Transcript for:
Gendern in Bayern: Verbot und wissenschaftliche Betrachtung

Freunde oder Freundinnen der Sonne. Vielleicht habt ihr auch vom Gender Verbot in Bayern gehört. Genauer gesagt gilt dort seit kurzem an Behörden, Schulen und Hochschulen: “Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkte sind unzulässig.” Bayern ist damit das fünfte Bundesland, das diese Art des Genderns in Behörden oder Schulen verbietet. Neuer Anlass für einen alten Streit Auf der einen Seite gibt es heftige Kritik an diesem Gesetz, zum Beispiel von diesen zwei Lehrkräften. Ein Genderverbot in Schulaufgaben und Elternbrief sei diskriminierend gegenüber queeren Menschen. Sie würden auf dem Papier und aus der Realität einfach wegradiert. Auf der anderen Seite wird das Genderverbot gefeiert, zum Beispiel von denen, die sich dieses T Shirt gekauft haben, nehme ich an. Ob ihr euch jetzt eher auf der einen oder der anderen Seite seht oder vielleicht gar nicht versteht, worum es genau geht oder was die Aufregung eigentlich soll. Wir dröseln das Thema Gendern hier mal unaufgeregt, sachlich und und wissenschaftlich für euch auf. Also holt euch einen Tee, macht’s euch gemütlich. Wir steigen durch. Es geht eigentlich schon damit los, dass Menschen unter Gendern unterschiedliche Dinge verstehen können. Das heißt, bevor wir über Wissenschaft sprechen, bringen wir uns alle erstmal auf den selben Stand mit den Basics. How did we get here? Wenn man im Deutschen sagt: Genderverbot Lehrer und Beamte in Bayern dürfen nicht mehr gendern, dann sind die Pluralformen Lehrer und Beamte. Ein sogenanntes generisches Maskulinum. Man nutzt die männliche Pluralform, meint damit aber nicht nur männliche Lehrer, sondern alle. Frauen werden per Definition implizit mitgemeint, aber nicht explizit ausgesprochen. Jetzt kam schon vor Jahrzehnten das Argument auf, das generische Maskulinum sei nicht inklusiv oder gerecht und sollte durch andere Formen ersetzt werden, um auch Frauen sprachlich gerechter und gleichberechtigt abzubilden. Und damit fing das Gendern eigentlich schon an und es kam in unterschiedlichen Formen. Starten wir mit der neutralen Form ohne grammatikalisches Geschlecht wie Lehrende oder Studierende. Allerdings gibt es diese neutrale Form natürlich nicht für alles. Man kann zum Beispiel aus Beamten nicht Beamtende machen. Was immer geht, ist die Paarform Lehrerinnen und Lehrer. Das explizite Ergänzen der weiblichen Form hebt Frauen genauso klar hervor wie Männer, macht Texte aber auch länger und gegebenenfalls holpriger, kürzer ist das Binnen i Lehrer und dann groß i innen. Eine Art Abkürzung der Paarform, wenn man so will. Sprachlich ist das ein Vorteil. Die Texte werden so nur ein bisschen länger. Allerdings lässt sich das Binnen i nicht immer so ohne Weiteres anwenden, zum Beispiel im Singular. Da gibt es für den Artikel der oder die keine Binnen i artige Form. Da muss man also sagen der oder die Lehrer in. Das Binnen i sei aber inzwischen eh überholt, sagen BefürworterInnen des Gendersternchen und wahlweise Gender Doppelpunkt oder Gender Gap. Drei Varianten derselben Idee, nämlich nicht nur Frauen und Männer sprachlich zu repräsentieren, sondern auch – durch das Sonderzeichen – Geschlechter, die weder dem Weiblichen noch dem Männlichen zuzuordnen sind, zum Beispiel inter geschlechtliche oder nicht binäre Personen. Ausgesprochen werden Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich als kleine Pause Freund innen, die man Glottisschlag nennt. Den Glottisschlag kennen wir übrigens auch von anderen Wörtern wie zum Beispiel Theater oder auch Spiegelei. Das wäre ohne Glottisschlag ein Spiegelei. Halten wir fest, es gibt unterschiedliche Dinge, die unter Gendern oder Gender Sprache fallen, was aber alle Formen gemeinsam haben: Es gibt einen Grundkonflikt zwischen dem Ziel von sprachlicher Gendergerechtigkeit und sprachlicher Ästhetik oder Verständlichkeit. Hinzu kommt aber, dass es beim Gendersternchen und den Varianten ja nicht nur um Sprache geht, sondern auch um Haltung, um Weltanschauung. Wenn man sprachlich deutlich machen möchte, dass es mehr als nur Mann und Frau gibt, muss man natürlich erst mal anerkennen, dass es mehr als nur Mann und Frau gibt. Und auch wenn in Deutschland 2018 ganz offiziell auch die Option divers auf amtlichen Dokumenten eingeführt wurde, ist es, würde ich mal sagen, kein gesellschaftlicher Konsens, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Ich will dieses Fass jetzt hier auch gar nicht weiter aufmachen, weil wir genau dazu auch schon ein Video gemacht haben. Darauf kann ich jetzt hier verweisen. Ich will damit nur sagen, es ist nachvollziehbar, warum die Debatte um das Gendersternchen ideologisch so aufgeladen ist. Auf jeden Fall ist Gendern derzeit eher unbeliebt. Beim ZDF Politbarometer 2021 zum Beispiel gaben 71 % der Befragten an, gegen Gendern mit Sonderzeichen oder Glottisschlag zu sein. Interessant wäre ja zu wissen, warum. Wegen Sprache? Wegen Haltung? Wegen beidem oder wegen was ganz anderem? Ich will deswegen heute mal versuchen, die Debatte sauber aufzudröseln mithilfe von Wissenschaft. Wir schauen uns heute an, was die Forschung zu unterschiedlichen Formen der Gender Sprache sagt. Mit Fokus einmal auf sprachliche Ästhetik und Verständlichkeit. Also anders gefragt Stört Gendern sprachlich und einmal mit Fokus auf sprachliche Gendergerechtigkeit? Anders gefragt Was bringt Gendern? Los geht's. Stört Gendern sprachlich? Der Rat für deutsche Rechtschreibung sagt Ja, tut es. Zumindest, wenn es mit Gendersternchen, Doppelpunkt oder generell mit Sonderzeichen innerhalb von Wörtern passiert. In seiner Begründung listet der Rat für deutsche Rechtschreibung verschiedene Beispiele auf, etwa dass die Formen im Singular oder in anderen Fällen Genitiv, Dativ, Akkusativ dann nicht mehr so funktionieren, also dieselben Probleme wie beim Binnen i, wie auch im letzten Kapitel erwähnt. Was sagt jetzt die Forschung dazu? Da Gendersternchen recht neu sind, ist die Forschung dazu das auch, aber da Paarformen und Binnen i teilweise dieselben sprachlichen Hürden mit sich bringen, fangen wir doch erst mal mit dieser Studie von 2010 an. Ihr wisst Bescheid, bei Studien ist es sehr wichtig, sich nicht einfach nur die Ergebnisse anzuschauen, sondern immer auch die Methoden. Also wie kam man zu den Ergebnissen? Was genau wurde gemacht? Hier wurden rund 200 Versuchspersonen zufällig in drei Gruppen geteilt. Alle drei Gruppen bekamen denselben Nachrichtentext vorgelegt. Nur die Plural Person Bezeichnungen waren von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Gruppe eins bekam nur generisch maskuline Form zu lesen. Gruppe zwei bekam eine Mischung aus Binnen I und neutralen Form. Gruppe drei bekam eine Mischung aus paar Formen und neutralen Formen. Anschließend sollten alle Versuchspersonen Angaben zur Lesbarkeit machen. Zusätzlich wurde die Zeit gestoppt, um die Lesezeit pro Zeichen zu messen. Es gibt hier also eine subjektive Einschätzung und eine objektive Zeitmessung, wenn so eine objektive Messung fehlt, was in Umfragen, aber auch in einigen Studien der Fall ist, mir dir halt klar sein, dass die Ergebnisse auf persönlicher Wahrnehmung beruhen. Die kann verzerrt sein oder die kann nicht so ohne Weiteres auf andere übertragbar sein, deswegen Methoden wichtig. Hier die Ergebnisse. Aber bevor wir die richtig verstehen, müssen wir uns erst mal klar machen, dass diese Balken ja nur den Mittelwert aus allen Antworten bzw Messungen darstellen. Und die Fehler Balken, das sind die hier, geben euch schon auf den ersten Blick ein Gefühl dafür, wie stark die Antworten der einzelnen Leute um den Mittelwert der ganzen Gruppe schwanken. Schauen wir uns doch mal einen Balken beispielhaft an Wie genau kommt man zu so einem Balken? So sieht die Messung eigentlich aus. Wir messen Lesezeit pro Zeichen und zwar von vielen unterschiedlichen Versuchspersonen. Jeder Messpunkt steht für eine Person. Manche brauchen etwas länger, andere kürzer. Was uns erst mal interessiert, ist der Mittelwert, also der Durchschnitt aller Messungen. Was uns aber genauso interessiert, ist, wie stark die Einzelwerte um diesen Mittelwert streuen. Das zeigt uns die Standardabweichung, wenn wir vom Mittelwert aus jeweils eine Standardabweichung nach oben und unten gehen, dann befinden sich in unserem Fall etwa 2/3 aller Messwerte in diesem Bereich. Der Großteil der Messwerte liegt innerhalb dieses Bereichs der Standardabweichung und die Standardabweichung könnte auch anders aussehen. Wenn die Standardabweichung größer wäre, wäre die Streuung stärker, also die Messungen wären verschiedener. Wenn die Standardabweichung kleiner wäre, wäre die Streuung kleiner, das heißt, die Leute hätten ähnlicher abgeschnitten bei der Lesezeit. So ist also die Standardabweichung, also der Fehlerbalken hier zu verstehen,. Um die Daten einzuordnen, brauchen wir also nicht nur den Mittelwert, sondern auch den Fehlerbereich, den Streubereich. So sieht das ganze dann als Balkendiagramm aus. So, jetzt schauen wir noch mal auf die Ergebnisse. Wir sehen auf den ersten Blick Unterschiede in den Balkenhöhen und zwar im Mittel ist die subjektiv angegebene Lesbarkeit beim generischen Maskulinum am höchsten und bei der Lesezeit pro Zeichen brauchen die Leute im Mittel am längsten für die Texte mit Binnen i. Aber ihr seht auch, diese Unterschiede sind recht klein im Vergleich zur Größe der Fehlerbalken. Und wenn ihr so was seht, müsst ihr quasi ins Kleingedruckte der Studie schauen, ob diese Unterschiede überhaupt statistisch signifikant sind. Und in diesem Fall sind die Unterschiede zwischen dem generischen Maskulinum und den gegenderten Formen nicht statistisch signifikant, nicht statistisch signifikant bedeutet salopp gesagt, dass die Unterschiede nicht größer sind, als man aufgrund der Schwankungen auch zufällig erwarten würde. Anders gesagt diese unterschiedlichen Pluralformen machen keinen allzu großen Unterschied. Sagt das Ergebnis. Aber Methoden Bei 200 Versuchspersonen, verteilt auf drei Gruppen, haben wir keine besonders hohe statistische Power. Es kann sein, dass die Probandenzahl einfach zu klein ist, damit Effekte statistisch überhaupt auffallen. Mit einer deutlich größeren Testgruppe könnte man auch noch was anderes schauen. Man könnte zum Beispiel schauen, ob Leute, die eh schnell lesen, auch weniger Probleme mit Paarformen und Binnen i usw haben, während Leute, die langsamer lesen und eh mehr strugglen ,dadurch dann umso mehr beeinträchtigt wären. Das wäre für mich eine plausible Hypothese. Jetzt ist ja das Gendersternchen sehr ähnlich zum Binnen i also nicht in der Bedeutung. Das haben wir ja geklärt. Aber rein sprachlich ist es ja ganz analog. Nur kommt beim Gendersternchen noch hinzu, dass es neuer ist und allein deswegen ungewohnter und vielleicht deswegen stört. Und es fällt auch optisch mehr auf, weil es ein Sonderzeichen ist. Deswegen schauen wir uns mal dazu diese Studie von 2021 an. Hier wurden zwei Experimente durchgeführt Experiment eins Versuchspersonen bekamen eine Spielanleitung für das Kartenspiel Citadels vorgelegt, und zwar in einer von zwei Varianten. Variante A mit durchgehend generischen Maskulinum und Variante B mit konsequentem Gendern mit Sternchen. In einem zweiten Experiment mit anderen Versuchspersonen gab es einen Text, der die Sportart Kabaddi erklärt. Eine Sportart, die hier recht unbekannt ist. Auch hier zwei Varianten, selbes Prinzip, nur hier gab es deutlich mehr gegenderte Singular Formen. Anschließend mussten die Versuchspersonen unter anderem Fragen beantworten zur Text Verständlichkeit, Schwierigkeit der Wörter, Schwierigkeit der Sätze und zur Ästhetik des Textes. Wir sehen also die Datenerhebung ist hier nur eine Befragung. Es gab keine objektive Messung, wie zum Beispiel eine Zeitmessung. Hier die Ergebnisse. Fangen wir mit dem ersten Experiment an, der Spielanleitung für Citadels. Was sehen wir hier wieder auf den ersten Blick? Die Unterschiede zwischen generischem Maskulinum und Gendersternchen sind auch hier wieder klein im Vergleich zu den Fehlerbalken. Wir müssen uns also auch hier die statistische Signifikanz anschauen. Und tatsächlich waren die Unterschiede bei Verständlichkeit und Schwierigkeit der Wörter statistisch nicht signifikant. Also noch mal, das heißt, verkürzt gesagt, die Unterschiede waren nicht größer, als man aufgrund der Schwankungen auch zufällig erwarten würde. Doch bei den letzten beiden Kategorien, wie schwer man den Satzbau fand und wie schön man es sprachlich fand, da waren die Unterschiede statistisch signifikant nur ganz knapp. Was aber überrascht, die Bewertung fiel in den beiden Kategorien positiver für das Gendersternchen aus. Das konnten sich die Forschenden laut Studientext selbst auch nicht erklären. In meinen Augen ist eine mögliche Erklärung, dass die Testgruppe möglicherweise überdurchschnittlich Gender affin war. Also ich bezweifle, dass ab einem bestimmten Anteil an Mario Barth Fans in der Testgruppe die Ergebnisse ähnlich ausgefallen wären. Machen wir weiter mit Experiment zwei die Beschreibung von Kabaddi. Auch hier sieht man auf den ersten Blick Die Unterschiede sind klein im Verhältnis zu den Fehlerbalken. Bei beiden Kategorien, nämlich Verständlichkeit, Satzbau und Ästhetik war der Unterschied statistisch signifikant, und zwar so, wie man wahrscheinlich eher erwarten würde. Der gegenderte Text schnitt schlechter bei Verständlichkeit ab und der Satzbau wurde als schwieriger empfunden. Die vorsichtige Interpretation der Autor innen ist, dass das Gendern Sternchen, die Verständlichkeit im Plural nicht beeinträchtigt, im Singular aber schon. Warum vorsichtig? Na ja, auch hier leider geringe statistische Power und eine nicht repräsentative Testgruppe. Im Titel des Experiments waren es knapp 160 Leute, deutlich mehr Frauen. Durchschnittsalter 31 Jahre, Experiment 127 Leute, wieder deutlich mehr Frauen, Durchschnittsalter 27 und sehr wahrscheinlich, weil das einfach sehr typisch ist für solche Studien, waren da viele Studierende dabei. Es wurde jetzt hier nicht angegeben, wie viele. Es ist wie gesagt, typisch sind vor allem Studierende der Psychologie, die bei solchen Studien teilnehmen. Also noch mal auf einen Mario Barth oder ein Markus Söder lassen sich diese Ergebnisse noch lange nicht übertragen. Die hätten die Studie wahrscheinlich abgebrochen, wenn sie ein Gendersternchen gesehen hätten. Diese Studie von 2023 hat versucht, das methodisch etwas abzufangen. Hier wurde abgefragt, wie die insgesamt 233 Versuchspersonen zu Gender Sprache stehen, ob es ihnen wichtig ist und so weiter. Und auch der Bildungsstatus wurde abgefragt. Alles Dinge, die die Einstellung oder Haltung zu gendern beeinflussen könnten. Ansonsten war das Studiendesign ganz ähnlich zu dem Citadels oder Kabaddi Design. Also auch hier leider keine objektive Messung, nur subjektive Befragung. Das Ergebnis: In Bezug auf die Lesbarkeit und die Verständlichkeit gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen dem Text mit dem generischen Maskulinum und dem mit dem Gendersternchen. Spannenderweise unabhängig vom Bildungsstatus und von der Einstellung zu Gender Sprache. Fassen wir zusammen Die bisherigen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Gendersprache die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten nicht nennenswert beeinträchtigt, aber für eine starke Aussagekraft müssen Studien in Zukunft erst mal durchgeführt werden mit deutlich größerer Testgruppe. Mit wenn's geht immer einer objektiven, zusätzlichen Messung die Lesezeit pro Zeile. Generell weniger Studierende als Versuchspersonen. Da muss man sich mehr Mühe geben, möglichst verschiedene Leute zu gewinnen. Zumal es bei Lesbarkeit ja nicht darum gehen sollte, dass der Herr Professor Doktor ein paar Minuten länger braucht, um seine FAZ von vorne bis hinten durchzulesen, sondern sollte vor allem um Leute gehen, für die Lesen kein Kinderspiel ist. Der deutsche blinden und sehbehinderten Verband spricht sich zum Beispiel im Sinne der Barrierefreiheit eher gegen Sonderzeichen im Text aus und empfiehlt stattdessen geschlechtsneutrale Formulierungen. Wir haben auch den Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie gefragt. Er hat uns geantwortet, dass Gendern eine Belastung für Menschen mit Legasthenie ist und der Verband benutzt daher lieber die Paarform oder neutrale Form. Kontext ist also sehr wichtig, wenn es um Sprache geht. Davon abgesehen ist Sprache natürlich etwas, das sich ständig verändert und auch ständig verändern wird. Und Neuerungen sind auch Gewohnheitssache. Ich zum Beispiel benutze viele Anglizismen, von denen ich auch weiß, dass sie manche stören, weil sie sie ablenkend oder weird finden. Aber weißt du, wenn du es gewohnt bist, weird zu hören, ist es halt auch gar nicht so weird. Das bringt uns zum Zweiten Punkt. Ich würde behaupten, dass so ein bisschen Holprigkeit oder Ungewohnheit viele auch mit der Zeit überwinden können, wenn es denn was bringt. Also was bringt Gendern? Wie misst man, ob jemand bei einem generischen Maskulinum eher an Männer denkt als bei einer gegenderten Form? Klar, man kann die Leute einfach befragen, aber geht es auch objektiver? Ja, und zwar mit einer Methode, die ich jetzt einfach mal die Zwei Satz Methode nenne. Man kriegt zwei Sätze vorgelegt und muss beurteilen: Passen die beiden Sätze zusammen, ist der zweite Satz eine mögliche Fortsetzung des ersten Satzes Ja oder nein? Zum Beispiel in dieser Studie von 2008 Die Professoren machten eine Pause in der Sonne. Wegen des schlechten Wetters trugen viele der Männer einen Regenschirm. Ist der zweite Satz eine mögliche Fortsetzung des ersten Satzes? Nein. Wetter passt nicht. Anderes Beispiel Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof. Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Männer keine Jacke. Ist das eine mögliche Fortsetzung? Ja, fast. Was aber, wenn der zweite Satz lautet Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke. Ist das eine mögliche Fortsetzung? Auch ja. Sozialarbeiter können ja auch Frauen sein. Aber vielleicht musstet ihr gerade erst mal kurz nachdenken. Wenn man beim ersten Satz eher an Männer denkt. Beim zweiten Satz aber von Frauen die Rede ist, gerät man ins Stocken oder braucht länger, um Ja zu klicken oder klickt sogar fälschlicherweise Nein. Eine falsche Nein Antwort oder ein längeres Zögern, eine längere Reaktionszeit zeigt also, dass man beim ersten Satz eher nicht an Frauen gedacht hat. Jetzt ist ja erwartbar, dass man bei stereotypisch männlichen Gruppen, wie zum Beispiel Piloten, allein deshalb eher an Männer denkt, weil Piloten fast immer Männer sind. Im Englischen zum Beispiel, wo es ja kein generisches Maskulinum gibt, es heißt ja immer pilot, denkt man trotzdem eher an Männer, wenn man das hört. Deswegen wurde die Studie mit deutsch, französisch und englischsprachigen Versuchspersonen durchgeführt. Bei den englischsprachigen Versuchspersonen stellte man fest, dass die Leute bei stereotypisch männlichen Gruppen wie pilots, computer specialists oder golfers eher an Männer dachten. Bei stereotypisch weiblichen Berufsgruppen wie social Workers , nurses oder cashiers eher an Frauen. So weit, so erwartbar. Das Spannende war nun, dass die Leute im Deutschen und Französischen, wo es das generische Maskulinum gibt, generell eher an Männer dachten, selbst bei stereotypisch weiblichen Gruppen wie zum Beispiel Sozialarbeiter oder Kassierer. Die Autor innen kamen also zu dem Schluss, das generische Maskulinum führt zu einer dominierend männlichen Wahrnehmung, und sein Einfluss überdeckt sogar den Einfluss von Geschlechterstereotypen. Spannendes Ergebnis, nur leider überhaupt nicht aussagekräftig, weil die Testgruppe extrem klein war. Pro Sprache nahmen gerade mal 36 Versuchspersonen teil. Ich finde es sehr schade, weil das Studiendesign an sich ziemlich cool ist, aber diese Studie, die Anfang 2024 herauskam, hatte auch die zwei Satz Methode und wurde mit fast 1200 Personen durchgeführt. Nur wurde hier nicht zwischen Sprachen verglichen, sondern zwischen dem generischen Maskulinum, generischen Femininum und einer gegenderten Form. Außerdem wurden die Sätze hier nicht als Text vorgelegt, sondern als Audiodatei vorgespielt. Die Chef innen pfiffen gut gelaunt vor sich hin. Ergebnis: Das generische Maskulinum führte dazu, dass Leute eher an Männer dachten. Das generische Femininum führte dazu, dass Leute eher an Frauen dachten. Und die gegenderte Form führte auch dazu, dass Leute eher an Frauen dachten. Ich finde das ganz plausibel. Ich finde ja, dass beim gesprochenen Gendern mit Glottisschlag durch die Pause die weibliche Form, also bei Chef innen noch mal besonders betont wird und besonders präsent ist. Gut. Was ist jetzt aber mit dem erklärten Ziel, durch das Gendersternchen diverse Geschlechter sichtbar zu machen? Hierzu gibt es noch kaum Forschung, aber hier eine spannende Studie von 2023 74 Versuchspersonen. Alles Studierende der Psychologie. Da haben wir es wieder. Bekamen Wort Bild Paare gezeigt. Wörter waren im Singular und waren entweder männlich, weiblich oder gegendert. Die Bilder waren von stereotypisch männlichen oder stereotypisch weiblichen Personen oder von Personen, die stereotypisch weder männlich noch weiblich waren, bzw männliche und weibliche Features vereinten. Die Studierenden sollten jetzt angeben, ob bei ihrem Wort Bild Paar das Wort zu dem Bild auch passt. Auch hier wurden neben den eigentlichen Antworten, also ja oder nein, auch die Reaktionszeit erfasst. Also auch hier eine objektive Zusatzmessung. Eines der Ergebnisse war, dass die gegenderte Form besonders gut zu den Bildern passte, die eben weder typisch männlich noch weiblich waren. Ein guter Hinweis darauf, dass zumindest Studierende der Psychologie Gendersternchen tatsächlich mit nicht binären Personen oder diversen Geschlechtern verbinden. Darüber hinaus, und das finde ich ganz spannend, fanden die Leute, dass die gegenderte Bezeichnung generell ganz gut mit allen Bildern ging, also auch mit den männlichen und weiblichen. Während es anderswo schon Diskrepanzen gab zum Beispiel gingen weibliche Bezeichnungen und männliche Bilder nicht so gut zusammen. Also unterm Strich eine Bestätigung dafür, dass das Gendersternchen tatsächlich alle Geschlechter sichtbar macht. Aber wie gesagt, das sind Ergebnisse von Studierenden der Psychologie. Ich fänd super spannend, genau das gleiche Studiendesign mit möglichst diversen Versuchspersonen zu testen. Und ja, in diesem Fall meine ich mit divers mehr Mario Barths und Markus Söders. Fassen wir zusamme, die Forschung zeigt, dass das generische Maskulinum dazu führen kann, dass Frauen weniger im Bewusstsein von Hörenden oder Lesenden stattfinden. Weibliche Formen können dem entgegenwirken. Selbe Tendenz bisher beim Gendersternchen. Sowohl für Frauen als auch für nicht binäre Personen, diverse Geschlechter. Aber Achtung der Forschungsbereich ist wirklich noch sehr jung. Es braucht für eine starke Aussagekraft in Zukunft mehr Studien und vor allem Studien mit diversen Versuchspersonen und nicht nur vorrangig Studierenden. Bis dahin sollten wir ein bisschen Meinungsverschiedenheiten aushalten können, aber das ist offenbar leichter gesagt als getan. Persönliche Meinung. Jetzt mal unabhängig davon, was die Forschung in Zukunft noch rausfinden wird. Es ist ja klar, dass Gendern alleine natürlich nicht für Gendergerechtigkeit sorgen wird oder Diskriminierung auflösen wird. Aber das behauptet übrigens auch keiner. Sprache kann aber ein Baustein von vielen sein. Und im Gegensatz zu den riesigen strukturellen Veränderungen, die es bräuchte, um unsere Gesellschaft von Grund auf gerechter zu machen, ist es ja verhältnismäßig einfach, wie ich finde, unsere Sprache zu verändern. Und deswegen lohnt sich die Debatte ums Gendern in meinen Augen. Also es lohnt sich, darüber zu debattieren und zu erforschen, wie viel Gendern bringt. Denn selbst wenn es nur ein bisschen was bringt, könnten wir dieses bisschen mit verhältnismäßig wenig Aufwand umsetzen. Allerdings ist es auch verhältnismäßig einfach oder sagen wir zu einfach, mit so sprachlichen Kleinigkeiten Menschen auf die Palme zu bringen. Dieser ganze Gender Gaga, das ist unnatürlich. In der deutschen Sprache lässt man keine Pause mitten im Wort, das finde ich sehr lustig. Aber im Ernst es ist ja so eine sachliche Debatte scheint kaum möglich. Obwohl es ja eigentlich so ein nerdiges, sprachwissenschaftliches Thema sein sollte, ist es zu etwas hoch Emotionalem, Ideologischen geworden. Allein das ist ein Grund dafür, warum ich nicht konsequent gendere. Was euch wahrscheinlich schon aufgefallen ist. Wenn ein großer Teil meines Publikums Gendern nicht gut findet oder nicht nur nicht gut findet, sondern sogar emotional wird und sich aufregt, dann leiden natürlich meine wissenschaftlichen Inhalte darunter. Ich wäge immer je nach Kontext ab. Am Ende entscheide ich mich auch öfter mal für das generische Maskulinum. Für mich ist es auch okay. Ich finde es okay, nicht konsequent zu gendern. Ich finde es ja sogar ganz cool, wenn es keine pauschalen, festen Regeln gibt, sondern dass man eher so einen sprachlichen Werkzeugkasten hat, den man je nach Kontext ganz speziell einsetzen kann. Sei es, um zum Beispiel bewusst diverse Geschlechter sichtbar zu machen oder auch mal bewusst darauf zu verzichten, für Barrierefreiheit oder eine einfachere Sprache oder was weiß ich. Für mich ist das alles nicht schwarz weiß. Was ich aber sicher sagen kann: Ein Gender Verbot, zum Beispiel an bayerischen Schulen, finde ich höchst ironisch. Bei uns soll man anziehen was man will, bei uns soll man essen was man will, bei uns soll man sagen was man will liebe Freunde, Freistaat und nicht Zwangsstaat, keine Sanktionen, Sprache ist frei. Also wenn man Markus Söder und seine Haltung nicht kennen würde, würde man ja basierend auf diesen Aussagen meinen, er wäre gegen ein Gender Verbot. Also keine Sanktionen, Sprache ist frei. Das würde ich ja direkt so unterschreiben, wenn das bedeuten würde, Gendern wird weder erzwungen noch verboten. Wie seht ihr das? Und da das ja jetzt wahrscheinlich eine eher emotionale Kommentarspalte wird an der ein oder anderen Stelle, denkt bitte an unsere hauseigene goldene Kommentar Formel, die da lautet Aufmerksamkeit gleich Impact. Auch mit einem Dislike oder einer zurecht weisenden Antwort schenkt ihr Aufmerksamkeit und damit Impact. Also verteilt eure Aufmerksamkeit klug, interagiert mit Kommentaren, die ihr hilfreich und konstruktiv findet. Lasst euch nicht provozieren von Kommentaren, die offensichtlich an keinem sachlichen Austausch interessiert sind. Wenn ihr menschenverachtende Inhalte seht, die übrigens auch gegen die YouTube Guidelines verstoßen, melden ansonsten einfach ignorieren. Lasst euch nicht ragebaiten Leute, schenkt euch bisschen mehr Tee ein, bleibt entspannt. Wir sehen uns in den Kommentaren oder beim nächsten Video. Bis dahin bleibt sicher.