich freue mich, Sie heute Abend in einer Phase zu sein, Euromediterraner Geschichte mitnehmen zu können, die wohl kaum wie eine andere verbunden ist mit Gedanken an ein verlorenes, legendenhaft überhöhtes Paradies, geradezu einen Paradiesgarten, in dem Menschen verschieden sind. die Nahherkunft und Religionen ein friedliches Miteinander ausüben konnten. Die Rede ist von Al-Andalus, jenen Teilen der iberischen Halbinsel, die zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert unter muslimischer Herrschaft standen. Die Herrschaft der Muslime über die Halbinsel gilt vielen Menschen inner-und auch außerhalb Spaniens und Portugals bis heute geradezu als Musterbild für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionsgemeinschaften. der bereits angesprochenen Convivencia, dank der Künste und Wissenschaften im Austausch zwischen arabisch, jüdisch und christlich geprägter Kultur florieren konnten. Doch war Al-Andalus, wie ich zu zeigen hoffe, keineswegs ein immerwährendes Paradies der Toleranz, prägten durch zahllose Kriege, die im Verlauf der Jahrhunderte um die Vorherrschaft auf der Halbinsel geführt wurden, das Verhältnis der Religionsgemeinschaften nachhaltig. Ich konnte es. unter solchen Bedingungen überhaupt eine Konvivenz ja ein Zusammenleben geben oder lässt sich das Verhältnis der gesellschaftlichen Gruppen vielleicht doch ein bisschen anders greifen? Um diese und andere Fragen soll es in den folgenden rund 55 Minuten gehen. Dabei möchte ich Sie zunächst mit zu den Anfängen des Andalos im 8. Jahrhundert und der ersten Blütezeit muslimischer Herrschaft nehmen, wobei wir uns in einer etwas längeren Verschnaufpaar- Pause von den historischen Fakten überblinkt auch mit den gesellschaftlichen Strukturen im iberischen Kalift befassen wollen. Im Anschluss daran werden wir sehen, wie die Kriege, die um die Vorherrschaft auf der Halbinsel geführt wurden, diese Strukturen beeinflusst haben. Zunächst soll es dabei um muslimische Herrschaftswechsel gehen, bevor wir dann auf das Vordringen Christen sprechen. der bereits angesprochenen, teilweise noch sogenannten Reconquista zu sprechen kommen. Abschließend werden wir noch einen ganz kurzen Ausblick auf die modernen Deutungskämpfe zum Erbe von Al-Andalus richten und so versuchen wir, die Reconquista zu verändern. nach unserer Reise durch die Jahrhunderte zurück in unsere Zeit zu finden. Daraus ergeben sich dann hoffentlich gute Ansatzpunkte für die Diskussion. Ein volles Programm, würde ich sagen. Also lassen Sie uns nun direkt in Medias Res gehen. Die Geschichte von Al-Andalus beginnt mit einem Vertrauensbruch, gefolgt von einem Verrat. Um das Jahr 92 der islamischen Zeitrechnung, das Jahr 711 der christlichen Ära, habe sich, so berichtet der ägyptische Geschichtsschreiber Ibn Abd al-Hakam, im Reich der Westgoten etwas Unerhörtes ereignet. Julian, der westgotische Stadthalter von Sirta und Algeciras, hatte seine Tochter nach Toledo geschickt, damit sie am Hof seines Herrn, dem Westgoten, Gotenkönig Roderich erzogen und ausgebildet werden würde. Das Vertrauen seines Stadthalters habe der Könige allerdings missbraucht, habe er das ihm anvertraute Menschen doch schon bald geschwängert. Auf diese schändliche Art und Art habe Julian auf Rache gesonnen. Ich sehe keine andere Strafe und keine Vergeltung, als dass ich die Eroberer gegen ihn hereinlasse, soll er gesagt haben. Noch im selben Jahr habe er Tarek bin Siad, einen zum Islam konvertierten Amaziri-Dynastie unter... und kalifalen Militärkommandeur im westlichen Nordafrika versprochen, ich verschaffe dir Eintritt nach Al-Andalus. Wenig später sei das Unternehmen dann auch in die Tat umgesetzt worden, denn unter Anleitung Julian seien muslimische Truppen in einer Nacht-und Nebelaktion über die Meerengel zwischen Nordafrika und der iberischen Halbinsel übergesetzt. Diese habe in der Nähe eines Berges gelegen, den man später Berg des Tarek, auf Arabisch Jabal Tarek genannt habe. Felix von Gibraltar. Die Details dieser Anekdote unseres ägyptischen Gewerksmanns, der fast 150 Jahre nach den Ereignissen und am anderen Ende des Mittelmeers schrieb, mögen wenig glaubwürdig erscheinen und lassen sich auch, da bin ich ganz ehrlich, überhaupt nicht verifizieren. Wir wissen aber auch aus anderen Quellen, dass besagter Tarek bin Ziyad im Frühjahr 711 tatsächlich über die besagte Meerenge auf die Halbinsel übersetzt. und mit einem mehreren tausend Mann starken, vor allem aus Immersiren, also Berbern bestehenden Herr, gegen das Westgotenreich zog. Bereits im Juli jenes Jahres kam es zu einer achttägigen Entscheidungsschlacht am Rio Guadalete, bei der Könige Roderich den Tod fand. Die Verteidigung des Westgotenreiches durch innere Machtkämpfe zwischen verschiedenen Herrscher und Adelsfraktionen, unhin wenig handlungsfähig, brach nun sukzessive. zusammen, während die Muslime in rascher Folge Cordoba, Malaga und schließlich die Hauptstadt Toledo erobern konnten. In den folgenden Jahren setzten die Muslime ihren Siegeszug fort und brachten bis 716 nahezu die gesamte Halbinsel bis Galicien, Navarra und Katalonien unter ihre Herrschaft. Auch die Pyrenäen wurden dabei nicht als Grenze angesehen. 720 fielen nach Bonn, führte eine Razzia sogar bis nach Gallien, wo der Franke Karl Martin den bis dahin nördlichsten Vorstoß der Muslime in der berühmten Schlacht von Thur und Poitiers ein Ende setzte. Dass die Muslime sich nördlich der Pyrenäen letztendlich nicht dauerhaft festsetzen konnten, lag nicht nur am Widerstand der militärisch starken Franken. Auch auf der iberischen Halbinsel musste die Herrschaft über die riesigen, geradezu um Handstreich eroberten Gebiete natürlich erstmal grundlegend konsolidiert werden. Zudem hatte sich im nordiberischen Gebirgsland, das ist also das heutige Asturien, einheimischer Widerstand gegen die Eroberer halten können. In der Schlacht... von Covadonga, das ist mit einem Kreuz markiert, auf der Karte konnten sich Rebellen sogar so weit empor schwingen, dass sie ein muslimisches Heer besiegen konnten und in der Folge auch ihre Unabhängigkeit bewahren konnten. Obwohl dieser Sieg entgegen späterer Legenden sicher nicht als Beginn der sogenannten Reconquista bezeichnet werden kann, bildeten sich in den folgenden Jahrzehnten auch Andernorts im Norden der Halbinsel Christin. die bald von Galicien bis nach Katalonien reichten. Aber wer waren eigentlich die Muslime, die über den größten Teil der Halbinsel herrschten und das Land mit dem bis heute nicht ganz zu erklärenden Begriff Al-Andalus bezeichneten? Obwohl Tarek bin Siad und sein Herr, der nordafrikanische Schriftsteller, Stadthalter Musa bin Nusayr die Eroberung des Westgotenreiches auf eigene Initiative vorangetrieben hatten, hatten sie das Gebiet letztendlich nur für ihren Oberherrn besetzt und das war der Kalif der Umayyadendynastie mit Sitz im fernen. Damaskus. In den ersten Jahrzehnten nach der muslimischen Eroberung blieb Al-Andalus daher die nordwestlichste Provinz, man möchte auch sagen Peripherie, dieses riesigen, innerhalb weniger Generationen eroberten Reiches, das sich im Osten bis in den heutigen Iran und Pakistan erstreckte. Man sieht es auf der Karte. Und ganz genau dort in Zentralasien kam es Ende der 740er Jahre zu Ereignissen, die bald gravierende Auswirkungen auf die... die Situation im Andalus haben sollten. Gegen die Herrschaft, der auch an dieser Peripherie, dieser östlichsten Peripherie, fernen Damascener Kalifen, formierte sich nämlich militärischer Widerstand, der schließlich in der gewaltsamen Ablösung der Umayyaden durch die Anassir-Dynastie im Jahre 750 mündete. Dem Massaker am Kalifenhof entkam allerdings der 19-jährige Umayyaden Abderrahman I. Über Nordafrika soll er nach Al-Andalus geflohen sein und sich in der westlichsten Peripherie bereits 756 ein unabhängiges Emirat um die Metropole Cordoba geschaffen haben, das er in den folgenden drei Jahrzehnten über große Teile der Halbinsel auszudehnen vermochte. Auch seine Nachfolger bewahrten in den folgenden ungefähr 150 Jahren die Geschichte der Erfolge des Kalifs. Jahren ihre Unabhängigkeit, doch schwankte ihr Herrschafts-und Einflussbereich bisweilen ganz erheblich, reichte manchmal bis in den Maghreb, ging unter anderem im Miren aber kaum über Cordoba selbst hinaus. Einen erneuten Wendepunkt markiert dann das Jahr 929. Sie merken, wir müssen ein bisschen schneller durch die Geschichte durchgehen. Abderrahman IiiI. hatte in den 17 Jahren seiner bisherigen Herrschaft etliche Rebellionen beendet und die Autorität Kurdobas über den Großteil von Al-Andalus wiederhergestellt. 929 befand Abderrahman IiiI. sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und wagte dann einen nahezu skandalösen politischen Schritt. Am 16. Januar 929 nahm er öffentlich den Titel eines Kalifen an und begründete damit das ihm sicherlich allen bekannte Kalift von Cordoba. Skandalös war dieser Akt schon deswegen, weil es theoretisch nur einen Kalif, also Nachfolger des Propheten Mohammed geben durfte, der seinen Führungsanspruch über alle Muslime weiterführen würde. Ein Recht, das die Anassir 180 Jahre zuvor den Umayyaden entrissen hatten. Die Die Praxis sah im frühen 10. Jahrhundert freilich anders aus, denn bereits seit 909 hatten die in Ephrikia, dem heutigen Ostalgerien, Tunesien und Tripolitanien, sowie später in Ägypten herrschenden Fatimiden ihrerseits den Kalifentitel für sich beansprucht. Auch dieser Akt war, wie wir ahnen, schon skandalös gewesen, umso mehr, als die Fatimiden keine Sunniten waren, sondern von den orthodoxen Muslime als heretisch angesehen. und der schiitischen Ausbringung des Islam anhingen. Als nunmehr dritter Aspirant auf die Alleinherrschaft verlor der den Fatimiden benachbarte Andalusier natürlich keine Zeit, sich auf Dokumenten, Münzen und Inschriften als Emir al-Mu'minin, Befehlshaber der Gläubigen, bezeichnen zu lassen und die Konkurrenz in Al-Mahdiya und Bagdad, man mag es sich natürlich vorstellen, öffentlich als Betrüger zu verunglimpfen. Das heißt, statt einem Nachfolger, Muhammad, Haben wir drei im 10. Jahrhundert. Unter der Herrschaft seines ersten Kalifen begann die Blütezeit des andalusischen Kalifts, das seinen Herrschafts-und Einflussbereich nicht nur in Nordafrika, sondern auch im Norden der Halbinsel sowie auf den Balearen auszudehnen, vermochte. Cordoba, das bisweilen angeblich 300 Moscheen beherbergt haben soll, wurde nun zum politischen und kulturellen Zentrum einer neuen Mittelmeermacht. Diese pflegte eine... einen regen diplomatischen Austausch nicht nur mit den tributpflichtigen christlichen Reichen im Norden der Halbinsel, sondern ebenso mit den italienischen Seerepubliken, mit dem mächtigen Byzantinischen Reich, sowie mit den Reichen im nördlichen Mittelmeerraum. Denn wie die muslimischen Kalifen, wir einen uns drei Kalifen statt einem, hatten auch die Nachfolger der römischen Kaiser in Konstantinopel mit Konkurrenten um ihre Amtswürde zu kämpfen. Die sächsische Otonen... Dynastie rang nämlich um die Mitte des 10. Jahrhunderts um Einfluss im Mittelmeerraum und trat in diesem Kontext ebenfalls in diplomatischen Kontakt zum Hof Abderrahman. Wir sehen also das 10. Jahrhundert, eine Zeit der Konkurrenz um die höchsten Ämter. Es ist sicher nicht zu Unrecht schon häufiger behauptet worden, dass das Kalift von Cordoba zu den am weitesten entwickelten Herrschaftskomplexen des europäischen Mittelalters gehört hat. Aber was wissen wir eigentlich über das Leben im Kalift? Wer lebte hier und unter welchen Grundbedingungen? Darum soll es nun im zweiten Teil des Vortrags gehen. Wie bereits erwähnt, bestanden schon die Heere, mit denen die frühen muslimischen Feldherren die Halbinsel unterworfen hatten, fast ausschließlich aus islamisierten Imaziren bzw. Berbern wie Tarek bin Siad, wohingegen Eroberer wie der Stadthalter Musa bin Nusayr nur eine verschwindend kleine Oberschicht dargestellt hatten. Die iberische Bevölkerung, die sie im zerfallenden Westgotenreich unterwarfen, waren dagegen fast ausschließlich katholische Christen. Gesellschaft bereits Jahrzehnte zuvor unter massiven Verfolgungen gelitten und stellten zur Zeit der islamischen Eroberung wohl nur noch eine verschwindend geringe Minderheit dar. Wie gingen also die muslimischen Eroberer um mit der um ein Vielfaches zahlreicheren christlichen Bevölkerung? Wie gelang es ihnen, iberische Städte in so rascher Folge zu erobern und auch zu halten, wenn doch die begrenzten Kampfverbände, wir müssen uns das also so vorstellen, dass es maximal wenige tausend Mann gewesen sind, in immer neue Schlachten zu führen. Also wie hält man eigentlich eine Stadt, wenn man doch nur begrenzte Truppen hat? Die Antwort darauf ist ziemlich komplex, lässt sich aber grundlegend an einem Quellenbeispiel exemplifizieren und das ist dieser lange Text, den ich Ihnen hier auf die Folie gepackt habe und den ich jetzt erklären werde. Im April 713 schloss Abd al-Aziz, Sohn des Musa Nusayr und erster umayadischer Stadthalter des Andalus, ein Friedensabkommen mit dem westgotischen Grafen Theodemir. in dem sich beide Seiten eine Reihe von Rechten und Pflichten einräumten. Abd al-Aziz sicherte dem Grafen Theodemir die Dimmah zu. Dimmah kann man ungefähr mit Schutzvertrag übersetzen und hier ist der Begriff der Schutz Gottes und Mohammed. Gemäß diesem Schutzvertrag sollte Theodemir die autonome Herrschaft über sieben Siedlungszentren behalten. Die sind auf der Karte rechts zu sehen. Uriela, Musa, Lorca. Lateiner, Alicante, Ello und Elche. Die Versallen des Grafen und seine Untertanen dürften unversehrt vor Ort ansässig bleiben und dort auch ihren christlichen Glauben öffentlich in ihren Kirchen praktizieren. Im Gegenzug, es gibt natürlich immer eine Gegenleistung, verpflichtete sich Theodemir, sich stets an folgende Bedingungen zu halten. Alle kriegswichtigen Informationen habe er unverzüglich und loyal an die Muslime weiterzuleiten. Des Weiteren hätten er, das ist sehr wichtig, er und alle seine Versallen und freie Untertanen müssten eine regelmäßige Sondersteuer per Kapital leisten, die sogenannte Jizya. Wir werden auf diesen Begriff zurückkommen. Der Kern dieses Abkommens bestand letztendlich aus einem recht einfachen Handel. Die eroberten Eliten, in diesem Fall Theodemir, akzeptierten formal die Oberherrschaft der muslimischen Eroberer, versprachen Loyalität sowie die regelmäßige Abfuhr einer einer Kopfsteuer der Jizya für alle Nichtmuslime. Im Gegenzug sicherten ihnen die Oberherren militärischen Schutz vor äußeren Feinden, Autonomie in inneren Angelegenheiten ihrer Gemeinschaft sowie grundlegende Religionsfreiheit zu. Dieses einfache Konzept wurde natürlich weder 713 von Abd al-Aziz erfunden, noch war es auf die iberische Halbinsel beschränkt. Es stellt vielmehr ein Grundprinzip islamischer Eroberungspolitik dar, das schon in den Jahrzehnten... und zuvor in vielen Teilen des Mittelmeerraums, des Nahen Ostens sowie in Zentralasien doch recht erfolgreich erprobt worden war. Für alle Beteiligten bot es doch einige Vorteile. Die eroberten Gemeinden konnten ihre gewohnte Lebensweise weitgehend aufrechterhalten, zahlten bisweilen sogar weniger Steuern als zuvor und genossen mehr Autonomie als unter ihren früheren Oberherren. Die muslimischen Eroberer hingegen konnten durch das doch recht großzügige Angebot vielfach kampflose Kapitulationen entgegennehmen, mussten ihre Herrschaft nicht auf Zeit intensiv etablieren, sondern konnten mit dem Maximum an verfügbaren Kampfverbänden weiterziehen und die bereits existierenden und natürlich auch funktionierenden Hierarchie-und Verwaltungsstrukturen zur regelmäßigen Befüllung ihrer Kriegsgasse nutzen. Wohl nicht zu Unrecht wird dieses Vorgehen daher als einer der bedeutendsten Faktoren für das teils rasante Vordringen der frühen Arabischen Gesellschaft. islamischen Expansion angesehen, sei es auf der iberischen Halbinsel oder andernorts. Auch wenn es nach der jeweiligen Eroberung bisweilen unterschiedlich streng berücksichtigt wurde, blieb das sogenannte Dimmersystem die maßgebliche Grundlage für das Zusammenleben der verschiedenen religiösen Gruppen und der muslimischer Herrschaft. Ein System, was von Daniel Könige treffend als hierarchisierter Religionspluralismus bezeichnet wurde. In der Hierarchie solcher religiös-pluralistischer Gesellschaften standen Muslime naturgemäß höher als Muslime. Auch wenn letztere bisweilen höchste Ämter innerhalb städtischer Verwaltung oder gar am Herrscherhof erreichen konnten, wirklich gleichgestellt waren sie eigentlich nur, wenn sie zur dominanten Religion des Islam konvertierten. Es kann daher kaum verwundern, dass das Zusammenleben zwischen den religiösen Gruppen keineswegs immer reibungslos verlief, zumal auch in Al-Andalus nicht alle muslimischen Herrscher die Dhimma gleich auslegten. So ordnete der Emir Muhammad I. im 9. Jahrhundert an, dass alle Kirchen, die die Christen seit 711 hätten errichten lassen, zu Schleifen seien. Auch seine Nachfolger erlaubten nur selten, dass die langsam verfallenden Gotteshäuser der Christen instand gesetzt wurden. oder gar neu gebaut werden dürften. Der zwar immer wieder schwankende, aber doch omnipräsente Druck, zum Islam zu konvertieren, lastete zweifellos schwer auf den meisten christlichen Gemeinden. In vielerlei Hinsicht hatte sich die Bevölkerung aber bereits stark assimiliert. Die sogenannten Mutsaraber, hergeleitet vom arabischen Begriff Mustarab, arabisiert, blieben zwar Christen, waren hinsichtlich ihres Aussehens und ihres Alltagslebens, aber kaum von den Muslime. zu unterscheiden. Dennoch schrumpften die christlichen Gemeinden langsam aber sicher, was bisweilen radikale Gegenreaktionen provozierte. In den 850er Jahren sollen insgesamt 49 Christen es gewagt haben, öffentlichkeitswirksam Plasphemien gegen den Islam und den Propheten vorzubringen. Dabei zielten sie ganz bewusst darauf, dass die muslimischen Autoritäten trotz aller Bemühungen um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung kaum eine andere Wahl hatten als die als sie mit dem Tod zu bestrafen und sie somit zu Märtyrern für ihren bedrohten Glauben zu machen. Die durch diese sogenannten Märtyrer von Cordoba provozierten Spannungen ebten erst ab, als eine christliche Synode ihr mutwilliges Materium verdammte. Sie sehen auf der Folie links, dass man die noch heute in Spanien doch recht stark verehrt. Für die jüdischen Gemeinden gestaltete sich die Situation ähnlich ambivalent. den furchtbaren Verfolgungen unter westgotischer Herrschaft brachte die muslimische Machtübernahme und der durch die Dimmah gesicherte rechtliche Status zunächst eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Zugleich gab es, das wissen Sie sicherlich alle, während des gesamten Mittelalters sowohl in der christlich dominierten als auch in der arabisch-islamisch dominierten Sphäre immer wieder Phasen wirklich schlimmster anti-jüdischer Progrome, sodass Al-Andalus nun zum Einwanderungsland für jüdische Familien ausgeliefert wurde. aus dem ganzen Mittelmeerraum wurde. Die andalusischen Gemeinden wuchsen also wieder. Ihre Mitglieder arbeiteten nicht nur im lokalen Gewerbe, sondern trugen insbesondere durch ihre Fernhandelsnetzwerke, die über Europa und den gesamten Mittelmeerraum bis nach Vorderasien und auch nach Zentralasien liefen, dazu bei, Al-Andalus an das euphrasiatische Netzwerk des Güterwissens und Ideen, aber auch des Sklaventransfers anzuschließen. Dennoch, das darf nicht verschwiegen. wurden auch sie mehrfach Opfer von gewaltsamen Übergriffen. In Cordoba gab es 1011 und 1066 auch in Granada weiterhin Pogrome gegen jüdische Gemeinden. Insgesamt, und ich fasse ganz kurz zusammen, ergibt sich also ein ambivalentes Bild von der Koexistenz der Religionen in Al-Andalus. Obwohl der durch die Dimmersystematisierte hierarchisierte Religion Religionspluralismus unter Vorrangstellung des Islam grundsätzlich ein friedliches Mit-oder ein friedliches Nebeneinander ermöglichte, kam es immer wieder zu gewaltsamen Konflikten, in denen religiöse Vorstellungen eine bedeutende Rolle spielen. Lässt sich diese Ambivalenz wirklich mit Convivencia zusammenleben, begriffsscharf greifen? Lassen Sie mich Ihnen ganz kurz eine Alternative vorstellen, die wir in der anschließenden Diskussion gern noch vertiefen können. So, wenn Sie Ihren Blick auf die Folie richten, sehen Sie ein Schema der Ebenen der Wahrnehmung in muslimisch-christlichen Interaktionsprozessen, das der amerikanische Wissenschaftler Brian Ketlosss 2014 vorgestellt hat. Wir haben grundsätzlich drei Ebenen, eine Makroebene, die auch als die ökumenische Ebene bezeichnet wird, eine Mesoebene, das ist also die institutionelle Ebene und eine Mikroebene, die sogenannte lokale Ebene. Die beeinflussen sich gegenseitig. Das war jetzt die linke Seite der Folie. Wenn Sie auf die rechte Seite gucken, finden Sie Erklärungen dazu. Auf der Makroebene haben wir eine Dominanz dogmatischer Vorstellungen eigener religiöser Identität. Die Religionen betonen einen wechselseitig exklusiven Anspruch auf die heilsgeschichtliche Wahrheit. Das heißt also, Juden, Christen und Muslime würden im Hochmittelalter, im Frühmittelalter und auch im Spätmittelalter tendenziell sagen, wir haben den Anspruch auf die heilsgeschichtliche Wahrheit. Daraus ergibt sich in der Folge Die Tatsache, dass man religiöse Devianz grundsätzlich negativ bewertet, das heißt, die anderen, die nicht unseren Wahrheitsanspruch anerkennen, die sind nicht auf dem gleichen Level wie wir. Das ist die ökumenische Ebene. Schauen wir auf die darunterliegende Meso-Ebene, die institutionelle Ebene heißt, weil sie Beziehungen zwischen Gemeinschaften und Institutionen betrifft. Theoretisch haben die religiösen Vorstellungen der Makro-Ebene hier weiterhin Wirkmacht. Praktisch aber, das können wir an den Quellen greifen, Suchen die Seiten nach Möglichkeit ein pragmatisches Miteinander-Auskommen, die sogenannte Conveniencia. Entsprechend richtet sich diese Pragmatik nach den komplexen Gegebenheiten der Realität, seien sie nun militärisch, rechtlich oder ökonomisch. Ganz praktisch gesehen sichert diese Pragmatik der hierarchisch untergeordneten Seite, in diesem Fall den Christen, vorerst das Überleben. Auf der Mikroebene schließlich. haben wir dann ein kaum eindeutig zu definierendes Spektrum gegenseitiger Wahrnehmungsformen. Wir können in den Quellen eine unüberschaubare Vielzahl individueller oder gemeinschaftlicher Beziehungen greifen. Die können freundschaftlich sein, etwa wenn eine Christin bei einem muslimischen Händler auf dem Markt kauft. Es kann aber bis hin zu interreligiösen Ehen gehen. Sie können auch pragmatisch sein. Handelsbeziehungen, obwohl die Seiten sich nicht besonders mögen und sie können natürlich feindselig sein. Es gibt Gewalthandlung, es gibt Abgrenzung, also auf der Mikroebene haben wir wirklich alles. Das ist also das Konzept, was ich Ihnen als Angebot vorstellen möchte. Ich finde persönlich, dass das Konzept von Brian Ketloss mit Sicherheit seine Schwächen hat, halte es aber für durchaus diskutabel, denn das gesellschaftliche Miteinander-Auskommen, die besagte Konvenienz ja, greift doch wesentlich nuancierter. Dieses Miteinander oder Nebeneinander, als es das oft romantisierte Bild der Convivencia vermögen würde, sei das jetzt auf der iberischen Halbinsel oder andernorts im mittelalterlichen Euro-Mediterraneum. Über viele Phasen in der Geschichte von Al-Andalus, das sei zum Abschluss dieses Abschnitts betont, brachte das Miteinander-Auskommen, aber auch das Zusammenwirken der gesellschaftlichen Gruppen wahrlich Erstaunliches hervor. Heute weltberühmt ist die bereits erwähnte ehemalige Hauptmoschee von Cordoba, die, obwohl seit fast 800 Jahren nun die Kathedrale Cordobas, noch immer in ihrer ursprünglichen Form erkennbar ist. Sicherlich waren einige von Ihnen schon dort. Zur Zeit der islamischen Herrschaft wurde sie immer wieder erweitert, das sieht man auf dieser kleinen Grafik unten links, gehört sie auch heute noch mit 23.000 Quadratmetern Fläche. immer noch zu den größten Sakralbauten der Welt, das muss man sich auch durchaus mal durch den Kopf gehen lassen. Berühmt ist sie vor allem durch ihre von mehr als 850 antiken Säulen getragenen, übereinander liegenden Hufeisenbögen. Die Hufeisenformen einen Einfluss auf die Welt. bloß westgotische Kunst wird gesagt, die von den Muslime adaptiert wurde. Über die Bedeutung der Säulen ist sehr viel spekuliert worden. Manche sehen hier ein Symbol der Unendlichkeit von Gottes Schöpfung, andere schlicht einen stilisierten Palmenhain, den der Erbauer Abderrahman I. aus seiner Jugendzeit in Syrien vermisst habe. Wer einige Kilometer in das westliche Umland von Korderbach fährt, der findet wesentliche Elemente des Baustils der Meskita-Kathedral auch in den Ruinen der Palaststadt Malinat As-Sachar wieder. Im Jahr 936 von Abderrahman IiiI. in Auftrag gegeben und angeblich einer seiner Konkubinen, die besagte As-Sachar, gewidmet, war sie ab 945 für mehr als 60 Jahre Sitz des Kalifen. Obwohl man bisher kaum mehr als 15 Prozent der Anlage auf dem Markt hat, ausgegraben hat, zeugen die Ruinen der großzügigen Privatgemächer des Kalifen, sowie das Anwesen des Visiers noch heute davon, dass hier die höchste Elite des Kalifts residierte. Im heutigen Salon Rico, das ist also das Bild oben rechts, und die heutige Audienzhalle empfingen der Kalifts aus deinem Reich und immer wieder auch Gesandte aus allen Teilen der Mittelmeerwelt. Einen letzten Punkt noch für diesen Abschnitt möchte ich hervorheben. Zu den nachhaltigen Hinterlassenschaften von Al-Andalus gehört natürlich auch die Bewahrung, Übersetzung, Kommentierung und schließlich die Weiterentwicklung antiken Wissens. Johannes Kuper hat es schon angesprochen. Gefördert durch die Höfe der Kalifen und Emir erarbeiteten muslimische, jüdische und christliche Gelehrte bedeutende Wissensfortschritte, insbesondere im Bereich der Medizin, Astronomie und Philosophie, aber auch der Landwirtschaft. Unter den unzähligen Beispielen möchte ich drei Pars pro Toto hervorheben, von denen die meisten von Ihnen sicherlich schon mal was gehört haben. So schrieb der in Mardinata Sahra ansässige Abulcacis Sarawi von seinem lateinischen Leserkreis Abulcacis oder Abulcacis. Abd Kassim genannt, um die Jahrtausendwende ein Buch mit einem sehr schönen Titel. Die Abhandlung für jemanden, der nicht in der Lage ist, selbst ein Buch zusammenzustellen. Eine umfassende medizinische Enzyklopädie mit dem Ziel, das gesamte vorhandene Wissen seiner Zeit zusammenzufassen. Das Buch ist bekannt für seine Kapitel über Chirurgie. Es enthält bemerkenswerte Abbildungen chirurgischer Instrumente und auch Abschnitte über Kauterisation, Einschnitte, Venesektion. und Wundversorgung und über Knochenbrüche. Noch Jahrhunderte nach seiner Veröffentlichung, das muss man sich mal vorstellen, also bis in die frühe Neuzeit hinein, war es das am weitesten verbreitete medizinische Lehrbuch für Studierende und medizinische Praktiker und wurde ins Hebräische, Lateinische und Kastilisch übersetzt. Sozusagen ein Bestseller früherer Jahrhunderte. Geradezu ein Universalgelehrter war unser zweites Beispiel Ibn Rushd, der Averroes der Lateiner. Im Jahr 1126 in Kodoba. geboren, schrieb er angeblich mehr als 100 Abhandlungen zur Philosophie, Theologie, Medizin, Astronomie, Physik, Psychologie, Mathematik, zur islamischen Rechtswissenschaft und zur Sprachkunde. Kurz gesagt ein Universalgelehrter. In der lateinkristlichen Welt wurde er allerdings hauptsächlich aufgrund seiner zahlreichen Kommentare zu Aristoteles bekannt, galt einigen gar als Vater des Rationalismus. Als entschiedener Verfechter des Aristotelismus versuchte er, seiner Meinung nach, nach ursprünglichen Lehren dieses antiken Philosophen wiederherzustellen und widersetzte sich den neu-platonischen Tendenzen früher muslimischer Denker wie Al-Farabi und eben Siad. Die lateinischen und hebräischen Übersetzungen seiner Werke belebten das Interesse an Aristoteles und anderen griechischen Denkern, das in der Spätantike schon fast verloren gegangen war. Sie wurden aber zugleich zum Ursprung einer kontroversen philosophischen Bewegung namens Averreorismus. Insbesondere seine These, dass alle Menschen den gleichen Intellekt teilten, wurde zu einer der bekanntesten und kontroversesten Doktrinen dieser philosophischen Schule. Die Auseinandersetzung ging so weit, dass die katholische Kirche, unterstützt durch intellektuelle Prominenz wie Thomas von Aquin, die Thesen dieser Gruppe im Jahre 1270 und 1277 öffentlich verurteilte. Dennoch zog diese Bewegung noch bis weit ins 16. Jahrhundert Anhänger an. Ein letztes Beispiel. diejenigen kulturellen Fortschritte, die für die einfache Bevölkerung von Andalus am wichtigsten waren, erfolgten, man kann es sich vorstellen, auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Am bedeutendsten auf der damals wie heute von unsteten Regenfällen und längeren Dürrephasen geprägten Halbinsel waren natürlich Innovationen im Bereich der Bewässerungssysteme. Zentral organisierte, groß angelegte Projekte lieferten Wasser für städtische Bäder, Moscheen, Gärten, Wohnhäuser. und natürlich Regierungspaläste. Aber auch kollektiv von Landwirten errichtete Infrastrukturen spielten eine wichtige Rolle. Viele dieser neu implementierten Techniken wurden bereits im 8. Jahrhundert durch eingewanderte Berber und Eroberer Stämme importiert, wobei teils die bestehenden römischen Infrastrukturen, etwa Agri-Dukte, genutzt wurden. In ebenso großem Maß hat man aber auch neue Strukturen errichtet. Ein bemerkenswerter Autor, auf diesem Feld war übrigens eben mal Awam, vielleicht nicht ganz so bekannt, der an der Zeit, zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts das sogenannte Kitab al-Filakha, das Buch der Landwirtschaft, verfasst hatte. Das Buch ist deswegen bemerkenswert, weil es rund 580 verschiedene Pflanzenarten beschreibt und auch auf deren Behandlung eingeht im Falle einschlägiger Pflanzenkrankheiten oder der Zucht von verschiedenen Kreuzungen. Mit diesen Beispielen möchte ich es mit Blick auf die Uhr dann auch erstmal belassen. Es dürfte deutlich geworden sein, dass in in allen großen Wissensbereichen Innovationen und Anregungen erarbeitet wurden, die durch Übersetzungen bald auch ihren Weg nach Latein-Europa fanden. Dort beeinflusste sie die gelehrten Debatten ganz erheblich und sind, um es zugespitzt zu formulieren, Pflicht nicht wegzudenken, Beeinflussfaktoren für die geistesgeschichtliche Entwicklung des mittelalterlichen Europa auf dem Weg in die frühe Neuzeit. Lassen Sie mich nun zum vorletzten Abschnitt meines Vortrags kommen. Nach dieser längeren Verschnaufpause von den historischen Abläufen wollen wir nun versuchen nachzuvollziehen, wie sich Al-Andalus nach der Blütezeit des Kalifts von Cordoba weiter... entwickelte. Diese Blütezeit endete nämlich spätestens um das Jahr 1109, als verschiedene Anhänger auf das Kalifenamt begannen, sich gegenseitig zu bekämpfen und sich dabei nicht scheuten, die jahrhundertealten Rebellen zu verhindern. Rivalitäten zwischen Berbern und Eroberern zu befeuern, wenn es ihren Zwecken diente. Das sehen wir auf der folgenden Karte. Für mehr als zwei Jahrzehnte dominierten diese bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, von den muslimischen Historiografen als Fitna-Glaubensspaltung bezeichnet, das Geschehen in der Metropole Cordoba. 1016 bis 1023 wurden die Umayyaden von der Amaziri-Dynastie der Banu Hamdan verdrängt, 1031 der letzte Kalender. die Scham der Dritte von den Notabeln der Hauptstadt abgesetzt und verbannt. Das Kalift war damit endgültig am Ende. In den meisten nicht besonders betroffenen Provinzen von Al-Andalus hatten viele Gouverneure der meist nicht besonders betroffenen Provinzen das Machtvakuum genutzt, um sich von der unbeliebten kalifalen Zentralregierung loszusagen. Die... Provinziellen Verwaltungszentren wurden nun zu den Zentren zahlreicher unabhängiger und ihrerseits dynastisch orientierter Kleinreiche, den sogenannten Taifas, vom arabischen Begriff Taifa, Gruppe oder Partei. Es mag kaum verwundern, dass auch die unabhängigen Taifas nicht lange in der Lage waren, den Frieden untereinander zu wahren. Vielmehr begannen auch sie recht bald ihren Herrschafts-und Einflussbereich gewaltsam auf Kosten der Nachbarn. auszudehnen. Im nördlichen Teil der iberischen Halbinsel sahen aber auch andere Akteure eine günstige Gelegenheit zur Expansion. Die christlichen Kleinreiche dort hatten sich in den Jahrzehnten seit dem Beginn der Fittner durchaus weiterentwickelt, in den drei Jahrhunderten davor und insbesondere in der Blütezeit des Kalifts hauptsächlich durch Tributzahlungen, symbolische Unterwerfungen und geschickte Allianz-Handlungen. halten zu können. Hier dazu eine Karte. Im Laufe der Zeit hatten sich die verschiedenen Königereiche miteinander verbunden und auch immer wieder aufgelöst und dann schließlich die bedeutendsten und beständigsten Reiche Aragon, Kastilien, Navarra, Leon und Portugal begründet. Nach dem Ende des mächtigen Kalifts von Cordoba waren sie es nun, die den zerstrittenen und kaum zum militärischen Kooperationen fähigen... muslimischen Nachfolgerreichen hohe Tribute abverlangten und bei passender Gelegenheit Land abnehmen konnten. Nachdem Alfons VI. von Kastilien und Leon 1085 die bedeutende Stadt Toledo hatte erobern können, kam es zu einem erneuten Wendepunkt. In Angst, als nächster an der Reihe zu sein, rief nun nämlich der Herrscher von Sivija in Nordafrika um Hilfe. Dort herrschte mittlerweile die Amaziri-Dynastie der sogenannten Almoraviden. Das war die vorherige Karte, dessen Herrscher nur zu gerne nach Al-Andalus einmarschierte. 1086 schlug der Al-Murawiden-Herrscher nicht nur die Kastilien, sondern verleibte sich innerhalb weniger Jahre auch alle anderen Taifa-Reiche ein. Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden die Al-Murawiden durch eine andere Amazighi-Dynastie verdrängt, jene der Al-Muqaden. Bereits während die Al-Murawiden ihre Macht in Nordafrika verloren haben, machten sich in Al-Andalus wieder die Provinzzentren unabhängig. Ein zweites Mal entstanden zahlreiche Taifa-Reiche, die aber nach wenigen Jahren bis Jahrzehnten von den nun ebenfalls auf der Halbinsel einmarschierenden Almohaden eingenommen wurden. Da die Herrscher dieser Dynastie sich selbst zu Kalifen ernannt hatten, war Al-Andalus nach mehr als einem Jahrhundert wieder Teil eines Kalifts. Es war allerdings ein anderes Kalift als im 10. und 11. Jahrhundert. Bei den Almohaden-Kaliften war es so, Almohaden war nämlich der Name durchaus Programm. Denn die sogenannten Almohaden, die Vereiniger bzw. Bekenner der Einheit Gottes, waren geradezu glühende Verfechter eines streng ausgelegten islamischen Monotheismus, der der christlichen Trinitätslehre durchaus feindlich eingestellt war. Die christliche Trinität wurde von den Almohaden gemeinhin als Schirk, als Vielgötterei abgelehnt. Auch das ist ein Beispiel. Judentum wurde mit vergleichbarer Ablehnung betrachtet. Das traditionelle Dimmer-System als vergleichsweise tolerante Form des religiösen Minderheitenmanagements hatte in dieser Hardliner-Ideologie kaum noch Platz und wurde unter vielen Kalifen völlig ignoriert. Für die verbliebene jüdische und christliche Bevölkerung von Al-Andalus begann nun erneut eine Ära religiöser Intoleranz. Zumeist wurden sie vor die Wahl gestellt, zum Islam zu konvertieren, den Tod durch das Schwert zu finden. Spätestens jetzt gingen die bereits unter den Almoravidenen immer wieder betränkten jüdischen und christlichen Gemeinden vielerorts vollständig zugrunde. Dennoch, das ist... Schon wichtig sollte nuanciert gesagt werden, waren auch die Almoravidenen und Almohaden keine kulturlosen Barbaren. Bereits die ersten beiden Taifa-Phasen hatten eine erneute Blüte von Kunst-und Wissenserwerb begünstigt, da die Emir nicht nur um Land und Einfluss rangen, sondern auch um die klügsten Köpfe an ihren Höfen. Auch unter den Almoravidenen und Almohaden konnten also muslimische Denker weiterwirken. Der bereits genannte Ibn Rushd, mithin ein Leibarzt des Almohaden-Kalifen, ist dafür ein ganz guter Erlebniser. gutes Beispiel. Dennoch verdächtigten die Amoraden gerade die Christen immer wieder der Kollaboration mit den expandierenden Königereichen des Nordens, die den Expansionsdruck natürlich weiterhin aufrecht erhielten. Im Jahr 1195 hatte Caliph Almanzur den Kastilienn bei Alarkos noch eine krachende Niederlage beigefügt. 17 Jahre später, 1212, unterlag sein Sohn Anassir einer kastilisch agonischen Kirche. der chinesisch-navaresischen Koalition bei Las Navas de Tolosa. Las Navas de Tolosa ist also hier unten zu sehen, ganz in der Nähe von Cordoba. Diese verlorene Schlacht 1212 kann als weiterer Wendepunkt in der Geschichte des Andalus betrachtet werden. Denn innerhalb der nächsten Dekade brach die Almohadenherrschaft sukzessive zusammen und ließ die andalusischen Taifas ein weiteres Mal unabhängig zurück. Sozusagen die dritte Unabhängigkeitsphase. Es währte diese Phase nicht für lange, denn die christlichen Königereiche des Nordens stellten Las Navas de Tolosa in den Mittelpunkt als Startschuss zur erneuten Intensivierung ihrer Expansionsbestrebungen. Zwischen den 1220er und 1240er Jahren wurde aus diesen ehemaligen christlichen Kleinreichen nun rasant wachsende Großmächte. Portugal eroberte wesentliche Teile seines modernen Staatsgebiets im Westen der Halbinsel, die Krone Aragon. sicherte sich die iberische Ostküste auf dem Gebiet der heutigen Kommunität Valenciana und die Balearen. Die übrigen Teile im zentralen Andalus fielen an Kastilien. Cordoba selbst fiel bereits 1236, aus der großen Moschee wurde im selben Jahr eine Kathedrale. Die letzte islamische Herrschaft auf der Halbinsel blieb, das dürfte wohl allen bekannt sein, das Emirat von Granada im südlichen Teil des heutigen Andalusien. Dass sich seine Unabhängigkeit... von Kastilien durch hohe Tribute in Form afrikanischen Goldes erkauft. Prenzlig wurde es zunächst in den 1340er Jahren, als erst die sogenannten Mariniden, eine weitere nordafrikanische Dynastie, dann die sie abwehrenden Kastilien einmarschierten. Die im Emirat herrschende Dynastie der Banu Nasriden konnte sich noch 150 Jahre an der Macht halten, trotz dieser ständigen Machtkämpfe. Erst nach der Heirat Ferdinands von Aragon und die Dynastie, Und Isabellas von Kastilien 1479, die mithin einen bedeutenden Schritt zur Vereinigung der beiden größten, bisher chronisch verstrittenen Reiche konstituierte, richtete sich die Aufmerksamkeit der sogenannten katholischen Königee auf das Emirat von Granada, das mittlerweile durch Bürgerkriege destabilisiert war, aber immer noch das letzte Bollwerk der Muslime auf der Halbinsel darstellte. Im Jahr 1482 begannen sie einen Sistema-Konflikt. systematisch geplanten und auch reich finanzierten Feldzug, den die päpstliche Kurie unterstützte, unter anderem durch Kreuzzugsauffrufe. Aber dennoch dauerte es noch eine Dekade, noch etwas mehr als zehn Jahre bis im Jahr 1492, Anfang Januar, der letzte Emir, Muhammad XIii., genannt Boabdil, endgültig kapitulierte und seine letzte Festung, die berühmte Alhambra, auslieferte. Die muslimische Herrschaft über Al-Andalus war damit nach fast Fast 800 Jahre Geschichte. Mit der sukzessiven Eroberung der andalusischen Gemeinden durch christliche Herrscher kehrte sich auch die hierarchisierte religionspluralistische Struktur des ehemaligen Al-Andalus um. An der Spitze der nun christlich dominierten Gemeinden. standen die Lateiner, Juden und Muslime bildeten marginalisierte Randgruppen. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts konnten sich die Christen es aber nicht leisten, die Muslime, die über Jahrhunderte natürlich die überwältigende Bevölkerungsmehrheit stellten, einfach zu versklaven oder zu vertreiben oder zur Konversion zu zwingen. Stattdessen kehrten sie das bereits existierende Simmer-System gewissermaßen um. Nun zahlten muslimische und jüdische Gemeinden eine Sondersteuer, um sich weitgehende Autonomierechte in religiösen und anderen innergemeindlichen Angelegenheiten zu erkaufen. Aber, das muss man auch sagen, beide Seiten einigen sich also sozusagen nochmals auf eine pragmatische Conveniencia, nun bloß unter umgekehrten Vorzeichen. Erst im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts... machen die nun fest im Sattel sitzenden Königee mit diesem etablierten System. Im März 1492 erließen die katholischen Königee das Alhambra-Edikt, das alle andalusischen Juden zur Konversion oder ins Exil zwang. Muslime wurden im Verlauf des 16. Jahrhunderts zwangsbekehrt und sogar ihre christianisierten Nachfahren, die sogenannten Moriskos, betrachtete man als fünfte Kolonne des Islam und vertrieb sie schließlich 1609 bis 1614 nach Nordafrika, wo der kulturelle Einfluss von Al-Andalus bis heute präsent ist. Auf der Halbinsel selbst war es allerdings spätestens jetzt endgültig vorbei mit der Pluralität. Für die Muslime und Juden existierte Al-Andalus. in seiner Blütezeit im 10. Jahrhundert nur noch als ferne, verklärte Vergangenheit, die man zwar beweinen, aber nicht mehr wiedererhalten würde. Muslimische Gelehrte jener Zeit vermochten sich vielleicht noch an die Worte des Dichters Abulbaka al-Rundi erinnern, der bereits 1267 eine Elegie auf den Fall seiner Heimatstadt Silvia verfasst hatte. Alles verfällt nach dem Erreichen der Vollkommenheit, daher lasse keinen Mann an der Süße eines angenehmen... Lebens sich betören. Daher frage Valencia, wie es um Morfia steht und wo ist Jativa und wo ist Chayen, wo ist Khodoba, die Heimat der Wissenschaften und manch Gelehrtem von Rang, wo ist Sevilla und die Freuden, die es enthält, wie ihr süßer Fluss, überquellend und voll, wo die Moscheen zu Kirchen geworden sind, in denen nur Glocken und Kreuze zu finden sind, selbst die Mihrabs weinen, obwohl sie fest sind, selbst die Kanzeln trauern, obwohl sie aus Holz sind. Lassen Sie mich nun zum Abschluss noch einige ausblickende Worte zum modernen Erbe von Al-Andalus verlieren und sie wieder in die Gegenwart führen. Hier könnte man viele Leitlinien nennen, mit denen man ganz problemlos ein weiteres Beispiel finden kann. einen Abendsvortrag füllen könnte, das möchte ich nicht machen. Ich möchte stattdessen auf einige wenige Schlaglichter hinweisen. Wer heute nach Portugal und Spanien reist, der oder die findet Echos von Al-Andalus an nahezu jeder Ecke. nicht nur in Form ehemals arabischer Ortsnamen oder den rund 4000 Arabismen im Spanischen, das sind übrigens 8% des Standardwortschatzes, schätzt man, viel mehr als im katalanischen oder portugiesischen. Es gibt auch physisch ziemlich viel zu erleben. In Andalusien inszeniert sich insbesondere Cordoba immer noch als Hauptstadt des einstigen Kalifts. Straßen tragen die Namen andalusischer Gelehrte, ihre Statuen stehen auf öffentlichen Plätzen, Restaurants bieten... Berenjenas Kalifles an, das sind Auberginen nach Kalifenart, sehr interessant, sehr zu empfehlen. Souvenirläden bieten unter anderem Miniaturen der Mesquita-Kathedral an, nicht so sehr zu empfehlen, weil sie oft anachronistisch sind, mit dem Mottospruch der Nasriden aus Granada versehen, die nie in Cordoba geherrscht haben. Das touristische Publikum dafür ist zahlreich, wie man sich vorstellen kann. Die Alhambra in Granada verzeichnete im letzten Jahr 2,6 Millionen Besuche, die Mesquita-Kathedrale immerhin 1,9 Millionen. Das sind Zahlen, die auf ein ungebrochenes Interesse an Spaniens muslimischer Vergangenheit schließen lassen und die, das finde ich doch sehr positiv, durchaus hoffen lassen, dass auch zukünftig finanzielle Mittel zum Erhalt dieser Baudenkmäler zur Verfügung stehen werden. Die Richtung ist aber bisweilen nicht ganz klar. So wehrt sich etwa das Bistum Kodoba seit Jahren gegen die Forderungen einer städtischen Bürgerinitiative, ihre Besitzrechte an der Mesquita aufzugeben. geben, damit diese statt einer Kathedrale ein multireligiöser Begegnungsort werden könne. Aber auch ganz ohne TouristInnen feiern Gemeinden in ganz Spanien und Portugal alljährlich die sogenannten Fiestas de Moros y Cristianos, um ihre vermeintliche Befreiung von der muslimischen Herrschaft zu kommemorieren. In diesen mindestens seit 1588 und in der Regel mit viel Alkohol und Feierlaune begangenen Volksfesten wird der vermeintliche Gegensatz zwischen zwischen den Religionen, zumeist bis ins Extrem überspitzt, die in Schaukämpfen auftretenden Muslime so sehr als fremde Macht exotisiert, dass sie bisweilen wie aus einem Fantasyfilm wirken. Verständlicherweise gab und gibt es dagegen auch Einspruch. Für einigen Diskussionsstoff hat 2006 eine Forderung von Felix Herr, dem Imam von Malaga, gesorgt. Der hat nämlich gefordert, die Fiestas als Verunglimpfung zu verhindern. des Islam abzuschaffen. Obwohl andere Akteure den angeblich völkerverbindenden Charakter solcher Veranstaltungen betonten, wurden in den letzten Jahren zumindest religiöse Symbole wie der Halbmond aus vielen, aber wie Sie auf der Folie sehen, längst nicht allen Darbietungen verbannt. Den Fiestas de Morosi Christinos legt eine Vorstellung zugrunde, die so ziemlich das genaue Gegenbild übermäßig romantisierender Convivencia-Vorstellung ist, die wir ja vorhin schon als historisch unzutreffend entlarvt haben. Vor dem vermeintlichen Hintergrund eines dualistisch gedachten, kontinuierlichen Kampfes der Kulturen, in Anführungszeichen, werden die Expansionstendenzen der iberisch-christlichen Reiche nämlich als Reconquista, als vermeintlich rechtmäßige Rückeroberung der von... von den Muslime vermeintlich unrechtmäßig besetzten Gebiete fehlinterpretiert. Diese Rückeroberung habe angeblich schon 722 mit dem christlichen Sieg bei Covadonga begonnen und sei erst 1492 mit der Eroberung Granadas durch die katholischen Königee erfolgreich beendet worden. Diese Vorstellung ist, wie Sie sich vorstellen können, hochproblematisch und das in gleich mehrfacher Hinsicht. Wie wir gesehen haben, waren die fast 800 Jahre zwischen diesen beiden Daten keineswegs von einer einer linearen oder pannchristlichen Rückeroberungsbewegung oder einer pannmuslimischen Widerstandsbewegung geprägt. Vielmehr lässt sich ein komplexes Wechselspiel zwischen militärischer Konfrontation, segregativer Koexistenz, diplomatischer Verständigung, wirtschaftlicher Kooperation und religionsübergreifender Bündnispolitik konstatieren, mit dem christliche und muslimische Akteure dynamisch auf die Erfordernisse ihrer Zeit reagierten. Zudem, das ist auch ganz wichtig, Richtig aus historischer Perspektive ist der Begriff Reconquista zeitgenössisch nicht belegt und erhielt erst in den nachmittelalterlichen Jahrhunderten seine heutige Bedeutung, die retrospektiv auf die Zeit vor 1500 zurückprojiziert wurde. Ungeachtet solcher Forschungsergebnisse missbrauchen auch heute noch rechtsextreme und identitäre Gruppen wie die spanische Vox-Partei das Reconquista ebenso wie das Kreuzzugsmotiv ihrer Zwecke und das nicht nur in Spanien und Portugal, sondern auch in Frankreich, Italien und Europa. Und eigentlich in ganz Europa. Gerade für antimuslimische und auch antijüdische Vorstellungen eines rein christlichen Abendlandes, Abendland natürlich auch in Anführungszeichen, meinen viele Wortführer dieser Szene hier historische Vorbilder und Referenzpunkte zu finden. Das ist wiederum keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Bereits zur Frühzeit des Franco-Regimes wurde der Jahrestag der Kapitulation Granadas am 2. Januar mit nationalistischen Untertönen belegt, dass Muslime in den letzten Jahren in den USA und Europa jüdische Erbe des Landes in der Schulbildung unterdrückt. Auch nach 1975 begangen und begehen rechtsextreme Gruppen dieses Datum häufig in der öffentlichen, also in der Öffentlichkeit sozusagen auf verschiedenen politischen Veranstaltungen. Aber trotz all dieser Problematiken, auch das muss gesagt werden, wird der Begriff Reconquista in der modernen internationalen Forschung pragmatisch weiter genutzt. Da schlicht und einfach keine gangbaren Alternativen zur Verfügung stehen. Diese Nutzung dieses Begriffs sollte allerdings immer im Bewusstsein der genannten Probleme geschehen. Aus moderner muslimischer Perspektive spielt Al-Andalus im Übrigen eine eher untergeordnete Rolle, verglichen mit den Kreuzzügen, die in großen Teilen der islamischen Welt noch immer eine Art kollektives Trauma darstellen. Dennoch gibt es auch hier viele Versuche politischen Missbrauchs. In vielen Extraterrestriktionen, extremistischen Manifesten wird Al-Andalus nach wie vor als rechtmäßig muslimisches Gebiet angesprochen, das langfristig aus den Händen der Christen zurückzuerobern sei. So sei beispielsweise die frühere Al-Qaida-Führung gemäß Recherchen spanischer Journalisten und Journalisten geradezu besessen von Al-Andalus gewesen. Osama Brian Landwirten soll schon in den 80er Jahren die Rückeroberung gefordert haben. Auch die Anschläge in Madrid 2004 wurden derartig gerechtfertigt und einen von den Islamisten betriebenen Propagandakanal nennt sich direkt Al-Andalus. Eine verantwortungsvollere Alternative zu solchen, wie ich finde, wahnhaften Rückeroberungsfantasien bieten Migrationsprogramme, die es tatsächlich gibt. Bereits seit den 1920er Jahren lassen es Spanien und Portugal zu, dass Nachfahren der nach 1492 vertriebenen Sephardim die genealogische Nachweise ihrer Herkunft erbringen können. Das können also Fatimiden, Stammbaum oder auch Sprachkenntnisse sein. Dann ist es zulässig, dass Nachfahren der vertriebenen Juden und Juden die Staatsbürgerschaft Spaniens erhalten können. Allein zwischen 2014 und 2019 haben mehr als 130.000 Sephardim die Nachfahren der Spanier ergriffen. Sephardische Juden und Juden, hauptsächlich aus Lateinamerika, aber auch aus Israel, diese Staatsbürgerschaft zusätzlich zu ihrer eigenen beantragt. Ein berühmtes Beispiel, ich weiß nicht, wer das von Ihnen kennt, ein berühmtes Beispiel ist der russisch-israelische Oligarch Roman Abramowitsch, der seit 2021 Staatsbürger Portugals ist. Für die Nachfahren der Moriskos gibt es bereits seit 1992 ähnliche Forderungen. Und zwar von Seiten spanischer und auch marokkanischer Wissenschaftler. und Wissenschaftler. Eine konkrete Anfrage im Parlament Andalusiens wurde 2006 aber abschlägig behandelt. Die Zahl potenzieller MigrantInnen ist hier ohnehin schwierig zu bestimmen. Frühere Schätzungen gingen von ungefähr 5 Millionen Menschen allein in Marokko aus. Jüngere Schätzungen nennen lediglich 600 Großfamilienverbände, die anhand arabisiert spanischer Nachnamen, etwa Lubaris für Olivares oder Bakashi für Vargas, zu identifizieren sagen. sein. Doch lassen Sie mich an dieser Stelle endgültig zum Schluss kommen. Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, in welchem Maß die verlorene Welt von Al-Andalus und ihr immenses Erbe für die Geschichte der iberischen Halbinsel und ganz Europas bis heute eine immense Faszinationskraft ausüben. Diese wird jedoch nicht nur touristisch genutzt, sondern leider allzu oft politisch vereinnahmt, sei es von rechtsnationalen oder islamistischen Gruppierungen. Deren vereinfachende generalisierenden und verfälschenden Wahrnehmungskonzepten entzieht sich diese acht Jahrhunderte während der Epoche der mittelalterlichen Geschichte, aber in ihrer historisch greifbaren, ungemeinen Komplexität. und Vielschichtigkeit. Diese Erkenntnis präsent zu halten, das bleibt eine zentrale Aufgabe interdisziplinärer Forschung und der interessierten Allgemeinheit. Herzlichen Dank. Ja, liebe Erik, ganz herzlichen Dank für diesen wirklich fulminanten Ritt durch die vielfältige Geschichte Andalusiens. Ich bin beeindruckt von dieser dichten und gleichzeitig unterhaltsamen Darstellung. Und ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass es Fragen gibt. Trauen Sie sich gerne. Moment, wir haben zwei Mikros. Vielen Dank für den umfassenden und spannenden Vortrag. Ich habe eine Frage zu der Problematik der sogenannten islamischen Aufklärung. Das wird ja oft damit in Verbindung gesetzt. mit der Frage, hat es überhaupt eine islamische Aufklärung analog der europäischen im 18. Jahrhundert gegeben oder eben nicht, beziehungsweise warum, wenn es denn überhaupt eine berechtigte Frage ist. ist die islamische Kultur angeblich durch dieses Stadium nicht hindurchgegangen und stockt heute sozusagen in einer Art Orthodoxiefest, die wir im 18. Jahrhundert überwunden haben. Ja, vielen Dank für diese sehr große, sehr komplexe, aber auch sehr wichtige Frage, die sich aus medialistischer Perspektive gar nicht so leicht beantworten lässt. Ich persönlich... wobei man sagen muss, ich bin kein Islamwissenschaftler, sondern Historiker, würde mit diesem Begriff der islamischen Aufklärung vorsichtig sein, denn zumindest für die Geschichte Al-Andalus oder die Geschichte des Mittelmeerraumes lässt sich sowas nicht feststellen, denn für mich hat dieses Konzept immer so eine teleologische Deutungstendenz hin von einer vermeintlich barbarischen Zeit hin zu einer aufgeklärten modernen Zeit. Das lässt sich für Al-Andalus nicht feststellen. Wir haben, wie wir gesehen haben, Phasen vergleichsweise großer Toleranz, wobei Toleranz ein problematisches Konzept ist, eher eines tolerierensverschiedener Auslegungen unter bestimmten Bedingungen, die aber auch sehr schnell wieder kippen können. Das kann von Herrscher zu Herrscher sein, das können aber auch verschiedene Dynastien sein. Wir haben es gesehen, das Kalift von Cordoba als vermeintliche Blütezeit wird dann später abgelöst durch die... durch Bürgerkriegswürden und dann durch die Almoravidenen-und Almohadenherrschaft, die eben doch wieder ein Rückschritt ist für das, was wir als Toleranz bezeichnen. Die christliche Herrschaftsübernahme beendet ja dann auch die Christen. Sozusagen tolerante Bestrebungen, das heißt wir haben eher ein Auf und Ab von günstigeren und schlechteren Vorzeichen, was zumindest für die Iberische Halbinsel keine Entwicklungstendenz von wenig aufgeklärt zu besonders ist. aufgeklärt deutlich macht. Das gleiche würde ich auch für den restlichen Mittelmeerraum so sehen, für Süditalien und für die Levante sozusagen. das jetzt für die die komplette islamische Welt zu beantworten, da fühle ich mich nicht kompetent genug. Ich wäre aber wirklich vorsichtig mit dem Begriff. Aber Sie haben natürlich vollkommen recht, die islamische Welt hat nicht diese Entwicklung durchgemacht. In der Vormoderne wird die vergleichbar zumindest mit der lateinkristlichen Welt. Wobei man auch da vorsichtig sein muss, denn wollen wir wirklich sagen, ohne jetzt ein großes Fass aufmachen zu wollen, dass wir in Latein-Europa wirklich immer aufgeklärter geworden sind. Und nach all den Ereignissen, Ereignissen, die wir aus dem 20. Jahrhundert kennen und die wir auch heute noch kennen. Man sollte vorsichtig sein, eine kontinuierliche Entwicklungslinie zu zeichnen. Aber sehr wichtige Frage, Sie sehen, wie ich kämpfe, da eine halbwegs kompetente Antwort zu geben. Vielen Dank für den sehr spannenden und schönen Vortrag. Ich habe eine Frage zum Verhältnis der Juden zu dem andalusischen Philosophen Averroes, von dem Sie gesprochen haben. Und zwar von Averroes sind etliche Aristoteles-Kommentare erhalten, aber nur noch auf Hebräisch oder auf Latein. Und gerade Hebräisch ist eine ganz zentrale Sprache der Philosophie des Averroes, also im Nachhinein geworden zu sein. Mich würde interessieren, wie muss man sich das vorstellen? Hat der Averroes jüdische Schüler? Gab es jüdische Philosophen auf der iberischen Halbinsel? Werke, die dann später in Latein-Europa dann von Juden, die arabisch und hebräisch konnten. Also das kann ich mir schwer vorstellen. Vielleicht könntest du uns da ein bisschen darüber aufklären, wie man sich diese sehr intensive Rezeption der Philosophie des Averroes durch die jüdischen Philosophen sich vorstellen muss. Super, vielen Dank. Auch das keine einfache Frage. Ich würde hier zwei Entwicklungstendenzen sehen. Ich würde nicht sagen, oder zumindest nicht in bedeutendem Maße, dass es einen jüdischen Schülerkreis gibt. von Imhruscht gegeben hat, sicherlich nicht unter einem mohadischer Herrschaft, wobei ich kein Experte für Imhruscht bin, muss ich sagen. Was man hier hat, ist, dass man eine Rezeption auf der iberischen Halbinsel hat durch arabisierte Juden, die fließend arabisch sprachen und natürlich auch lesen konnten, die diese Texte übersetzt haben. Das ist die eine Stoßrichtung. Die zweite Stoßrichtung ist eine ganz dezidiert spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Stoßrichtung mit Autoren wie Karl Kalonimus, das sind Das sind also Autoren, die relativ enigmatisch bleiben, die wir aber greifen können in Südfrankreich im 15. und 16. Jahrhundert, die diese Texte dann übersetzen und zwar außerhalb der Iberischen Halbinsel. Wir haben also, ich würde sagen, zwei Stoßrichtungen, einerseits innerhalb der Iberischen Halbinsel, andererseits außerhalb der Iberischen Halbinsel und gerade im Übergang Spätmittelalter, Frühe Neuzeit haben wir in Südfrankreich eine ganz lebendige Rezeption von solchen Texten und dafür gab es dann auch einen Markt. für diese Texte, die werden dann also auch in späteren Jahrzehnten auch gedruckt und da spielen die jüdischen Gemeinden eine ganz große Rolle und da ist es dann so, wie es immer bei solchen Entwicklungen ist, es gibt also einen Abnehmerkreis von meistens höfischer Gelehrte, die diese Texte also wirklich lesen wollen und die bedienen sich da den jüdischen Anbietern, die diese Texte eben übersetzen und produzieren. Ja, und das ist glaube ich der Hauptteil der Überlieferung. Ich würde sagen, die Texte Texte, die in Al-Andalus selbst entstanden sind, die machen nicht so viel aus wie die späteren Abschriften in der frühen Neuzeit. Ich würde Sie bitten, meine Einschätzung zu bewerten. Ist es richtig, dass die aristotelische Philosophie und große Teile der antiken Philosophie nicht so überlebt hätten, wenn es nicht diese Zeit gegeben hätte? Denn erst die Übersetzung und Rückübersetzung und dann auch die Erklärung. Auch das Vertreiben und auf anderen Wegen wieder Einspeisen hat doch eigentlich dazu geführt, dass Aristoteles überhaupt in der mitteleuropäischen Welt rezipiert werden konnte. Die katholische Kirche war ja schräg dagegen. Die hätte ja am liebsten alles verbrannt. Und deshalb meine Frage, ob das eine richtige Einschätzung ist. Ja, vielen Dank für diese Einschätzung, die ich guten Gewissens mit richtig beantworten kann. Ich würde das ganz genau so sehen. Wir haben hier eindeutig einen großen Einfluss dieses kulturellen Transfers, der allerdings, das sollte deutlich gemacht werden, nicht allein über die Iberische Halbinsel läuft, der läuft auch über Süditalien in einem noch geringeren Maße, der auch über die Levante, obwohl man die sogenannten Kreuzvorherrschaften nicht vergleichen kann mit Al-Andalus und Süditalien und wir haben auch das Byzantinische Reich, das man nicht vergessen darf, als Nachfolger. Reich des griechisch geprägten oströmischen Imperiums, wo auch viele Texte übersetzt worden sind, aber Al-Andalus spielt eine große Rolle und Sie haben vollkommen recht, ohne diese Transferleistung hätten wir diese Texte heute nicht und tatsächlich ist es so, das gilt nicht nur für Aristoteles, wir können die Antike, auch die Althistoriker und Historikerinnen können die Antike eigentlich nur durch die mittelalterliche Brille begreifen, das hat mein Doktorvater in Leipzig immer gesagt, wir Mediavisten können stolz drauf sein, denn die Antike braucht uns, um... ihre Quellen betrachten zu können. Das soll jetzt nicht negativ gegenüber Althistorikern und Historikerinnen sein, aber das ist eine ganz wichtige Sache. Und diese Kontaktzonen, diese Kontakträume spielen dort eine ganz wesentliche Rolle. Das ist richtig. Ja, also von mir auch vielen Dank für den Vortrag. Ich wollte nur noch mal zu dem Punkt mit der Aufklärung ergänzen, ob es die irgendwie im Islam auch so gegeben hat oder nicht. Also es ist wirklich eine schwierige Frage, aber es ist durchaus immer ein Diskurs gewesen und viele, auch Gelehrte, sind der Meinung gewesen, dass eine Art Aufklärung bereits in der... im Islam schon angelegt ist. Also das sieht man immer durch das Konzept Ijtihad, also das freigefällte Urteil, die eigene Beurteilung und den Taklit, also die Nachahmung. Und das war ein stetiger Diskurs über Jahrhunderte hinweg und auch geografisch hat sich unterschieden, was da gerade kritisiert und vorgeherrscht hat. Also da wäre ich wirklich ganz vorsichtig, dass irgendwie so... also das mit der Aufklärung irgendwie so parallel zu setzen im Christentum. Und es hat vor allem Ende des 19. Jahrhunderts eine große Welle an muslimischen Reformern gegeben, die dann darauf zurückreferiert, sich darauf zurückbezogen haben und dann auch gesagt haben, ja, wir brauchen eigentlich jetzt sowas nochmal neu, sowas wie Martin Luther oder Immanuel Kant, obwohl es eigentlich schon im Koran sogar angelegt ist. Kant steckt im Prinzip für viele in den Grundgedanken des Islams schon drin und deswegen ist es da eine ziemlich andere Entwicklung, als es mit dem Christentum zu vergleichen. Jetzt noch eine eigene Frage und zwar, wie würden Sie ungefähr die... die Rolle und Position der Philosophie in der andalusischen Gesellschaft einordnen. Also ob das eine besondere Spielart ist im Gegensatz zu islamischer Philosophie in der Levante oder anderswo. Genau, ob Sie dazu vielleicht etwas sagen könnten. Okay, super. Vielen Dank für diese sehr, sehr fachkundigen Fragen. Zu dem ersten Punkt, Sie haben vollkommen recht. Man sollte vielleicht mit dem Begriff der Aufklärung wirklich nicht in der... arabisch-islamischen Sphäre operieren, HTH, Tahrir, ganz wichtige Begriffe, die wirklich über viele, viele Jahrhunderte eben in den Denktendenzen angelegt sind, aber eben, das möchte ich doch betonen, keine Entwicklungslinie sind, die vom nicht aufgeklärten zu einem vermeintlich aufgeklärten führen. Wir haben dann später natürlich eine Beeinflussung durch Konzepte, die in Europa prävalent sind, Sie haben jetzt Kant angesprochen, aber das ist eine Sache, die wir ja im 19. Jahrhundert haben, das ist also auch nach der frühen Neuzeit, dem, was wir als mittelalterliche Epoche bezeichnen, kann man ja auch für die islamische Sphäre nicht so anlegen, würde ich doch dafür plädieren, dass es eben doch von Herrscher zu Herrscher und von Dynastie zu Dynastie sich unterscheidet. Und was ganz wichtig ist, weil auch das Beispiel Martin Luther, die Glaubensspaltungen im Islam stehen unter völlig anderen Vorzeichen als die Glaubensspaltungen im Islam. Spaltungen im Christentum. Shia und Sunna sind eigentlich politische Spaltungen, die dann später andere Konzepte mit einschließen und so weiter. Deswegen kann man diesen Eins-zu-Eins-Vergleich nicht wirklich machen, das ist ganz richtig, aber das muss man natürlich auch sagen, es gibt solche aufklärerischen, alles immer in Anführungszeichen, Bestrebungen, eben natürlich in der islamischen Welt, die gibt es bis heute, man denke an die Nachtar-Bewegung im Maghreb. Das sind ganz wichtige Dinge, aber für die mittelalterliche Epoche eben dann schwer zu fassen. Zu der zweiten Frage, Also die Rolle der Philosophie, ich glaube persönlich, man sollte die Rolle der Philosophie nicht überschätzen, vor allem nicht im Alltag. Philosophie ist ein Elitenzeitvertreib, würde ich doch stark sagen. Philosophie ist im Islam, soweit ich, wie gesagt, ich bin kein Islamwissenschaftler, immer eng verknüpft auch mit religiösem Denken, das ist kein Gegensatz. Ja, das ist aber etwas, was an Höfen stattfindet, was in Matrasas stattfindet, was einfach in Räumen stattfindet, die von Bildungseliten per... kapituiert werden. Das ist nichts, womit sich ein muslimischer Bauer natürlich befasst. Ja, das ist ein Elitenphänomen, eine ganz kleine Elite, die sich darum kümmert, deswegen sollte man es vielleicht auch nicht überbewerten. Das ist das, was uns fasziniert, eben auch die wissenschaftlichen Texte von Ibn Siad, was natürlich nicht in erster Linie philosophisch ist, das sind die Dinge, die uns faszinieren, aber das ist nicht die Lebenswelt der mittelalterlichen Menschen. Das gilt auch nicht nur für die islamische Welt, das gilt auch für die lateinisch-christliche Sphäre. Die Menschen haben einfach andere Probleme, nicht nur im Mittelalter, auch in den... jüngeren Epochen natürlich, das ist einfach ein Elitenphänomen. Gut, ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage. Vielen Dank auch für den Vortrag. Ganz kurze Frage, nur Sie setzen sich auch speziell mit dem islamischen Süditalien auseinander. Wenn Sie das jetzt so vergleichen, sozusagen diese Herrschaft und Herrschaftsverhalt, also das ist ja für die Almoravidenen relativ... die für wenige waren. Wie weit unterscheidet sich das? Ist das ähnlich oder anders gefragt? Ist das ein System gewissermaßen, die Toleranz oder das Lebenlassen als Machterhaltsfaktor? oder kann man da Unterschiede zwischen Süditalien und dem islamischen Spanien ausmachen? Vielen Dank für die sehr interessante Frage, die mich wirklich schon eine ganze Weile jetzt umtreibt. Man kann deutliche Unterschiede greifen, aber auch Parallelen. Die Parallele sehe ich in diesem jetzt von mir mit Brian Kettlers erklärten Conveniencia-Prinzip, dass es ein pragmatisches Miteinander-Auskommen gibt, weil beide Seiten einander brauchen sozusagen. Die kleine Elite... der Erobernden braucht die große Mehrheit der Eroberer sozusagen. Die Eroberer wollen natürlich überleben, die müssen überleben, deswegen müssen sich beide Seiten zu Konzessionen bereit erklären. Aber in Süditalien haben wir doch ein ganz anderes Konzept. Die normandischen Herrscher machen nämlich etwas, was die christlichen Herrscher nicht machen, die instrumentalisieren, die das muslimische Erbe für ihre eigene Herrschaft. Herrschaftsrepräsentation. Herrscher wie Ruge Iii. von Sizilien, die inszenieren sich gleichermaßen als christlicher Herrscher, also als lateinkristlicher Könige, als auch als byzantinischer Kaiser, als auch, und das ist ganz wichtig, nicht als Kalif, als Sultan. Die imitieren die Fatimiden, das heißt, wir haben also eine dreigestaltige Herrschaftsrepräsentation der christlichen normandischen Königee, die haben wir in Al-Andalus nicht, also in die Nacht. folgereichen von einander los. Wenn Jakob I. von Aragon das Königereich Valencia gründet, dann herrscht er über Muslime, aber er ist ein christlicher Könige. Er ist niemals ein islamischer Sultan. Das ist eine Spezifikation, die wir vor allem für die normandischen Herrscher haben. Für die sogenannten Kreuzfahrerherrschaften und die dortigen Königee ist es so, dass man nicht im Selbst... Maße von einer Toleranzpolitik sprechen kann. Hier haben wir so, weit ich das überblicken kann, eine Segregation der Gemeinden. Das heißt, die Lateiner bleiben unter sich in den Städten, die jüdischen Gemeinden und die muslimischen Gemeinden bleiben ebenfalls unter sich. Das heißt, diese Räume sind schon durchaus vergleichbar, aber wir haben ganz unterschiedliche Ausprägungen. Ich persönlich finde, am bemerkenswertesten lebt das muslimische Erbe im normandischen Sizilien tatsächlich vor. weil es dort eben für die Herrschaftsrepräsentation natürlich instrumentalisiert wird, aber es ist wesentlich präsenter auf allen gesellschaftlichen Ebenen, als das auf der Iberischen Halbinsel ist und als es im Nahen Osten ist. Ja, beantwortet das Ihre Frage oder lag ich daneben? Okay, gut. Ich habe an sich vielleicht eine schwierige Frage, aber ganz einfach. Ich möchte wissen, von wie vielen Menschen wir reden in diesem großen Gebiet. Dann kann ich das Ganze ein bisschen besser einordnen. Das ist eine sehr gute Frage und eine sehr schwere Frage, die zu beantworten. Ich glaube, ich sehe mich außerstande. Wir reden hier von wesentlich weniger Menschen, als wir uns das vielleicht gemeinend vorstellen würden. Was kann man sagen? Metropolen wie Cordoba und Palermo zum Beispiel. Zum Beispiel jetzt auf Sizilien kommen an heutige Großstädte ran, würde ich sagen, ohne dass ich Zahlen nennen kann. Aber die meisten anderen Siedlungszentren bleiben Kleinstädte mit wenigen tausend Einwohnern, eventuell zweistellig, wenn man an Städte wie Valencia denkt. Die dürflichen Gemeinden sind recht klein. Man kann das schlecht quantifizieren. Aber wir sprechen hier von Städten wie Chateau mit vielleicht... vielleicht 10.000, 5.000 Einwohnern. Dürfer, wie gesagt, noch kleiner, vielleicht 500, 600 Einwohner. Das lässt sich einfach schwer greifen in den Quellen erst in späteren Jahrhunderten. Aber tendenziell sind die Zahlen wesentlich kleiner. Das ist genauso, wenn man sich befasst mit den Zahlen, die bei Schlachten ins Feld geführt werden. Die sind meistens völlig übertrieben. Man geht hier von wenigen Hundert oder Tausend Kämpfenden sozusagen aus. Aber oft sind die Zahlen völlig übertrieben. Das heißt, dass so kleiner man tendenziell die Zahlen... anlegt, desto realistischer mag es sein. Aber absolute Zahlen sind extrem schwer festzustellen, muss man natürlich sagen. Deswegen sehr gute Frage, aber kann ich leider nicht genauer beantworten. Gut, ganz herzlichen Dank für die rege Diskussion, ganz herzlichen Dank nochmal, liebe Erik Böhme, für diesen fundierten Vortrag und schön, dass Sie da waren. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder und ich wünsche uns allen noch einen schönen Abend.