Die Germanen. Da habt ihr wahrscheinlich auch diese Bilder hier im Kopf. Archaisch aussehende Männer mit wilden Bärten, die sich mutig den römischen Truppen entgegengestellt haben. Aber entsprechen diese Bilder auch tatsächlich der Wahrheit?
Wie lebten die Germanen wirklich? In diesem Video hier geht es um die Germanen. Wer sind sie?
Wie haben sie gelebt? Wie haben sie gekämpft? Und sind sie wirklich die Vorfahren der heutigen Deutschen?
Alle diese Fragen werden genau jetzt. beantwortet. Germanen.
Gaius Julius Cäsar benutzt diesen Begriff im Jahr 55 vor Christus. Es ist ein Sammelbegriff für all die verschiedenen Stämme, die östlich des Rheins leben. Cäsar erobert 58 bis 51 oder 50, so genau weiß man das nicht, vor Christus Gallien. Und damit er sagen kann, dass er ganz Gallien erobert hat, sagt er einfach, dass auf der anderen Seite des Flusses keine Gallier, sondern Germanen leben.
Das ist natürlich nicht richtig. Es leben Germanen westlich des Rheins, genauso wie Gallier östlich des Rheins. Außerdem leben rund um die Donau auch Kelten und slavische Stämme. Kommen wohl auch noch dazu.
Aber gut, im Großen und Ganzen kann man schon sagen, dass von den Alpen bis ans Meer, vom Rhein bis zur Weichsel, germanische Stämme leben. Friesen, Sugambra, Kerusker, Batava, Vandalen, Katten, Makumannen. Langobarden, Hermonduren, Semnonen, Burgunder, Franken, Allermannen und noch zwei oder drei mehr.
Ich zähle jetzt hier nur die bekanntesten auf und wer will, kann ja einfach mal im Internet die vielen Dutzenden von bekannten Stämmen nachgucken und sich da ein bisschen schlau machen. Nächste Frage ist, wie leben denn die Germanen? Diese Stämme sind meistens relativ klein, also vielleicht ein paar tausend Mann stark. Wenn man sich vorstellt, dass in der späten Kaiserzeit in der Stadt Augusta Treverorum, das ist das heutige Trier, die die Römer gegründet haben, hunderttausend Menschen leben, so groß ist ein germanischer Stamm nicht geworden.
Die Stämme sind auch nicht in sich abgeschlossen, sondern sehr flexibel. Stämme tun sich zusammen, dann spalten sich wieder welche ab. Die Reiche, die sie gründen, halten immer nur kurze Zeit.
Es hat auch mit der Lebensweise der Germanen zu tun. Sie sind keine Nomaden, aber es sind auch nicht alle Stämme richtig sesshaft. Da sie im Vergleich zu den Römern eine weniger entwickelte Landwirtschaft pflegen, müssen sie schon auch mal umziehen, weil die Böden nicht mehr so fruchtbar sind.
Manchmal verlassen halbe Stämme ihre Gründe und suchen sich einen neuen Platz zum Leben. Zum Beispiel, wenn es schlechte Ernten gibt und Nahrungsmittel knapp werden. Die Germanen betreiben Ackerbau und Viehzucht. Sie pflegen das Handwerk.
Sie betreiben Handel. Aber weil sie nicht sehr viel über ihren eigenen Bedarf hinaus produzieren, ist der Handel nicht sehr entwickelt. Auf jeden Fall betreiben sie Tauschhandel. Die Gemeinwesen sind gegliedert.
Es gibt Anführer, zu denen mehr oder weniger Männer in einem Treueverhältnis stehen, aber die waffenfähigen Männer können sich auch anderen Anführern anschließen. Unter den germanischen Stämmen gibt es ständig wechselnde Bündnisse und Treuebeziehungen. Man kann zwischen...
Fürsten oder Kriegern, größeren und kleineren Bauern und Handwerkern unterscheiden. Freie Männer, die auch politisch mitbestimmen. Dann gibt es Halbfreie und Sklaven.
Die Germanen sind natürlich nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Aber über die Frauen der Germanen ist fast gar nichts bekannt. Deshalb kann ich euch dazu auch nicht wirklich was erzählen. Fakt ist auf jeden Fall, die Germanen leben in kleinen Siedlungen. Meistens nicht mehr als ein, zwei, drei Dutzend Häuser.
Es sind Wohnstallhäuser, wo also Menschen und Tiere zusammenwohnen. Leider wissen wir nur sehr wenig über die Siedlungen. Größere befestigte Anlagen oder Städte wie in Gallien sind nicht bekannt. Mehrere Siedlungen oder Dörfer bilden dann einen Stamm. Kleine Einheiten, kleine Dörfer, die kaum mehr produzieren, als sie selbst zum Legen brauchen.
Nächste Frage. Was wissen wir über die Germanen? Vergleichsweise wenig. Was wir über die Germanen wissen, wissen wir von archäologischen Quellen. Also von dem, was ausgegraben wurde und wird, findet ja immer noch statt.
Und aus Schriften der Römer. Denn die Germanen selbst haben mit Schreiben nix am Hut. Klar, es gibt die Runen, aber das sind magische Zeichen.
Die eignen sich nicht dazu, längere Texte oder auch nur Einkaufszettel zu schreiben. Sofern die Germanen sich damals welche geschrieben haben. Runen verwendet man, wenn man religiöse bzw.
heilige Dinge oder Rituale darstellen will. Deshalb beziehen wir unser Wissen über die Germanen sehr stark aus dem, was römische Schriftsteller aufgeschrieben haben. Die Beziehung zwischen Römern und Germanen, ich sag mal, bei Facebook würde man schreiben, es ist kompliziert im Beziehungsstatus. Ihr kennt bestimmt diesen Mann hier, Arminius, Hermann der Cherusker. der die imperialistischen römischen Armeen aus den germanischen Landen hinauswirft und damit die Freiheit sichert.
Daran, dass ich das so ein bisschen übertrieben gesagt habe, erkennt ihr schon. An diesem schönen Geschichtsbild ist wenig Wahres dran. Überhaupt, unser Bild von den Germanen ist von vielen Klischees und falschen Vorstellungen überlagert.
Nächste Frage. Wie ist nun das Verhältnis von Römern und Germanen konkret? Naja, die Römer kommen als Eroberer.
Rund um die Zeitenwende, also um das Jahr Null herum, kommt es zu mehreren Vorstößen römischer Armeen bis an die Elbe. Auf der Elbe selbst fahren römische Schiffe Patrouille. Die Germanen sind damals eigentlich nicht besonders kriegerisch. Sie können den Römern auch nichts entgegensetzen. Trotzdem fahren die Römer zweigleisig im Umgang mit den Germanen.
Zum einen ist da die militärische Vorherrschaft, zum anderen versuchen die Römer die Stämme mit Verträgen an sich zu binden, sie abhängig zu machen, auch wirtschaftlich. Irgendwann werden sie dann sozusagen eingemeindet. Es gibt Stämme, die man ins Reichsgebiet holt, damit sie sich dort als Siedler niederlassen, die die römische Lebensart annehmen. Es gibt sogar Geldzahlungen an Stämme, damit die sich so verhalten, wie die Römer es sich wünschen. Dann gibt es natürlich die römische Armee.
Die greift meistens dann ein, wenn verbündete Stämme sie zur Hilfe rufen. Ziemlich schlauer Trick, oder? Also ich wollte ja nicht angreifen, aber unsere Freunde haben uns ja zur Hilfe gerufen, da musste ich halt einmarschieren.
Daraus werden dann groß angelegte Militärkampagnen. Um das Jahr 5 nach Christi Geburt ist Germanien bis zur Elbe eine römische Provinz. Aber wer lässt sich schon gern von seinem großen Nachbarn erobern?
Die Germanen leisten auf jeden Fall Widerstand. Arminius, der Cherusker, gehört zu einem Stamm, der auf der Seite der Römer kämpft. Er führt seine Männer unter römischem Befehl als Hilfstruppen. Er hält selbst das römische Bürgerrecht. Aber im Jahr 9 nach Christus wechselt er die Seiten und beginnt den Kampf gegen Rom.
Arminius führt eine mal größere, mal kleinere Allianz germanischer Stämme, die sich den Römern nicht unterwerfen wollen. Er kennt genau die römischen Taktiken und ist selbst ein fähiger Befehlshaber. Nach einem achtjährigen Krieg verzichten die Römer darauf, Germanien zu unterwerfen und als Provinz ins Reich einzugliedern.
Die Verluste sind einfach zu groß. Die Germanen andererseits können Rom nicht wirklich die Stirn bieten. Es ist ein Patt.
Welche Folge hat das für die Germanen? Die germanischen Stämme werden in der Folgezeit immer kriegerischer. Bei Überfällen auf das römische Gebiet plündern sie.
Die germanische Kriegerschicht wird reicher. Die gesellschaftlichen Unterschiede bei den Germanen nebenzu. Mit den Jahrhunderten bilden sich auch immer größere Stammesverbände.
Beute, Zusammenschlüsse, könnte man sagen. Diese Großverbände führen auch gegeneinander Krieg. Vergleiche die Situation vielleicht mit der Lage in Afghanistan in den 1980er Jahren. Haben wir auch mal ein Video drüber gemacht, findet ihr, wenn ihr oben aufs i klickt.
Die Supermacht Sowjetunion will das Land, in dem verschiedene Stämme untereinander im Streit liegen, unter ihre Kontrolle bringen. Aber sie scheitert und muss sich zurückziehen. Seitdem herrscht in Afghanistan ein ununterbrochener Bürgerkrieg verschiedener Gruppen und Verbände.
Die Römer sind aber auch nach den Kämpfen gegen Arminius in Germanien präsent. Die Grenze des Reichs verläuft an Rhein und Donau. Auf der anderen Seite schaffen die Römer ein System von Klientelverhältnissen. Das heißt also ein Netzwerk an Stämmen, mit denen man Beziehungen pflegt. Man treibt Handel, manchmal werden die Stämme bezahlt, manchmal halten die Römer die Kinder der Stammesfürsten als Geiseln.
Diese Klientelstämme sollen die Bedrohung der anderen germanischen Stämme abwehren, also als so eine Art Puffer an der Grenze. Wenn nötig, dann marschieren die Heere nach Germanien und brennen ein paar Dörfer nieder. Um das Jahr 50 n. Chr. herum beginnen die Römer den Limes zu bauen, einen Schutzwall gegen die Überfälle der Germanen.
200 Jahre lang hält diese Grenze, im Großen und Ganzen zumindest. Im 3. Jahrhundert wird sie in einem Teilgebiet zurückgenommen. Aber sie hält immer noch einmal 200 Jahre lang. In Bayern und links des Rheins sind die Römer jahrhundertelang zu Hause. Nächste Frage.
Wie kommt es dazu, dass die Germanen das Römische Reich angreifen? Trier ist im 4. Jahrhundert für gut 50 Jahre Regierungssitz des Reiches und hat vielleicht bis zu 100.000 Einwohner, wie vorhin schon gesagt. Damals eine riesige Metropole mit Bädern und Theatern. Im Amphitheater haben 20.000 Besucher Platz.
Solche Städte und die Kulturlandschaft mit ihren vielen landwirtschaftlichen Gütern und dem ganzen Luxus wirken auf die Germanenstämme, denen es nicht so gut geht, mindestens so anziehend wie der Geldspeicher von Dagobert Duck auf die Panzerknacker. Die germanischen Stämme haben noch andere Probleme. Denn die Bevölkerung wächst.
Am Limes baut sich der Bevölkerungsdruck auf. Die Stammesverbände werden größer und ihre Anführer wollen eigene Reiche gründen. Weil das Römische Reich mit den Sassaniden im Osten kämpft und viele innerrömische Bürgerkriege toben, wird die Grenze immer durchlässiger.
Die Sassaniden sind eine persische Herrschaftsfamilie, die in der Spätantike im Neupersischen Reich geherrscht haben. Auch wenn die Kaiser im 3. Jahrhundert das Imperium Romanum stabilisieren, müssen sie neue politische Wege im Umgang mit den Germanen finden. Nächste Frage, wie reagieren die Römer auf den Druck der Germanen? Ganze Germanenstämme werden im Reich angesiedelt, zum Beispiel die Franken und die Goten.
Die Germanen spielen im römischen Heer bald eine immer größere Rolle. Germanische Hilfstruppen rufen sogar Kaiser aus. Ab dem Jahr 375 beginnt die sogenannte Völkerwanderung.
Diese Völkerwanderung ist ein sehr komplexer Prozess, den ich hier leider nicht im Detail erklären kann. Das machen wir mal an anderer Stelle. Aber die Vorstellung, dass da aus dem Osten die wilden Hunden anrücken und die germanischen Stämme dann einer nach dem anderen losziehen, um den Hunden zu entkommen. Die stimmt jedenfalls so nicht, auch wenn es gerne mal so erzählt wird.
Mit Sicherheit können wir sagen, es geht nicht ohne Gewalt ab. Diese Zeit zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert ist eine Epoche enormer Umwälzungen. Die Strukturen im Römischen Reich lösen sich immer mehr auf.
Und das nützen einzelne Stämme, Teile von Stämmen oder Kriegstruppen aus. Manche plündern, manche nehmen sich neues Land, manche schneiden sich sozusagen. Teile aus dem römischen Kuchen heraus und beanspruchen die Herrschaft über ein Gebiet, in dem sie vielleicht schon lange gelebt haben. Sie sind dort angesiedelt und irgendwann ruft keiner mehr aus Rom oder Konstantinopel an.
Vergleichen wir das mal mit der Vorstellung, euer Vermieter wäre einfach abgetaucht und würde sich nicht mehr melden. Als erstes zahlt er dann vielleicht keine Miete mehr. Irgendwann sagt er dann eventuell, naja, also, das ist jetzt dann halt meine Wohnung. Und vielleicht... Verlangt ihr von der alten Dame von nebenan, bei der sich der Vermieter auch nicht mehr meldet, dass sie ab sofort die Miete an euch bezahlt.
Bitte denkt auf keinen Fall, dass da ganze Völker herumziehen, auch wenn man immer Völkerwanderung sagt. So wie beim Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Das sind sehr vereinfachende und falsche Vorstellungen. Vielleicht sind das mal Heere von 20.000 Mann und noch mal so viele Familienangehörigen.
Also muss man alles in Relation sehen. Wo sind die Germanen denn eigentlich heute? Tja. Und jetzt merkt ihr schon, diese germanischen Stämme, die jetzt im Weströmischen Reich eigene Reiche gründen, die übernehmen nicht das Land.
Es handelt sich um eine kleine Herrscherschicht, die von der römischen Bevölkerung ziemlich schnell aufgesogen wird. Sie zerstören auch nicht, was an staatlichen Strukturen da ist, sondern füllen nur die Positionen aus, die verwaist sind. Und mit der Zeit entsteht dann was Neues. Ein neues Herrschaftsgebilde. Ein neues Volk.
Die Germanen. Römer, Gallier, Kelten und jede Menge andere Stämme vermischen sich. Und am Ende gibt es dann Franzosen, Deutsche, Italiener.
Was ist mit den Germanen? Die sind irgendwann weg. Oder noch da, in unseren Genen, wie die anderen Stämme und Völker, die in Europa gelebt haben, auch. Und es interessiert sich lange Zeit eigentlich kaum jemand für die Germanen. Erst im 19. Jahrhundert, als der Nationalismus hochkommt, da gibt es eine Germanenbegeisterung.
Die Deutschen, die einen Nationalstaat gründen wollen, graben im Boden nach ihren vermeintlichen nationalen Wurzeln. Sie wollen ihr Urvolk finden. Dabei hat es diese Germanen, wie ihr jetzt ja festgestellt habt, als Einheit nie gegeben.
Die Nazis machen trotzdem eine riesige Sache daraus. Und wie so oft bei den Nazis steht am Ende eine Lüge da. Auch heute wollen einige Leute an das germanische Erbe anknüpfen.
Ihr wisst ja jetzt, dass uns die Germanen nur... sehr wenig hinterlassen haben, aus dem wir überhaupt etwas über ihre Kultur erfahren können. Deshalb ist es natürlich einfach, irgendwas zu nehmen, das irgendwie germanisch wirkt, und dann irgendwas dazu zu behaupten. Wenn sich heute Leute auf ihr germanisches Erbe berufen, dann wisst ihr jetzt, dass es das streng genommen gar nicht gibt.
Oder besser gesagt, es gibt ein germanisches Erbe, genauso wie es ein slawisches und keltisches und römisches gibt. Die deutsche Kultur entwickelt sich nicht aus einer germanischen Kultur heraus, sondern sie hat viele verschiedene Wurzeln. Am stärksten hat bestimmt das Christentum die Deutschen seit dem Mittelalter geprägt.
Tja, und jetzt interessiert mich natürlich, wie seht ihr denn die Germanen? Tapfere, urdeutsche Krieger, die für die Freiheit kämpfen? Unzivilisierte Räuber, die plündern und morden?
Oder nur Menschen, die halt auch mit ihrer Umwelt zurechtkommen müssen und irgendwie überleben wollen? Schreibt eure Meinung gerne unten in die Kommentare. Hier oben findet ihr ein Video aus der Reihe Jahrhundert von den Kollegen von Terra X. Da geht es auch noch mal genauer um die Germanen und wie sie gelebt haben.
Neben mir weitere Videos hier vom Kanal. Einmal ein Video von uns und darunter noch ein Video der Kollegen von Funk. Danke euch fürs Zuschauen, bis zum nächsten Mal.
ARD Text im Auftrag von Funk