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Nationalratswahl 2024: Alles Wichtige

Der Professor und der Wolf. Das Superwahljahr 2024. Mit Peter Vilsmeier und Armin Wolf. Hallo zu einer neuen Sonderausgabe von der Professor und der Wolf, diesmal zur Nationalratswahl 2024. Der Professor, das ist Peter Vilsmeier, Politikwissenschaftler an den Unis Graz und Krems. Hallo Peter. Hallo Armin. Und ich bin Armin Wolf, ich moderiere im ORF die ZIB 2, in der der Professor wiederum sehr häufig zu Gast ist. Unser Thema heute ist, wie gesagt, die Nationalratswahl am 29. September 2024. Was wählen wir da eigentlich und was nicht? Wen wählen wir und wie wählen wir? Es ist von den vielen Umfragen zu halten, die wir jetzt täglich in der Zeitung lesen. Wie funktioniert am Wahltag die Hochrechnung im Fernsehen? Was passiert nach der Wahl? Über all das wollen wir in den nächsten 30, 35 Minuten sprechen. Wir beginnen aber wie immer in diesem Podcast. Peter, was ist denn der größte Irrtum, das größte Missverständnis über die Nationalratswahl? Der größte Irrtum ist, dass wir am 29. September den Bundeskanzler und die Minister und Ministerinnen wählen würden. Nein, tun wir nicht. Aber die Wahl hat natürlich schon einen wesentlichen Einfluss darauf, wer die nächste Regierung stellen wird. Über das reden wir natürlich gleich noch genauer. Aber wenn wir nicht die Regierung wählen, was wählen wir dann? Wir wählen unsere Volksvertreterinnen und Volksvertreter im Parlament, genauer gesagt in einer Kammer des Parlaments, eben im Nationalrat. Und weil die dann als Volksvertretung in unserem Auftrag handeln, spricht man aus dem Lateinischen kommen von Nationalratsmandaten. Und oft gebrechlich ist auch der Begriff. Begriff Sitze im Parlament, den Großteil bei ihren Diskussionen, Reden ausgenommen, sitzen die nämlich dort. Im Nationalratsplenum stehen 183 Sitze für diese Abgeordneten. Wir haben über den Nationalrat und das Parlament übrigens eine eigene Folge hier im Podcast gemacht, die Episode 3. Aber wen können wir da eigentlich wählen am 29. September? Wir haben ja in Österreich keine Persönlichkeitswahl, sondern ein sogenanntes Listenwahlrecht. Das heißt, es kandidieren verschiedene Parteien mit ihren Kandidatenlisten. Wer wird da diesmal am Stimmzettel stehen? Wir kreuzen im Wahllokal oder mittels Briefwahlstimme auf dem Stimmzettel jedenfalls eine Parteiliste an. Auf dieser Parteiliste stehen natürlich Personen, also Politikerinnen und Politiker der jeweiligen Partei. In der Wahlzelle hängt diese Namensliste auch extra aus, dass man nochmal nachschauen kann. Und fünf Parteien kandidieren wieder, die auch auf dem Stimmzettel stehen und schon im Parlament sitzen. Das sind ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS. Die haben es auch relativ leicht zu kandidieren. Denn man braucht nur drei Unterschriften von Nationalratsabgeordneten, um wieder auf den Stimmzettel zu kommen. Und drei finden sich, die für die eigene Partei unterschreiben. Aber es gibt auch Parteien, die keine Unterschriften von Abgeordneten haben, eben weil sie noch nicht im Parlament sitzen und keine Abgeordneten haben, die aber trotzdem antreten können. Wie das? Es gibt eine zweite Möglichkeit zu kandidieren als Parteiliste. Ich muss Unterstützungserklärungen sammeln, 2600 in ganz Österreich. Und wenn mir das gelingt... Dann stehe ich ebenfalls auf dem Stimmzettel und das ist vier weiteren Listen gelungen. Das ist einerseits die Bierpartei, dann die Kommunisten, die KPÖ, ebenfalls sehr linksorientiert das Bündnis der Wandel, unter dem interessanten Namen Keine antreten. Und dann gibt es noch die LMP, die Liste Madeleine Petrovic, die ist interessanterweise eine Ex-Parteichefin der Grünen. Diese Liste Keine von denen, die ist ja ziemlich interessant, weil die heißt eigentlich anders, nämlich Wandel. Die hat was mit dir zu tun, könnte man meinen. Du hast nämlich in unserem Podcast in der Folge 4 über Parteien und Wahlen vorgeschlagen, eigentlich mehr als Scherz gedacht, man könnte auch mit dem Parteinamen keine von den anderen antreten. Und da hätte man ganz gute Chancen. Die Wandleute bestehen aber darauf, dass sie die Idee nicht von dir haben. Es soll schon mal vorgekommen sein, dass Politiker eine Idee geklaut haben und auch mal nicht immer nur die Wahrheit sprechen. Im konkreten Fall kann ich das natürlich nicht wissen, aber ich habe eigentlich eine neue. Partei gemeint, die antreten könnte unter der Bezeichnung keine, weil mit allen bekannten Parteien die Parteienverdrossenheit ziemlich groß ist. Der Wandel ist keine neue Partei, hat beim letzten Mal 0,5 Prozent der Stimmen bekommen, allerdings mit einer Langbezeichnung im Parteinamen, die 17 Worte umfasst hat und ausgedruckt über drei Zeilen geht, da haben sie mit der Kurzbezeichnung keine, vielleicht doch eine Chance mehr als 0,5 Prozent zu bekommen. Gut, also neun Parteien stehen in ganz Österreich auf dem Stimmzettel, aber in manchen Bundesländern gibt es noch mehr Auswahl. Ja, weil man zwar insgesamt 2600 Unterstützungserklärungen braucht, aber es gibt eine Mindestzahl pro Bundesland, die ich sammeln muss. Das beispielsweise in kleinen Ländern wie Burgenland und Vorarlberg 100 Stimmen, in den wählerreichsten Bundesländern wie Niederösterreich und Wien 500 Stimmen. Und selbstverständlich kann es vorkommen und kommt immer wieder vor, dass eine Partei schafft in einem Bundesland genug Unterstützungserklärungen. zu bekommen, in einem anderen Bundesland aber scheitert. Deshalb gibt es jetzt noch weitere Listen, die MFG, die gelben, die heißen tatsächlich so, und dann noch eine Liste Gaza, die eben nur in einzelnen Ländern auf dem Stimmzettel stehen. Wenn man aber in mehreren Bundesländern nicht mal auf dem Stimmzettel drauf ist, dann ist die Chance, in den Nationalrat einzuziehen, natürlich sehr gering oder geht gegen null. Weil, um in den Nationalrat einzuziehen, muss man mindestens vier Prozent der Stimmen erreichen. Das ist ziemlich viel. Also bei einer normalen Wahlbeteiligung sind das so um die 160.000 bis 180.000 Stimmen in ganz Österreich. Das ist ziemlich viel. Warum braucht man so viele Stimmen? Das nennt man Mindestprozentklausel oder Mindestprozenthürde. Und man wollte eine Zersplitterung des Parlaments durch besonders viele Parteien verhindern. Man kann natürlich viele Parteien auch sehr positiv sehen und dafür argumentieren. Mehr Parteienvielfalt würde dem Land nicht schlecht tun. Das Negativbeispiel ist zwar ein historisches, aber doch ein sehr gewichtiges. Vor rund 100 Jahren in der Weimarer Republik, also im deutschen Reichstag der Zwischenkriegszeit, gab es keine solche Mindestprozentklausel. Man hat mit 0,1 Prozent der Stimmen auch schon Sitze im Reichstag bekommen. Natürlich waren dann oft mehr als 10, 20 Parteien dort vertreten. Und durch so viele Parteien ist es passiert, die waren sich sehr oft eigentlich gegen etwas. Also dass ein Gesetz nicht beschlossen werden kann, denn auch sehr unterschiedliche Parteien können sich gegen etwas einig sein. Es gab auch absurde Allianzen da sogar zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Nur für etwas konnte man sich kaum einig sein in dieser Unterschiedlichkeit. Das heißt, der Reichstag war nicht sehr effektiv, überhaupt Gesetze zu beschließen. Und das war einer von vielen Faktoren, die den Ruf nach einem starken Mann lauter haben werden lassen. Deutschland gibt es deshalb sogar 5% Mindestprozent-Hürde, bei uns eben 4%. Aber wenn eine Partei jetzt bei der Wahl 3,99% schaffen würde, dann wird sie immerhin von mehr als 150.000 Menschen gewählt und trotzdem kommt sie nicht ins Parlament? Im Regelfall ja, es würde eine zweite Möglichkeit geben vom Wahlrecht her, die aber sehr schwierig zu schaffen ist. Österreich ist bei dieser Wahl in 39 Regionalwahlkreise unterteilt und wenn ich in einem dieser Wahlkreise, aber nur in einem, besonders viele Stimmen habe, ein Direktmandat dort schaffe, dann wäre es egal, wie viele Stimmen ich überall sonst bekomme. Man zieht trotzdem in den Nationalrat ein. Die genaue Zahl der Stimmen kann man nicht vorher sagen, die wird berechnet. Da ist auch die Wahlbeteiligung für die Berechnung wichtig. Aber das sind sehr viele Stimmen in einem Regionalwahlkreis. Und üblicherweise schaffen das nur Parteien, die auch sonst über 4% landen. Jetzt haben die Parteien alle Listen mit ihren Kandidaten und Kandidatinnen eingereicht, die sie gerne in den Nationalrat schicken würden als Abgeordnete. Und um auf so eine Liste kandidieren zu dürfen, muss man nicht sehr viele Kriterien erfüllen. Man muss volljährig sein, man muss die österreichische Staatsbürgerschaft haben und man darf nicht sehr arg vorbestraft sein. Dann ist man passiv wahlberechtigt, das heißt man kann gewählt werden. Und wer ist am 29. September aktiv wahlberechtigt? darf wählen gehen. Alle dürfen wählen, die wiederum österreichische Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger sind, die am Wahltag mindestens 16 Jahre, also nicht 18 Jahre alt sind und die auch nicht wegen Mordes oder anderer Schwerstverbrechen gerade im Gefängnis sitzen, denn dann kann man vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Interessanterweise dürfen auch Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher wählen, egal wie lange sie schon weg von Österreich sind. Sie müssen sich nur in eine Wählerliste extra eintragen lassen. Das mit dem Wählen ab 16 war übrigens nicht immer so, sondern das gibt es erst seit 2007. Früher musste man auch für das aktive Wahlrecht mindestens 18 Jahre alt sein. Da ist ja Österreich relativ fortschrittlich mit diesem niedrigen Wahlalter von 16. Warum hat man das geändert? Das wahrscheinlich stärkste Argument dafür war, dass man einerseits ja oft eine Politikverdrossenheit oder politisches Desinteresse junger Menschen beklagt. Da ist es dann nicht logisch, dass ich sage, sie dürfen möglichst spät wählen gehen, also politische Beteiligung. dürfen sie dann erst ausüben, wenn sie noch älter werden. Da wird es dann schwieriger, das Desinteresse noch zu reparieren. Deshalb hat man das Wahlalter auf Bundesebene auf 16 Jahre gesenkt. Und wenn das bei einer Nationalratswahl so ist, dann darf auch kein Bundesland ein höheres Wahlalter festsetzen. Niedriger übrigens schon. Es dürfte ein Bundesland sagen, bei der Landeswahl wollen wir ab 14 wählen. Gut, gibt es derzeit noch nicht und wir bleiben mal bei der Nationalratswahl. Jetzt sind von den 9 Millionen Menschen in Österreich ungefähr 8 Millionen 16 Jahre alt und älter. Aber wahlberechtigt sind weniger als 6,4 Millionen. Die anderen anderthalb Millionen leben hier. Sie sind auch alt genug, aber sie haben nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und dürfen deswegen nicht wählen. Ist das ein Problem? Das kann ein Problem sein, denn diese rund eineinhalb Millionen erwachsenen Menschen, die hier leben, müssen sich ja trotzdem an die Entscheidungen der Politik handeln. Im relativ harmlosen Zusammenhang, wenn das Parlament als Gesetz eine Straßenverkehrsordnung beschließt, dann wird denen auch vorgeschrieben. wo, wann sie wie schnell mit dem Auto fahren können. Ein etwas gewichtigeres Beispiel, wenn ein Steuergesetz beschlossen wird, dann wird denen auch vorgeschrieben, wie schnell sie fahren können. wie viel Steuern sie zu zahlen haben und da kann man natürlich einwenden, es ist nicht ganz fair zu sagen, euer Steuergeld nehmen wir sehr gerne, aber von der politischen Mitbestimmung schließen wir euch aus. Das ist auch eine Diskussion, wobei natürlich klar ist, dass nicht jeder Tourist wählen soll, der zufällig gerade mal ein paar Wochen in der Gegend ist, aber es ist eine Frage, ob nach sehr vielen Jahren oder sogar mehr als einem Jahrzehnt nicht Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft auch ein Wahlleicht haben könnten. Jetzt denken sich vielleicht manche, es gibt mehr als sechs Millionen Wahlberechtigte, da kommt es doch auf eine Stimme, auf meine, gar nicht an. Warum soll ich überhaupt wählen gehen? Das ist objektiv falsch, dass es auf die einzelne Stimme nicht ankommt. Wir hatten zum Beispiel im Burgenland mal eine Landtagswahl. Da ging es ganz genau um eine einzige Stimme, ob eine Parteiliste in den Burgenländischen Landtag einzieht oder nicht. Sie hat es mit dieser einen Stimme, die hieß damals sogar Liste Burgenland, geschafft. In Kärnten gab es mal eine Landtagswahl, da hat auch eine einzige Stimme entschieden, ob zwei Parteien eine Koalitionsmehrheit zusammenbringen im Landtag und damit die Regierung stützen können. Und selbst bei der ganz großen US-Präsidentenwahl war es im Jahr 2000 so, dass es rund 130 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler gab. Und entschieden haben am Ende genau 500 Stimmen, also ein ganz kleiner Bruchteil. Nein, es ist nicht richtig, dass meine Stimme nicht etwas entscheiden kann. Jetzt gibt es Menschen, die wissen schon, was sie wählen, weil sie zum Beispiel immer die gleiche Partei wählen, weil sie Stammwähler oder Stammwählerin sind. Viele andere wissen es noch nicht, überlegen es sich im Laufe der Wahlkampf, wissen es jetzt vielleicht auch schon. Aber wenn ich noch nicht weiß, wen ich am 29. September wählen soll, wie kann ich mich dann entscheiden? Die Antwort für ganz besonders Fleißige wäre vermutlich viel Lesen, nämlich die Wahlprogramme aller Parteien. Jede Partei beschließt vor der Wahl ein Programm, was sie in den nächsten fünf Jahren politisch alles so vorhat. mittels Dr. Google, nicht eine anerkannte wissenschaftliche Methode, aber findet man im Internet sehr schnell raus, wo ich diese Wahlprogramme mir runterladen kann und ich kann sie durchlesen. Das machen realistischerweise natürlich nur sehr wenige, aber es gibt sogenannte Wahlhilfen, die zum Beispiel der Wählerkompass, Wahlkompass in der Tageszeitung der Standard, Themenfragen einem stellen. Da kann ich ganz einfach spielerisch anklicken, ja oder nein, bin ich bei etwas dafür oder dagegen. Und meine Antworten zu einem Thema werden bei 25 Fragen rund mit den offiziellen Parteiantworten verglichen. Da kann man auch noch angeben, ist mir ein Thema wichtig oder gar nicht wichtig. Und das Ergebnis ist eine Grafik, wo drinnen steht, rein thematisch gesehen, wie nahe oder fern stehe ich einer Partei. Den Begriff Wahlhilfe sollte man nur unter Anführungszeichen verstehen, denn es gibt themenbezogene Wahlmotive, aber natürlich kann und soll es auch personenbezogene Wahlmotive geben. Wenn ich zum Beispiel dem Spitzenkandidaten einer Partei vertraue oder misstraue, dann ist das ein zulässiges Wahlmotiv. Es hat ja keinen Sinn, wenn ich thematisch ähnliche Meinungen habe, aber jemand für einen Lügner und Betrüger halte. Es gibt auch noch eine zweite sehr bekannte solche Plattform, wahlkabine.at im Internet, die sehr, sehr ähnlich funktioniert, wo man sich der Orientierung holen kann. Aber was ist, wenn mir keine Partei zusagt, auch kein Spitzenkandidat oder Spitzenkandidatin? Soll ich dann weiß wählen, also einen leeren Stimmzettel abgeben? Oder... gleich gar nicht hingehen? Das macht wenig Sinn, denn das Wahlergebnis wird anhand der abgegebenen gültigen Stimmen berechnet und auch die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat, wo Gesetze beschlossen werden, nach denen wir uns alle richten müssen, die hängen nur von den gültigen Stimmen ab. Auch die politische Machtverteilung ist nur davon abhängig und wenn ich da einfach nicht hingehe, dann verzichte ich darauf mitzureden, wer über mich mittels Gesetzesbeschlüssen bestimmt. Und bei den ungültigen Stimmen mag ja eine politische Meinungsäußerung, zum Beispiel Protest, dahinter stecken, nur keiner kriegt es mit. Die ungültigen Stimmen werden zwar gezählt, aber das kann sein aufgrund eines ungewollten Irrtums oder Fehlers beim Ausfüllen des Stimmzettels. Es gibt auch immer wieder Scherzbolde, die Micky Maus und Co. wählen und dann kann es die politische Meinungsäußerung sein, aber das wird nicht erfasst. Das macht keinen Sinn und wenn jetzt jemand meint, ja, aber keine Partei stimmt mit. meinen Positionen ganz überein zu 100 Prozent, dann würde ich antworten, wenn Sie darauf warten, bis eine Partei daherkommt, die zu 100 Prozent ihre Standpunkte vertritt, dann werden Sie wahrscheinlich bis an ihr Lebensende warten. Es ist vollkommen eine gute Idee, auch zu der Partei zu stehen, die vielleicht etwas mehr Übereinstimmung mit meinen Meinungen hat als andere Parteien, weil 100 Prozent Übereinstimmung... gibt es nicht mal bei einer Liebesheirat und eine Partei zu wählen ist nicht einmal Liebe oder Heirat. Und die Wahrscheinlichkeit, dass alle neun Parteien, die am Stimmzettel stehen oder noch mehr in manchen Bundesländern, dass einem alle neun genau gleich weit weg sind und man mit keiner davon ein bisschen mehr übereinstimmt als mit einer anderen, das ist doch sehr, sehr unwahrscheinlich. Und im Zweifel würde ich dann doch jene Partei wählen, die noch am wenigsten entfernt von mir ist, die mir noch irgendwie am nähersten steht, damit nicht vielleicht die Partei gewinnt, die am weitesten von mir weggeht. Die Wahlforschung zeigt sogar, dass ich wähle, dass aus meiner Sicht dass sich kleinste Übel ein ziemlich häufiges Wahlmotiv ist. Wenn ich mich dann aber doch für eine Partei entschieden habe, dann muss ich die möglichst eindeutig ankreuzen am Stimmzettel. Also mein Wählerwille muss ganz, ganz eindeutig hervorgehen aus dem Stimmzettel, weil sie sonst nicht gewertet wird. Aber man kann ja nicht nur eine Partei ankreuzen, sondern man kann am Stimmzettel auch Vorzugsstimmen vergeben, und zwar gleich mehrere. Was ist eine Vorzugsstimme und wie funktioniert das? Ich kann bei der von mir gewählten Partei, aber nur bei dieser, sonst wäre die Stimme ungültig, drei Personen auch wählen, indem ich deren Namen zusätzlich hinschreibe. Das kann erstens sein auf der Bundesliste dieser Partei, zweitens auf der Landesliste, alle Parteien haben auch in jedem Bundesland eine Landesliste und drittens auf der Regionalwahlkreisliste, die angesprochenen 39 Regionalwahlkreise, also in Summe kann ich bis zu drei Vorzugsstimmen vergeben, kann ich, muss ich aber nicht. Mal ganz wichtig, man muss diese Kandidatenlisten nicht auswendig lernen, sondern die hängen in der Wahlkabine aus. Da kann man schauen, wer da ist. Nochmal ganz wichtig, alle drei Vorzugsstimmen müssen zur gleichen Partei gehören, nämlich zu der Partei, die ich angekreuzt habe. Also ich kann die nicht wahllos verteilen, macht die Stimme ungültig. Aber was ist der Sinn von diesen Vorzugsstimmen? Wir haben ja eben ein Listenwahlrecht, wo wir für die Partei zunächst einmal abstimmen. Jetzt eine Quizfrage für alle Zuhörerinnen und Zuhörer mit sich selber. Wenn ich jetzt frage, wen haben sie bei der letzten Nationalratswahl gewählt, dann werden die meisten wissen, welche Partei sie damals angekreuzt haben. Wenn ich aber die Zusatzfrage stelle, wer war auf der Landesliste der von Ihnen gewählten Partei, der die zweitgereihte, drittplatzierte, viertplatzierte, dann würde ich unterstellen, ohne Nachschauen wissen das nicht mehr sehr viele. Also das Listenwahlrecht hat den Nachteil einer gewissen Distanz zwischen uns als Wählenden und dem von uns Gewählten. Und deshalb hat man zusätzlich die Möglichkeit eingeführt, auch für Personen Vorzugsstimmen zu geben. Denn wenn man auf der Liste weit hinten steht, wird man dann vorgereiht. Wie funktioniert das? Was bringt das den Menschen, die die Vorzugsstimmen bekommen? An sich ist es ja so, je nachdem, wie viele Stimmen eine Partei insgesamt bekommt, wie viele Stimmenprozente, da ziehen dann einfach der Liste vom ersten Beginn, der zweite, der dritte in den Nationalrat ein und weiter hinten Platzierte ziehen nicht mehr ein, weil die Partei nicht so viele Stimmen bekommt. Wenn man jetzt mit der Vorzugsstimme aber bestimmte Personen eben vorreihen will, und diese Personen bekommen bei der Bundesliste 7% der Parteistimmen, bei der Landesliste 10% und bei der Regionalwahlkreisliste müssen es 14% der eigenen Parteistimmen sein, dann werden sie vorgereiht, als würden sie erstplatziert sein auf der Liste. Wenn es mehrere schaffen, dann geht es nach der Zahl der Vorzugsstimmen. Ist das eine hohe Hürde? Schaffen das oft Kandidaten? Ja, das ist eine sehr hohe Hürde, denn die, die es schaffen, brauchen es meistens nicht. Denn das geht natürlich bei den Vorzugsstimmen auch nach Bekanntheitsgrad von Politikerinnen und Politiker. Spitzenkandidaten sind zum Beispiel am allerbekanntesten, nur die brauchen keine Vorzugsstimmen, weil die stehen eh schon auf dem ersten Listenplatz und weiter vorrücken, das geht nicht. Aber in einzelnen Fällen, das sagt man dann oft, das sind sogenannte Parteirebellen, die also von der Partei gar nicht weit vorne gewollt wurden auf der Parteiliste, die schaffen das dann schon mal nicht. Jetzt am 29. September um 17 Uhr schließen die letzten Wahllokale in Österreich, nicht einheitlich, in vielen Bundesländern auch schon früher. Aber schon lange bevor der letzte Stimmzettel ausgezählt wird, das dauert ja ein paar Stunden, gibt es im ORF eine Hochrechnung, schon wenige Minuten nach 17 Uhr. Da weiß man dann schon ziemlich genau, wie die Wahl ausgeht, obwohl noch ausgezählt wird. Wie gibt es das? Das läuft so ab, um Punkt 17 Uhr oder ein paar Sekunden, höchstens Minuten danach, übermittelt das Innenministerium, das ist die oberste Wahlbehörde, Teilergebnisse, schon ausgezählte Stimmen an die Hochrechner, egal ob es im ORF oder auch in anderen Medien, weil, wie du gesagt hast, es schließen zwar die Wahllokale in Wien und in Graz, also in großen Städten, erst alle um 17 Uhr. Aber in vor allem kleineren Gemeinden schließen die schon früh am Nachmittag, manchmal sogar zu Mittag. Es gibt also Teilergebnisse, die bekommen die Hochrechner dann zugeschickt, nicht vor 17 Uhr, weil wenn Teilergebnisse öffentlich würden, könnten sie ja das Wahlverhalten jener, die erst am Nachmittag in ein Wahllokal gehen, noch beeinflussen. Aber mit diesen Teilergebnissen wird dann ein mögliches Gesamtergebnis hochgerechnet. Das ist allerdings mathematisch, statistisch eine große Kunst, denn es ist ja so, dass in kleineren Gemeinden im ländlichen Raum anders gewählt wird als in den großen Städten. Also mit einer einfachen Vergleichsrechnung ist es da nicht getan, aber die sind bemerkenswert genau. Oft werden sie aber so rund um 18 Uhr noch mal viel genauer, denn da kommen dann die ersten Wahlsprengelergebnisse aus großen Städten, insbesondere aus Wien. Absolut faszinierend, wie das geht, nämlich dass das so genau schon geht. Und später am Abend, meistens in der ZIB 2, gibt es dann auch eine sogenannte Wählerstromanalyse, wo man sieht, welche Partei von welcher anderen Partei im Vergleich zum letzten Mal Stimmen gewonnen hat. Und das ist deswegen so faszinierend, weil woher kann man das wissen bei einer geheimen Wahl? Es wird nicht von einem einzelnen Wahlverhalten erforscht, sondern das läuft nach einem mathematischen Verfahren. Denn am Ende des Wahltages, die ZIB2 hat Glück, dass das zu dieser Zeit, wenn sie gesendet wird, meistens schon der Fall ist, habe ich ja dann von dieser Wahl alle Wahlsprengelergebnisse, also die Ergebnisse aus jedem einzelnen Wahllokal aus ganz Österreich. Und im Archiv habe ich das natürlich auch von der letzten Wahl 2019. Und mit diesem mathematischen Verfahren, das sich multiple Regression nennt, wird dann berechnet, wie Wählerwanderungen Sprengel für Sprengel mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, eine Wahrscheinlichkeitsrechnung... abgelaufen sind. Die Nichtwähler muss man da als eine eigene Partei einfach ansehen, dann funktioniert die Rechnung. Beim Begriff multiple Regression haben die jetzt vielleicht ohne Mathematik Matura Glück gehabt. Die mit Mathematik Matura denken mit Schaudern daran, da musste man solche Dinge nämlich rechnen und es war nicht gerade der beliebteste Inhalt. Oder man denkt nicht mit Schaudern daran, weil man es schon vergessen hat. Jetzt bis zum Wahltag haben wir noch Meinungsumfragen. Und zwar praktisch jeden Tag liest man jetzt welche online oder in Zeitungen. Wie zuverlässig und wie aussagekräftig sind denn diese Umfragen vor der Wahl? Das hängt schlicht und einfach von der Qualität einer Umfrage ab. Ein Qualitätskriterium ist beispielsweise die Stichprobengröße, denn eine Umfrage basiert ja auf dem Prinzip, alle zu befragen ist der Wahltag. Da sagen alle Wählerinnen und Wähler, welche Partei sie denn wählen wollen. Und eine Umfrage befragt einen Ausschnitt aus dieser Gesamtwählerschaft, die man Grundgesamtheit nennt, zum Beispiel 500.000 oder theoretisch 2.000 Menschen. Und natürlich wird es umso genauer, je mehr ich befrage. Also die Abweichung, das nennt man auch Schwankungsbreite, vom tatsächlichen Ergebnis ist größer, wenn ich nur 500 befrage. Sie wird besser, wenn ich 1.000 befrage. Es ist allerdings nur ein Qualitätskriterium. Zum Beispiel reine Online-Umfragen gelten als sehr problematisch, weil ich recht viele Wählende über 70 oder sogar 80 Jahre habe. Und die erreiche ich speziell auf dem Land mit Online-Umfragen immer noch ungenörend. Generell, das Wahlverhalten lässt sich ziemlich gut vorhersagen oder jedenfalls diagnostizieren. Es gibt aber eben diese Schwankungsbreite. Und wenn ich jetzt in der Umfrage lese, die ÖVP liegt bei 24 Prozent und die SPÖ bei 22, liest man zurzeit relativ häufig, dann könnte es aber aufgrund dieser Schwankungsbreite auch umgekehrt sein, oder? Ja, weil bei der üblichen Stichprobengröße, du hast es angesprochen, von rund 800 Befragten, bei beispielsweise einer Zeitungsumfrage, ist bei Parteien dieser Größe, irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent, die Schwankungsbreite größer als plus minus zwei Prozent. Das heißt, die Reihenfolge könnte auch genau umgekehrt sein. Was man übrigens nicht tun darf, ist solche Teilergebnisse dann als Umfrageinstitut noch nach Bundesländern aufsplitten. Denn Vorarlberg oder das Burgenland haben weniger als 5 Prozent aller Wahlberechtigten. Und wenn ich die dann noch, die wenigen Befragten in meiner Stichprobe, auf alle neun Parteien, die auf dem Stimmzettel stehen, aufsplitte, dann bin ich auf dem Niveau, der eine, den ich angerufen habe, hat das aber wirklich gesagt in der Umfrage. Und wenn jetzt auf einer Website oder einer Zeitung eine Schlagzeile steht, dass eine Partei in der letzten Woche um ein Prozent zugelegt hat, dann ist das jedenfalls keine sehr seriöse Website, weil dieses eine Prozent liegt auf jeden Fall innerhalb der Schwankungsbreite. Wenn eine Zeitung das wirklich zur Schlagzeile machen sollte, dann ist es Unsinn. Der noch größere anzunehmende Unsinn der GAU wäre, Umfrageergebnisse mit Kommastellen auszuweisen, denn das suggeriert eine Scheingenauigkeit, die es schlicht und einfach so nicht gibt. Also wenn Sie irgendwo auf einer Seite lesen, eine Umfrage mit 500 Befragten, reine Online-Umfrage und die Ergebnisse auf Komma stellen, einfach ignorieren, nicht lesen, ist wertlos. Was Sinn macht, ist, wenn man sich längerfristig den Trend einer Partei in Umfragen anschaut oder, es sind ja sehr viele Umfragen öffentlich zugänglich, wenn man einfach den Durchschnittswert aus sehr vielen Umfragen sich anschaut, das macht dann schon gewisse Trends erkennbar. Kann man kugeln, APA-Wahltrend, APA, so die Austria-Presseagentur, und Wahltrend. Die APA fasst alle seriösen Umfragen zusammen und errechnet genau daraus eine Durchschnittskurve. Die ist ziemlich gut und da kann man zum Beispiel sehen, dass seit fast zwei Jahren die FPÖ in praktisch allen Umfragen führt. Momentan so bei 26 bis 29 Prozent vor der ÖVP und der SPÖ, die sich so zwischen 21 und 24 Prozent um Platz zwei streiten. Zuletzt offenbar mit Vorteilen für die ÖVP, wie es aussieht. Und dann den Grünen und Neos, beide so um die 9 bis 10 Prozent. Das sind jetzt natürlich Momentaufnahmen, aber heißt das, wenn die Wahl morgen wäre, dass dann die FPÖ Erste wäre? Ja, das wäre wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher, denn es gibt noch einen anderen Unsicherheitsfaktor, das ist die Wahlbeteiligung. Wenn in einer Umfrage die Frage gestellt wird, gehst du morgen ganz sicher oder wenigstens höchstwahrscheinlich wählen, dann kann jemand in Brust unter Überzeugung Ja sagen. Das heißt noch lange nicht, dass er wirklich ins Wahllokal pilgert am morgigen Tag oder schon ein Briefalkuvert abgeschleckt und aufgegeben hat. Denn Wahlen und Wählen gehen, das gilt als sozial erwünschtes Verhalten. Da gibt jemand vielleicht eine sogenannte Prestigeantwort und sagt, ja, ja, ich gehe schon hin und dann geht es sich am nächsten Tag doch nicht aus. Da gab es ein interessantes Phänomen. Das Phänomen, dass die FPÖ viele Jahre lang in den Umfragen immer unterschätzt worden ist, weil sich Menschen nicht dazu bekennen wollten, FPÖ zu wählen, und man am Wahltag dann recht erstaunt war, wie erfolgreich die FPÖ war, und dass es zuletzt aber offenbar das Phänomen gibt, dass sie vielleicht eher überschätzt wird in den Umfragen, man weiß es noch nicht ganz genau. Trotzdem werden die bisherigen fünf Parlamentsparteien mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch im nächsten Nationalrat sitzen. Wie schaut es denn mit den Chancen dieser anderen vier Parteien aus, die bundesweit am Stimmzettel stehen, dass sie diese vier Prozenthürde schaffen? Stand jetzt, Zeitpunkt unseres Gesprächs, und wirklich nur das kann ich sagen, hätte die Bierpartei die besten Chancen. Allerdings haben alle anderen kleineren Parteien wie auch die Bierpartei dasselbe Problem. Gerade in der Schlussphase eines Wahlkampfs konzentriert sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Rennen um den ersten Platz. Oder Medien spekulieren auch darüber, können der Erste und der Vierte, der Erste und der Zweite mit dem Dritten Koalitionsmehrheiten bilden. Und da gehen in der öffentlichen Aufmerksamkeit die ganz kleinen Parteien oft unter. Und das ist natürlich schlecht für sie. Wahlkampf ist letztlich ein Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit, weil die, von denen man weniger mitkriegt, die werden dann auch seltener gewählt womöglich. Bisher können sich denn diese Umfragen und die Wahlchancen bis zum Wahltag am 29. September noch verschieben? Die können sich erheblich verschieben, denn die Wahlforschung unterscheidet zwischen einerseits frühentschlossenen Wählern, das sind Menschen, die schon nicht erst... zum jetzigen Zeitpunkt, sondern seit Wochen oder Monaten wissen, welche Partei sie wählen. Und da müsste wirklich Unglaubliches passieren, etwa ein Megaskandal, dass sie diese Meinung noch ändern. Das sind durchaus bis zu vier Fünftel, also 80 Prozent der Wählerschaft. Aber es gibt eben auch das andere Fünftel, das ist jetzt ein Durchschnittswert langjähriger Wahlforschung. Wie es diesmal genau sein wird, kann ich noch nicht wissen. Diese rund 20 Prozent sind eben die Spätentschlossenen, die sich erst in den letzten zwei, drei Wochen während des Intensivwahlkampfs entscheiden. Und dann gibt es noch die Letztentschlossenen, auf Englisch sagt man Last-Minute-Desiders, also in letzter Minute Entscheidende. Das ist wörtlich nicht ganz korrekt, aber gemeint ist, in den letzten drei Tagen oder später, im Extremfall wirklich erst im Wahllokal in der Wahlzelle. Und das sind so viele, dass das ein Wahlergebnis durchaus noch ändern kann. Die schwanken nicht zwischen allen neun Parteien auf dem Stimmzettel, aber zwischen zwei oder drei. Oder sie können auch in letzter Minute zu doch nicht wählen. werden oder doch noch ins Wahllokal gehen. Und immerhin gibt es ja auch Wahlkampagnen. Die Parteien machen sehr, sehr teure Wahlkämpfe mit sehr, sehr vielen Wahlkampfauftritten. Und wenn die völlig sinnlos wären und gar nichts bewegen würden, dann müssten wir es ja gar nicht machen. Das maximale Wahlkampfbudget einer Partei darf über 8 Millionen sein. Da hat man ursprünglich ein Gesetz gemacht, dass es 7 Millionen genau sein dürfen pro Partei. Allerdings, und das hat man dann an die Inflation angepasst, es sind schon über 8 Millionen. Das Geld wäre ja reichlich verschwendet, wenn ohnehin alles schon feststehen würde. Und wenn Parteien Aktionen machen, weiß nicht, ob es diesmal passieren wird, wie am Wahlsonntag sogar noch Wählenden ein Frühstück an die Tür zu hängen, dann hat das nichts mit Esskultur zu tun, sondern weil die Parteimanager eben auch genau wissen, wir haben circa jeden Zentner, der sich in den letzten paar Tagen erst entscheidet. Das ganze Land steht voller Wahlplakate. Momentan sind wirklich Tausende. Wirkt ein bisschen altmodisch im Zeitalter des Internets und von Social Media. Bringen diese Plakate eigentlich was? Nicht im Verhältnis zu den Kosten. Die Werbebranche wird mich jetzt nicht besonders mögen, wenn ich das sage, aber wenig überraschend, 90 bis 98, 99 Prozent nehmen die Wahlplakate wahr. Das ist ja auch gar nicht möglich, denen optisch zu entkommen, wenn ich nicht gerade krank bin. Aber tatsächlich ein Einfluss auf das Wahlverhalten in einer mehr oder weniger direkten Form, das ist nur eine einstellige Prozentzahl. Also da wird schon viel Geld ausgegeben, nicht für das, was... unbedingt wirkt, aber es wirkt bei den eigenen Funktionären. Denn stellen wir uns vor, Funktionäre einer Partei, die gerade mitten im Wahlkampf sind und damit viel Engagement laufen für diese Partei, die fahren von der Autobahnabfahrt in die Landesabstatt hinein und da sind alle anderen plakatiert von den Parteien, nur die eigene Partei nicht. Die eigene Wahlkampfzentrale würde für den Rest des Tages nichts anderes mehr machen, als empörte Anrufe von Funktionären zu beantworten, warum sind dort alle anderen Plakate hängend, nur wir nicht. Die Plakate sind mehr für die eigenen Funktionäre als für die Wählerschaft, auch interessant. Gut, jetzt sagen wir, es ist der 30. September, der Tag nach der Wahl, die Stimmen sind ausgezählt und wir gehen davon aus, dass keine Partei eine absolute Mehrheit haben wird, also mehr als 50 Prozent. Sehr, sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich. Was passiert dann? Dann tritt einerseits der Nationalrat, der neu gewählte Nationalrat, innerhalb von 30 Tagen zusammen. Erledigt dort Formalia, wählt auch das Präsidium des Nationalrats und ab diesem Tag, wenn es keine vorgezogenen Neuwahlen gibt, für fünf Jahre, kann dieser Nationalrat Gesetze beschließen. Deshalb nennt man das auch Legislaturperiode. Da ist noch nicht damit verbunden, welche Regierung wir haben. Das könnte auch mit wechselnden Mehrheitsverhältnissen, also je nach Abstimmung, sind sich manche Parteien einig oder uneinig passieren. Parallel dazu allerdings... Üblicherweise beauftragt der Bundespräsident den Chef einer Parlamentspartei mit der Regierungsbildung. Der versucht für eine Koalition einen Pakt zur Zusammenarbeit zu schmieden von zwei oder mehr Parteien, die eine Mehrheit im Parlament haben. Das ist deshalb wichtig, weil der Nationalrat eine Regierung mit Mehrheit abberufen kann. Also bemühen sich die Regierungsparteien diese Mehrheit selber zu haben. Muss der Bundespräsident einen solchen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen? Nein, das steht interessanterweise nirgendwo geschrieben, dass er jemandem sagt, und ihr verhandelt jetzt mal und versucht eine Mehrheit zusammenzubekommen. Rein theoretisch könnte auch der Meinung seiner Expertenregierung wäre etwas ganz Tolles, könnte dich, Armin Wolf, weil du die Formalvoraussetzungen erfüllst, also du bist über 18 Jahre alt, du bist nicht vorbestraft und du bist österreichischer Staatsbürger, zum Kanzler angeloben und auf deinem Vorschlag Ministerinnen und Minister ernennen und auch angeloben. Das Problem ist nur, dass das realpolitisch nichts bringen wird, weil eben... Parteien mit einer Mehrheit im Nationalrat eine Regierung mit Misstrauensvotum wieder abberufen können. Also es macht schon Sinn, den Chef einer Parlamentspartei damit zu beauftragen und der soll dann verhandeln, dass eine solche Mehrheit besteht. Das Problem wäre auch, dass ich nicht Ja sagen würde, weil ich meinen jetzigen Job lieber mache, aber wenn er einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, der Bundespräsident, muss er ihn dann der stärksten Partei bei der Wahl erteilen? Nein, das ist nirgends wo festgeschrieben. Der Bundespräsident könnte zum Beispiel auch eine Minderheitsregierung angeloben, wenn er bereit ist, dieses Risiko eines Misstrauensvotums in Kauf zu nehmen. Vor allem steht aber nirgendwo geschrieben bei einer Koalition, dass der Erste und der Zweite von den Parteienherren diese Koalition machen müssen oder der Erste und der Dritte und der Vierte. Es könnten auch der Zweite und der Dritte sein, es könnten der Zweite bis Vierte sein. Wichtig ist nur der Punkt, dass ich eine Mehrheit im Nationalrat hinter mir habe, denn sonst habe ich realpolitisch ein Problem. Regierungsvorlagen sind Gesetzesvorschläge. Und wenn ich vorher schon weiß, ich habe keine Mehrheit im Parlament, da braucht es gar nicht das Misstransvotum, da würde das Regieren auch schwierig werden. Gut, jetzt nehmen wir mal ein ganz praktisches Beispiel und nehmen wir einfach mal an, damit wir ein konkretes Beispiel haben. Die Wahl geht so ähnlich aus wie die Europawahl im Juni. Also die FPÖ wird erster vor der ÖVP, vor der SPÖ, dann die Grünen und die Neos. Dann wird Herbert Kickler als FPÖ-Chef in seiner eigenen Partei ziemlich unumstritten sein, weil er die FPÖ zur stärksten Partei gemacht hat. Jetzt haben aber alle anderen Parteien gesagt, sie machen mit Herbert Kickl keine Koalition. Jetzt setzen wir mal voraus, dass diese Ankündigungen auch nach der Wahl halten. Dann müssten die anderen Parteien schauen, dass sie miteinander eine mehrheitsfähige Koalition zusammenbringen, weil ja niemand mit der FPÖ will. Da gäbe es dann zum Beispiel ÖVP und SPÖ und Neos oder SPÖ und ÖVP und Grüne. Jetzt, falls sich die einigen würden, gehen die dann zum Bundespräsidenten und sagen, wir haben eine Mehrheit und gäbe es dann eine Regierung ohne die FPÖ, obwohl sie die stärkste Partei ist? Und wäre das undemokratisch? Nein, es wäre demokratisch, weil Mehrheit ist Mehrheit. Die Verfassung schreibt nicht vor, wer mit wem diese Mehrheit haben muss. Die FPÖ argumentiert an dieser Stelle, ja, man muss aber den Erstplatzierten zumindest mit der Regierungsbildung zunächst beauftragen. Und das wäre immer so gewesen, das ist richtig. Aber wenn man vorher schon weiß, dass der Erstplatzierte wahrscheinlich keine Mehrheit zusammenbringt, der Zweitplatzierte aber wahrscheinlich schon. dann steht in der Verfassung natürlich nicht, man muss eine Ehrenrunde machen und den Ersten scheitern lassen, sondern man kann als Bundespräsident auch den Zweitplatzierten mit der Regierungsbildung beauftragen. Und es gab tatsächlich ja auch schon so einen Fall, wo die stärkste Partei dann letztlich nicht in der Regierung war. Ja, und das war im Jahr 2000 der Fall. Da war die FPÖ Zweitplatzierter, ganz knapp vor der drittplatzierten ÖVP. Und nachdem die SPÖ gescheitert ist bei den Regierungsverhandlungen, die war zwar damals Erster, haben FPÖ und ÖVP eine Mehrheit. gebildet. Der Bundespräsident damals, Thomas Kleistil, war zwar alles andere als begeistert davon, er hat bei der Angelobung ganz finster geschaut, aber er hat diese Mehrheit auch akzeptiert und interessanterweise war die FPÖ damit sogar einverstanden, dass der Chef der drittplatzierten Partei, Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler wird. Der Unterschied ist, darauf verweist die FPÖ und da hat sie recht, dass es damals schon einen Versuch der erstplatzierten SPÖ vorher gab, eine Regierung zu bilden, nur der Unterschied ist hier wiederum, bei der SPÖ hat auch niemand vorher gesagt, mit denen regieren wir nicht. Jetzt wäre es bei der FPÖ, wenn alle bei den Wahlandsagen bleiben, was ja nicht garantiert ist, dass niemand mit der FPÖ will. Was ist, wenn FPÖ-Chef Kickl doch einen Koalitionspartner findet, mit dem er eine Mehrheit hat und er geht dann zum Bundespräsidenten und sagt, ich habe eine Mehrheit im Nationalrat hinter mir, ich will Bundeskanzler werden. Muss ihn dann der Bundespräsident zum Kanzler ernennen, obwohl er eigentlich in den letzten Jahren schon ziemlich klar gemacht hat, dass er das nicht will? Nein, das muss er nicht. Wie er selbst gesagt hat in einem Interview, nichts und niemand kann ihn dazu zwingen, weil er laut Bundesverfassung frei ist, wen er als Kanzler und in der Folge dann auf Vorschlag als Ministerin und Minister angelobt. Er muss natürlich nur realpolitisch schon daran denken, ob eine Blockadesituation in unserer Demokratie herbeiführen wird. Denn es gäbe nur die Variante früher oder später Neuwahlen. die freilich aber genauso oder ähnlich ausgehen können wie die jetzige Wahl, dann wäre das Problem nicht gelöst. Die einen haben eine Mehrheit, der Bundespräsident sagt aber auf der anderen Seite, ich gelobe euch nicht an. Da müsste er sich vielleicht sogar überlegen, ob er zurücktritt. Denn wenn er sagt, ich will nach bestem Wissen und Gewissen handeln und ich bin überzeugt, dass die eine Person nicht ein guter Kanzler für Österreich wäre und ich will sie nicht angeloben, wenn er nicht in Kauf nimmt die Blockadesituation, kann er sagen, dann gehe ich. Das ist uns würdig. tatsächlich so etwas wie eine Staatskrise entstehen. Wenn jemand eine Mehrheit im Nationalrat hinter sich hat, dann wird er wohl letztlich eine Regierung bilden. Vor allem diese Mehrheit besteht ja dann auch gegen eine andere Regierung. Wenn also jetzt der Bundespräsident wirklich meinem Gedankenspiel eines Expertenkabinetts folgt und eine Expertenregierung angelobt, dann könnte die am nächsten Tag nach der Angelobung am Nachmittag des Vortages wieder abberufen werden. Der Bundespräsident könnte eine neue Regierung ernennen. Das kriegt man hin mit immer am Vormittag eine Regierung ernennen, am Nachmittag sie abberufen. Aber das ist natürlich reilpolitisch für Österreich nicht gewollt. Und insofern entscheidend durch die Nationalratswahl am 29. September sehr wohl, ganz entscheidend mit darüber, wen wir als nächste Regierung bekommen. Wie lange dauert es denn nach der Wahl normalerweise, bis eine neue Regierung steht? Dafür gibt es interessanterweise kein Gesetz. keine irgendwie geartete Vorschrift, wie lange Koalitionsverhandlungen dauern dürfen. Theoretisch könnten die auch ein Jahr verhandeln. Es war auch immer sehr unterschiedlich. Das kürzeste war im Jahr 1975. Da hat es vom Wahltag bis zur Regierungsbildung und zur Angelobung der Regierung nur 23 Tage gedauert. Nur da hat die SPÖ mit dem Bundeskanzler und Parteichef Bruno Kreisky eine absolute Mehrheit gehabt. Er musste also nur mit der eigenen Partei und mit sich selber verhandeln. Das geht naturgemäß etwas schneller als mit anderen. Parteien zu sprechen. Da fragt man sich schon fast, was da 23 Tage gedauert hat. Und zweimal, 1962 und auch im Jahr 1999, 2000, hat es rund 120 Tage, also vier Monate gedauert. Wir wissen also nicht, ob diese Verhandlungen vor Weihnachten abgeschlossen sein werden oder erst nach Weihnachten, wann wir eine neue Regierung haben. Aber nach der derzeitigen Ausgangslage, so wie es aussieht, mit den Mehrheiten in den Umfragen und mit den Koalitionsaussagen wird es tendenziell eher länger als kürzer dauern. Es könnte kompliziert und komplex werden und hinzu kommt noch, dass nach der Nationalratswahl zwei Landtagswahlen stattfinden in Vorarlberg und Ende November in der vergleichsweise großen Steiermark. Auch dort ist heftiger Wahlkampf. Da könnten auch noch strategische Motive eine Rolle spielen, denn ich habe ja einen Eingriff in diesen Wahlkampf, wenn ich es verkünde. Diese oder jene Koalition gibt es, die manche mögen und andere wieder nicht mögen. Vielleicht wartet man sogar absichtlich bis nach der steirischen Wahl. Es könnte tatsächlich auch einiges Historisches passieren. Am 29. September, es könnte das erste Mal, so sagen es die Umfragen, die FPÖ bei einer Nationalratswahl die stärkste Partei werden. Und es könnte das erste Mal seit 1945 eintreten, dass die ÖVP und die SPÖ, die beiden langjährigen, jahrzehntelangen Großparteien, miteinander keine Mehrheit zusammenbringen. Wir hatten Jahrzehnte, im vorigen Jahrhundert vor allem in Österreich, ein Zweieinhalb-Parteien-System. Damit ist nicht gemeint, dass es nur zwei... große Parteien gibt und eine andere Partei als halbe Portion, die nicht für voll genommen wird, aber gemeint war, wir hatten im Nationalrat, sonst gab es auch außerparlamentarisch viel mehr Parteien, eine sehr große ÖVP, eine sehr große SPÖ in wechselnder Reihenfolge, teilweise sogar mit absoluten Mehrheiten und eine damals sehr kleine FPÖ, die dann später zum Zünglern an der Waage zunächst wurde und deshalb der Ausdruck zweieinhalb-Parteien-System, davon sind wir weit entfernt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mindestens fünf Parteien wieder in den Nationalrat einziehen Die ehemaligen Großparteien sind keine solchen mehr. Muss man sich mal vorstellen, jahrzehntelang hatten ÖVP und SP bei jeder Nationalratswahl gemeinsam weit mehr als 90 Prozent und diesmal möglicherweise unter 50 Prozent. Wir müssen zum Schluss kommen, Peter, wie immer in unserem Podcast noch eine letzte Frage. Wenn du bei der Art, wie wir den Nationalrat wählen, irgendwas ändern könntest, das du dir aussuchen kannst, was wäre das? Ich sehe da nichts, was man aus politikwissenschaftlicher Sicht unbedingt ändern müsste. Unser Wahlrecht ist schon gut überlegt und ausgewogen. Rein persönlich hätte ich einen Alternativvorschlag, denn jetzt muss ich ja mit meiner Stimme eine Partei zu 100 Prozent wählen, durch Ankreuzen und damit naturgemäß alle anderen Parteien zu 0 Prozent. Es gibt aber keine Partei, mit der ich vollständig übereinstimme und als Wechselwähler gibt es natürlich auch andere Parteien, denen ich auch nicht vollständig zustimme, aber doch zu einem gewissen Prozentsatz. Wie wäre es denn, wenn ich zehn Punkte zur Verfügung hätte? Die kann ich alle zehn einer Partei geben. Ich könnte sie aber auch zwischen zwei Parteien 8 zu 2 aufteilen oder zwischen drei Parteien 6 zu 2 zu 2 und so weiter. Das finde ich ja ausgesprochen spannend, aber das gibt es momentan jedenfalls noch nicht. Das war unsere Spezialfolge von der Professorin der Wolf zur Nationalratswahl am 29. September. Wir melden uns übrigens dann ein paar Tage später gleich wieder mit einer weiteren Spezialepisode wieder zu einer Wahl. nämlich dann zu den Kongress-und Präsidentenwahlen in den USA am 5. November. Das war's für heute. Danke Peter. Danke Armin. Danke euch und geht am 29. September wählen. Das ist wichtig.