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Populationszyklen bei Räubern und Beute

In diesem Video geht es um eine ganz spezifische Wechselbeziehung zwischen Prädatoren, Räubern und ihrer Beute. Und zwar um die Beobachtung, dass die Populationen von Räubern zyklisch mit denen ihrer Beute schwanken können. Die Anzahl an Räubern und ihrer Beute also in bestimmten Zeitabschnitten zu- und wiederabnimmt. Eine Wechselbeziehung zwischen Räubern und Beutearten habt ihr in einem vorherigen Video von mir bereits kennengelernt. Und zwar die Ausprägung von evolutionären Angepasstheiten. Räuber können im Laufe der Evolution schneller und kräftiger werden und dadurch ihre Effizienz beim Beutefang steigern. Und als Reaktion darauf können die Beutearten flinker, widerstandsfähiger, weniger auffällig oder giftiger werden, um sich ihrer Fressfeinde zu erwehren. Und kommt es zu einer Abfolge von solchen wechselseitigen Angepasstheiten, spricht man auch von einem ko-evolutionären Wettrüsten bzw. von Ko-Evolution. Nun wollen wir uns aber mit der Populationsdynamik zwischen Räuber- und Beutearten widmen und dabei vor allem der Frage nachgehen, wodurch die zyklischen Schwankungen der Populationsdichte bewirkt werden. Ein sehr gut untersuchtes Beispiel für Populationszyklen von Räuber und ihrer Beute und deshalb auch der Klassiker in jedem Biologiebuch sind Zyklen des kanadischen Luchses und des Schneehasen als Hauptbeuteart des Luchses. Die Auswertungen der Daten zeigen, dass die Bestände von Luchsen und Schneehasen in einem circa 10-jährigen Zyklus schwanken. Alle 10 Jahre erreichen die Populationen einen Höchststand. In den Jahren dazwischen geht die Populationsdichte zuerst deutlich zurück und nimmt anschließend wieder zu. Betrachtet man die Populationsmaxima, fällt auf, dass die Höchststände der Hasen zuerst erreicht werden. Die der Luchse folgt zeitverzögert um ein bis zwei Jahre. Es zeigt sich also, dass zwischen Räuber und Beute eine enge Kopplung besteht. Und die Gründe dieser Kopplung liegen auf der Hand. Wenn die Anzahl an Beutetieren zunimmt, dann nehmen folglich auch die Bestände der Räuber zu. Ihnen stehen nun durch die immer größere Anzahl an Beutetieren genug Nahrung zur Verfügung. Die Sterblichkeit der Beutepopulation nimmt dadurch natürlich deutlich zu. was zu einer Abnahme ihrer Population führt. Dadurch steht den Räubern wiederum weniger Nahrung zur Verfügung, sodass auch ihre Sterblichkeit ansteigt und ihre Anzahl zurückgeht. Auch schon davor steigt der Druck auf die Räuber, denn mit zunehmender Populationsdichte steht einem einzelnen Räuber weniger Beute zur Verfügung. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist der Feinddruck auf die Beutepopulation so niedrig, weil die Populationsdichte der Räuber so stark dezimiert ist, dass sich die Schneehasen wieder erholen und ihr Bestand wächst. Dadurch wiederum kann zeitlich versetzt auch die Population der Luchse ansteigen. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Räubern meist um K-Strategen handelt, trägt dazu bei. Anders als bei den sogenannten R-Strategen, deren Lebenszyklus darauf ausgelegt ist, die größtmögliche Populationswachstumsrate zu erreichen, wie zum Beispiel im Fall der Schneehasen als Beute der Fall, sind K-Strategen unter anderem durch ein langsam ansteigendes Populationswachstum charakterisiert. Mehr dazu im entsprechenden Videos zu den unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien. Diese Populationszyklen wurden das erste Mal von zwei Wissenschaftlern, Lotka und Volterra, erforscht. Sie erkannten zudem Regelmäßigkeiten in den Zyklen zwischen Räuber und ihrer spezifischen Beuteart, die wir heute als die drei Lotka-Volterra-Regeln kennen. Zwei davon sind im Video bereits angeklungen. Die erste Regel lautet, die Populationsdichten von Beute und Fressfeind schwanken bei konstanten Umweltbedingungen periodisch und zeitlich zueinander verschoben, wobei das Populationsmaximum der Beute, das des Räubers, zeitlich vorangeschaltet ist. Zweitens, die Dichte jeder Population schwankt um einen konstanten Mittelwert. Die durchschnittliche Größe einer Population bleibt über einen längeren Zeitraum betrachtet konstant. Das Populationsmaximum liegt natürlich deutlich über dem Mittelwert, wohingegen das Minimum deutlich darunter liegt und damit der Mittelwert zwischen diesen beiden Größen vorzufinden ist. Drittens, bei einer gleich starken Verminderung der Anzahl an Räubern und Beute erholt sich die Beutepopulation schneller als die der Räuber. Auch bereits erläutert hier im Video und im engen Zusammenhang mit den unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien, R- und K-Strategen, stehend. Konkret sind Beutetiere in der Regel kleiner, erreichen schneller ihre Geschlechtsreife, haben kürzere Tragezeiten und eine höhere Verbrauchersatzrate. Anzahl an Nachkommen als die Räuber. Und auch ein weiterer Faktor trägt dazu bei. Wenn sowohl die Beute als auch die Räuberpopulation nun stark dezimiert ist, dann ist der Zugang zu Nahrung nur bei einer der beiden Populationen stark dezimiert. Und zwar für die Räuberpopulation, in diesem Fall also die Luchse. Den Schneehasen als Beuteart steht auch jetzt immer noch ausreichend Nahrung zur Verfügung. Man weiß heute, dass derartige Populationszyklen nicht monokausal begründbar sind. Die Zyklen sind nicht alleinig auf eine enge Wechselwirkung zwischen den Räubern mit ihrer Beuteart zurückzuführen. Letztendlich zeigen die Populationszyklen eine Korrelation, das heißt einen statistischen Zusammenhang zwischen zwei Größen. Hier zum Beispiel die Anzahl an Luchsen sowie Hasen. Zugegeben, die Korrelation zwischen der Anzahl an Luchsen und Hasen ist hoch. Es gibt einen engen statistischen Zusammenhang beider Größen. Mit zunehmender Anzahl an Hasen erhöht sich auch die Anzahl an Luchsen und umgekehrt. Aber eine Korrelation erklärt noch keinen Kausalzusammenhang im Sinne einer Ursache-Wirkung. Logisch, denn möchte man herausfinden, ob die Ursache des Populationszyklus ausschließlich auf die Wechselbeziehungen zwischen Räuber- und Beuteart zurückzuführen ist, müsste man sämtliche biotische und abiotische Umweltfaktoren, mit denen die Organismen zwangsläufig ebenfalls interagieren, herausfiltern und derartig künstliche Bedingungen schaffen, die in der belebten Natur schlichtweg nicht existieren. Im Fall der Schneehasen- und Luchspopulation hat man herausgefunden, dass Räuber- und Beutepopulationen auch dann immer noch zyklisch schwanken, wenn man beide Arten voneinander trennt. Es gilt heute als gesichert, dass klimatische Schwankungen ursächlich sind für diese Zyklen, wenngleich eine enge Räuber-Beute-Beziehung die Effekte auf die Populationsdichte verstärken kann.