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Bundesfinanzhofs Urteil zu Festplattendaten

Stellen Sie sich mal vor, bei Ihnen klingelt‘s morgens um sieben und die Polizei steht vor der Tür. Die will bei Ihnen eine Durchsuchung machen und die Beamten nehmen alles mit. Computer, Laptop, vor allen Dingen die Festplatte ist besonders interessant für die Beamten. Und diese Festplatte, die kommt dann als nächstes zum Finanzamt. Das Finanzamt schaut sich die Daten darauf an, die Dokumente, alle Emails, auch die da gespeichert sind und will Ihnen bei der Steuer aus diesen Daten einen Strick drehen und eine hohe Nachzahlung von Ihnen haben. Aber darf das Finanzamt das? Darf das Finanzamt wirklich an die Festplatte ran? Oder spielt da nicht der Datenschutz eine Rolle? Grundrechte auch. Genau dazu haben wir jetzt ein neues Urteil reinbekommen von ganz oben. Ich verrate Ihnen heute, wie das Urteil ausgefallen ist. Musik Hallo! Schön, dass Sie mit dabei sind. Ich bin Patricia Lederer. Ich bin Rechtsanwältin bei PepperPapers.de, dem Onlineshop für Rechtsdokumente, und in der Steuerrechtskanzlei TaxPro. Wir gehen direkt rein in den Gerichtsprozess. Das Besondere an dem Prozesses. Da hat eine Firma das Finanzamt verklagt. Ja, eben wegen der Sache mit der Festplatte. Diese Firma ist aber nicht in Deutschland. Das ist eine ausländische Firma und das deutsche Finanzamt hat versucht, aus dieser Firma eine Deutsche zu machen, damit die in Deutschland ihre Steuern bezahlt. Diese Firma ist tatsächlich in Zypern. Da sind die registriert. Es ist eine sogenannte Private Company Limited By Shares, vergleichbar der deutschen GmbH. Und da hat das Finanzamt gesagt: Leute, ihr seid zwar auf Zypern, formell, aber in Echt seid Ihr doch eine deutsche Firma. Euer Chef ist deutscher Staatsangehöriger, der ist der Geschäftsführer, dann Ihr gehört einem einzigen Gesellschafter. Das wiederum ist eine deutsche GmbH. Also im Endeffekt spielt sich bei euch alles in Deutschland ab, das Tagesgeschäft, alle geschäftlichen Entscheidungen finden in Deutschland statt, und in Zypern seid ihr nur eine Briefkastengesellschaft. So hat das Finanzamt argumentiert. Und das Finanzamt hat ermittelt. Es hat gesagt: Wir machen jetzt eine Kontrolle, eine Betriebsprüfung. Wir Steuerrechtler nennen das die berühmte Außenprüfung, wo das Finanzamt die Firma kontrolliert. Und das konnte das Finanzamt natürlich nicht in Zypern machen. Das deutsche Finanzamt darf die Firma in Zypern nicht kontrollieren. Aber es gibt ja noch die deutsche Firma, der diese Zypern Firma gehört. Es ist ein bisschen verschachtelt. So hat das Finanzamt gesagt, wir machen jetzt da eine Kontrolle, eine Betriebsprüfung bei der deutschen Firma. Und gleichzeitig, das ist der Knackpunkt, gab es Ermittlungen gegen den deutschen Chef. Da hat aber nicht das Finanzamt ermittelt, sondern die Staatsanwaltschaft. Und da ist das passiert, was ich Ihnen eingangs geschildert habe. Die Staatsanwaltschaft ist hingegangen und hat die Festplatte von dem Mann beschlagnahmt. Mit allen Dateien drauf, allen Dokumenten und vor allen Dingen hatte der Mann alle seine Emails auf der Festplatte gespeichert. Das gute Stück hat die Staatsanwaltschaft dann ans Finanzamt weitergegeben. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für das Finanzamt. Der Prüfer vom Finanzamt hat sich gesagt: Okay. Ich schaue mir das mal in aller Ruhe an. Er hat sich alle Emails angeschaut und am Ende ist er zu dem Ergebnis gekommen: Meine Betriebsprüfung ist durch. Ihr seid in Wahrheit eine deutsche Firma. Aus den Mails sehe ich ganz klar. Alles, was bei euch an geschäftlichen Entscheidungen der Firma lief, wurde laut den Mails in Deutschland getroffen. Also seid ihr mit einem formellen Briefkasten vielleicht auf Zypern ansässig, aber in Wahrheit seid ihr in Deutschland. Und so zwangsverorte ich euch, Begriff aus der Steuersprache, nach Deutschland. Ich behandle euch, als seid ihr eine deutsche Firma. Ihr müsst also in Deutschland Steuern bezahlen. Aber wie viel? Ich kenne ja eure Zahlen nicht, weil ihr auf Zypern sitzt. Immer wenn das Finanzamt nicht weiß, wie viel genau. Dann macht das Finanzamt eine Schätzung. Es hat den Umsatz und den Gewinn der Firma geschätzt, auch gleich für vier Jahre, volles Programm, und hat gesagt, dafür wollen wir jetzt eine saftige Nachzahlung. Aber genau solche Schätzungen vom Finanzamt sind immer juristisch angreifbar, egal ob es eine Auslandsfirma ist oder ob Sie viel mit Bargeld handhaben und das Finanzamt dann sagt: Wir schätzen das, was an der Steuer angeblich vorbeigegangen ist. Ob es ein Restaurant ist? Autohandel? Völlig egal. Schätzungen vom Finanzamt, das verrate ich Ihnen als Steueranwältin, können Sie immer angreifen. Und genau das hat unsere Firma auch gemacht in dem Prozess. Die hat gesagt, wir wehren uns gegen die Schätzung. Das sehen wir nicht ein. Wir klagen dagegen vor Gericht. Das Finanzamt schickt uns einen Bescheid mit der Schätzung. Da machen wir einen Einspruch, den lehnt das Finanzamt ab. Das ist nun mal der Verfahrenslauf. Und sobald ich die Ablehnung vom Finanzamt habe, die berühmte Einspruchsentscheidung heißt das Dokument, klage ich vor Gericht. Und vor Gericht ist es dann in der ersten Instanz vor dem Finanzgericht gelandet, konkret in Baden-Württemberg. Baden-Württemberg hat die Klage abgewiesen. Die haben dem Finanzamt Recht gegeben, aber die Sache war damit nicht zu Ende. Die Firma hat gesagt wir machen weiter, wir gehen in die nächste Instanz. Und immer, wenn Sie mit dem Finanzamt streiten um die Steuer, ist die erste Instanz das Finanzgericht. Wie hier Baden-Württemberg. Und die zweite und erst mal letzte Instanz ist der Bundesfinanzhof. Danach kommt nur noch Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof. Ja, also Firma ist direkt nach oben gegangen, zum Bundesfinanzhof nach München. Was glauben Sie, wie die Richter das entschieden haben? Der Bundesfinanzhof sieht beim Thema Datenschutz ja auch gerne mal rot. Und so haben die Richter auch gesagt: Also wir haben hier eine Festplatte mit gespeicherten Daten, Emails vor allen Dingen. Das ist ein ganz sensibler Bereich, das berührt auch Grundrechte, natürlich. Das ist konkret natürlich das Recht auch dieser Firma, der Menschen, die in der Firma arbeiten, von diesem Chef auch, auf die informationelle Selbstbestimmung. Informationell deswegen und Selbstbestimmung, dass jeder, der eine Festplatte hat und darauf Daten speichert, ob es Mails sind, Dokumente völlig egal, hat das Recht, selbst darüber zu bestimmen, was mit diesen Daten geschieht. Wer auch diese Emails lesen darf, ob das Finanzamt die überhaupt lesen darf. Und so haben die Richter beim Bundesfinanzhof gesagt. Okay, wir haben hier ganz klar einen Grundrechtseingriff. Dieses Recht wird verletzt dadurch, dass der Prüfer vom Finanzamt sich in aller Ruhe alle Emails anschauen konnte. Also wenn wir so einen Grundrechtseingriff haben, dann brauchen wir ja ein Gesetz, was den erlaubt. Ja, da haben die Richter natürlich ins Gesetz geschaut und sie haben zwei Paragrafen gefunden. Ich spanne Sie ein bisschen auf die Folter bewusst, weil ich will, dass Sie sehen, dass nicht der erste Blick oft der alleinige ist, der zählt. Der erste Paragraf ist der in der Abgabenordnung, in unserem Steuergesetz, 393 genau genommen. Ich habe den in der Videobeschreibung verlinkt, wenn Sie reinschauen wollen, der sagt: „Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, dürfen im Besteuerungsverfahren verwendet werden.“ Paragraf Ende. Klingt ja erst mal nicht so gut auf den ersten Blick. Das klingt so, als ob das Finanzamt die Daten auf der Festplatte für die Steuer verwenden darf, oder was denken Sie? Der Bundesfinanzhof hat dann gesagt: Ja schon, aber da gibt es ja auch ein ganz, ganz klares Aber. Denn natürlich sind die Daten rechtmäßig gewonnen auf den ersten Blick. Es gab einen Durchsuchungsbeschluss vom Gericht. Sonst hätte ja die Staatsanwaltschaft die Festplatte gar nie beschlagnahmen dürfen. Aber die Staatsanwaltschaft hat trotzdem Mist gebaut. Denn die hat die Festplatte einfach so ans Finanzamt weitergegeben. Bundesfinanzhof, die Richter sagen ausdrücklich, die Staatsanwaltschaft hätte das niemals machen dürfen. Auf der Festplatte waren, Sie wissen es jetzt, alle Mails, die der Mann gespeichert hatte, unser Firmenchef, alle Dateien, alle Dokumente. Und all das hat die Staatsanwaltschaft, ohne zu prüfen, was ist eigentlich relevant für die Ermittlungen? Was ist privat und muss auch privat bleiben? Nehmen wir also raus. Nein. Ungeprüft hat es die Staatsanwaltschaft ans Finanzamt weitergegeben. Ganz nach dem Motto: Was man hat, hat man. Und das Finanzamt wird es ganz bestimmt brauchen können, weil es ja diese Firma gerade gleichzeitig kontrolliert hat. So sagt der Bundesfinanzhof ausdrücklich: Bevor die Staatsanwaltschaft die Festplatte ans Finanzamt weitergibt, muss sie filtern. Sie muss sich alles anschauen. Die Beamten bei der Staatsanwaltschaft müssen alle Dokumente durchgehen, alle Emails und schauen: Was ist eigentlich relevant für die Ermittlung? Das können wir ans Finanzamt weitergeben. Und was ist privat? Und das dürfen wir dann eben auch nicht weitergeben. Das ist der zweite Paragraf, weswegen ich Ihnen eben gesagt habe: Nicht immer auf den ersten Blick vertrauen, sondern nachschauen, was ist da noch geregelt. In dem 110 in der Strafprozessordnung, da steht das drin, dass die Staatsanwaltschaft nicht nach dem Motto, Susi Sorglos, wir nehmen einfach mal die Festplatte und schicken sie rüber zum Finanzamt, Daten weitergeben darf. Das ist ausdrücklich untersagt. Wie ist jetzt das Urteil ausgefallen von ganz oben? Sie ahnen es. Der Bundesfinanzhof hat unserer Firma Recht gegeben. Er hat ausdrücklich gesagt, die Staatsanwaltschaft hätte die Festplatte nicht ans Finanzamt weitergeben dürfen, ohne die vorher zu durchzusehen und zu filtern, was ist privat und muss außen vor bleiben. Die ganze Sache verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ich zitiere mal wörtlich, was im Urteil drinsteht: „Bei der Abwägung im Rahmen der bei Grundrechtseingriffen gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung (im engeren Sinne als Zweck Mittel Relation) überwiegt vorliegend der Grundrechtsschutz gegenüber dem einer gleichmäßigen Besteuerung dienenden Interesse an einer umfassenden Sachaufklärung.“ Zitatende. Feinste Steuerrechts Sprache. Im Klartext heißt das: Die Festplatte unterliegt einem Beweisverwertungsverbot. Das Finanzamt darf die Daten, Dateien, Emails, alles was auf der Festplatte drauf ist, nicht verwenden. Gegen die Firma, gegen die es da ermittelt, prüft und kontrolliert. Und die Richter beim Bundesfinanzhof hatten auch noch eine extra Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft parat im Urteil. Die haben gesagt Leute, Ihr hatte diese Festplatte fast drei Jahre lang bei euch rumliegen. In der Zeit hattet ihr locker Zeit zu schauen, was ist da an sensiblen Daten drauf, die mit den Ermittlungen nichts zu tun haben, die nicht relevant sind. Die lasst ihr außen vor und gebt nur das, was für die Ermittlungen bedeutsam ist, weiter. Alles andere bleibt ganz klar privat. Jetzt werden Sie wissen wollen, wie es weitergeht. Das Urteil ist zugunsten von der Firma ausgefallen, aber es ist noch kein endgültiges Urteil. Der Bundesfinanzhof hat die ganze Sache zurückverwiesen an die erste Instanz. Und das Finanzgericht in Baden-Württemberg muss den Fall jetzt neu aufrollen. Und es muss ihn neu entscheiden. Ohne die Festplatte. Denn das ist die Erkenntnis aus dem Urteil: Das Finanzamt darf an die Festplatte nicht ran. Ich hoffe, es hat Sie schlauer gemacht heute und wir sehen uns hier auf dem Kanal schon ganz bald wieder. Bis dann. Machen Sie es gut. Ciao.