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Nationalsozialistische Elite-Schulen und ihre Auswirkungen

Hart, flink, zäh sollten sie werden. Menschen eines neuen Typus. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Das war Hitlers Programm. Er wollte eine Jugend heranwachsen sehen, vor der die Welt erschrecken würde. Und so wurden während des Nationalsozialismus einige tausend junge Männer auf speziellen Schulen zu einer neuen Elite ausgebildet. Das Marschgepäck für Theo Sommer, einen der bedeutendsten Journalisten Deutschlands, wurde in einem nationalsozialistischen Elite-Internat gepackt. Die Deutschen Volkes ausgewählt rücken in diesen Tagen wieder die jüngsten Jahrgänge in die Adolf-Hitler-Schulen ein. Neben überdurchschnittlicher geistiger Veranlagung und charakterlicher Stärke wird auch der Mut der jüngsten Adolf-Hitler-Schüler einer Prüfung unterbrochen. Drei Jahre wurde Theo Sommer in der Adolf-Hitler-Schule Sonthofen auf eine Karriere in der Partei, in der NSDAP, vorbereitet. Er sollte einer ihrer zukünftigen Führer werden. Ganz im Dienste der nationalsozialistischen Idee. Hab ich gehasst. Mit zwölf Jahren kam Theo Sommer auf diese Schule. Nach dem Krieg wird er einer der einflussreichsten deutschen Journalisten. Chefredakteur, später Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit, dem Flaggschiff des linksliberalen Journalismus. Viele der NS-Eliteschüler bestimmten nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs maßgeblich die Geschicke der jungen Demokratien in Deutschland, in Österreich. Ausgebildet in Adolf-Hitler-Schulen oder in nationalpolitischen Erziehungsanstalten, den sogenannten Napolas, erfüllten sie ihren Eliteauftrag und übernahmen Führungspositionen in allen Bereichen der Nachkriegsgesellschaft. Der österreichische Künstler Arnulf Reiner war Schüler einer Napola. Ebenfalls General Leopold Schalupper, später NATO-Oberbefehlshaber. Der Schauspieler Hadi Krüger. Der FDP-Politiker Rüdiger von Wechmar. Auch der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, war NS-Eliteschüler. Der Künstler Horst Janssen besuchte eine Napola. Ebenso Hans Klein, ehemaliger Vizepräsident des Deutschen Bundestags. Bundeswehrgeneral Günther Kießling. Und der ehemalige Bürgermeister von Wien, Leopold Kratz. Wir hatten doch das Gefühl, wir sind eine Elite. Dieses Gefühl hatten wir nicht, weil wir alle Gauleiter zu Eltern hatten oder Parteigenossen, sondern wir kamen wirklich aus allen Schichten und Ständen. Kaum soziale Unterschiede. Kinder. Unbelastet und formbar. Ist sie geglückt, die Ausbildung einer Elite, die ob in einer Diktatur oder in einer Demokratie funktioniert, ihren Dienst leistet? Was hat diese Erziehung aus den Kindern gemacht? Schon die Orte, an denen die Elite ausgebildet wurde, vermittelte den Jungen das Gefühl des Besonderen, der Überlegenheit. Schloss Plön zum Beispiel, die ehemalige Kadettenanstalt, auf der die Söhne des Kaisers erzogen worden waren, 1933 umgewandelt in eine Napola. bei kriegsende gab es etwa vierzig schulen dieses typs mit mehr als schulern wer hierhin kam stand vor einer grossen karriere man musste dem arischen rasseideal entsprechen sportlich mutig und kaempferisch sein Ich war in der Volksschule in Wien in der Kandelgasse und in der vierten Klasse gegen Ende des Schuljahres, also im Sommer, ist ein Emissär, würde ich heute sagen, ich habe nicht gewusst, wer das damals ist, von der Anstalt in Dreskirchen gekommen. In den Turnunterricht unter anderem hat sich die Schüler angeschaut und hat beobachtet, wie die sich bewegen und betragen. Es ist ein Gespräch mit den Lehrkräften geführt worden. Und dann, weil ich glaube, der Einzige, von dem es geheißen hat, wenn ich interessiert wäre, würde man mich zur Prüfung einladen. Da hieß es, die besten Schüler sollen gemeldet werden. Das wurde auch so gemacht. Und dann besuchten die das Elternhaus. Dann kamen die eines Tages zu uns. Stand vor der Tür, wir wussten nicht, wer das war. Die haben dann erklärt, dass sie von einer Heimschule kommen, von einer nationalen Präzisionsanstalt. Da wurde man eingeladen zu einer Aufnahmeprüfung. Und meine Mutter war sehr froh, dass ich dahin kam. Ich glaube einfach, weil auch mein Vater nicht da war und vielleicht auch, weil sie stolz war. Das weiß ich nicht. Helmut Karasek, Literaturkritiker und lange Jahre Kulturschef des Magazins Der Spiegel, kam als Sohn eines NS-Kreisleiters, der wie viele Väter an der Front war, auf die Napola loben. Auch er ist beim Schuleintritt kaum zehn Jahre alt. Jedenfalls war meine Mutter stolz, dass ich da zur Prüfung kam. Und dies war nun wirklich absurd. Da musste man Mutproben ablegen, da musste man... Eine kleine freie Rede halten, da musste man eine Diskussion bewältigen. Da war in einer Turnhalle, waren diese Leitern mit großen Abständen und da musste man eine Mutprobe machen. Und unten waren diese Matten, die Sportmatten, die sehr hart sind, so sandsackartig. Und ich bin, alle sind wir höher raufgestiegen, als wir es wollten, weil wir... Nicht, weil wir auf die Schule wollten, weil auf einmal war die Herausforderung, du willst dich nicht blamieren. Vor dem, der hinter dir stand, wolltest du nicht feige sein, also bist du auch mit zusammengebissenen Zähnen gesprungen. Alle hatten nachher entweder ein gebrochenes Bein oder ein verzerrtes Bein und humpelten. Ja, heute ist mir das ganz klar, das waren alle so kleine Tests auf Kameradschaft, auf Mut, auf Verträglichkeit. Da musste man auch mal das Kommando übernehmen, eine Viertelstunde, und irgendetwas befehlen oder organisieren. Also das war sicherlich ein Grund, warum wir uns zur Elite zugehörig fühlten, weil wir dachten, wir haben es ja eigentlich verdient. Schon die Aufnahmeprüfung war Teil einer gezielten Auslese. Nur das beste Menschenmaterial sollte die künftige Elite bilden. Hitlers Vision dieser Jugend? Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muss wieder aus ihren Augen blitzen. So wurde gleich zu Beginn die Grenze des Aushaltbaren ausgelotet. Wie weit sind die Prüflinge belastbar? Sind sie bereit, Grenzen zu überschreiten? Hitlers Ideal einer Jugend, die alle Entbehrungen auf sich nehmen wird, sollte an den Elite-Schulen verwirklicht werden. sondern dass es Hartheit hat. Und ihr werdet euch in der Jugend dafür wählen. Ihr müsst lernen, Erklärungen auf euch zu nehmen. Ohne jeweils zu kommen zu Recht. Denn was wir auch heute schaffen und was wir tun, wir werden vergehen. Aber wir wollen für Deutschland weiterleben. Und wenn für uns nicht mehr Ölzeit ist, dann werden wir die Pfade, die wir einst auf dem Nichts hochgezogen haben, auch nicht mehr verhalten. Entbehrungen erfahren, gestellt und an die Grenze des Zusammenbruchs getrieben werden, das wurde auch für den Musiker und Dirigenten Joachim Carlos Martini Realität. Nach mehr als 60 Jahren kehrt er zum ersten Mal wieder auf die Napola Stuhl zurück. In Anwesenheit von Gauleiter Erich Koch wurde die erste Neubaugruppe der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt Stuhm in Westpreußen eingeweiht. Der Pomp der Einweihungsfeier betonte die Wichtigkeit des Projekts. Stuhm sollte eine Vorzeigenapola sein mit großzügigen Sportanlagen und modernsten Werkstätten. Also mein Problem ist eigentlich, dass ich... in einer Zeit hier war, da beispielsweise diese Bäume noch nicht da waren. Ich erinnere mich nur, dass es ein richtiges Ödland war, rundherum mit noch aufgeschütteten Erdwellen und so weiter, die vom Bau her kamen und auf denen ich manchmal gesessen habe, um Flöte zu spielen. Ein flötespielender Junge? Joachim Martini war in Stuhm ein Außenseiter. Die martialische Musik, die Märsche, die Lieder waren dem sensiblen, musikalisch talentierten Jungen ein Gräuel. Er hasste den sportlich-militärischen Zuschnitt der Anstalt und die Ruppigkeit der Kameraden. Joachim kam aus einer anderen Welt. Er war in Chile geboren, in einer herrlichen, wilden Landschaft. Alles war Abenteuer. Er fühlt sich wohl, entdeckt eine Welt, die mit dem Deutschland von damals so gar keine Ähnlichkeit hatte. Doch dann, Joachim ist noch keine sieben Jahre alt, wollen seine Eltern, beide glühende Anhänger des Nationalsozialismus, unbedingt ins neue Deutschland zurück. Joachim soll auf eine Napola, soll Karriere machen, kann aber seinen Widerwillen nicht verbergen. Vielleicht müsste ich auch sagen, dass diese meine Abwehr natürlich keine im engeren Sinne politische Abwehr war, sondern sich für mich im Nachhinein daraus versteht, dass ich in Chile einfach in einer anderen menschlichen Umgebung groß geworden bin, mit Indianerkindern gespielt habe. Und selbst wiederum von mir aus, das muss ich sagen, gelernt habe, das Vorurteil, das bei den Weißen war, zu überwinden. Er kommt in eine Welt, in der das Vorurteil Prinzip ist, in der es Untermenschen gibt und Herrenmenschen. Hitlers Deutschland funktioniert nach starren Gegensätzen und die Napola ist die hohe Schule des Schwarz-Weiß-Denkens. Der Alltag in den Internatsschulen war minutiös, bis in jede Pore des Tagesablaufs organisiert. In den Napoler Propagandafilmen sieht es jedoch aus wie ein lustiges, abenteuerliches Freizeitlager. Wir hatten hier Schlafsäle und in dem Schlafsaal waren ca. 120 Leute drin bzw. Jungs. Und geweckt wurden wir mit einem Signalhorn, welches ich selber nachher blasen musste, weil ich habe begeisterte Bläser. Da war ich dann auch mal Signalhornist vom Dienst, hieß das. Der ZVD, der Zugführer vom Dienst, kam dann raufgerannt in den Schlafsaal mit seinen schweren Stiefeln und hat uns aufgeschreckt. Guten Morgen, aufstehen, waschen. Das Wecken habe ich in ziemlich schrecklicher Erinnerung, weil wir zu fünft oder sechst in einem Zimmer lagen und viele, ich gehörte nicht dazu, viele meiner Kameraden Bettnässer waren. Und als die merkten, dass sie in der Nacht ins Bett gemacht haben, haben die wie wild am Laken herumgerieben, weil sie dafür bestraft wurden. Bettnässen als ohnmächtiger Protest, die Auflehnung des Körpers gegen die alles beherrschende Macht der Anstalt. Der Napola bedeutet für die meisten Jungmannen den Verlust des Familienlebens. Absichtlich werden die Schüler in Internate geschickt, die weit entfernt liegen von der Familie. Besuche gibt es kaum, stattdessen quälendes Heimweh. Gruppenrituale, Musik und gemeinsames Singen sollen Ersatz bieten für die Intimität einer Familie. Dann musste man Betten bauen, und zwar auf Kante und ohne Falten. Sonst kam der UVD, der... Und der Unterführer vom Dienst hat das Ganze brutal wieder rausgerissen. Dann gab es einen Morgenappell, da wurde irgendeine Tageslosung ausgegeben oder ein Goethe-Spruch oder Hitler-Spruch verlesen. Und dann erinnere ich mich noch an den großen Appellplatz. Vor allem deswegen, weil ich einmal mit dabei war, als sie einen der Jungen degradiert haben, öffentlich vor allen geohrfeigt haben. Und er wurde dann nachts auch unglaublich verprügelt im Schlafsaal. Aber diese Nachtsituation kann ich auch deswegen besonders nachvollziehen, weil ich selber als Außenseiter des öfteren Nachts gestülpt wurde. Stülpen hieß, man kippt das Bett um. Dann wurde dreimal gepfiffen und dann musste ich schon im nächsten Augenblick lag ich unten. Und das war insofern doppelt peinlich für mich, erstens auf den Schlaf gerissen zu werden, zweitens die Angst davor, überhaupt im Dunkeln da mit einmal auf dem Boden zu sitzen. Und dann musste man ja das Bett tiptop gemacht haben. Also es gehörte ja zu einem der Erziehungsmethoden, dass wir unsere Wäsche im Spind beispielsweise mit einem Zentimetermaß ausgerichtet haben und dass das Bett also tadellos gewesen sein muss. Und wenn das einmal gestülpt war, dann war das eine nicht unbeträchtliche Mühe, das Bett aufzurichten. Die pädagogische Ausrichtung knüpft an die Tradition der preußischen Kadettenanstalt an. Erziehungsziel ist Chorgeist und Disziplin. Der Einzelne lernt sich als Teil des Systems, als Teil einer Befehlskette zu begreifen. Und dann sind wir in die Schule gegangen. Dann sind wir in den Unterricht marschiert. Da kam dann der entsprechende Erzieher für dieses Fach, Englisch oder was wir gerade hatten, begrüßte uns mit einem Heil Hitler. Guten Morgen hat er nicht gesagt, Heil Hitler. Auf dem Lehrplan stehen dieselben Fächer wie in anderen Oberschulen. Aber alles, jeder Unterrichtsstoff wird mit nationalsozialistischer Ideologie gefärbt. Das Unterrichtsangebot ist breit gefächert, denn die Absolventen der NAPOLAS sollten in allen Bereichen der Gesellschaft, in Wissenschaft und Wirtschaft, in Kunst und Kultur Spitzenpositionen einnehmen. Es geht um die Produktion von Herrenmenschen. Ähnlich wie in den englischen Eliteinternaten soll hier der Kern einer Society, einer guten Gesellschaft, nach den nationalsozialistischen Idealen geschaffen werden. Nur der Umriss der Gebäude erinnert mich noch. Aber sonst... Helmut Karasek in seiner alten Schule in Loben, dem polnischen Lublin jetzt. Heimweh quälte ihn damals. Immer wieder bat er seine Mutter in Briefen, ihn doch von der Schule zu nehmen. Wie von der Schule müsste ein sehr großer Platz sein, weil da war so eine Laufbahn und da sind wir geschliffen worden. Der Lehrer hat also unvermutet im Unterricht gesagt, entweder war er nicht vorbereitet oder es war ihm eine Laus über den Leben. So, wir gehen jetzt raus und dann hat er uns eine Stunde lang geschliffen, wie das hieß. So in Hocke über den Platz gehen, Liegestütz machen, an der Kletterwand hoch, die Beine nach vorn strecken, während er mit dem Schlagholz unten und lang fährt, damit man die Beine dauernd hochhalten muss. Also alles das, was man Wehrertüchtigung oder Schliff nennen kann. Der Schliff dient ja dazu, einerseits den Körper fit zu machen und den Geist zu zerbrechen. Das sind die beiden Ziele. Der Katalog der Schleif-und Strafaktionen war endlos. Manchmal durfte ein Schüler von seinen Kameraden über Wochen nicht angeredet werden. Robben, Straf-Exertieren, Nachtmärsche im Winter mit Marschgepäck in kurzen Hosen. All das war keine Seltenheit. Und immer Drill. Zeitdruck. Bord in militärischer Ausrüstung. Eine Methode des Schleifens, der Maskenball. Unter anderem hat es da die Schleifmethode gegeben, hat Schleifen gesagt zu... Irgendwelchen Vorgängern, die unangenehm waren, geben mit Methodik gegeben den sogenannten Maskenprang. Manche nannten das Kostümfeste. Kostümfest heißt also, sich ständig umziehen müssen, als Strafe. Wenn man irgendetwas pexiert hatte, wenn man aufgefallen war, frech geworden war. Wir waren aufgefallen, dass die Stube nicht sauber oder ordentlich war. Dann hat er gesagt, also jetzt machen wir Kostümfest, meine Herren. In fünf Minuten antreten im... Sportanzug. Fünf Minuten Turnkleidung in fünf Minuten im Berguniform. Im Skianzug. Ausgehuniform in drei Minuten. Sprung auf, Marsch, Marsch. Fünf Minuten DJ-Winteruniform, angezogen, Marsch, Marsch. Und dann gingen wir alle weg auf die Bude, holten unsere Sachen raus, andere Uniformen. Und das ging dann so eine Dreiviertelstunde oder eine Stunde. Und man hatte überhaupt keine Zeit, um das Zeug wieder wegzuhängen, sondern das misst man dann einfach vor den Spind und holt sich das andere raus. Zum Schluss, nach vielen Umziehen, hattest du den ganzen Berg voll Kleidung auf dem Tisch liegen in deinem Arbeitszimmer. Und dann sagte er in zehn Minuten Spindappell. Und dann musste der Spind in Ordnung gebracht werden. Die Unterwäsche auf Kante gelegt werden, die Hemden auf Kante gefaltet. Und wehe, da stand ein Hemd über. Und dann hast du wieder angefangen. Du durftest nicht aufhören, du durftest nicht der Letzte sein. Denn wenn man nicht fertig war, dann hieß es pumpen. Liegestützen. Mit Klatschen am besten, ja. Bis wir nicht mehr konnten. Das war schon ein bisschen Schikane, ne? Ihr Heldentum ist unser Befehl. Die Zeit der Tat ist angebrochen. Belohnet, Herr! Die Freiheit! Gleichgültig ob zu Land oder zu Wasser, alles Leben ist Kampf. Aufwendig inszeniert für einen Napoler Werbefilm. Dann gab es Geländespiele. Nachmittags-Geländespiele waren also Kriegsspiele. Es gab zwei Parteien, die einen hatten roten und die anderen blauen Faden um den Arm. Und diese Geländespiele waren eigentlich nicht schlimm, die arteten aber zu ziemlichen Brutalitäten aus. Man musste eigentlich dem anderen nur das abreißen, aber man war sehr aggressiv gegen den anderen. Da wurde sozusagen die Grenze probiert zu überschreiten dessen, was man macht. Man hat den anderen furchtbar vermöbelt, obwohl es gar nicht nötig war. Man hätte ihm nur das abreißen müssen, man hat ihn aber geschlagen oder wurde geschlagen. Von den Kleinen ist das ein pfundiges Kriegsspiel. Von den Älteren verlangt man schon mehr an Können und Einsatz. Da geht es hart auf hart. Wir haben Manöver gemacht. Sogenannte bessere Geländespiele haben wir immer gesagt. Da haben wir natürlich militärische Ausbildung gehabt, in dem Sinne Karten lesen und Kompasskunde gemacht, das wurde alles gemacht. Manöver hieß das dann, mit kleinen Jeeps, mit Kratmeldern und so weiter, das gab es alles, ja. Ich durfte sogar mal, weil ich guter Reiter war und Signalhornbläser, durfte ich auch mal zum Sammeln blasen während eines Geländespieles. Ich saß sogar hoch zu Ross, dem ich das Gelände geritten habe, und hab den zum Sammeln geblasen. Das war für mich das Höchste. Man hat uns beigebracht, nicht aufzugeben. sondern dran zu bleiben. Ein Satz, der mir in Erinnerung haftet, fallen ist keine Schande, nur liegen bleiben. Man hat sich immer wieder aufgerafft. Man hat uns Pflichtbewusstsein eingeimpft, zum Teil mit blöden Sprüchen, bei uns stand eben normalerweise würde man sagen im Klassenzimmer an der Stirnwand ein Spruch von Friedrich dem Großen Es ist nicht notwendig, dass ich lebe, wohl aber, dass ich meine Pflicht tue. Pflichterfüllung bedeutet auf den nationalsozialistischen Eliteschulen freilich mehr als Disziplin, Zucht und Ordnung. Der Jungmann sollte den Herrenmenschen in sich entdecken, sich zum Herrenmenschen entwickeln. Und der Herrenmensch war nicht nur Deutscher, er war Arier. Er sollte sich allen anderen gegenüber absolut und existenziell überlegen fühlen. Ihr seid besser, lautet der Imperativ der Napoler Erziehung. Der Herrn Mensch funktionierte nur, weil er auf der anderen Seite dauernd von oben zerbrochen wurde. Also ganz komisch, wir waren ja nichts. Wenn der sagte, hinlegen und da war ein Dreck, lache und du hast dich da hingelegt. Oder er hat meinen Schrank zusammengestoßen mit dem Fuß, da war ich nicht ein Herr Mensch, da war ich ein Sklave. Aber danach haben die eben das Gefühl aufgebaut, gegenüber den anderen. Wirst du eines Tages der Herrenmensch sein? Es gibt ja diesen Spruch dieser Art militärischen Erziehung, man muss dienen und gehorchen gelernt haben, um befehlen und herrschen zu können. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr trat das Militärische in den Vordergrund. Es war der Krieg und wir waren da zunächst auf feste und auch zutreffende Überzeugung, was die brauchen sind Soldaten, tagliche, gute Soldaten. Und das hat uns mitbeherrscht und das ist mit fortschreitendem Alter natürlich auch in das Paramilitärische hineingegangen. Besuch der Stoßtruppkämpfer in dem Ausbildungslager einer nationalpolitischen Erziehungsanstalt. Toller Stolz zeigen die Jungen ihren Gästen, was sie gelernt haben. Anfang an wird Luftgewehr geschossen, das war sogar ein Fach im Zeugnis bei dem Sport, allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit, Kampfspiele, Lechtathletik, Schießen und ähnliches. Harald Ofner war 1942 auf die Napola-Treiskirchen bei Wien gekommen. Die Realität des Krieges war schon überall zu spüren, hatte das Schulleben verändert. Doch gerade das Militärische übte eine große Faszination aus in der ehemaligen K&K-Kadettenanstalt. Ein Schlafsaal in der ehemaligen Napola-Treiskirchen. Jetzt ein Auffanglager für Flüchtlinge. Aha, das ist alles unterteilt mittlerweile. Dritter Stock. Jetzt ist der Krieg keine Übung mehr, kein Geländespiel, sondern Ernstfall, der jederzeit eintreten kann, für jeden einzelnen Jungmann. Es hat drei Leitsätze gegeben an nationalpolitischen Erziehungsanstalten. Die haben gelautet. Absolute Treue, absoluter Gehorsam, absolute Opferbereitschaft. Da ist nicht keiner gekommen. Kein Reich, kein Führer, kein Volk, kein Deutschland. Das waren in Wahrheit militärische Vorgaben. Denn Opferbereitschaft, wenn man die mal herausgreift, Opferbereitschaft und Gehorsam sind in erster Linie militärische Aufgaben. Und ich war eigentlich immer, vor allem als Nachher und bin es im gewissen Sinn bis heute, ein Militärfreak. Und ich habe das auch als militärische Komponente empfunden, wahrscheinlich zu Recht. Aber auch jemand, der ein Militärfreak ist, muss anschließend nicht sagen, unschön war es beim Militär. Es ist eine Sache, die ich nicht missen möchte, die mich beeindruckt hat, die mich mitgebildet hat. Ein Jubelveranstaltung war es nicht. Wie viele Schüler ist Harald Ofner gespalten. Einerseits muss er ein Jungmann sein, stark, diszipliniert, hart gegen sich selbst. Und doch ist er ein Kind, verspürt Sehnsucht nach der Familie, Heimweh. Das war das Erzieherhaus, wo ich mich am Sonntag da irgendwo angelehnt habe und gehört habe, Familiengeräusche. Musik Der zivile Klang und die familiäre Atmosphäre, die das gebraucht hat. Da hat man gehört Frauen drinnen, Kinder. Und ich habe mich da irgendwo angelehnt und habe da zugehört. Man wird bescheiden. Ja, sehr schön, aber damals unheimlich war diese herrliche Umgebung. Aber diese Umgebung war in der Nacht eigentlich Feindesland, weil das Zeiten waren, in denen in der Nacht der Widerstand schon das Kommando teilweise übernommen hat. Vor allem die Napolas im Osten kennen ein Drinnen und ein Draußen. Draußen, da lauert die Gefahr, die Zivilbevölkerung, Partisanen. Ja, hier kann man sich vorstellen, dass man nicht allein rausging, weil es gab schon Überfälle manchmal. Und am Abend wäre es gefährlich gewesen, weil ich hätte keinen Partisan nachträglich verdacht, wenn er so jemanden nicht als Geißel genommen hätte, sondern umgebracht hätte. Also das war ja im totalen Krieg. Das war alles die Zeiten des sogenannten totalen Kriegs. Der totale Krieg hat Konsequenzen, auch für Joachim Martini auf der Napola Stum. Denn immer häufiger besuchen SS-Leute die Schulen und werben um die kampfbereiten Jungmannen. Ich kann mich an einen großen Saal erinnern, in dem wir uns mehrfach im Jahr versammelten und dann von Leuten der SS hörten, wie die Kriegssituation war. Und ich weiß noch, dass ich damals manchmal in mich zusammengeduckt saß und immer sagte, hoffentlich kommen die Russen bald, hoffentlich kommen die Russen bald, hoffentlich kommen die Russen bald. Und gleichzeitig dabei aber ein nicht ungefähres Gefühl von der Ambivalenz dieses Wunsches hatte, weil mir natürlich auch zu Ohren gekommen war, dass von den Russen nichts Gutes zu erwarten war. In diesen Tagen beweisen es die Taten stärker denn je. Der deutsche Soldat ist der beste und kühnste Einzelkämpfer der Welt. Hier erzählt Unteroffizier Abitz, Postfühler einer nationalpolitischen Erziehungsanstalt, sein Erlebnis. Einmal sehe ich, wie die ersten Panzer anrollen. Es gab ein furchtbares Panzergefäß zwischen deutschen Panzern und russischen Panzern. Die Granaten zischen über meinen Kopf hinweg. Wir haben damit gerechnet, dass wir, so wie unsere älteren Kameraden, dass wir mit 16 oder 17, 17er Jahre, an der Front sein werden. Alle wollten Flieger werden. Einzelne zur Marine, interessanterweise. Zum normalen Heer überhaupt kein Mensch, offensichtlich. Obwohl die meisten gelandet sind am Schluss. Die Schulzeitungen der Napolas füllen sich mit Todesanzeigen. Während der letzten Kriegswochen ist etwa die Hälfte der kämpfenden Jungmannen gefallen. Es war also das Allerschlimmste, wenn man so die Jungs kannte, die Eltern, nicht alle, aber viele, und hörte dann plötzlich das Gefallen oder von Feinfahrten nicht zurückgekehrt, das war furchtbar. Da hat man nachher auch schon mal gedacht später, wofür das alles, ja? Wofür das alles? Und vor allen Dingen, wie es dann zurückging an den Fronten, nicht? Da hat man gesagt, siehste, alles für was? Umsonst. Aber was heißt umsonst? Hat man sich auch gefragt. Für was? Sollte das unser Leben werden? Was wäre aus unserem Leben geworden? Die Elite-Schüler, die als politische Soldaten dem Regime hätten dienen sollen, werden nun als einfache Soldaten in einen sinnlosen Kampf geführt und verheizt. Die zu jung sind für den Kampf, müssen Panzergräben schaufeln gegen den Untergang, gegen die anrollende Rote Armee. Auch auf der Napola Köslin herrscht Ausnahmezustand. Wir merkten ja, die Front kam immer näher, die Flüchtlinge kamen immer näher. Wie kommst du eigentlich hier raus und was wird aus dir? Für uns brach, ich sag das mal ganz offen, eine Welt zusammen. Und das fing da an, ganz zart, ganz langsam. Wie soll es weitergehen? Wohin? Der Schulbetrieb in Köslin ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Von Sonthofen im Allgäu aus startet ein letztes Aufgebot mit Theo Sommer in den Kampf gegen die nahende US-Armee. Und am Abend sind wir alle mit den Waffen, die wir hatten, auf Fahrrädern nach Ulm gefahren. Das sind so 120 Kilometer. und sollten dort noch die alte Reichstatt verteidigen. Aber wir kamen zu spät. Wir hörten noch, wie die Brücken in die Luft gingen und wir hörten das Dröhnen der amerikanischen Panzer. In der Nacht vom 28. Februar, da hieß es, wir müssen nochmal antreten vor der Anstalt, wurden die Fahnen nochmal eingezogen, der Anstalt sah der Hildenrede, wir wurden aufgeteilt, wir waren ja kleine Einheitsführer und kriegten eine Gruppe, ich hatte glaube ich so 20, 30 Jungs und ich selber war 15 gerade, noch nicht mal. Und dann kriegte ich den Auftrag, dass ich die kleinen Jungs auf die Flucht bringen musste und musste die nach dem Westen führen. Jeder hat sein Kommando gehabt, wo es hinging, also ich musste Ziel Heidenholstein. Das war natürlich hochinteressant, hochinteressant und grausam. Die Gruppe von Schülern bricht auf, zu Fuß, mit Fahrrädern, auf Güterzügen. Wir sind also mit den Trecks weitergezogen, die schon seit Oktober 1944 an uns vorbeizogen in Köslin, kamen aus Ostpreußen ja schon einige Monate. Und den mussten wir uns anschließen. 600 Kilometer liegen vor ihnen, mitten im Elend der Flüchtlingstrecks. Für Theo Sommer scheint der Kampf beendet zu sein. Zurück in der Schule entscheiden sich die Adolf-Hitler-Schüler zur Flucht. Und wir haben uns dann einen Lastwagen organisiert, haben den auch voll beladen mit Fressalien und ein schwer verwundeter Erzieher mit einem Bein nur hat sich dann ans Steuer gesetzt und hat den Lastwagen Richtung Berge gefahren. Dann haben wir natürlich Schreckliches erlebt an dem Treck. Da stand der ganze Treck. Der konnte nicht weiter, wenn ein Deichsel brach, wenn ein Pferd zusammenbrach oder eine Kuh, die hinten angebunden war. Das war natürlich alles sehr furchtbar. Wir standen und mussten helfen. Dann haben die Bauern uns gebeten, erschieß mir mein Pferd. Wir können nicht mehr. Das Pferd kann nicht mehr. Wir haben ein Pferd erschießen müssen. Das war hart. Dann reichten sie uns eine frohende Säugling raus, die Flüchtlingsfrauen. Den sollten wir begraben, in der Eiseskälte, in gefrorenem Boden. Das waren furchtbare Erlebnisse. Nach wochenlanger Odyssee durch ein chaotisches Deutschland bringt Werner Gustet seinen kleinen Trupp Kösliner Jungmannen sicher nach Heide in Holstein. Dann kam der Befehl, wir machen noch Unterricht. Da haben wir noch Unterricht gemacht bis zum 3. Mai. Theo Sommer und die Sonthofener Adolf-Hitler-Schüler verharren auf einer Almhütte. Ihr einziger Kontakt zur Außenwelt, ein Radio. Es ist der 30. April 1945. Da hörten wir, dass unser geliebter Führer Adolf Hitler an der Spitze seiner Bataillone in Berlin gefallen sei. Da haben wir noch, glaube ich, wenn ich mich recht entsinne, eine halbe Stunde eine kleine Trauerfeier gemacht mit dem Erzieher. Vielleicht haben wir gesungen »Heilig Vaterland in Gefahren«. Das war eines der Lieder, die wir so sangen. Aber das war's dann auch. Wobei die meisten von uns dachten, wir würden das nicht überleben. Man würde uns irgendwie einfangen und an die nächste Wand stellen. Wir haben dann also den Abschied gemacht mit unseren Erziehern, die, fand ich ganz toll, sich quasi entschuldigt haben. Das fand ich ganz super, dass sie uns in dieser Zeit geführt haben und in diese Zeit hinein. Und dafür haben die sich entschuldigt. Das fand ich ganz großartig, dass wir das erleben mussten und sie uns quasi in dieses Unheil geführt haben. Dass wir überleben würden, war eigentlich eine Erkenntnis, die uns erst später dämmerte. Sie hätten die Elite eines Reiches werden sollen, das nun in Trümmern liegt. Waren die NS-Eliteschüler automatisch Nazis geworden? Manche beschäftigen sich bis heute mit dieser Frage. Alles war vorbei, alles zerstört, das Land, die Ideale. Joachim Carlos Martini erlebte es als Befreiung. Am Schluss der Reise in die alte Schule findet er einen Ort wieder, der neben der Musik damals ein Fluchtpunkt für ihn war. Ich glaube, ich hätte das nicht ausgehalten. Ich konnte ja gut schwimmen, das war etwas, wo ich mich beweisen konnte. Und dann hatte ich auch keine Angst, vom 8-Meter-Turm oder 5-Meter-Turm zu springen. Aber das hat nichts an der Abneigung der anderen geändert. Ihr müsst euch überlegen, dass ich mich fast jeden Tag habe prügeln lassen. Dass ich fast jede Nacht aus dem Bett geschmissen worden bin. Da war das schon wichtig, so etwas. Ich habe ja dort auch in der Tat was gelernt. Das muss man sich auch nochmal überlegen. Ich habe ja gelernt zu überleben. Die Fahne ist mehr als der Tod, haben wir gesungen. Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not. Ja, die Fahne ist mehr als der Tod. Unsere Fahne flattert uns voran. In die Zukunft ziehen wir Mann für Mann. Solche idiotischen Sachen. Und die kann ich heute noch. Ich müsste zwei Gehirnwäschen machen, um diesen Scheiß loszuwerden. Irgendwann bin ich mal gefragt worden, wie hat sich das auf ihre Kinder ausgewirkt oder wie haben die das empfunden? Ich glaube, die Kinder haben das nicht so empfunden. Aber die Frauen, die haben gemerkt, da ist einer mit dem eigenen Kopf, mit einem Willen zur Sturheit. und sich durchzusetzen. Und so dieses panzerartige Geradeaus, bei aller Abwägung, das hat es unseren Frauen, glaube ich, nicht immer leicht gemacht. Man gewinnt Selbstbewusstsein, die Überzeugung, sich durchsetzen zu können. sich anzugeweinen, seine Umgebung zu beobachten, was kann da Positives, was kann Negatives kommen, auf was muss ich mich einstellen, was kann ich gewärtigen, was kann ich herausholen. Und mir freut auf Anhieb nichts Negatives ein. Ich habe mir oft gedacht, vor allem auch nach dem Krieg, wenn das alles weitergegangen wäre, wer weiß, was man von uns noch alles verlangt hätte. Wir hätten es gemacht, vielleicht mit großen Skrupeln und Zweifeln, aber wir hätten es gemacht.