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Zerspanung Grundlagen

Im verlinkten Video wurden die Grundlagen des Trennens und die dabei auftretenden Kräfte an einem Schneidkeil ausführlich erläutert. Dazu wurde exemplarisch der Schneidkeil eines Meißels betrachtet, an dem senkrecht zu den Keilflächen die Zerteilkräfte wirken, die dann letztlich das Material auftrennen. Dabei gilt, je kleiner der Keilwinkel Beta, desto größer sind die Zerteilkräfte, aber desto instabiler wird die Schneide. Deshalb muss je nach Schneidstoff und zu bearbeitendem Werkstoff immer ein Kompromiss zwischen möglichst kleinem Keilwinkel bei jedoch noch ausreichend hoher Stabilität der Schneide gefunden werden. Wird der Schneidkeil nicht mehr senkrecht auf die Werkstückoberfläche aufgesetzt, sondern wie beim Fräsen in einem flachen Winkel zur Werkstückoberfläche geführt, so wird das Werkstück nicht mehr im Ganzen zerteilt, sondern ein Span nach dem anderen abgetragen. Dieses sogenannte Spanen reduziert den Kraftaufwand, sodass gleichzeitig die Abtragsgeschwindigkeit erhöht werden kann. Beim Zersparen darf die Schneidfläche die Schnittfläche des Werkstücks nicht berühren. Man spricht deshalb auch von der sogenannten Freifläche des Schneidkeils. Würden sich Freifläche und Schnittfläche längere Zeit berühren, entstünden enorme Reibungskräfte. Eine extreme Wärmeentwicklung wäre die Folge. Dies wiederum würde sowohl das Werkstück als auch das Werkzeug mit der Zeit zerstören. Deshalb muss zwischen der Freifläche des Werkzeugs und der Schnittfläche des Werkstücks immer ein sogenannter Freiwinkel-Alpha vorhanden sein. Dieser liegt in den meisten Fällen zwischen 6° und 12°. Bei weichen Werkstücken ist der Freiwinkel wegen der größeren elastischen Verformung beim Spanen etwas größer als bei härteren Werkstoffen. Merke also, der Freiwinkel verringert die Reibung zwischen Werkzeug und Werkstück und verhindert so übermäßigen Werkzeugverschleiß. Die der Freifläche gegenüberliegende Seite, über die der Span abgeführt wird, wird Spanfläche genannt. Der Winkel zwischen Spanfläche und der senkrechten zur Schnittfläche wird als Spanwinkel Gamma bezeichnet. Der Spanwinkel hat einen entscheidenden Einfluss auf die Spanbildung. Bei einem großen Spanwinkel ist der Keilwinkel zwangsläufig relativ klein, da der Freiwinkel in der Regel immer zwischen 6 und 12 Grad liegt und somit fest vorgegeben ist. Bei großen Spanwinkeln ergeben sich somit hohe Zerteilkräfte und insgesamt günstige Zerspanungsbedingungen. Bei einem großen Spanwinkel wird der Span nicht so stark umgelenkt und es entstehen bei ununterbrochenem Schnitt, wie beispielsweise beim Drehen, Meist lange Späne, die dann auch als Fließspäne bezeichnet werden. Solche Fließspäne sind in der Regel unerwünscht, da sie sich in der Maschine verfangen und das Werkstück beschädigen können. Darüber hinaus gefährden umherwirbelnde Fließspäne die Arbeitssicherheit. Fließspäne können zum einen durch spezielle Stähle vermieden werden, sogenannte Automatenstähle, die einen erhöhten Gehalt an Schwefel und Phosphor aufweisen und so die Sprödigkeit erhöhen, die dann wiederum zu kurzbrechenden Spänen führt. Fließspäne können zum anderen aber auch durch einen kleineren Spanwinkel vermieden werden. Bei kleinen Spanwinkeln ist der Keilwinkel zwangsläufig relativ groß und die Späne werden stark umgelenkt. Durch die starke Umlenkung brechen die Späne in der Regel schnell ab und es entstehen sogenannte Reisspäne. Wegen der starken Umlenkung des abzutragenden Materials und der relativ geringen Zerteilkräfte aufgrund des großen Keilwinkels sind jedoch relativ hohe Zerspanungskräfte erforderlich. Grundsätzlich gilt für die angegebenen Winkel. dass die Summe aus Freiwinkel, Keilwinkel und Spanwinkel immer 90° beträgt. Je nach Größe des Keilwinkels kann die Spanfläche auch über die Senkrechte zur Schnittfläche hinausragen. Der Spanwinkel wird dann rein mathematisch negativ. In diesem Fall liegt keine schneidende Wirkung mehr vor, sondern ein Schaben. Negative Spanwinkel und damit große Keilwinkel werden bei der Bearbeitung sehr harter Werkstücke eingesetzt. Bei positiven Spanwinkeln ist hingegen eine schneidende Wirkung gegeben. Dies wird bei der Bearbeitung weicherer Werkstoffe verwendet. Bei den spanenden Fertigungsverfahren mit geometrisch bestimmter Schneide, wie Drehen, Bohren und Fräsen, werden während des Fertigungsprozesses kontinuierlich Späne abgetragen. Dieser Prozess ist durch drei Bewegungen gekennzeichnet. Die Schnittbewegung, die Vorschubbewegung und die Zustellbewegung. Sowohl beim Fräsen als auch beim Bohren und Drehen handelt es sich um kreisförmige Schnittbewegungen. Während beim Fräsen und Bohren das Werkzeug die Kreisbewegung ausführt, führt beim Drehen das Werkstück die Kreisbewegung aus. Eine wichtige Kenngröße dieser kreisförmigen Schnittbewegungen ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Schneiden durch das Werkstück bewegen. Diese wird als Schnittgeschwindigkeit VC bezeichnet und bezieht sich immer auf den äußersten Punkt einer kreisförmigen Schnittbewegung. Betrachten wir als Beispiel die Kreisbewegung eines Bohrers, dessen Umfang die Schnittgeschwindigkeit WC aufweist. Im Folgenden soll der Zusammenhang zwischen dieser Schnittgeschwindigkeit vc, der Drehzahl n und dem Durchmesser d aufgezeigt werden. Betrachten wir dazu eine vollständige Umdrehung des Bohrers innerhalb der Zeit t. Diese Zeit für eine Umdrehung wird in der Physik auch als Periodendauer T bezeichnet. Der betrachtete Punkt auf dem Umfang des Bohrers bewegt sich also innerhalb der Periodendauer um den Betrag S des Bohrerumfangs. Diese zurückgelegte Strecke am Umfang entspricht einem Kreisumfang und ergibt sich aus dem Produkt der Kreiszahl Pi und dem Bohrerdurchmesser d. Die Umfangsgeschwindigkeit und damit die Schnittgeschwindigkeit vc ergibt sich nun aus dem Quotienten des zurückgelegten Weges S und der dafür benötigten Zeit t. Daraus ergibt sich die angegebene Formel zur Bestimmung der Schnittgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Periodendauer und dem Durchmesser. Diese Formel lässt sich auch wie folgt darstellen. An dieser Stelle kann der angegebene Kehrwert der Periodendauer 1 durch t auch anders interpretiert werden. Betrachten wir dazu noch einmal die Aussage der Periodendauer. Diese gibt die Zeit pro Umdrehung einer Kreisbewegung an. Bilden wir nun den Kehrwert dieser Periodendauer, so erhalten wir letztlich auch die umgekehrte Aussage. Der Kehrwert gibt nun nicht mehr die Zeit pro Umdrehung an, sondern die Umdrehungen pro Zeit. Die Umdrehungen pro Zeit, zum Beispiel 200 Umdrehungen pro Minute, entsprechen genau der Aussage der Drehzahl. Wir können also den Kehrwert der Periodendauer direkt als Drehzahl n interpretieren. Ersetzen wir in der hergeleiteten Formel also den Kehrwert der Periodendauer durch die Drehzahl, dann ergibt sich der angegebene Zusammenhang zwischen Schnittgeschwindigkeit, Drehzahl und Durchmesser. In der Praxis werden die Schnittgeschwindigkeiten meist in der Einheit Meter pro Minute angegeben. In diesem Fall ist der Durchmesser in der Einheit Meter zu verwenden und die Drehzahl in der Einheit Umdrehungen pro Minute. Der angegebene Durchmesser bezieht sich beim Fräsen und Bohren auf den Außendurchmesser des Werkzeugs und beim Drehen auf den Durchmesser des Werkstücks. In der Praxis werden jedoch nicht anhand der Drehzahl und des Durchmessers die Schnittgeschwindigkeiten bestimmt. sondern die Schnittgeschwindigkeit ist letztlich durch den Werkstoff des Werkzeuges und des Werkstückes vorbestimmt. Deshalb geben die Werkzeughersteller in ihren Datenblättern je nach zu bearbeitendem Werkstoff entsprechende Schnittgeschwindigkeiten an, um optimale Zerspannungsergebnisse zu erhalten. Durch Umstellen der Formel ergibt sich dann bei gegebener Schnittgeschwindigkeit und vorhandenem Durchmesser die an der Maschine einzustellende Drehzahl. Richtwerte für Schnittgeschwindigkeiten bzw. Drehzahlen können auch Tabellenbüchern entnommen werden. Harte Werkstoffe werden in der Regel mit niedrigeren Schnittgeschwindigkeiten bearbeitet als weichere Werkstoffe. Bei der Bearbeitung ohne Kühlschmierstoff müssen niedrigere Schnittgeschwindigkeiten gewählt werden, da es sonst zu starker Wärmeentwicklung mit erhöhtem Verschleiß kommt. Die reine Nettozeit, die ein Werkzeug ohne Nachschleifen im Einsatz, also sozusagen im Material verbringen kann, wird als Standzeit bezeichnet. Die Standzeit von Fräswerkzeugen liegt im Bereich von etwa 30 bis ca. 60 Minuten. Danach müssen die Werkzeuge nachgeschliffen werden. Merke also, die Standzeit ist die Zeit, die ein Werkzeug im Einsatz sein kann, bevor es nachgeschliffen werden muss. Vor der eigentlichen Zersparnung muss zunächst an der Maschine eingestellt werden, wie viel Material bei einem Zersparnungsvorgang abgetragen werden soll, um das gewünschte Maß zu erreichen. Dies wird als Zustellung AP bezeichnet und gibt den Betrag in Millimetern an, um den sich das Werkzeug einmalig durch das Werkstück bewegt. Die Zustellung entspricht sozusagen der Schnitttiefe. Beim Drehen entspricht die Zustellung der Radiusabnahme während der Bearbeitung. Dazu wird der Drehmeißel vor dem Zerspanungsvorgang in radialer Richtung um den entsprechenden Betrag zugestellt. Beim Drehen erfolgt die Zustellung also durch das Werkzeug. Nachdem die Zustellung unmittelbar vor dem Zerspanungsvorgang eingestellt wurde, erfolgt der eigentliche Bearbeitungsprozess mit einer entsprechenden Vorschubbewegung. Beim Drehen führt das Werkzeug den geradlinigen Vorschub aus. Die Vorschubbewegung ist dabei senkrecht zur Zustellbewegung gerichtet. Bei der Vorschubbewegung wird zwischen Vorschub und Vorschubgeschwindigkeit unterschieden. Der Vorschub F ist der Betrag in Millimetern, um den sich das Werkzeug bei einer einmaligen Umdrehung im Werkstück vorwärts bewegt. Die Vorschubgeschwindigkeit hingegen bezeichnet die Geschwindigkeit in Millimetern pro Minute, mit der sich das Werkzeug im Material vorwärts schiebt. Da der Vorschub den weiterbewegten Betrag des Werkzeugs pro Umdrehung angibt und die Drehzahl die Umdrehungen in der Minute, ergibt das Produkt beider Größen den Gesamtbetrag, um den sich das Werkzeug im Werkstück pro Minute vorgeschoben hat. Dies entspricht dann der Vorschubgeschwindigkeit Vf. Betrachten wir nun die Bewegungen beim Bohren genauer. In diesem Fall kann die Zustellung bzw. der Materialabtrag nicht frei gewählt werden, sondern ist durch den Durchmesser des Bohrers bereits fest vorgegeben. Die Zustellung entspricht in diesem Fall stets dem Radius des Bohrers. Es findet beim Bohren also keine Zustellung im eigentlichen Sinne einer Bewegung statt. Erfolgt nun der eigentliche Bohrvorgang, so ist auch in diesem Fall die Vorschubbewegung wieder senkrecht zur Zustellung gerichtet. Auch hier beschreibt der Vorschub F wieder den Betrag in Millimetern, um den sich der Bohrer in axialer Richtung bei einer Umdrehung nach unten bewegt, und die Vorschubgeschwindigkeit Vf die Geschwindigkeit in Millimetern pro Minute, mit der der Bohrer insgesamt nach unten geführt wird. Betrachten wir nun die Bewegungen beim Fräsen genauer. In diesem Fall führt nicht das Werkzeug die Zustellbewegung aus, sondern das Werkstück. Dabei wird der gesamte Maschinentisch mitsamt dem darauf befestigten Werkstück bewegt. während die Drehachse des Fräsers im Prinzip still steht. Beim Fräsen erfolgt die Zustellung jedoch nicht nur in radialer Richtung, sondern auch in axialer Richtung. Man unterscheidet deshalb zwischen der Zustellung AE in radialer Richtung und der Zustellung AP in axialer Richtung. Nun beginnt der eigentliche Zerspanungsprozess. Im Gegensatz zum Drehen und Bohren kommt beim Fräsen eine Besonderheit bezüglich des Vorschubs hinzu. Da Fräser keine einheitliche Anzahl an Schneiden haben, wird der Vorschub meist pro Schneidzahn angegeben. Dies bezeichnet man als Vorschub pro Schneide Fz. Der Gesamtvorschub des Fräsers pro Umdrehung ergibt sich dann aus dem Produkt von Vorschub je Schneide Fz und der Anzahl Z der Schneiden. Mit diesem Gesamtvorschub F kann dann wieder die Vorschubgeschwindigkeit Vf mit der gewohnten Formel ermittelt werden. Beim Zersparnen und insbesondere beim Fräsen und Drehen kann man zwischen dem sogenannten Schruppen und Schlichten unterscheiden. Schruppbearbeitung eines Werkstücks. Hierfür stehen beim Fräsen spezielle Schruppfräser zur Verfügung. Ziel des Schruppens ist es, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Material abzutragen. Deshalb werden Vorschub und Zustellung hoch und die Schnittgeschwindigkeit niedrig gewählt, da das Werkzeug sonst zu stark belastet würde. Die hohen Vorschübe und tiefen Schnitte führen jedoch zu einer relativ schlechten Oberflächengüte. Deshalb wird als abschließende Feinbearbeitung das sogenannte Schlichten mit speziellen Schlichtfräsern eingesetzt. Dabei werden Vorschub und Zustellung klein und die Schnittgeschwindigkeit groß gewählt. Dadurch wird nicht nur die Oberflächengüte verbessert, sondern auch die gewünschte Maß- und Formgenauigkeit besser eingehalten. Merke also, beim Schruppen geht es um hohe Zerspanungsleistung, beim Schlichten um hohe Oberflächengüte, Maßhaltigkeit und Formgenauigkeit.