Musik Josef Stalin, vom Revolutionär zum Diktator, vom Gejagten zum Jäger. Musik Er lebt im Luxus, das Volk hungert. Millionen schickt er nach Sibirien, in Lager und in den sicheren Tod. Trotz allem Terror, bis heute verehren ihn viele Russen als den Mann, der Hitler besiegte und das Land zur Supermacht erhob. Stalin, der Rote Zar.
Jetzt in ZDF History. Moskau 1936 Im Kreml herrscht Josef Stalin, ein glühender Kommunist und Diktator. Seine Macht ist absolut.
Selbst seine Parteigenossen leben in Angst. Sie müssen dem Tyrannen huldigen mit endlosem Beifall. Vassili Nikolaev erinnert sich.
Die Genossen sahen sich an. Niemand wollte als erster aufhören zu klatschen. Ich weiß nicht warum, aber ich habe mich wieder hingesetzt.
Zwei Tage später wird Nikolai verhaftet und gefoltert. Doch seinen Glauben an den Kommunismus verliert er nicht. Das Volk verehrt Stalin wie einen Gott.
Dennoch wittert er überall Feinde. Aus Angst vor Verrätern lässt der Diktator Millionen verhaften und hinrichten. Stalin soll gesagt haben, der Tod löst alle Probleme.
Ein Mensch, ein Problem. Kein Mensch, kein Problem. Die wirkliche Bedrohung für Stalins Reich aber kommt von außen. 22. Juni 1941. Hitler bricht den Nicht-Angriffspakt mit Stalin.
Das Deutsche Reich attackiert die Sowjetunion auf breiter Front. Unternehmen Barbarossa taufen die deutschen Militärs den Überfall. Er wird zu einem Vernichtungskrieg. In den ersten Wochen eilt die Wehrmacht von Sieg zu Sieg, macht hunderttausende Gefangene. Hitler verfolgt ein klares Ziel.
Er will Stalin und den Kommunismus besiegen und Lebensraum im Osten erobern. Sein Pakt mit Stalin war nur eine Finte. Nur wenige Wochen vor dem Angriff.
Bei der traditionellen Militärparade am 1. Mai sind deutsche Offiziere noch als Ehrengäste in Moskau dabei. Im August 1939 hat Stalin mit Hitler einen Nicht-Angriffspakt geschlossen. Besonders brisant ist ein geheimes Zusatzprotokoll. In ihm verständigen sich die Diktatoren auf eine Teilung Polens und des Baltikums unter sich. Stalin ermöglicht Hitler damit den Angriff auf Polen im September 1939, mit dem der Zweite Weltkrieg beginnt.
Am 23. August 1939 wird der Vertrag in Moskau unterzeichnet. Mit von der Partie ist Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann. Angeblich mit einem Sonderauftrag.
Er soll Nahaufnahmen von Stalins Ohren machen. An ihnen habe Hitler erkennen wollen, ob Stalin jüdische Wurzeln habe. Die Bilder hätten ihn beruhigt, sein Bündnispartner sei kein Jude. Tatsächlich wurde Stalin im russisch-orthodoxen Glauben erzogen. Aber er ist kein Russe, sondern Georgier.
Das früheste Foto von Stalin zeigt ihn im Alter von 14 Jahren als Chorknaben. Er wird am 6. Dezember 1878 als Josef Djugasvili im Dorf Gori geboren. Es liegt unweit von Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, und gehört zum russischen Kaiserreich.
Josef ist das einzige Kind von Bessarion Djugasvili, einem Schuster. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist schwierig. Bessarion trinkt und wird schnell gewalttätig. Die Prügel des Vaters machen Josef hart.
Zeit seines Lebens versucht er, seine körperlichen Gebrechen zu verstecken. Die Windpucken hinterlassen tiefe Narben im Gesicht. Sein linker Arm ist kürzer als der rechte.
Angeblich seit einem Unfall mit einem Pferdekarren. Und er humpelt. Mit 16 erhält Josef ein Stipendium für das Priesterseminar in Tiflis.
Mutter Ekaterina will, dass er Bischof wird. Sie schlägt ihn ebenso wie der Vater. Als Priesterschüler verliert Josef seinen Glauben. Im Seminar herrscht eine Kultur der Gewalt. Lehrmeister drangsalieren ihre Schüler, statt sie zu unterrichten.
Von den orthodoxen Mönchen lernt Josef, wie man Menschen unterjocht. Mit 20 provoziert er seine Lehrmeister. Er tritt in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands ein.
Ein Jahr später wird er aus dem Seminar geworfen. Er findet Arbeit am Meteorologischen Observatorium in Tiflis. Nach Feierabend liest er das Kommunistische Manifest, in dem Marx und Engels die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen anprangern und alle Arbeiter aufrufen, gemeinsam in die bewaffnete Revolution zu ziehen.
Josef zieht begeistert in den politischen Kampf. Wegen revolutionärer Agitation wird er im April 1902 das erste Mal verhaftet. Ein ganzes Jahr verbringt er in dieser Zelle. Hier liest er die Werke von Lenin, einem russischen Marxisten im Exil. Sein Leitfaden zur Revolution inspiriert den jungen Aufrührer.
Radikalisiert sich und tritt dem extremen Zweig der sozialistischen Arbeiterpartei bei, den Bolschewiken. Ihr Anführer ist Lenin. Der schätzt die marxistische Gesinnung des jungen Georgias, aber vor allem schätzt er seinen finanziellen Beitrag zur bolschewistischen Sache.
Lenin spricht offiziell von Enteignung. In Wahrheit sind es Banküberfälle, mit denen sich Josef Djugaschvili seine Sporen verdient. Der Überfall auf den Geldtransport der Bank von Tiflis im Juni 1907 wird später sogar verfilmt.
Die Beute? 250.000 Rubel, etwa 6 Millionen Euro. 40 Menschen werden getötet, 90 verletzt. Josef Djugasvili verteidigt die Gewalt.
Bis zur Revolution müssen wir Gesetze brechen. Er nimmt den Kampfnamen Stalin an, der Stelaner. Zwischen zwei Haftstrafen lernt er die Näherin Ketevan zwar nie zu kennen. Er ist vollkommen hingerissen und heiratet Ketevan.
Drei Jahre später stirbt sie an Tuberkulose. Vor ihrem Tod schenkt sie Josef einen Sohn. Doch Jakov bleibt Stalin zeitlebens fremd.
1941 kämpft Jakov gegen die Deutschen. Am 16. Juli wird er gefangen genommen. Stalin vermutet, sein Sohn habe sich ergeben. Deshalb lässt er Jakovs Frau einsperren und verhören.
Er wittert Verrat in der eigenen Familie. Die Deutschen dringen immer tiefer in die Sowjetunion ein. Ihre Panzer durchbrechen die Front und rücken 500 Kilometer weit vor. Hinter der Front machen Einsatzkommandos Jagd auf Juden.
Hunderttausende werden erschossen. Es ist der Beginn des Holocaust. Im Juli 1941 erlässt Stalin den Befehl 270. Wenn Soldaten sich den Deutschen ergeben, sollen ihre Familien bestraft werden. Mehr als die Hälfte der Soldaten sind in der Lage, sich zu verletzen. Der sowjetische Gefangene stirbt in deutschen Lagern.
Viele an Hunger. Die, die überleben, lässt Stalin nach dem Krieg deportieren. Deserteure werden sofort erschossen.
Im ganzen Land werden Männer im Alter zwischen 16 und 50 Jahren mobilisiert. Fast 8 Millionen Soldaten. Stalin selbst ist kein Soldat. Den Ersten Weltkrieg verbringt er im Gefängnis, auf der Flucht und schließlich im Exil in Sibirien. Nach dem Sturz des Zaren kehrt Lenin im April 1917 nach Moskau zurück.
Er ist gegen die bürgerliche Demokratie, die die provisorische Regierung errichten will, und fordert stattdessen eine kommunistische Revolution. Alle Macht den Sowjets, den Arbeiter- und Soldatenräten. Am Abend des 7. November 1917 übernehmen die Bolschewiken die Macht in St. Petersburg, der damaligen Hauptstadt, und stürzen die Regierung.
Der Staatsstreich geht als Oktoberrevolution in die Geschichte ein. Lenin bildet eine Sowjetregierung. Er macht Stalin zum Volkskommissar für Nationalitätenfragen. Am 25. November 1917 finden zum ersten Mal in der russischen Geschichte freie Wahlen statt. Doch die Bolschewiken erleben eine herbe Wahlniederlage.
Lenin löst die verfassungsgebende Versammlung auf und errichtet eine Diktatur, die Diktatur des Proletariats. Er verspricht dem Volk eine klassenlose Gesellschaft. Parteien werden verboten, die Pressefreiheit und das Streikrecht einfach abgeschafft.
Politische Gegner, ob links oder rechts, bezeichnet Lenin als Feinde des Volkes oder Konterrevolutionär. Um sie zu bekämpfen, gründet Lenin die Geheimpolizei Tschecha. In nur sechs Wochen ermordet sie 50.000 Menschen. Stalin ist inmitten des Terrors mit Privatem beschäftigt. Er verführt seine 16-jährige Sekretärin Nadezhda Aliluyeva.
Sie heiratet ihn und schenkt ihm zwei Kinder. In Russland gehört der Tod jetzt zum Alltag. Die Machtübernahme der Bolschewiken führt zum Bürgerkrieg. Ehemalige Soldaten des Zaren schließen sich zur Weißen Garde zusammen, um gegen die Kommunisten zu kämpfen.
Per Dekret genehmigt Lenin den Roten Terror. Darin heißt es... Die Klassenfeinde der Sowjetrepublik sind in Lagern zu isolieren.
Wer in Aufstände der Weißgardisten verwickelt ist, wird erschossen. Zwei Jahre später ist der Krieg gegen die Weißgardisten gewonnen. Doch die Parteiführung um Lenin und Stalin wittert jetzt Feinde in den eigenen Reihen.
200.000 Genossen werden aus der Partei ausgeschlossen. Die Geheimpolizei verstärkt die Jagd auf sogenannte Feinde des Volkes. Zum Leiter der Tschecha Felix Tscherschinsky soll Stalin gesagt haben, Am schönsten ist es, einen Feind auszusuchen, die Details des Schlags vorzubereiten, den Hunger auf grausame Rache zu stillen und dann schlafen zu gehen. Im November 1941 steht Stalins Herrschaft auf der Kippe.
Deutsche Bomber greifen Moskau an. Die Panzer der Wehrmacht sind nur 70 Kilometer vom Kreml entfernt. Trotzdem feiern die Kommunisten den Jahrestag ihrer Machtübernahme am 7. November. 28.000 Soldaten müssen vor dem Kreml antreten, statt an der Front zu kämpfen.
Stalin hat befohlen, dass die Parade stattfinden muss, auch wenn die Deutschen weiter vorrücken. Vom Lenin-Mausoleum spricht Stalin zu den Soldaten. Genossen, Männer der Roten Armee und der Luftstreitkräfte, Politoffiziere und Partisanen, die gesamte Welt erwartet von euch, dass ihr die plündernden Horden deutscher Eindringlinge vernichtet.
Das Schicksal hat euch mit einer großen Befreiungsmission beauftragt. Vor den Toren Moskaus kämpfen die Soldaten mit einem weiteren Feind, der Kälte. Bei Temperaturen von minus 35 Grad Celsius bricht der Stahl der Panzer, Reifen verhärten und die Schmierstoffe der Waffen gefrieren. Auch die Pferde sind der Kälte nicht gewachsen. Eine Million Soldaten, darunter auch Frauen, setzen sich dennoch in Bewegung.
Feldwebel Albina Gantinurova erinnert sich. Laut Befehl durfte niemand zurückweichen. Wer einen Schritt zurückmachte, wurde hingerichtet. Hinter uns liefen Polizisten.
Sie erschossen jeden, der fliehen wollte. Stalin macht darüber einen makabren Witz. In unserer Armee ist ein Rückzug gefährlicher als ein Angriff.
Weihnachten 1941. Moskau ist gerettet. Zu einem hohen Preis. 300.000 Soldaten sind tot. Stalins Armee hat die Wehrmacht 200 Kilometer zurückgedrängt.
Doch noch ist sie nicht besiegt. Im Sommer 1942 rücken deutsche Panzer im Süden bis nach Stalingrad vor. Stalin erhält jetzt Unterstützung von seinen neuen Verbündeten, den USA und Großbritannien. Flugzeuge, Lastwagen, Kraftstoff und Versorgungsgüter.
Stalin aber will noch mehr. Amerikaner und Briten sollen eine zweite Front im Westen errichten, um die Sowjetunion zu entlasten. Doch die lassen sich Zeit. Den deutschen Angriff auf Stalingrad muss die Sowjetunion allein abwehren. Den Kreml-Herren plagen derweil noch andere Sorgen.
Der Regisseur Roman Karmen behauptet, seine Frau, die Schauspielerin Nina Orlova, habe eine Affäre mit Stalins zweitem Sohn Vassili, einem Jagdflieger. Noch brisanter, Stalins einzige Tochter, die 16-jährige Svetlana, soll eine Beziehung mit dem 38-jährigen Drehbuchautor Alexej Kapla haben. Stalin entzweit das Paar. Später schreibt sie, An Kapla hat mein Vater am meisten gestört, dass er Jude war. Stalin lässt Kappler nach Sibirien deportieren in das Arbeitslager Vorkuta, die eisige Guillotine, wie es genannt wird.
Kappler wird beschuldigt, als Spion für die Engländer zu arbeiten. Er wird zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Kein Einzelfall. In den Lagern, den sogenannten Gulags, arbeiten etwa drei Millionen Sträflinge für die Kriegswirtschaft.
Nur jeder Dritte überlebt den Krieg. Die Arbeiter leiden an Hunger und Entkräftung. Seuchen raffen Tausende dahin.
Alexej Kapler hat Glück. Er überlebt den Gulag. Unter den Zwangsarbeitern sind auch Frauen.
Gleich nach ihrer Ankunft im Lager werden sie von den Aufsehern vergewaltigt. Eine von ihnen, Miron Etlis, schreibt, Das Lager vernichtet uns alle. Jeder trägt unheilbare Schäden davon. Unser ganzes Volk nimmt durch diese kollektive Erfahrung Schaden.
Denn der Gulag hat unsere Gene infiziert. Bis zu Stalins Tod sterben Schätzungen zufolge 2,7 Millionen Menschen in den Gulags. Im November 1942 holt die Rote Armee zum Gegenschlag aus.
Die deutschen Soldaten in Stalingrad werden eingekesselt. Einen Monat später gehen der 6. Deutschen Armee Munition und Lebensmittel aus. Es kommt zu Kannibalismus. Am 31. Januar 1943 kapituliert der deutsche Befehlshaber General Paulus. Einen Tag zuvor hatte ihn Hitler noch zum Generalfeldmarschall befördert.
Paulus sollte weiterkämpfen oder Selbstmord begehen. Doch Paulus weigert sich. Ich habe nicht die Absicht, mich für diesen bayerischen Gefreiten zu erschießen.
Hitler will Paulus gegen Stalins ältesten Sohn Jakob austauschen, der seit Juli 1941 in deutscher Gefangenschaft ist. Stalin antwortet, ich tausche keinen Marschall gegen einen Leutnant aus. Stalins Sohn stirbt 1943 im KZ Sachsenhausen.
Jakobs Leiche wird im elektrischen Stacheldrahtzaun gefunden. Rund 100.000 deutsche Soldaten gehen in sowjetische Gefangenschaft. Nur 6.000 von ihnen sehen Jahre später ihre Heimat wieder. Der sowjetische Sieg ist teuer erkauft.
Etwa 500.000 Soldaten fallen auf sowjetischer Seite. Nach der Schlacht von Stalingrad zeigt sich Stalin in neuer Uniform, mit einem Marschallstern auf den Schultern. Er ist jetzt der große Sieger.
Sein Aufstieg zur absoluten Macht begann im Schatten Lenins. Im April 1922 wird Stalin zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewählt. Mit 52 erleidet Lenin einen Schlaganfall und ist teilweise gelähmt.
Sechs Monate später folgt ein zweiter. Das Zentralkomitee der Partei beauftragt Stalin, sich um den Kranken zu kümmern. Stalin verhindert, dass Lenin seinen Sekretären Anweisungen diktieren kann.
Der einstige Revolutionsführer ist abgeschnitten von der Macht, während Stalins Einfluss wächst. Im gleichen Jahr, am 22. Dezember 1922, wird die Sowjetunion gegründet als ein Bund sozialistischer Republiken. Zwei Jahre später stirbt Lenin.
Seine Witwe Nadezhda Krupskaya veröffentlicht den letzten Brief Lenins an die Partei. Darin heißt es Stalin ist zu brutal. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte. Stalin bedroht Nadesta und zwingt sie, ein Dementi zu veröffentlichen.
Er allein sieht sich berechtigt, Lenins Kampf weiterzuführen. Die niemals endende Säuberung der Gesellschaft, der Partei und des Staates von den Feinden des Kommunismus. 1925 lassen sich die Helden der Revolution mit einer Parade feiern.
Allen voran Stalin. Er marschiert mit den Bolschewiken der ersten Stunde. Zinoviev, Kamenev, dem Bürgerkriegsgeneral Voroshilov und Nikolai Bukharin, der Stalin zutiefst misstraut. Er sagt.
Stalin ist ein Intrigant ohne Prinzipien, der alles seinem Machthunger unterordnet. Er ändert seine Theorien, je nachdem, wen er gerade eliminieren will. Um eine neue Machtbasis innerhalb der Partei aufzubauen, gewährt Stalin Arbeitern und deren Nachkommen die Mitgliedschaft in der Partei. Sie haben zwar keine politische Bildung, aber sie sind Stalin für immer dankbar, dass er ihnen den Aufstieg in die Parteibürokratie ermöglicht.
Jetzt muss sich Stalin nur noch eines mächtigen Konkurrenten entledigen. Leo Trotski, den Gründer der Roten Armee. Stalin lässt ihn wegen antisowjetischer Aktivitäten deportieren. 1929 ist Stalin am Ziel. Er ist jetzt 50 und der absolute Herrscher der Sowjetunion.
Auch nach dem Sieg in Stalingrad sind noch weite Teile der Sowjetunion besetzt. Am schlimmsten ist die Lage in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Seit Ende 1941 ist die Stadt von den Deutschen eingekesselt. Hitler will sie nicht durch verlustreiche Kämpfe erobern, sondern aushungern. Die Folgen sind katastrophal.
Mehr als 800.000 Menschen sterben, weil sie nichts mehr zu essen haben. Doch die Belagerten geben nicht auf. Am 25. November 1943 reist Stalin nach Teheran.
Dort will er sich mit seinen Hauptverbündeten treffen, den USA und Großbritannien. Stalin drängt in Teheran auf eine zweite Front im Westen. Er will nicht länger allein die Hauptlast des Kampfes gegen Hitler tragen. US-Präsident Roosevelt und der englische Premier Churchill lenken schließlich ein und stimmen einer Invasion im Westen zu. Churchill erklärt, dass Gott auf Seiten der Alliierten sei.
Stalin entgegnet. Und der Teufel ist auf meiner Seite. Der Teufel ist Kommunist.
1944 befreit die Rote Armee die letzten von den Deutschen besetzten Gebiete in der Sowjetunion. Im Januar 1945 ziehen Stalins Truppen in Warschau ein, dass die deutschen Besatzer nach einem blutigen Aufstand der Polen in ein Ruinenfeld verwandelt haben. Auf ihrem Vormarsch durch Polen entdecken die sowjetischen Soldaten die Städten des Holocaust.
Die Vernichtungslager Majdanek, Belzec, Sobibor und Treblinka. Im Westen sind die Alliierten erfolgreich in der Normandie gelandet. Die zweite Front zwingt die deutsche Wehrmacht zum Rückzug. Im Osten bereitet Stalin den Einmarsch in Deutschland vor. Am 17. Juli 1944 lässt er deutsche Kriegsgefangene durch Moskau marschieren.
50.000 deutsche Soldaten, darunter 1.000 Offiziere und 20 Generäle, werden vorgeführt. Es ist eine Machtdemonstration Stalins. Vor seinem Volk, vor den Alliierten, vor der ganzen Welt. 1930 hat Stalin alle Konkurrenten in der Partei beseitigt.
Jetzt will er die Wirtschaft des Landes nach seinen Vorstellungen formen. Bauernhöfe und Felder werden vergemeinschaftet, Höfe in Familienbesitz aufgelöst. Alle Bauern sollen in sogenannten Kolchosen leben. Doch die Bauern leisten Widerstand gegen Stalins Politik. Sie weigern sich, ihr Land herzugeben und lehnen die Kollektivierung ab.
Stalin nennt sie abschätzig Kulaken. Kulaken sind wohlhabende Bauern, die Lohnarbeiter beschäftigen. Stalin erklärt sie zu Volksfeinden und zwingt sie, ihren Besitz aufzugeben.
Wer sich weigert und Getreide versteckt, muss um sein Leben fürchten. Stalin rekrutiert über 20.000 Polizisten, um die Kollektivierung durchzusetzen. Sie sollen die Großbauern, wenn nötig, mit Gewalt enteignen. In der Dorfgemeinschaft sollen sie keinen Platz mehr haben.
In einem Polizeibericht heißt es, Wir nehmen den Großbauern ihre Winterkleidung und die Unterwäsche. Wir nehmen ihre Schuhe und beschlagnahmen sogar die Kissen unter den Köpfen ihrer Kinder. Auch ihre religiösen Ikonen.
Alles wird verbrannt. Stalin will, dass das ganze Volk bei seiner Kampagne gegen die Großbauern mitmacht. Die Polizei verbreitet die Legende, ein Junge namens Pavel habe seinen Vater verraten, weil der gegen die Kollektivierung war. Er wird zum Vorbild für die Jugend erhoben. Vier Millionen Bauern werden für die Kollektivierung zwangsumgesiedelt, manche bis nach Sibirien verschleppt.
600.000 überleben die Transporte nicht. Die Folgen für die Landwirtschaft sind katastrophal. Eine Hungersnot bricht aus.
Besonders schwer betroffen ist die Ukraine. Fünf Millionen Menschen verhungern. Die Ärztin Margarita Pogrebickaja erinnert sich später an diese Zeit. Wir nannten die Hungersnot Holodomor, Vernichtung durch Verhungern.
Den Menschen wurde alles genommen, bis auf den letzten Krümel. Eine Mutter erschlug ihr Kind mit der Axt und kochte es, um den anderen Kindern etwas zu essen zu geben. Niemand hat Fragen gestellt. Stalins Frau Nadezhda ist die einzige, die ihn auf die Hungerkatastrophe aufmerksam macht.
Doch Stalin macht lieber Ausflüge aufs Land. Wie die Genossen des Politbüros liebt Stalin amerikanische Luxuswagen. In seinem Fuhrpark finden sich zwei Nobel-Limousinen der Marke Packard. 20 Dachas lässt sich Stalin bauen.
Seine Luxusvillen sind über ganz Russland verstreut. Stalin besucht sie je nach Jahreszeit. Hier fühlt er sich wohl. Während sein Volk hungert, geht Stalin Forellen angeln. Und er liest.
Seine Bibliothek enthält mehr als 20.000 Bücher. Seine Friseuse, die ihn jeden Morgen rasiert, betrügt er seine Frau. Nadesta schreibt Stalin von den Schlangen, die sich vor leeren Läden in den Städten bilden.
Von den Bauern, die verhungert auf den Straßen liegen, wagt sie nicht zu berichten. In einem Brief beschuldigt sie ihn. Du bist ein Mörder. Am 7. November 1932 wird Nadeshda mit einem Herzschuss tot im Schlafzimmer aufgefunden.
Die Pistole in der Hand. Die Polizei kommt zum Schluss, es sei Selbstmord gewesen. Gerüchte kommen auf, Stalin habe sie im Streit ermordet. An ihrem Begräbnis nimmt er nicht teil. Offiziell heißt es, Nadezhda habe sich wegen einer akuten Blinddarmentzündung das Leben genommen.
Ein Akt der Verzweiflung. Stalin setzt seinen Terror gegen das eigene Volk ungehindert fort. Die Denunziationen gehen weiter.
Jeder misstraut jedem, Menschen werden ohne erkennbaren Grund eingesperrt. Vassili Nikolaev erinnert sich an seine Zeit im Gefängnis. Das waren ganz normale Leute.
Ein Student wurde zu zehn Jahren lagerhaft verurteilt, weil er einen Witz erzählt hatte. Ein Lastwagenfahrer, weil er so aussah wie Stalin. Ein Barbier, weil er seine Parteikarte nicht dabei hatte. Der Leiter einer Wäscherei dafür, dass er seine Parteikarte dabei hatte.
Ein alter Mann rief, ich freue mich, dass ihr Kommunisten auch eingesperrt seid und es genauso wenig versteht wie ich. Aus der ganzen Sowjetunion werden Gefangene in die Gulags deportiert, zusammengepfercht in Güterwaggons. Eine von ihnen, Marina Isaychik, erinnert sich später.
Im Boden war ein Loch und hinter einem Tuch stand ein Eimer für den Stuhlgang. Die Fahrt dauerte sieben Tage. Wir schliefen auf dem Boden. Mitten in der Taiga wurden wir rausgeworfen.
Viele bekamen Skorbut und verloren Zähne. Mit bloßen Händen haben wir geschuftet. Wir sagten uns, wir müssen nur durchhalten und Geduld haben. Ursprünglich sollten die Gulags als Umerziehungslager für Kleinkriminelle und politische Gegner der Sowjets dienen.
Doch für Stalin sind sie vor allem eine unerschöpfliche Quelle an Zwangsarbeitern, die er für seine Superbauten braucht. Wie der Weißmeer-Ostsee-Kanal, der von 1931 bis 1933 gebaut wird. 300 Kilometer Granitgestein werden in Handarbeit abgebaut. Sträflingsorchester liefern die Begleitmusik.
Das gnadenlose Arbeitstempo fordert Opfer. 30.000 Zwangsarbeiter sterben an Erschöpfung. Alles für Stalins Größenwahn.
Mit einem Fünfjahresplan will er zu den Industrienationen des Westens aufschließen. Januar 1934. Auf dem 17. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gibt Stalin erstaunliche Ergebnisse bekannt. Seine Politik sei ein voller Erfolg. Die Ziele seines Fünf-Jahres-Plans seien ein Jahr früher erreicht worden als vorgesehen. Die industrielle Produktion habe sich verdoppelt.
Die Zahlen sind gefälscht, doch die Genossen geben sich begeistert. Insgeheim aber sind viele von ihnen mit Stalins Politik nicht einverstanden. Bei der Wahl des neuen Zentralkomitees der Partei stimmen 270 der rund 1200 Delegierten gegen Stalin. Stalin reagiert mit Gewalt. In den nächsten Jahren lässt er über 1000 der Kongressteilnehmer hinrichten oder in den Gulag werfen.
Parteitag der Sieger war der Kongress offiziell tituliert worden. Als Parteitag der Verdammten geht er in die Geschichte ein. Die meisten Anwesenden werden später in Schauprozessen wegen staatsfeindlicher Aktivitäten angeklagt. Die Angeklagten erscheinen nicht persönlich vor Gericht.
Sie werden im Gefängnis Lubjanka gefoltert und bis zu ihrem Urteil festgehalten. Bei Kommunisten im Westen rufen die Prozesse Empörung und Kritik hervor. Am 11. März 1938 werden die Angeklagten alle zum Tode verurteilt. Sie hatten Stalin einst zur Macht verholfen. Die Moskauerin Nina Poglazova schreibt über diese Jahre.
Wir leben in einer Welt, in der es nur eine Regel gibt. Stalin steht auf dem Balkon und lügt. Alle klatschen, doch alle wissen, dass er lügt.
Und er weiß, dass wir es wissen. Doch er lügt weiter und ist zufrieden, dass ihm alle applaudieren. Eine andere Frau, Svetlana Alexievich, erinnert sich. Wer nicht eingesperrt wurde, lebte in Angst, dass es noch geschehen könnte. Und wenn man nicht verhaftet wurde, fragte man sich, warum wurden alle eingesperrt, nur ich nicht?
April 1945. Endkampf um Berlin. Die Rote Armee erobert die deutsche Hauptstadt Straße für Straße, Haus für Haus. Die Sowjetunion zahlt einen hohen Preis für den Sieg über Deutschland.
9 Millionen sowjetische Soldaten sind tot, 10 Millionen verletzt, 3 Millionen werden Invaliden bleiben. Zurück in ihrer Heimat finden sie die Gräber ihrer Familien. Rund 20 Millionen Zivilisten wurden Opfer des Krieges, der von Deutschland entfesselt worden war.
Am 30. April begeht Hitler Selbstmord in seinem Bunker unter der Reichskanzlei. Am 8. Mai 1945 kapituliert Deutschland. Für den sowjetischen Diktator ist es die Stunde seines größten Triumphs.
Die Propaganda feiert ihn als den großen Sieger. 12. August 1945. Siegesparade auf dem Roten Platz in Moskau. Stalins Regime feiert sich als neue Weltmacht.
Nie zuvor war der Jubel für Stalin größer. Trotz all der Opfer. Aus der ganzen Sowjetunion sind mehrere tausend junge Athleten angereist, mehrheitlich Frauen, denn die Männer sind gefallen. Die Jugend des Landes muss fünf Stunden marschieren.
Stalin will die eingeladenen Ehrengäste beeindrucken, vor allem den amerikanischen Oberkommandierenden Eisenhower. Bald nennt Stalin ihn einen imperialistischen Feind. Der Kalte Krieg, der die Welt 40 Jahre lang in Atem hält, beginnt.
Im Westen traut Stalin schon jetzt kaum einer. Der französische General de Gaulle, der Stalin 1944 begegnet, schreibt über ihn, Stalin war besessen vom Machthunger, verdorben durch ein Leben von Intrigen, ein Leben von Schmerzen. Leben, in dem er seine Gefühle und seinen wahren Charakter immer verbergen musste und in jedem Menschen ein Hindernis oder eine Bedrohung sah.
Er war Stratege durch und durch voller Misstrauen und Starrsinn. Die Revolution und der Krieg boten ihm die Gelegenheiten, die Partei und der Staat die Mittel für seine Diktatur. Stalin herrscht nach dem Krieg noch acht Jahre mit absoluter Macht.
Am 2. März 1953 erleidet er einen Schlaganfall. Wenig später stirbt der Diktator. Kaum eine Familie in der Sowjetunion blieb von Stalins Terrorherrschaft verschont.
Doch sein Ruhm hat sogar den Untergang des Kommunismus und der Sowjetunion überlebt. Im heutigen Russland ist er noch immer angesehen. Jeder Zweite bewertet seine Herrschaft positiv.