Er mit Deutschland nichts am Mut und doch wurde er zum beliebtesten König der Deutschen und zu einem ihrer meist Gehassten, Friedrich II. König von Preußen, ehrfürchtig schon zu Lebzeiten, der Große genannt. Widersprüchlich wie sein Ruf ist auch sein Leben. Er zettelt drei Kriege an und macht sein Land zur Großmacht.
Hopp oder Topp, Sieg oder Untergang, wir könnten modern sagen, er war der Typ, der sich in den letzten Jahren verliebt hat. Typische Zocker seiner Zeit. Eins der Leitmotive seines Handelns ist zweifellos gewesen, das Alles oder Nichts. Von Jugend an ist Friedrich aber auch ein Schöngeist. Ein Philosoph, dessen aufklärerische Schriften in ganz Europa Beachtung finden.
Später bezeichnet er sich als erster Diener seines Staates. Inszeniert sich als selbstlosen und gerechten Vater seines Volkes. Das nennt ihn dafür zärtlich Alter Fritz.
Seinetwegen gelten Disziplin, Sparsamkeit und Pflichterfüllung als typisch preußisch-deutsche Tugenden. Doch sein Image ist aufpoliert, denn Friedrich schrieb sich seinen Nachruhm selbst und viele seiner Biografen später einfach bei ihm ab. Friedrich der Große wollte in einem Zug genannt werden mit Alexander dem Großen, mit den römischen Kaisern.
Friedrich zahlte Unsummen für Trauben, die er sich im Winter aus Italien nach Potsdam schaffen ließ. Er liebte Süßes und hasste Frauen. Für Voltaire war er homosexuell. Thomas Mann nannte ihn einen populären Dämon.
Zu verstehen, wer er wirklich war, ist sogar nach drei Jahrhunderten immer noch ein faszinierendes Abenteuer. Musik Er meidet das Bett, denn im Liegen fällt ihm das Atmen schwer. Von Gichtanfällen geplagt, döst er Tag und Nacht in seinem Lehnstuhl.
Ohne Wache, ohne Adjudant, ohne Hofstaat. Schloss Saint-Souci im Sommer 1786. Die wenigen, die sich Friedrich dem Großen noch nähern dürfen, berichten, er wechsle weder Stiefel noch Rock, er verbrauche viel Tabak, Gesicht und Kleidung seien davon bedeckt. Mit seinem beißenden Spott, den er sonst über Untertanen ausschüttete, schrieb er über sich, Ich bin ein altes Gerippe, ein hinfälliger Schwätzer, den man auf dem kürzesten Weg ins Jenseits schicken muss. Nicht das erste Mal, dass sich der König ein Rendezvous mit dem Tod herbeisehlt. Kunersdorf 1759. Es ist das dritte Jahr im Siebenjährigen Krieg.
Gegen die dreifache Übermacht Österreichs und Russlands gehen die Preußen unter. Friedrich wollte sein Land zur europäischen Großmacht machen. Alles oder nichts.
Diesmal steht Friedrich vor dem Nichts. Seine Schnupftabakdose rettet ihm das Leben, die Kugel bleibt im Deckel stecken. Das Alles oder Nichts bezieht sich nicht auf das Risiko an sich.
Friedrich der Große war kein Spieler, der den Nervenkitzel im Spiel gesucht hat. Er hat den endgültigen Erfolg gesucht, den Nachruhm. Mein Rock war von Schüssen durchbohrt. Zwei Pferde sind mir unter dem Leib gefallen. Mein Unglück war, dass ich noch lebte.
In 40.000 Mann hatte ich keine 3.000 mehr. Und alles verloren. Hoffnung und Licht, so wird das Leben zerschanden. Der Tod zur Pflicht.
Bricht hier der pflichtschuldige Feldherr oder der depressive Poet? Man sagt, Friedrich trug immer eine Dose mit Opiumpillen bei sich, um seinem Leben auf todsichere Art ein schnelles Ende bereiten zu können. Und nach dem Desaster bei Kunas Dorf sieht er wohl tatsächlich keinen Ausweg mehr. Er schreibt jedenfalls, ich glaube alles ist verloren.
Ich werde den Untergang meines Vaterlandes nicht überleben. Friedrich der Große hat immer wieder über die Möglichkeit, sich selbst umzubringen, geredet und geschrieben. Ob er sich im Fall einer Niederlage tatsächlich umgebracht hätte, das wissen wir nicht.
Wir wissen allerdings, je mehr Friedrich der Große über eine Sache geschrieben hat, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er sie dann auch durchgeführt hätte. Der Ochs muss pflügen. Die Nacht egal singen. Der Delfin schwimmen. Ich muss den Krieg führen.
Nur König bin ich durch den Zufall der Geburt. Statt König zu sein, wollte Friedrich also lieber Flöte spielen. Rückblende, 24. Januar 1712. Bei den Hohenzollern erwartet man die Geburt des Thronfolgers.
Wenn wir mal schauen möchten, so weit und genau schossen die Preußen noch nie. Da werden wir aber viele lange Kerle für brauchen. Eure Majestät, der Kronprinz. Der Bestand der Dynastie ist gesichert.
König Friedrich Wilhelm außer sich vor Freude für seine Verhältnisse. Schön. Nennen wir ihn Friedrich, damit er nach dem Vater kommt.
Bringen wir ihn wieder, wenn er exerzieren kann. Und Moment, halt! Damit ihr es gleich weißt, wofür er bestimmt ist. Wo waren wir stehen geblieben? Geladen, Eure Majestät.
Als Friedrich geboren wird, ist Preußen erst zehn Jahre zuvor vom Kurfürstentum Brandenburg zum Königreich erhoben worden. Berlin war fast noch ein Dorf, das in den Hauptstädten Europas allenfalls milde belächelt wurde. Die Bauern sind arm und leibeigen. Städte gibt es nur wenige, Bürgertum kaum, das Land ist fast menschenleer.
Nicht einmal zwei Millionen Einwohner verlieren sich auf einem Staatsgebiet, das zwar klein, dafür aber von Ostpreußen über Brandenburg bis an den Rhein zersplittert ist. Ein seltsames Gebilde. Und seltsam ist auch König Friedrich Wilhelm I. Er ist nicht der typische Vertreter seiner Epoche.
Und Paris entfalten die absolut herrschenden Könige Prunk und Pracht. Auf die glanzvolle Hofhaltung in Versailles blickt neidisch ganz Europa. Sogar das kleine Dresden erstrahlt unter August dem Starken zum barocken Elbflorenz.
Der sparsame Preuße hingegen residiert am liebsten im rustikalen Schloss Königs Wusterhausen. Hier hält er Hof mit seinen Jagdkumpanen bei Tabak und Bier. Sein größtes Hobby ist die Armee.
Das schönste Mädchen, das man mir verschaffte, wäre mir gleichgültig, bekannte er freimütig. Aber Soldaten, das ist meine Schwäche. Sohn Friedrich aber teilt diese Leidenschaft nicht im Mindesten.
Er hat Angst vor dem Schießen und fällt obendrein ständig in die Luft. Vom Pferd, Ärger steht ins Haus. Wahrscheinlich hat der Vater, der Soldatenkönig, den Beinamen hatte er nicht zu Unrecht, früh erkannt, dass sein Sohn eben nicht der Draufgänger der harte Bursche ist, sodass der Vater meinte, sehr früh einen, wie er es nannte, weibischen Charakter in seinem Sohn entdeckt zu haben. Und er versuchte, diese feminine Art, die der Vater meinte, in dem Sohn zu sehen, aus ihm heraus zu pügeln.
Tatsächlich ist Friedrich körperlich zart, beinahe schwächlich und allein darin schon das Gegenteil seines Vaters. Und er ist auch musisch begabt, spielt als Kind schon Querflöte, ist wissbegierig und empfindsam. Talente, die den cholerischen Vater zur Haserei treiben.
Nicht nur's elendige, effeminiertes Kerlchen lerne ihr reiten und schießen! Keine Besserung in Sicht, in nichts! Ein Brems duckt sich nicht.
Ich werde sie flöte leeren. Zeit seines Lebens wird Friedrich ein Zerrissener sein. Zerrissen zwischen seinen eigenen Neigungen und der Drangsal des Vaters.
Friedrich Wilhelm I. wollte seinen Sohn nach seinem Bilde formen. Das bedeutete...
Ein König, der auf Luxus verzichtete, der auf Bildung verzichtete, der allein dem Staat diente. Er hat ihm das Lesen von Büchern verboten, er hat ihn geprügelt, er hat ihn gedemütigt vor dem Hof, vor den ausländischen Botschaftern. Er hat ihn gequält und erniedrigt. Diese Erlebnisse in seiner Kindheit hat Friedrich der Große nie vergessen. Der Kronprinz sucht Zuflucht in einer Gegenwelt, die er mehr erträumte, als dass er sie erleben konnte.
Von Hass erfüllt verlangt der Vater zu wissen, was bloß in seinem Kopf vorginge. Doch er findet es nie heraus. Der verstörte Sohn wird nur noch störrischer und verschlagener.
Er hat ja sehr frühzeitig Methoden gefunden, um den Vater im Guten glauben zu lassen, dass er seinen Befehlen und seinen Anordnungen gehorcht. Das hat er immer wieder mit großem Geschick gekonnt. Und das hat ja dazu geführt, dass er eben ein Verstellungskünstler gewesen ist.
Ein Dokument der Verstellungskunst? Friedrichs Feldtagebuch, in das er im Manöver die Aufstellung der Truppen pflichtschuldig skizzierte. Weiter hinten aber versteckt eingefaltete Notenblätter mit eigenen Kompositionen. Sollte ich wieder mein Wissen getan, was mein lieben Papa verdrossen habe, so bitte ich untertänigst und vergebung. Wer seinen Vater liebet, der tut, was er haben will.
Friedrich denkt jedoch nicht daran. Er liest und bewundert französische Literatur, französische Zivilisation, die Aufklärung und provoziert den alten Grobian mit Absicht. Ich bin als Fürst frei und unabhängig geboren.
Von wem hat er das? Von diesen französischen Aufklärern? Der König lässt Friedrichs Bücher kurzerhand verbrennen.
Doch gegen Friedrichs zähen Willen kommt er nicht an. Er liebt mich einfach nicht. Wenn mein Vater mich so behandelt hätte, ich hätte mich erschossen! Ich war dessen so müde, dass ich lieber um mein Brot betteln mochte, als in diesem Zustand weiterzuleben. Mit 18 Jahren sieht Friedrich nur noch einen Ausweg.
Alles oder nichts. Hier ist unsere Stellung, da die Stellung der Habsburger. Entfernung 1500 Fuß. Wie viel Ladung Pulver bedarf es pro Haubitze und wie viel Grad muss der Schusswinkel betragen? Morgen früh um 8 Uhr heißt es Feuer.
Und jeder für sich. Und jeder für sich. Der Offizier Hans-Hermann von Katte ist einer der wenigen Vertrauten des Kronprinzen.
Ich halte es nicht mehr aus. Ach komm, noch drei Lektionen, dann sind wir in Quitt. Ich meine meinen Vater, Katte. Den Menschenfresser.
Er triezt mich und er erstickt mich. Immer nur nach seiner Fasson. Ich verliere meine Seele.
Preußen auch. Ein schweres Los, ja. Und für wie lange noch, hm?
Ich hau ab. Bist du verrückt? Du bist wahnsinnig!
Der wird dich als Deserteur brandmarken, als Hochverräter! Wird seine ganze Armee auf dich hetzen! Bis nach England reicht sein Arm nicht. Komm mit, Katte, bitte. Auch wenn wir Freunde sind, niemals.
Ich hab nichts zu gewinnen und alles zu verlieren, das weißt du. Aber du verstehst das? Sollte ich es nicht, mein Lieber? Sei vorsichtig. Friedrich der Große war auch mit knapp 18 Jahren meiner Ansicht nach schon in der Lage, sich genau zu überlegen, wie er es seinem Vater heimzahlen konnte.
Und da bot sich natürlich die Flucht an, denn es wäre natürlich für Friedrich Wilhelm I. eine Blamage erster Güte gewesen, wenn es sein Sohn geschafft hätte, sich aus seinem Machtbereich zu entfernen und ins Ausland zu fliegen. Die Chance zur Flucht ergibt sich im Sommer 1730, als Friedrich seinen Vater auf einer Reise nach Süddeutschland begleitet.
Im kleinen Ort Steinsfurt bezieht die Reisegesellschaft am 4. August Quartier. Am nächsten Morgen ist Wecken um 5. Friedrich aber ist zwei Stunden eher auf den Beinen. Es wird ernst. Schau mal den Pferde. Aber leise.
Was Friedrich nicht weiß, sein Vater hat einen Brief an Katha abgefangen und längst Kenntnis von seinem Vorhaben. Die unbedarft geplante Flucht endet bereits bevor sie begonnen hat. Lass er den Säbel! Ich bin Prinz Friedrich.
Jetzt ist er ein Deserteur. Ich bin Prinz Friedrich und kann gehen, wohin ich will. Dann zeige er doch mal den Passierschein.
Ich brauche keinen und befehle ihn! Der König! Ihr Vater befiehlt?
Tod oder lebendig? Ich habe ihn unterschätzt. Ich habe nicht geglaubt, dass er bis zum Äußersten gehen würde.
Gott, nein. Also ihm war klar, dadurch, dass er andere Mächte von seiner Flucht vorher informiert hatte, gehört das in die Kategorie Hochverrat. Auch, dass er als Mitglied der Armee sich entfernt, galt damals als Desertion und auf Desertion stand der Tod.
Friedrich wird in der Festung Küstrin inhaftiert. Auf Anweisung des Vaters ohne Komfort oder bevorzugte Behandlung. Zu gleicher Zeit tagt das vom König eingesetzte Kriegsgericht.
Es verurteilt den Mitwisser Katte zu lebenslanger Haft. Für Friedrich erklärt es sich für nicht zuständig. Der Vater, Friedrich Wilhelm, schäumt vor Wut und diktiert ein neues Urteil.
Ihr Vater kennt das Urteil nicht an. Zeugt er sich gnädig? Sehr gnädig, was euch betrifft. Und Kater? Und Katte?
Todt dich das Schwert! Der König lässt Ferne ausrichten, es sei ja wohl besser, dass Katte stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme. Doch damit nicht genug.
Kann ich noch einmal sprechen? Seine Majestät, der König befiehlt, dass ihr der Hinrichtung des kassierten Leutnant Hans-Hermann von Katte zuzusehen habt. Katte!
Alles umsonst. Aber Gott ist mit mir im Spiel. Ich habe meinen Vater, er soll die Hinrichtung abschieben. Sag meinem Vater, dass ich Krone und Zepter gebe, wenn er nur die Hinrichtung aufschiebt! Mein Leben wird es sein!
Sag es ihm! Sag es ihm! Mein Lieber, wir sehen uns an höherer Stelle.
Ich bin bereit. Es ist die letzte blutige Zuspitzung dieses Krieges zwischen Vater und Sohn. Wer ist hier Sieger? Wer der Besiegte? Ich glaube, dass Friedrich Wilhelm wirklich den Versuch unternommen hat, den Willen dieses Kronprinzen zu brechen.
Das ist sicher seine Absicht gewesen mit der Kronprinzen. dass der dann wahrscheinlich auf den Thron verzichtet hätte. Er hatte ja einen weiteren Sohn, den er überhaupt viel mehr mochte als Friedrich und durchaus sich als seinen Thronfolger vorstellen konnte. Friedrich bog sich, aber zerbrach nicht.
Die seelischen Verletzungen allerdings blieben. Und aus Friedrich dem Opfer wird nach und nach Friedrich der Täter. Niemand wird ihm das Wasser reichen können in der Kunst der Verstellung, in verletzendem Spott, in Willenskraft.
Friedrich erweist sich als härter, als sein Vater es je geahnt hat. Er hat alles auf eine Karte gesetzt mit der Flucht. Diesmal hatte er verspielt gehabt. Andere Male wird er wieder genau das Gleiche versuchen.
Er wird immer wieder dieses Alles-oder-Nichts wagen und andere Male gelingt es ja auch. Das heißt, er hat nicht aus dieser Hinrichtung seines Freundes gelernt, ach, sowas darfst du nicht mehr tun, sondern er hat sich davon überhaupt nicht beeindrucken lassen. Um der Festungshaft zu entgehen, unterwirft sich Friedrich dem Willen des Vaters.
Er gibt den folgsamen Sohn, er willigt sogar in die Heirat mit einer Kandidatin ein, die ihm sein Vater vorsetzt. Die Unglückliche ist Christine von Braunschweig und es darf bezweifelt werden, ob die Ehe je vollzogen wurde. Friedrich nennt sie eine Gans und lässt Freunde wissen, ich heirate als Mann von Lebensart.
Das heißt, ich lasse Madame ihrer Wege gehen und tue, was mir gefällt, schreibt er. Vive la liberté, der große Friedrich-Ganz-Schowi und Anhänger sexueller Freiheit, was wohl nicht ohne Folgen bleibt. Es gibt ja eben diese Beziehungen zu einfachen Bauernmädchen, von denen immer wieder auch in seinen Briefen die Rede ist, mit denen er... durchaus im Geschlechtsverkehr gehabt hat. Das ist wohl erwiesen, dass er da eine starke Geschlechtskrankheit bekommen hatte, die man dann operativ zu beseitigen versucht hatte und die dann bis zum Wissen gerade Missglück zu sein scheint.
Friedrich der Große, ein Kastrat? Er selbst hat darüber natürlich kein Wort verloren. Fest steht, er bleibt kinderlos. Ob durch einen ärztlichen Kunstfehler oder aus Überzeugung, hoffen wir für ihn auf Letzteres. Das zwangsverheiratete Paar bezieht das Kloster.
Schloss Rheinsberg. Die Ehe verschafft Friedrich des Toms zum tyrannischen Vater, die ersehnte Luft zum Atmen. Friedrich atmet in vollen Zügen. Man tanzte viel in Rheinsberg, es war Musik, man unterhielt sich, alle waren fröhlich. Jeder, der aus Rheinsberg berichtet, sagt, es war eine tolle Stimmung, war alles super.
Nämlich der Intellekt gepaart auch mit den Entspannungselementen. Und dazu gehörten für Friedrich auch eine Fülle von Frauen. Er selber sagt einmal, was wäre denn mal in Rheinsberg ohne die Frauen? In Rheinsberg genießt Friedrich es, der Mittelpunkt seines selbst geschaffenen Kosmos zu sein.
Er versammelt Maler, Musiker, Schriftsteller und Philosophen um sich und findet endlich gleichwertige Gesprächspartner. Friedrich liest wie besessen, vor allem Werke der Aufklärer. Es war die große Zeit, in der sich der Glaube an die Vernunft durchsetzte. Der Star aller aufgeklärten Geister in Europa ist Voltaire, ein französischer Schriftsteller und Philosoph. Und dieser Voltaire erhält Post.
Von Preußenprinzen Friedrich aus Rheinsberg. Wir müssen uns vorstellen, Friedrich in seinen wunderbaren Rheinsberger Jahren, wo er ja so viel Zeit hatte, schrieb 1736 erstmals an Voltaire. Und Voltaire, der große Dichter, wesentlich älter als Friedrich, hätte sich daraus eigentlich nichts machen brauchen, dass ihn so ein kleiner Kronprinz in einem Brief schreibt. Aber Voltaire war sofort geschmeichelt, weil dieser kleine Kronprinz war der berühmteste Kronprinz, der berühmteste Prinz Europas, weil jeder ja das Schicksal Friedrichs kannte.
Also die Klatschpresse funktionierte damals genauso wie heute. Jedenfalls, man sieht, wie stark Voltaire geehrt war, denn er schreibt binnen vier Wochen an den Kronprinz einen Brief zurück. Da kann man sagen, hier haben sich zwei gefunden, die bewundert werden wollen. Ein Wettstreit des Schmeichelns beginnt, in dem Voltaire und Friedrich sich mit immer neuen Komplimenten übertreffen.
Keiner Seite mangelt es beim Schriftwechsel an Hintergedanken. Voltaire sieht in Friedrich eine vielleicht unerschöpfliche Geldquelle. Friedrich in Voltaire den künftigen Verkünder seiner Taten. Er sollte ihm einen Platz im Olymp des Geistes sichern.
Voltaire war für Friedrich den Großen der Lautsprecher in die intellektuelle Welt Europas hinein. Er konnte davon ausgehen, dass die Briefe, die er heute hier schreiben würde, an die intellektuellen Europas, insbesondere in Frankreich, weitergegeben würde. Der aufgeklärte Prinz verfasst eine Streitschrift gegen den Florentiner Machiavelli.
Der behauptet skrupellos, List und Tücke, Verrat und Krieg, alles ist den Fürsten erlaubt, um Macht zu erwerben und zu erhalten. Moral spielt keine Rolle. Der Kronprinz setzt dem eine Staatskunst entgegen, die das Wohlergehen der Untertanen, die Sicherung des Friedens und Gerechtigkeit zum Ziel hat. Voltaire korrigiert noch die Rechtschreibfehler, dann macht er das mutige Werk in aller Welt publik. Friedrich der Große strebte nach universellem, ewigen Ruhm.
Er wollte in einem Zug genannt werden mit Alexander dem Großen, mit den römischen Kaisern. Insofern war das Philosophieren, das Schreiben für ihn ein Mittel, auf sich aufmerksam zu machen. Erste Schritte zum ewigen Ruhm zu tun. Und insofern hat er das auch durchaus ernst genommen. Was aber nicht heißt, dass man jede seiner Schriften, wie zum Beispiel den Anti-Machiavell, zum Nennen werden kann.
nehmen müsste oder als Programm für zukünftiges Regierungshandeln. Friedrichs Zukunft beginnt in der Nacht zum 31. Mai 1740, als ein unerbittlicher Erzieher zum Preußentum, König Friedrich Wilhelm I., stirbt. Der Soldatenkönig hatte den Tod kommen sehen.
Schon seit Tagen stand der Sarg neben seinem Bett. Weltoffenes Athen an der Spree erwachsen, wo jeder nach seiner Fasson glücklich werden kann. Hinter dem Brandenburger Tor am Boulevard unter den Linden entsteht eines der größten Opernhäuser Europas. Und für die Huguenotten, protestantische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, lässt er auf dem Gendarmenmarkt den Französischen Dom errichten. Für die Katholiken gleich um die Ecke die Hedwigskathedrale.
Die Zeit von Kunst und Kultur scheint angebrochen. Was dann aber folgt, werden Historiker eines der sensationellsten Verbrechen der neueren Geschichte nennen. Es ist der 16. Dezember 1740. In einer Jahreszeit, in der sonst niemand wagt, Krieg zu führen, marschiert der preußische König Friedrich II. an der Spitze seiner Truppen in Schlesien ein, um es Österreich zu entreißen.
Der Angriff erfolgt ohne Kriegserklärung. Auf geht's! Friedrich marschiert, ganz im Sinne Machiavellis übrigens, einfach weil sich ihm die Gelegenheit bietet, sich diese reiche österreichische Provinz unter den Nagel zu reißen. In Wien war drei Monate zuvor Kaiser Karl VI.
gestorben, ohne einen männlichen Thronfolger zu hinterlassen. Seine Tochter Maria Theresia erbt den Thron, die europäischen Fürsten wittern Schwäche. Der preußische König ist in Schlesien einmal schlafen. Friedrich ist dann nur der Erste, der zugreift.
Big MS-Wagen. Schlesien gehört uns. Niemals werde ich diesen dreisten Raub hinnehmen.
Doch Schlesien ist schnell überrannt. Feuer! Den 27.000 Angreifern stehen nur 7.000 Verteidiger gegenüber.
Ich überschritt den Rubikon mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel, jubelt Friedrich. Jetzt ganz Feldherr. Kein Philosoph.
Es ist, als habe er sich Skrupel gegen Waffenruhm und Eroberung von der Seele geschrieben, um dann endlich loszuschlagen. Ich liebte den Krieg wegen des Ruhmes. Meine Jugend hat mich dazu verführt. Ich musste mir einen Namen machen. Wahrhaftig.
Es ist ein großer Wahnsinn, der von dem nun schwerlich loskommt, wenn man einmal davon ergriffen ist. Schlagkräftige Truppen und ein wohlgefüllter Staatsschatz. Es ist das Erbe des verhassten Vaters, das Friedrich in die Lage versetzt, als Feldherr zu brillieren. Wiederum hätte wohl seinen Ohren nicht getraut, hätte er das effeminierte Kerlchen erlebt, wie er seinen eigenen Bruder abkanzelt.
Sie werden immer ein kläglicher Heerführer bleiben. Kommandieren Sie ein Haaren wohl an. Solange ich lebe, vertraue ich Ihnen keine zehn Mann mehr an.
Wenn ich tot bin, können Sie so viele Dummheiten machen, wie Sie wollen. Die kommen dann auf Ihr Konto. Aber solange ich lebe, werden Sie keine mehr machen, die den Staat schädigen.
Mögen Ihre besten Offiziere jetzt die Schweinerei, die Sie angerichtet haben, wieder gut machen. Er verhielt sich ab dem Ersten Schlesischen Krieg genau wie Machiavelli. Für ihn war jedes Mittel recht. Er erklärt sogar später in seinen Erinnerungen, dass...
dass jegliche Art von Vertragsbruch gerechtfertigt ist, wenn es nur dem eigenen Mittel diente. Er wurde also eigentlich genau das, wogegen er zunächst wetterte. Er wurde eine Art deutscher Machiavell.
Und Friedrich kokettiert mit der eigenen Widersprüchlichkeit. Da war ich zum zweiten Mal binnen 13 Monate Sieger geblieben. Wer hätte vorausgesagt, dass dein Schüler in Philosophie, Cicero's Schüler in Rhetorik und Bales' Schüler in Vernunft einmal eine militärische Rolle in der Welt spielen würde? Auf diplomatischem Parkett glänzt Friedrich durch ein geschicktes Angebot an die unterlegene Maria Theresia.
Das Angebot betrifft ihren Ehemann Franz Stephan. Er könne Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation werden, wenn Maria Theresia auf Schlesien verzichte. Wenn ich jetzt nicht Frieden schließe, dann verliere ich nicht nur Schlesien, sondern noch sehr viel mehr.
Ich muss an die Zukunft unserer Kinder denken. Die Kaiserkrone gebührt uns und unserem Sohn Josef. Ihr Vater war Kaiser, doch ihr ist diese Würde verwehrt, weil sie eine Frau ist.
Nun soll ihr Mann die Krone tragen. Dafür muss sie sich mit Friedrich arrangieren. Und Schlesien hole ich mir später zurück. Friedrich hat ein hohes Spiel gespielt und gewonnen.
Doch sein Rendezvous mit dem Ruhm offenbart aller Welt die abgründige Widersprüchlichkeit seines Charakters. Friedrich flieht aus Berlin auf einen Weinberg bei Potsdam. Hier will er sich ein Sommerschloss bauen, ein Refugium, wo er nicht Fürst, sondern Philosoph sein kann und wo er einst begraben werden will.
Ausgesuchte Gäste lehrt der König zu seinen Tischgesprächen, den legendären Tafelrunden. Sogar Voltaire hat sich nach Potsdam locken lassen. Vieles erinnert an Rheinsberg. Man spricht Französisch, nur alles ohne Frauen. Ich habe einige Gläser verpackt.
Gut. Ich hoffe, ihr habt euch an den König gedacht. Ah, gut, in einem Sinne, ja.
Ich habe diese Gläser an die Königin verpackt. Die Mütter sind so allein in ihrem Garten. Ich wollte sie ein wenig zurücknehmen.
Ich wünschte mir nicht, dass Frauen in dieser Runde sind. Und ich wünschte mir nicht, dass man von ihr spricht. Seine Frau hatte Friedrich schon längst nach Schloss Niederschenhausen abgeschoben.
Sie wird nie auch nur einen Fuß nach Sanssouci setzen. Voltaire ätzt über Friedrichs Hofhaltung. Das sei kein Hof, sondern eine Klausur. Der Preußer aber lehnt es ab, sich mit Frauen einzulassen. Gerüchte, Friedrich sei homosexuell, werden nicht zuletzt von Voltaire höchstpersönlich gestreut.
Wenn Voltaire behauptet oder sagt, er sei Zeuge gewesen, wie sich Friedrich mit jungen Männern zurückgezogen habe, um halt entsprechenden... Lustbarkeiten zu frönen, so ist das glaubhaft, auch aus der Zeit heraus. Das 18. Jahrhundert, das Rokoko, war so modern wie wir heute. Es hat genauso gedacht oder getickt in diesem Bereich.
Es war nicht unschicklich, entweder homosexuell zu sein oder bisexuell. Voltaire behauptet in seinen Memoiren, Friedrich habe die Angewohnheit gehabt, sich nach dem Levé oder dem Diné ein Viertelstündchen mit einem ausgewählten Lakaien oder jungen Kadetten zu verlustieren. Geht jetzt.
Wobei, wie er hinzufügt, es nicht zum Äußersten kam. Friedrich, der derbe Zoten über Wollust reißen und glühende Ferse über Liebe zu dichten, vermochte ein Asket. Gehe jetzt lieber auch. Friedrich reißt den Schutzwall, den er gegen das grausame Regime seines Vaters errichtet hatte, niemals wieder ein.
Er wird ein Misanthrop, ein Menschenhasser, der mit Sarkasmus selbst engste Gefährten auf Distanz hält. Nur seine Hunde liebt er über alles. Mit Voltaire hält es Friedrich immerhin drei Jahre aus.
Dann kommt es zum Bruch. Voltaire klagt ständig des Königs, mediocre Ferse aufpolieren zu müssen. Friedrich hat die Intrigen des Franzosen satt.
Falls Sie sich entschließen könnten, als Philosoph zu leben, wird es mir angenehm sein, Sie zu sehen. Friedrich der Große hat auf Dauer zu anderen Menschen nie ein anderes Verhältnis als der totalen Unterordnung akzeptiert. Und dazu war Voltaire nicht bereit, dazu hatte er auch gar keinen Anlass.
Frieses großes Ziel war letztlich, Voltaire an seinen Hof zu holen und ihn zu einem Diener zu machen, ihn zu benutzen und ihn zu domestizieren. Er selbst sieht sich als erster Diener des Staates, reist in Friedenszeiten kreuz und quer durchs Land und, so würde man heute sagen, schiebt Projekte an. Dazu gehört die Trockenlegung des Oderbruchs, womit er mehr Land gewonnen habe als durch jeden Kriegszug, wie er selbst später lakonisch bemerkt. Diese Umtriebigkeit begründet den Mythos von Aufopferung und Bürgernähe.
Ein Teil der Wahrheit ist jedoch, er hält sich für den klügsten Kopf im Land, misstraut allen anderen und kümmert sich deshalb um jedes Detail höchst selbst. Was gibt's? Versagen aus dem Oderbruch, Eure Majestät.
Hatte ich nicht angeordnet, dass man mir vorsetzt, was auch meine Landeskinder ist? Mit Verlaub, Eure Majestät, es ist ganz so, wie Ihr befohlen. Dazu gibt es Kartoffeln. Doch, Majestät, wir werden entschuldigen. Unsere Leute hier verschmähen die, was der Bauer nicht kennt.
Nun gut, ich kann es verstehen. Lassen Sie mich einmal den Koch sprechen. Mit dieser Ordre hatte Friedrich im März 1756 seine Beamten angewiesen, die Nützlichkeit des Kartoffelanbaus begreiflich zu machen. Friedrich erkannte, völlig anders als seine Mitregenten in anderen europäischen Höfen, dass die aus Amerika eingeführte Kartoffel, die es ja schon seit 200 Jahren in Europa gab, dass die etwas ist für die breite Bevölkerung.
Er musste also Anleitungen anbieten. auch geben, wie man mit der Kartoffel umgeht, aber sein Erfolg mit dieser Verbreitung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel war durchschlagend. Anfangs lässt Friedrich Kartoffelfelder von Soldaten bewachen, um vorzutäuschen, dass die Knolle besonders wertvoll sei.
Das Projekt Kartoffel wird seine Mission. Wo ist der Koch? Das bin ich, Eure Majestät. Und sie meint, das sollten meine Landeskinder genießen lernen. Nun ja, sie machen satt und sie wachsen gut auf unserem Boden, selbst dort, wo sonst nichts wächst.
Vielleicht muss man sie anders zubereiten? Man könnte sie die Kartoffel mit der Schale weich kochen. Fällt sie dann? Gibt ein wenig Kochwasser dazu. Und einen Schuss Milch.
Nun alles ordentlich durchstampfen. Schön sämig. Hm, Stampfkartoffeln.
Nun gut, und sei es aus Staatsräson. Le Cuisineur c'est moi. Der Koch in Preußen, das bin ich. In Wien hat man die Demütigung durch den bösen Mann, wie Maria Theresia Friedrich nennt, nicht vergessen. 1756 überzeugen ihre Berater sie.
Die Zeit ist reif für die Revanche. Preußen muss über den Haufen geworfen werden, wenn das Erzhaus aufrecht stehen soll. Sie wissen, wie sehr mir Schlesien am Herzen liegt.
Wenn Frankreich und Sachsen uns zur Seite stehen, könnten wir Preußen wieder in die Schranken verweisen. Das bedeutet neuen Krieg. Wieder schlägt Friedrich als erster los. Wieder setzt er alles auf eine Karte und fällt im August 17. 1756 ohne Kriegserklärung in Sachsen ein. Der Siebenjährige Krieg hat begonnen.
Österreich, Frankreich und Russland verbündeten sich gegen ihn. Jedes dieser Länder allein verfügt über größere Mittel als Polsen. Im Juni 1757 erleidet er die erste große Niederlage.
Fortan zieht er kreuz und quer durch halb Europa um den Zusammenschluss der Verbündeten zu verhindern. Und wie immer setzt er dabei auf alles oder nichts. Meine Herren! Ich werde gegen alle Regeln der Kunst einen zweimal stärkeren, auf Anhöhen stehenden Feind angreifen. Ich muss es aber tun.
Oder es ist alles verloren. Ist einer unter Ihnen, der nicht so denkt, der nehme hier auf der Stelle seinen Abschied. Ich werde ihm selbigen, ohne irgendeinen Vorwurf geben. Diese Standhaftigkeit in hoffnungsloser Lage übt schon auf Zeitgenossen eine seltsame Faszination aus und sollte zu Friedrichs Mythos beitragen.
Morgen um diese Zeit haben wir den Feind geschlagen oder wir sehen uns nie wieder. Seine Gegner Maria Theresia, die Zarin Elisabeth I. oder auch der französische König und Madame Pompadour, die lagen natürlich im Bett und ließen ihre Militärs den Krieg führen, wohingegen er selbst Leib und Leben riskiert hat. Heute würden wir ihn einen Risk-Taker nennen. Und das hat natürlich nicht nur bei den Soldaten großen Eindruck hinterlassen, sondern in der Bevölkerung allgemein.
Die Menschen erzählen sich, wie der Monarch auf Kirchtürmen und aus Dachlupen die feindlichen Stellungen erkundet und nach Geländevorteilen für seine Truppen sucht. Von den Feldherren der Antike leiht er sich die Strategie der schiefen Schlachtordnung aus. Friedrich vermeidet die Attacke auf breiter Front.
Stattdessen soll der Gegner mit allen Kräften am rechten Flügel erfasst und aufgerieben werden, bis die gesamte Front nachgibt. Tatsächlich gewinnt Friedrich bei Rosbach, Leuthen und Zorndorf große Schlachten. Doch verschaffen sie ihm nicht mehr als Atempausen in diesen Völkerschlachten. Friedrich der Große hat den Siebenjährigen Krieg als Totalen Krieg geführt.
Letztlich musste er ihn als Totalen Krieg führen, um gegen die nominelle Übermacht seiner Gegner diesen Krieg zu überleben. Dazu gehörte auch die Geldfälschung und zwar in einer bis dahin nicht gekannten exzessiven Weise. Er hat nicht nur preußisches Geld gefälscht, er hat auch ausländische Münzen gefälscht.
Totaler Krieg heißt in diesem Fall auch rücksichtsloser Krieg. Einsatz der Ressourcen des Staates ohne Rücksicht auf die Leiden der Bevölkerung. Gegen eine Welt von Waffen hält er stand. Eine Unze Gift in der einen und einen Haufen schlechter Ferse in der anderen Tasche, so heißt es später. Im dritten Kriegsjahr sind Preußens Kräfte jedoch längst am Ende.
Das Schicksal, das Friedrich mit dem dreisten Raub Schlesiens herausgefordert hatte, schlägt zurück. Das Glück hat sich von mir abgewandt. Ich hätte darauf gefasst sein sollen. Schließlich ist Fortuna eine Frau.
Und ich bin kein Liebhaber. Am 12. August 1759 können sich Österreicher und Russen hier an der Oder vereinen. 80.000 Mann stehen 50.000 Preußen gegenüber. Friedrich will den Gegner umgehen, doch das Vorhaben scheitert. Der Gegenangriff der Übermacht lässt die Preußen fliehen.
Der König gerät, wie schon so oft, in die Schusslinie. Wie durch ein Wunder überlebt Friedrich. Eine Schnupftabakdose schreibt Geschichte. Und wie ein Wunder scheint es auch, dass Preußen doch noch vor dem Untergang bewahrt bleibt. In Russland stirbt die Zarin.
Ihr Sohn und Thronfolger ist ein glühender Verehrer Friedrichs. Der Preußen-Fan schließt sofort Frieden. Die Anti-Preußen-Koalition zerfällt. Und dieser Zufall der Geschichte wird künftig...
Das Mirakel, das Wunder des Hauses Brandenburg genannt werden. Nach sieben Jahren Krieg und Elend, Zerstörung und Blutvergießen bestätigt der Frieden von Hubertusburg nur den Status quo vor dem Krieg. Schlesien bleibt endgültig bei Preußen, gezeichnet Maria Theresia.
Jetzt hat es Friedrich schwarz auf weiß und kann es kaum glauben. Diese weit überlegenen Kräfte, diese Völker, die von allen vier Enden der Welt auf uns einstürmten, was haben sie erreicht? Erst ihre große Zahl ist ihnen zum Verhängnis geworden. Sie haben sich einer auf den anderen verlassen. Welch ungeheuren Fehlern vertanken wir unsere Rettung?
Friedrichs Mythos als Feldherr ist im Wesentlichen im Siebenjährigen Krieg geschaffen worden. In seiner Auseinandersetzung gegen eine Übermacht. Daraus hat die Nachwelt im Ersten Weltkrieg, im Zweiten Weltkrieg geschlossen, dass wenn man nur die richtige Einstellung hätte, wenn man so handeln würde wie Friedrich, wenn solche Personen an der Spitze sind, dann könne man die Gesetze von Zahl und Wahrscheinlichkeit erneut außer Kraft setzen und erneut gegen eine Übermacht siegen. Bei seinem Einzug nach Berlin jubelt man ihn zu.
Friederikus Maximus, Friedrich der Große, wird er jetzt genannt. Preußen ist Großmacht. Doch zu welchem Preis?
Er selbst beklagt sich, er sei grau wie ein Esel. Seinem Sarkasmus tut das keinen Abbruch. Die Königin erfährt das als erstes nach Jahren der Trennung. Madame Sincorpulenta, gewonnen.
Preußen war der Siebenjährige Krieg natürlich furchtbar. Preußen ist durch einen Scheuersack getrieben worden, mit großen Opfern für die Bevölkerung, desaströsen Opfern für die Volkswirtschaft, Hunderttausenden von Toten. Die folgenden Jahre bis 1786 waren für Preußen eine bleierne Zeit. Friedrich hat mit veralteten Mitteln versucht, die ökonomischen Schäden des Siebenjährigen Krieges auszugleichen.
Das Ende meiner Tage ist vergiftet, befindet Friedrich. Und der Abend meines Lebens ist ebenso schrecklich wie der Morgen. Es wird wieder erwarten ein recht langer Lebensabend. Und Friedrich bringt noch manches zu Wege.
Als Zeichen des Sieges lässt er in Potsdam einen Triumphbogen errichten. Größer und pompöser fällt das neue Palais aus. Ein Statement der Macht gegenüber den Feinden nach dem Krieg.
Hurra, wir leben noch. Die Macht Preußens ist nicht auf inneren Reichtum, sondern allein auf gewerblichen Fleiß begründet, befindet der alte Fritz. Also fördert er Handel und Gewerbe nach Kräften. Dazu gehört auch die Gründung der königlich-preußischen Porzellanmanufaktur KPM.
Auf dem Land geht Friedrich in die Bildungsoffensive. Warum seid ihr nicht in der Schule? Euer Majestät, in unserem Dorf gibt es keine Schule. Dann müsst ihr halt ins nächste Dorf.
Ihr müsst was Gescheites lernen. Oder wollt ihr ewig Schafe hüten? Ich werde einmal Soldat, Majestät.
Dann muss er erst recht viel lernen. Das Königssoldaten müssen schreiben und rechnen können. Die Leibeigenschaft der Bauern, daran rüttelt Friedrich nicht.
Zu stark ist er vom Adel abhängig. Doch er lässt sie lernen. Die Sorge für die Erziehung ist ein wichtiger Gegenstand, den die Fürsten nicht vernachlässigen sollten.
Ich reformiere selbst die Dorfschulen. Es ist das Steckenpferd meines Alters. Und einmal mehr schreibt sich der König die Stichworte für seinen Nachruhm selbst.
Um Kriegsinvalide zu versorgen, werden sie als Dorfschullehrer eingesetzt. Ihre pädagogische Befähigung stammt vom Kasernenhof. Das reicht in den Augen des Philosophenkönigs.
Die Menschheit aufklären zu wollen, oft ist es ein gefährliches Unterfangen. Man muss sich damit begnügen, selber weise zu sein, wenn man es vermag. Was macht Friedrich zu einem Großen? Verglichen mit den autoritären Zaren oder den Verschwendern auf dem französischen Thron war er der Vertreter einer neuen Zeit.
Ich würde seine Begabung als so breit gefächert betrachten, dass sie einzigartig ist unter den Fürsten der Zeit und dessen, was dann auch in Preußen noch folgen sollte. Kein anderer Monarch hat so ernsthaft über das nachgedacht, was zu tun ist in der Rolle als ein Autokrat, als ein allein regierender Monarch. Doch seine politische Aufgeklärtheit hinterlässt kaum Spuren. Mächtiger ist die Legende, die aus der Widersprüchlichkeit seines Charakters erwuchs. Das fatale Erbe an Friedrich ist nicht ihm anzulasten, kommt aber halt aus seiner Zeit.
Nämlich sein spielerischer Charakter, alles auf eine Karte zu setzen, in Krisensituationen oder in Kriegen, dieses Sieg oder Untergang. haben ja eins zu eins Hitler und Goebbels übernommen. Auch sie sagten, entweder gewinnen wir diesen Krieg oder das deutsche Volk verdient es, nicht anders. Und hier haben Hitler und Goebbels eine Parallele zu Friedrich gezogen, die natürlich durch nichts zu rechtfertigen ist. Friedrich hat an seiner Legende tatkräftig mitgeschrieben.
Die Nachwelt ist ihm darin lange gefolgt. Sie hat den alten Fritz verkitscht und ihn sich gemütlich gemacht, wie Thomas Mann es formulierte. Ein realistischer Blick.
Auf Friedrich den Großen würde ihn als das zurücklassen, was er ist, eine hochinteressante Persönlichkeit. Aber der legendäre Friedrich, der Vater des Volkes, der große Reformer, der sparsame König, der sich verzehrt hat für sein Volk, den hat es nie gegeben. Er hat letztlich alles für sich getan. Seine letzten Lebensmonate verbringt er auf Schloss Sanssouci allein.
46 lange Jahre hat er regiert. Er hat Kriege geführt und darunter gelitten. Friedrichs Zerrissenheit war das Erbe seiner Jugend. Heute wissen wir, nicht die Kriege machten ihn zu einem Großen, sondern seine aufgeklärten Ideen. Ich habe als Philosoph gelebt und will als solcher begraben werden.
Ohne Pomp, ohne Prunk und ohne die geringsten Zeremonien. Man bringe mich beim Schein einer Laterne und ohne, dass mir jemand folgt, nach Sanssouci. Am 17. August 1786 stirbt Friedrich der Große. Er wird nicht in Sanssouci, sondern in der Potsdamer Garnisonskirche beigesetzt. Neben seinem Vater.
Erst im August 1991, 200 Jahre später, erfüllt man ihm seinen letzten Willen.