Der Utilitarismus und die Ethik von Immanuel Kant sind zwei sehr wichtige moral-philosophische Positionen, die sich ganz grundsätzlich voneinander unterscheiden. Zu beiden Positionen gibt es hier auf meinem Kanal jeweils eine eigene Playlist mit Videos, in denen du ganz genaue Informationen und ausführliche Erklärungen findest. In diesem Video fassen wir kurz und knapp die wichtigsten Unterschiede zusammen und betrachten am Ende drei Fallbeispiele, aus Sicht des Utilitarismus und von Kant.
Der utilitaristische Imperativ lautet Handle so, dass die Folgen deiner Handlung bzw. Handlungsregel für das Wohlergehen aller optimal sind. Kants kategorischer Imperativ in der Universalisierungsformel lautet Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz wäre. Und in der Zweck-an-sich-Formel Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.
Aus dem utilitaristischen Imperativ kann man die vier Grundprinzipien des klassischen Utilitarismus ableiten. Anhand dieser vier Prinzipien wollen wir nun den Utilitarismus mit Kant's Ethik vergleichen. Das erste Prinzip ist das Konsequenzenprinzip oder Folgenprinzip. Es besagt, dass nur die Folgen einer Handlung betrachtet werden.
Weder das Handlungsmotiv noch die Handlung selbst sind im Utilitarismus relevant für die Moralität einer Handlung. Bei Kant ist es genau umgekehrt. Die Folgen einer Handlung dürfen nicht berücksichtigt werden.
Es zählt allein der gute Wille, also das Motiv hinter der Handlung. Kant zufolge sind Handlungsfolgen nämlich unvorhersehbar und liegen nicht in der Macht des Handelnden. Sie dürfen daher seiner Ansicht nach für die moralische Beurteilung einer Handlung keine Rolle spielen.
Das zweite utilitaristische Prinzip ist das hedonistische Prinzip oder Lustprinzip. Im Utilitarismus geht es um das Erreichen von Glück. Glück ist dabei definiert als Lust und Abwesenheit von Unlust. Die Handlungsfolgen werden also danach beurteilt, ob sie möglichst viel Freude und möglichst wenig Leid bei allen Betroffenen bewirken.
Der Begriff Glück eignet sich Kants Ansicht nach nicht für eine einheitliche Definition des Guten. Dafür ist der Begriff viel zu unbestimmt. Jeder versteht etwas anderes unter Glück. Freude und Leid, Kant spricht von Neigung, dürfen bei einer Handlungsentscheidung nicht berücksichtigt werden, sondern nur die reine Achtung vor dem moralischen Gesetz.
Damit eine Handlung moralisch und nicht nur legal ist, muss die Handlung nicht nur pflichtmäßig also aus einer Neigung herausgeschehen, sondern aus Pflicht. Das bedeutet, dass bei Kant nur die Pflicht, die reine Achtung vor dem moralischen Gesetz, den menschlichen Willen bestimmen darf, damit die Handlung moralisch genannt werden kann. Das dritte utilitaristische Prinzip ist das universalistische Prinzip oder Verallgemeinerungsprinzip. Es geht im Utilitarismus um das Wohlergehen aller von der Handlung Betroffenen.
Weder darf die Handlung egoistisch sein, Noch dürfen einzelne Personen oder Gruppen bevorzugt werden. Das erinnert doch stark an die Universalisierungsformel des kategorischen Imperativs. Haben wir hier etwa eine Gemeinsamkeit zwischen dem Utilitarismus und Kant's Ethik entdeckt? Ganz klar nein.
Die Universalisierungsformel meint bei Kant nämlich die Verallgemeinerungsfähigkeit von Maximen als allgemeines Gesetz. Das bedeutet, Jede persönliche Handlungsregel muss dahingehend geprüft werden, ob sie als allgemeines Gesetz gedacht bzw. gewollt werden kann. Es geht hier im Unterschied zum Utilitarismus nicht um die bestmöglichen Folgen für alle von der Handlung Betroffenen. Mögliche Folgen, und zwar egal für wie viele Menschen, dürfen laut Kant bei der Handlungsentscheidung ausdrücklich keine Rolle spielen.
Das vierte Prinzip schließlich ist das Utilitätsprinzip oder Nutzenprinzip. Es geht also um den Nutzen, den eine Handlung bringt. Dieser Nutzen bemisst sich daran, ob die Handlung möglichst viel Freude und möglichst wenig Leid bei allen Betroffenen auslöst.
Da der Nutzen im Utilitarismus an den Handlungsfolgen bemessen wird, spielt in Kants Ethik auch dieser Nutzen keine Rolle. Allein der gute Wille ist Kants Ansicht nach gut. Und der Wille ist nur dann gut. wenn er allein vom moralischen gesetz dem kategorischen imperativ bestimmt wird der nutzen und damit die handlungsfolgen dürfen bei einer handlungsentscheidung keine rolle spielen außerdem wird der nutzen im utilitarismus an der maximierung von freude und minimierung von Leid bemessen. Es geht also erneut um Neigungen, die laut Kant ebenso wenig den Willen bestimmen sollen.
Ganz deutlich wird der Unterschied bei der Zweck-an-sich-Formel des kategorischen Imperativs. Der Mensch darf hiernach nämlich niemals als bloßes Mittel benutzt werden, auch dann nicht, wenn es der Mehrheit nützt. Während Kant also die Instrumentalisierung von Menschen kategorisch verbietet, ist eine solche Instrumentalisierung im Utilitarismus erlaubt, solange sie den Gesamtnutzen fördert.
Wir sehen, der Utilitarismus und die Ethik von Immanuel Kant stehen in einem krassen Gegensatz zueinander. Doch welche Auswirkungen hat dies auf konkrete Handlungsentscheidungen? Lasst uns das einmal gemeinsam an drei Fallbeispielen überprüfen.
Du hast dir vor längerer Zeit von jemandem ein Buch ausgeliehen, was der Besitzer aber schon vergessen hat. Ein Freund, der das ausverkaufte Buch schon lange sucht, sieht es bei dir. Darfst du ihm das Buch schenken? Wir argumentieren zunächst aus Sicht des klassischen Utilitarismus und erstellen eine Liste mit möglichen Folgen.
Der Freund freut sich sehr über das Buch. Der Besitzer findet es heraus und ärgert sich. Der Besitzer findet es heraus und ihm ist es egal.
Der Besitzer findet es nicht heraus. Der Freund findet heraus, dass dir das Buch gar nicht gehört und ärgert sich. Dann wägen wir die wahrscheinlichsten Folgen gegeneinander ab und überlegen, welche Handlung das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl an Betroffenen auslöst. Auf dieser Grundlage fällen wir unsere moralische Entscheidung. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich der Freund über das Buch freut und sich der Besitzer nicht mehr an das Buch erinnert bzw.
es ihm egal ist. Wenn du das Buch verschenkst, entsteht also bei allen Betroffenen mehr Freude als Leid. Die Antwort in diesem Fall lautet also, ja, du darfst das Buch verschenken.
Nun zu Kant. Wir argumentieren mit Kants Universalisierungsformel des kategorischen Imperativs. Die Maxime, ich schenke einem Freund ein ausgeliehenes Buch weiter, kann als allgemeines Gesetz weder gewollt noch gedacht werden. da sich die Maxime ansonsten selbst zerstören würde. Niemand könnte oder würde mit einem solchen allgemeinen Gesetz mehr jemandem etwas ausleihen.
Ausleihen und Verschenken wäre dann dasselbe. Das Prinzip Ausleihen basiert nämlich darauf, dass man die ausgeliehene Sache wieder zurückbekommt. Die Maxime würde als allgemeines Gesetz lauten, immer wenn jemand vergessen hat, dass du dir etwas von ihm ausgeliehen hast, musst du es weiter verschenken.
Ein solches Gesetz ist in sich widersprüchlich. Es kann nicht als allgemeines Gesetz gedacht werden. Wollen kann ein solches Gesetz ebenso keiner, denn man leiht Dinge schließlich deshalb aus, weil man sie wieder zurückbekommen will.
Ansonsten könnte man die Sache ja gleich verschenken. Die Antwort nach Kant lautet also, nein, du darfst das Buch nicht verschenken. Zweites Fallbeispiel. Du hast Freundin A versprochen, mit ihr shoppen zu gehen.
Spontan bitte dich Freundin B, ihr beim Umzug zu helfen, da alle Helfer abgesagt haben und sie den Umzug ansonsten nicht schafft. Darfst du Freundin A versetzen, um Freundin B beim Umzug zu helfen? Wir argumentieren wieder zunächst aus Sicht des klassischen Utilitarismus und erstellen als erstes eine Liste mit möglichen Folgen. Freundin A ist zauber, weil du nicht mit ihr shoppen gehst. Freundin A hat Verständnis und ist nicht sauer.
Er geht wann anders shoppen. Freundin A wollte eh lieber alleine shoppen und ist erleichtert, dass du nicht kommst. Freundin B freut sich sehr, weil du ihr beim Umzug hilfst.
Dann wägen wir wieder die wahrscheinlichsten Folgen gegeneinander ab und überlegen uns, welche Handlung das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl auslöst. Am Ende fällen wir dann die moralische Entscheidung. Die Hilfe beim Umzug löst mit hoher Wahrscheinlichkeit eine größere Freude bei Freundin B aus, als das Leid durch das verpasste Shoppen bei Freundin A. Die utilitaristische Antwort lautet also, ja, du darfst Freundin A versetzen.
Und was würde Kant antworten? Wir argumentieren wieder mit Kants Universalisierungsformel des kategorischen Imperativs. Die Maxime, ich versetze Freundin A, um Freundin B beim Umzug zu helfen, kann als allgemeines Gesetz weder gewollt noch gedacht werden. da sich die Maxime ansonsten erneut selbst zerstören würde.
Die Freundin zu versetzen bedeutet nämlich nichts anderes, als ein gegebenes Versprechen zu brechen. Das Prinzip Versprechen funktioniert aber nur dann, wenn ich davon ausgehe, dass der andere sein Versprechen auch einhält. Ein allgemeines Gesetz, das vorschreibt, ein Versprechen, aus welchem Grund auch immer, zu brechen, kann nicht einmal gedacht werden. Es wäre in sich logisch widersprüchlich.
Ein solches Gesetz kann zudem nicht gewollt werden, dass sich ansonsten niemand mehr auf den anderen verlassen könnte. Kants Antwort in diesem Fall lautet also, nein, du darfst die Freunde nicht versetzen. Nun zum dritten und gleichzeitig krassesten Fallbeispiel.
Eine Bergbahn fährt im Nebel in Richtung Tal auf fünf Wanderer zu, die sich auf den Gleisen befinden. Eine Vollbremsung wäre zwecklos. Du stehst auf einer Brücke über den Gleisen, neben dir ein sehr dicker Mann. Darfst du den sehr dicken Mann von der Brücke schubsen, um die Bahn zu bremsen? Wieder betrachten wir den Fall zunächst aus utilitaristischer Sicht und machen eine Liste mit möglichen Folgen.
Der dicke Mann bremst die Bahn und die fünf Wanderer überleben. Der dicke Mann stirbt. Wägen wir die möglichen Folgen gegeneinander ab.
und überlegen uns, welche Handlung das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl auslöst. Dann fällen wir die moralische Entscheidung. Ein Mensch stirbt und fünf Menschen überleben. Die klassisch utilitaristische Antwort lautet also, ja, du darfst den Mann von der Brücke schubsen. Aber hatte Kant nicht den Einwand vorgebracht, dass wir die Folgen nicht sicher wissen können, dass sie in der Zukunft liegen?
Konstruieren wir doch einmal andere Folgen. sodass du den dicken Mann nicht von der Brücke schubsen dürftest. Solche möglichen, wenn auch recht unwahrscheinlichen Folgen könnten sein, die fünf Wanderer sind Massenmörder und haben vor, viele Menschen umzubringen, der dicke Mann ist ein berühmter Wissenschaftler, der kurz davor ist, ein Wundermittel gegen Krebs zu entwickeln.
In Anbetracht dieser Folgen wäre die utilitaristische Antwort ein klares Nein. Bei Kant ist die Sache wieder einfacher. Hier argumentieren wir einmal zur Abwechslung und, weil es in einem solchen Fall das eindeutigere Ergebnis liefert, mit Kants Zweck-an-sich-Formel des kategorischen Imperativs.
Wenn du den dicken Mann von der Brücke schubst, benutzt du ihn nur als Mittel, nämlich um die Bahn zu bremsen und nicht gleichzeitig auch als Zweck an sich. Kants Antwort in diesem Fall ist also ein klares Nein. Du darfst den Mann nicht von der Brücke schubsen. An der Gegenüberstellung der beiden moral-philosophischen Positionen Utilitarismus und Kant sind nicht nur die krassen Unterschiede deutlich geworden, sondern auch einige Stärken und Schwächen dieser Positionen.
Zu den Vor-und Nachteilen von Kants Ethik und den Stärken und Schwächen des klassischen Utilitarismus findest du in den jeweiligen Playlists jeweils ein eigenes, ausführliches Video. Welche Position überzeugt dich persönlich mehr? Wie hättest du selbst in den Fallbeispielen entschieden? Hinterlasse gerne einen Kommentar mit deiner Meinung. Mit dem Quizlet Lernset Kant vs. Utilitarismus Eine Gegenüberstellung mit Fallbeispielen kannst du dein Wissen jetzt überprüfen.
Viel Spaß beim Lernen und bis bald!