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Vortrag von Prof. Hans-Werner Sinn: Stabilität des Finanzsystems

Das ist eine der vielen Fragen, die ich jetzt tatsächlich stellen möchte an denjenigen, der sie beantworten kann. Prof. Hans-Werner Sinn ist zu Gast. Herzlich willkommen. Herr Scholz hat gesagt, alles ist okay. Herr Lindner hat gesagt, alles ist okay. Und Herr Habeck hat das jetzt auch nochmal unterlegt und sagt, das System kann das wegstecken. Er glaubt, dass wir uns heute nicht in einer systemischen Finanzkrise befinden, sondern nur einzelne Bankenen in der Schweiz und den USA sehen, die Probleme haben. Also das Finanzsystem kann das wegstecken. Beruhigt Sie das? Ja, nicht, dass die das sagen, aber ich gehe mal davon aus, dass es halbwegs gelingt, weil die Zentralbankenen der westlichen Welt einen Schulterschluss geübt haben und jetzt großzügig Liquidität zur Verfügung stellen, indem sie Staatenspapiere zu Nennwerten als Fender akzeptieren. Das ist schon mal ein Sicherungsanker, der hier in das System eingezogen wurde. Wir erinnern uns, 2008 war damals eben die Kanzlerin Angela Merkel, der Finanzsystem hieß Peer Steinbrück. Und sie gingen dann quasi an einem bestimmten Tag dann vor die Kameras und haben gesagt, die Einlagen sind sicher. Das heißt, Sie glauben nicht, dass das, was da jetzt gerade aus Amerika, aus der Schweiz sichtbar wird, wird uns irgendwann mal eine Gefahr für Sparer, für Aktienbesitzer? Ja, natürlich ist es eine Gefahr. Aber die Frage ist, wie wahrscheinlich ist es, dass da größere Ausfälle sind. Ich halte das jetzt nicht für den wahrscheinlicheren Fall, aber ich halte es nicht für unmöglich. Wie schnell diese Krise aus Amerika übergeschwappt ist hier nach Europa und die Credit Suisse eine der 16 größten Bankenen der Welt in Mitleidenschaft gezogen hat, das ist ja für sich genommen schon alarmierend. Ja, innerhalb von Tagen. Innerhalb von Tagen. Und in Amerika gibt es... Eben gab es den Banken Run bei dieser Silicon Valley Banken. Banken Run heißt, die Menschen gehen einfach los und wollen ihr Geld da raus. Ja genau, wenn eine Banken in Verruf kommt, dann will man schnell sein Konto räumen, bevor es zu spät ist. Und da keine Banken so viel Bargeld hat, wie sie braucht, um alle Konten zu bedienen. Dann gibt es sofort eine große Liquiditätskrise. Das ist in Amerika passiert. Die amerikanische Aufsichtsrat hat diese Silicon Valley Banken übernommen. Die ist gar nicht mehr selbstständig. Der Name wurde geändert. Sie hat eine andere Rechtsform gekriegt. Sie ist im Eigentum dieser halbstaatlichen Einlagensicherungsbehörde. Und trotzdem wundert man sich, weil Sie haben ja 2008 nach der Bankenkrise eben vom Casino-Kapitalismus gesprochen. Und alle haben damals gesagt, wir bauen so viele Sicherungssysteme ein in dieses weltweite Bankensystem, dass diese Dinge so gar nicht mehr passieren können. Also ist das Casino jemals wirklich zugemacht worden? Nein, das ist nicht zugemacht worden. Das ist eben das Problem, die Bankenen arbeiten chronisch mit viel zu wenig Eigenkapital. Dann machen sie Rechentricks, indem sie das auf das Kernkapital beziehen. Das sieht ganz gut aus, aber das ist wiederum nur eine Teilmenge der Bilanzsumme. Also in Wahrheit liegen in der Bilanzsumme so 4, 5, manchmal auch 6, 7, 8 Prozent an Eigenkapital. Und das ist wenig, weil die Bankenen verlangen von ihren eigenen Kunden, wenn sie denen einen Kredit geben, zum Beispiel für ein Haus oder so, 30 Prozent. Und selbst haben sie nur einen Bruchteil davon. Das ist nicht in Ordnung. Aber ich will hier nicht moralisieren. Es reicht wirklich nicht aus, um als Puffer zu dienen. Man hat das ein bisschen verbessert seit dem, was vor 15 Jahren war. Das ist schon richtig. Es gibt also hier das Basel-IV-Abkommen. Das ist aber noch nicht beschlossen. Also es liegt nur auf dem Tisch. Und die Amerikaner haben ein Dodd-Frank-Gesetz gemacht. Um die Bankenen stärker zu regulieren und zu zwingen, mehr Eigenkapital vorzuhalten. Das hat der Trump dann aber wieder zur Hälfte kassiert. Also so richtig viel ist da nicht passiert. Das Casino ist nach wie vor geöffnet. Also ich meine, die Eigenkapitalquote heißt ja nur, dass die Banken quasi in ihren Tresoren so viel Geld hat, dass wenn irgendwie eine Schieflage kommt, dass sie sozusagen dann die Mittel hat, um die selber zu begleichen. Und das war ein Kernpunkt, den man damals festgestellt hat. Warum sind die Staatenen nicht in der Lage, darauf zu achten, dass das dann durchgesetzt wird? Naja... Es gibt eben diese Hebelwirkung der Fremdfinanzierung. Man nimmt sehr viel Fremdkapital auf und verschuldet sich selber und legt es dann riskant an. Und wenn dann ein Gewinn ist, dann wird es auf das bisschen Eigenkapital gerechnet, hat dann eine riesige Rendite, dann wird das privatisiert, indem Dividenden ausgeschüttet werden. Und wenn es ein Verlust ist, dann kann passieren, dass das Eigenkapital weg ist, weil es halt so wenig ist. Aber mehr als das Eigenkapital kann man auch nicht verlieren. Also dann macht man den Laden halt zu oder noch besser, man hofft darauf, dass der Staaten kommt und einen freikauft. Das genau sollte eben nicht mehr passieren. Jetzt gucken wir doch mal auf die Credit Suisse. Also die Credit Suisse ist eine Institution, eine von den beiden am Weltmarkt wirklich großen Bankenen. Und innerhalb von ein paar Tagen ist davon nichts mehr übrig. Wie ist die Schieflage in dieser Banken tatsächlich zu erklären? Naja, das ist eben auch eine gewisse Zockerei. Man geht in riskante Geschäfte und hofft, dass es gut geht. Also hier insbesondere bei den Bankenen in Amerika und auch in der Schweiz war es das Zinsänderungsrisiko, das man falsch eingeschätzt hat. Wir haben ja eine Phase der extrem gesunkenen Zinsen und das bedeutete, dass... Wertpapiere aus früheren Zeiten, die noch höhere Nominalzinsen hatten, dann plötzlich wertvoller wurden und Wertzuwächse ausgewiesen werden konnten. Und darauf hoffte man bei diesen Bankenen. Und jetzt kam plötzlich die große Zinswende im letzten Jahr im Sommer, wo erstmals seit Langem die Zinsen anstiegen und dann platzte diese Bewertungsblase. Und auf einmal waren diese Papiere längst am Markt nicht mehr das wert. was man ursprünglich gedacht hatte. Warum haben die Bankenmanager dann nicht damals schon, also letztes Jahr im Sommer, dagegen etwas unternommen, dass dann am Ende das so in den Büchern steht, dass... Ja, Sie können, das Eigenkapital war weg. Wissen Sie, diese Asymmetrie, dass es mal hoch geht und mal runter, führt dazu, dass wenn es hoch geht, dass man dann Dividenden ausschüttet. Man macht das dann auch, indem man sich verschuldet. Und mit dem Verschuldungsgeld quasi, weil das Eigenkapital ja rechnerisch groß geworden ist, hat es seine Dividenden zahlt. Und wenn es wieder runter geht, dann sind diese Dividenden weg. Dann ist praktisch die Banken ausgehöhlt. Und da kann man nicht innerhalb eines Jahres da wieder Eigenkapital zaubern. Ich habe gerade gelesen, dass Boni noch ausgezahlt wurden. 32 Milliarden etwa in der Höhe, aber zu einem Zeitpunkt, als die Banken schon auch drei Milliarden Bilanzsumme in den Miesen war. Ob das stimmt, wird man tatsächlich sehen, ob die Zahlen hart sind. Aber welche Rolle spielt Gier? Und weil Sie auch mal in einem Aufsichtsrat saßen, einer Banken, warum kann man das nicht kontrollieren? Also erstmal zu den Boni, habe ich gerade gelesen, dass die Schweiz verboten hat, dass solche Boni jetzt ausgezahlt werden. Jetzt, ja, natürlich. Ja, Gier, Herr, die Gier ist dem Menschen zu eigen. Das Problem ist, das System, das diese Gier zügelt, das war zu lasch. Und insbesondere hat man es nicht geschafft, den Bankenen hier... Schranken zu weisen und sie zu mehr Eigenkapital zu zwingen, weil die ja aus dieser Hebelwirkung mit dem bisschen Eigenkapital das große Glücksrad zu drehen, diese großen Renditen machten. Da ist ein Interessenkonflikt zwischen dem, was die Bankeneigentümer wollen, die Aktionäre der Bankenen, und dem, was eigentlich für die Gesellschaft gut ist. Man darf das nicht so akzeptieren. Die demokratischen Staatenen waren zu schwach. gegenüber dem Interesse der Bankenen und haben sich hier nicht durchgesetzt. Und am Ende sagen Sie, kommt der Steuerzahler. In diesem Fall ist es so, es gibt eine spektakuläre Übernahme. Jetzt nicht durch den Staaten. Die Schweiz hat sich entschieden, einen anderen Weg zu gehen und den Konkurrenten quasi in die Pflicht zu nehmen. Also die UBS, die zweite große Banken, die größere Banken von den beiden, hat jetzt die Credit Suisse übernommen. Ist das eigentlich... ohne Alternative gewesen? Der Staaten hat schon mitgeholfen. Der Staaten garantiert 100 Milliarden. Und die Schweizer Notenbank garantiert auch noch mal 100 Milliarden an Liquidität, wo sie im Risiko stehen. Aber gut, es ist also großenteils auch privat gelöst worden, weil Eigenkapital, ähnliches Fremdkapital, hier herangezogen wurde. Und die Leute haben alles verloren. die dieses Kapital ursprünglich mit der Erwartung hoher Renditen zur Verfügung gestellt haben. Also es ist nicht so, dass jetzt überhaupt keine privaten Lasten entstanden sind bei diesem Deal. Es ist ein sinnvoller Deal. Was soll man machen? Das Problem liegt nicht jetzt, das Problem liegt vorher. Dass man den Bankenen es erlaubt, Dividenden auszuschütten, wenn bloße Wertsteigerungen sind. Aber das ist unser ganzes Finanzsystem. Die Leute gehen... an die Börse, freuen sich, wenn Wertzuwächse sind. Und die Wertzuwächse sind ja nur zum großen Teil erzeugt durch eine Flucht aus den niedrigverzinslichen, festverzinslichen Papieren in andere, die älter sind, lange Laufzeiten haben, höhere Verzinsungen haben oder auch Aktien. Und aus dieser Fluchtreaktion entstehen Wertzuwächse. Das sind Luftnummern. Blasen bauen sich auf und diese Blase ist jetzt mal wieder geplatzt. In der marktwirtschaftlichen Entwicklung hat es das immer gegeben. Wir haben 1873 den großen Gründerkrach gehabt hier in den deutschen Ländern. Das war genauso. Da wurde spekuliert auf Wertzuwächse. Die Wertzuwächse hat man dann kreditfinanziert ausgeschüttet als Dividenden. Und als dann die Blase platzte, waren das ausgehöhlte Finanzinstitute, die sind reihenweise dann pleite gegangen. Deutschland hat damals 1884 das sogenannte Niederstwertprinzip in der Bilanz eingeführt. Das führt vielleicht zu weit, aber man muss es schon wissen. Statt jetzt Wert zu wechseln, zu verbuchen als Eigenkapital. müsste man die historischen Ankaufswerte, die niedriger sind, Also die vor einer Blase bestanden, die müsste man verbuchen. Und so ist das in Deutschland eigentlich geregelt. Und leider kommt dieses amerikanische Buchungssystem IFRS jetzt rübergeschwappt. Und dann müssen also schon zunehmend auch wieder diese Marktwerte, diese künstlich aufgeblähten Marktwerte in die Bilanz geschrieben werden. Dann gaukelt man sich vor, man sei stark, man hätte viel Eigenkapital, man sei überhaupt nicht umzuwerfen. Und dann schüttet man aus und dann ist man geschwächt und kann die Krise nicht überstehen. Dieses Hin und Her, das haben wir jetzt immer wieder beobachtet, das hat sich eigentlich in keiner Weise verbessert. So, und jetzt ist hier eine Banken entstanden, jedenfalls erstmal in diesem Moment mit der UBS und der Credit Suisse, die so groß ist, dass sie too big to fail ist. Also die Bilanzsumme ist so groß, dass wenn die... Too big to bail. Too big to fail heißt, sie wird gerettet. Die ist zu groß, dass man sie pleite gehen kann. Die Kleinen kann man vielleicht pleite gehen lassen, weil sie nicht systemtisch sind. Aber die ist zweieinhalbmal so groß von ihrer Bilanzsumme wie das Sozialprodukt der Schweiz. Die ist too big to bail. Die kann man gar nicht retten. Wer soll sie denn retten, wenn sie in Schwierigkeiten kämen? Und unterstellen wir mal, dass das nicht passiert. Und Sie beruhigt das? Nee, überhaupt nicht. Nein, natürlich nicht. Sind wir aus dieser Krise jetzt raus? Nein, wir sind nicht raus. Aber die Krise wird wahrscheinlich... Wenn es die Bankenen angeht, ist es insofern schlimm, dass die Angela ein Problem haben. Aber das hat sich ja wirklich wie ein Flächenbrand auf die Unternehmen, auf die Wirtschaft, auf die gesamte Gesellschaft ausgebreitet. Diese Flächenbrandgefahr, sehen Sie die jetzt? Das wird man verhindern, indem die Zentralbankenen intervenieren. Insbesondere werden sie mit ihrer Zinserhöhungspolitik, die sie seit dem letzten Sommer begonnen haben, um die Inflation zu bekämpfen, aufhören. Das Problem ist, dass, weil sie jetzt aufhören müssen, um die Bankenen zu retten, können sie die Inflation nicht bekämpfen. Wir hoffen, dass die Inflation, die jetzt wirklich sehr stark war im zweistelligen Bereich, dass die jetzt sich reduziert. Aber es gibt die sogenannte Kerninflationsrate, wo die ganzen Energiepreise schon mal nicht dabei sind. Und die schießt am aktuellen Rand hoch auf über 7 Prozent in Deutschland. Also da ist überhaupt noch keine Beruhigung zu sehen. Wir müssten bremsen und können es nicht, weil wenn wir bremsen, die Bankenen purzeln. Das heißt, dass derjenige, der quasi von der Inflation getroffen ist, also der Bürger, letztlich nicht gerettet werden kann im Moment, weil man die Inflation so nicht bekämpfen kann, weil die Bankenen sonst. So ist das. Und das ist das große Problem dieser Rettungspolitik der letzten zehn Jahre, welche auch von der Europäischen Zentralbanken hier betrieben wurde. Man hat in riesigem Umfang Staatenspapiere gekauft. Die Geldmenge wurde aufgebläht bis zum Gehtnichtmehr, versiebenfacht seit der Lehmann-Krise in den 15 Jahren, versechsfacht relativ zur Wirtschaftsleistung. Und von diesem ganzen Zuwachs an Geld, der hier stattgefunden hat, sind 82 Prozent durch Staatenspapierkäufe in Umlauf gekommen. Also die Notenbank hat die Druckerpresse bedient. Er hat die Staatenspapiere gekauft, die die Staatenen kurz vorher an die Bankenen verkauft haben und damit haben sich die Staatenen finanziert. Und dann wurde ein Sozialprogramm und ein Rettungsprogramm in der Pandemie und vorher für die Bankenen und Staatenen Europas nach dem anderen aus der Druckerpresse finanziert. So ist das jetzt die letzten Jahre gelaufen. Und da darf man sich nicht wundern, wenn zum Schluss dann in der Corona-Pandemie, wo das Angebot knapp ist, plötzlich ein Zündfunk in dieses System kommt und es explodiert und die Preise gehen in den Himmel. Letzte kurze Frage, wann gehen die Preise wieder runter? Run? Naja, die Energiepreise gehen schon wieder runter, aber die Preise für produzierte Güter gehen nicht runter. Da muss schon einiges passieren. Die steigen vielleicht dann nicht mehr so schnell, wie sie vorher gestiegen sind. War gut, Ihnen zuzuhören. Nicht, dass man danach fröhlicher wird. Trotzdem danke für den Besuch. Nö, das kann man jetzt nicht. Vielen Dank, Prof. Hans-Werner Sinn, dass Sie hier waren.