Hallo und schön, dass Sie da sind. Wir sind Simone Adams und Manuel Feldbaumer vom Zentrum für Digitales Lernen und Lernen der Universität Graz. In diesem Video geht es um ein wichtiges, aber oft zu wenig beachtetes Thema für Unterricht und Lehre mit digitalen Medien.
Die digitale Barrierefreiheit. Das bedeutet, dass beim Einsatz von digitalen Medien und Technologien darauf geachtet wird, dass die verwendeten Methoden und Tools keine Barrieren für Menschen mit Behinderung und Beeinträchtigung darstellen, also dass Inhalte von allen Lernenden wahrgenommen werden können. Menschen mit Seh-oder Hörbehinderungen, aber auch Personen mit Lern-und Konzentrationsschwierigkeiten verwenden oft sogenannte assistive Technologien, um Informationen wahrzunehmen. Dazu gehören Bildschirmlupen, die Inhalte stark vergrößern oder Screenreader, die Informationen und Texte mittels Computerstimme vorlesen und gänzlich über die Tastatur bedienbar sind. Assistive Technologien sind aber auch elektronische Kommunikationshilfen wie Texteingabe-oder Textausgabeprogramme sowie Hörgeräte oder Induktionsschleifen.
Das sind Anlagen, die akustische Signale in einem Raum direkt auf ein Hörgerät übertragen. Damit solche assistiven Technologien ihre Arbeit leisten können, braucht es erstens ein Bewusstsein dafür, welche unterschiedlichen Arten und Ausprägungen von Behinderungen es geben kann und zweitens, wie Lernumgebungen ganz allgemein möglichst barrierearm gestaltet werden können, um Probleme erst gar nicht auftreten zu lassen oder zumindest zu minimieren. Deshalb möchten wir in diesem Video auch verschiedene Arten von Behinderungen erfahrbar machen und Lernende zu Wort kommen lassen, die uns erzählen, was barrierefreie digitale Lehre für sie persönlich bedeutet. Doch keine Sorge, für die Berücksichtigung von digitaler Barrierefreiheit benötigt es in den meisten Fällen keine besonderen technischen Kompetenzen.
Vieles kann bei der Erstellung von neuen Lernmaterialien einfach mitgeplant werden. Dazu gehören eine übersichtliche Struktur von Dokumenten und Präsentationen sowie das Nutzen von Formatvorlagen, die in den gängigen Programmen integriert sind. Oder das Einfügen von Bildbeschreibungen für Grafiken und Bilder, das Bereitstellen von Transkripten zu Videos bzw.
das Erstellen von Untertiteln für die Einbettung im Video. Wahlmöglichkeiten bei der Verwendung von digitalen Tools im Unterricht sind ebenfalls hilfreich und generell der Versuch, Inhaltsvermittlung nach dem Zwei-Sinne-Prinzip zu gestalten. Das bedeutet, dass Lerninhalte am besten sowohl durch Sehen als auch durch Hören wahrnehmbar sein sollten.
Und eines gleich vorweg. Digitale Barrierefreiheit kann für alle Menschen nützlich und sinnvoll sein. Genau, für die Studentin in der Bibliothek, die sich noch schnell ein Video in Vorbereitung auf die Lehrveranstaltung ansehen möchte, aber die Kopfhörer vergessen hat und somit die Untertitel braucht, um dem Inhalt zu folgen. Oder wenn ein Schüler ein Lernvideo ansieht, das nicht in seiner Erstsprache ist und er die Untertitel als Lernhilfe verwenden kann. Und dann gibt es noch die große Gruppe der sogenannten nicht sichtbaren Behinderungen und chronischen Erkrankungen, die für andere nicht gleich erkennbar sind.
Personen mit Legasthenie, also mit einer Lese-und Rechtschreibschwäche, benutzen zum Beispiel oftmals eine Software mit Vorlesefunktion für digitale Texte. Das machen auch manche Lernende mit ADHS, ADS oder Lernende mit psychischen Erkrankungen. um sich besser auf die Inhalte konzentrieren zu können. Wichtig für das Verständnis von digitaler Barrierefreiheit ist, dass sich die Darstellung von digitaler Information für Menschen mit Behinderung deutlich von der Standarddarstellung unterscheiden kann.
So sind Bildschirmlupen hilfreich und für manche Lernenden notwendig, erschweren aber mitunter die Orientierung in einem Dokument oder auf einem Bildschirm, wenn im Online-Unterricht zu viele Tools gleichzeitig verwendet werden sollen. Das Gleiche gilt für die akustische Darstellung von Text mittels Screenreader oder die Ausgabe über eine Preilzeile für blinde Menschen. In diesem Fall ist jeweils nur eine Zeile einzeln wahrnehmbar und das Navigieren durch einen Text ist wesentlich zeitaufwendiger als für sehende Personen. Deshalb ist es ratsam, Texte mit Formatvorlagen zu erstellen, die von der Screenreader-Software dann richtig erkannt werden, um das Navigieren zwischen Überschriften, Aufzählungszeichen oder anderen Elementen im Text zu erleichtern.
Bei Bildern oder Grafiken sind die schon erwähnten Bildbeschreibungen wichtig, sogenannte Alternativtexte, weil sonst Bilder für blinde Menschen nicht wahrnehmbar sind. Dazu gehört auch die Kennzeichnung von Schmuckgrafiken, die keine inhaltliche Relevanz haben, damit der Screenreader auch wirklich nur jene Inhalte vorliest, die wichtig sind. Denn was für sehende Lernende gute grafische Aufbereitung ist, kann für blinde NutzerInnen von Screenreadern sonst sehr schnell mühsam werden.
Farbfehlsichtigkeiten, die bei weltweit etwa 300 Millionen Menschen vorkommen, können auch ein Problem darstellen, besonders wenn Farben als alleiniges Mittel für Informationen verwendet werden. Besonders häufig ist die Rot-Grün-Seeschwäche, die bei 8% der Männer in Österreich und Deutschland und 0,4% der Frauen vorkommt. Die Unterscheidung zwischen den Farben Rot und Grün ist für diese Menschen schwierig.
Das kann für interaktive Elemente wie Buttons oder Checkboxen genauso relevant sein wie für Grafiken und Diagramme. Daneben gibt es noch die sogenannte Blausehschwäche sowie die vollständige Farbenblindheit, bei der nur Kontraste wie hell oder dunkel wahrgenommen werden können. Um Problemen bei möglichen Farbfehlsichtigkeiten vorzubeugen, gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten.
Zusätzlicher Text als Erklärung, ergänzende Formen, verschiedene Icons oder unterschiedliche Muster bzw. Schraffierungen. Wenn Hörbeeinträchtigungen vorliegen, ist die Wahrnehmbarkeit von akustischen Signalen beeinträchtigt. Das kann sich unterschiedlich bemerkbar machen, abhängig von der Hörbeeinträchtigung. Während gehörlose Menschen meist über Gebärdensprache kommunizieren und in bestimmten Situationen DolmetscherInnen für Gebärdensprache und Lautsprache dabei haben, haben Menschen mit Benzen Im Gegenzug dazu sind für Menschen mit Hochton-Schwerhörigkeit vor allem weibliche Stimmen und Kinderstimmen sowie Süßleute, wie beispielsweise die Kontraste F, H und S, schwer verständlich und unverwahrnehmbar.
Tinnitus sind Geräusche im Ohr eines Menschen, die ohne eine äußere Schallquelle entstehen. Betroffene hören Töne in einem oder beiden Ohren, entweder permanent oder wiederkehrend. Das kann ein Pfeifen, Summen, Brummen, Rauschen oder Klopfen sein. Und das kann somit die Wahrnehmung von Gesprochenem beeinflussen oder bestimmte Frequenzen vollständig überlagern.
Die Schallleitungsstörung wiederum verringert die Hörleistung bei allen Frequenzen. Konzentrationsschwierigkeiten, Teilleistungsstörungen wie Legasthenie und Dyskalkulie und psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angsterkrankungen gehören zu den nicht sichtbaren Behinderungen. Hier sind die Bedürfnisse so vielfältig wie die Menschen selbst.
Wenn aber lernende Wahlmöglichkeiten haben, wie sie mitarbeiten können, zum Beispiel mündlich oder schriftlich, wie sie Präsentationen aufbereiten und abhalten, synchron oder asynchron und mit welchen Tools Aufgaben bearbeitet werden, kann vielen der Weg zum Lernerfolg erleichtert werden. Didaktische Vielfalt ist dabei genauso wichtig wie regelmäßige Pausen, die Zurverfügungstellung von Materialien auf einer Lernplattform und die rechtzeitige und klare Kommunikation von Aufgaben und Abgabefristen. Allgemein gilt, je besser ich meine Lernenden kenne und je mehr ich über ihre individuellen Bedürfnisse weiß, desto besser kann ich sie unterstützen. Bedarfe können zu Beginn des Semesters. durch anonyme Umfragen erhoben werden und eine gemeinsame Diskussion über das Thema Barrierefreiheit schärft das Verständnis der Gruppe für die Vielfältigkeit ihrer Mitglieder.
Im Präsenzunterricht kann auf viele dieser Dinge einfach und schnell eingegangen werden. In asynchronen Online-Phasen und in der reinen Online-Lehre gibt es gewiss noch ein paar mehr Herausforderungen. Deshalb haben wir Studierende der Universität Graz anonym befragt, was für sie digitale Barrierefreiheit in der Online-Lehre bedeutet. Das hatten sie zu sagen.
Barrierefreie Lehre bedeutet für mich, wenn das Tool, über das eine Lehrveranstaltung abgehalten wird, mit assistiver Technologie gut bedienbar ist. Wenn Nachdenkpausen und stille Reflexionsphasen in die synchrone Online-Einheit eingebaut werden, damit ich die Inhalte besser verarbeiten kann. Wenn nicht nur die Chats der Meetingprogramme für den Informationsaustausch verwendet werden.
Wenn bei Videokonferenzen alle, die nicht am Wort sind, ihren Ton stumm schalten, damit mein Hörgerät nicht so viele Nebengeräusche überträgt und ich mich besser auf die sprechende Person konzentrieren kann. Wenn relevante Bilder mit Bildbeschreibungen hinterlegt werden. Wenn Materialien von Unterrichtseinheiten auch in schriftlicher Form oder als Video zur Verfügung stehen, damit ich mir die Inhalte mehrmals durchlesen und ansehen kann. Wenn Plattformen, auf denen Unterlagen bereitgestellt werden und Arbeitsaufträge hochgeladen werden, mit assistiven Technologien bedienbar sind. Wenn ich die Möglichkeit habe, eine Präsentation nicht live vor allem zu halten, was mich sehr nervös macht, sondern ich sie im Vorfeld über Video oder als Podcast aufnehmen kann.
Digitale Barrierefreiheit ist für mich, in die Gesellschaft integriert zu werden, ohne das zuerst einfordern zu müssen. Sie haben also gesehen, dass digitale Barrierefreiheit auf vielfältige Art hergestellt werden kann. Wir hoffen, Sie konnten einige Ideen und Inspirationen für ihren Unterricht mitnehmen, um allen Menschen einen gleichwertigen Zugang zu Bildung zu ermöglichen.