Singende Kinder. Was sie singen, ist ein islamistisches Kampflied. Ein Lied, das Tod und Gewalt beschwört. In der nordsyrischen Region Rojava wachsen die Kinder von IS-Terroristen in Lagern wie hier in Al-Hol auf. Die Kinder sind von Gewalt umgeben.
Hier wird aus ihnen die nächste Generation IS-Kämpfer. Al-Hol ist das größte Lager in der Region. Und es gilt weltweit als das gefährlichste. Al-Hol wird zur tickenden Zeitbombe einer neuen Terrororganisation werden.
Hier in Rojava haben die Kurden 2019 den IS, den sogenannten Islamischen Staat, erfolgreich verdrängt. Aber kann dieser Sieg von Dauer sein? Wir haben die Kontrolle des IS über Rojava beendet. Aber seine Ideologie und Organisation existieren immer noch.
Auch in den Gefängnissen, in denen die Terroristen des Islamischen Staates seit dem Ende der Kämpfe einsitzen. Und für die die autonome Regierung Rojavas die Verantwortung trägt. Wir haben 12.000 IS-Kämpfer in unseren Gefängnissen. Das kann Rojavas Wirtschaft nicht alleine bewältigen. Die Kurden, die hier leben, fühlen sich alleingelassen.
Und sie werden aus dem Nachbarland bedroht. Für den türkischen Präsidenten Erdogan sind auch sie Terroristen. Seit Jahren greift der Rojava immer wieder an. Ich bin ein kurdischer Filmemacher und lebe in Brüssel. Zusammen mit Gulan, einer kurdischen Journalistin, reise ich nach Rojava in den Nordosten Syriens.
Nach vielen Anläufen haben wir die Erlaubnis erhalten, einige der gefährlichsten Orte der Region zu besuchen. Wir wollen herausfinden, was das Erbe des Kampfes gegen die Terrormilizen des IS für Rojava und seine Menschen bedeutet. Es ist Oktober 2021. Wir haben gerade die Grenze nach Syrien passiert, da wird uns klar, wie gefährlich die Lage auch jetzt noch ist.
Ein Selbstmordattentäter hat einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in die Luft gejagt. Ganz in unserer Nähe. Unser Fahrer Shalan drängt uns schnellstens weiterzufahren.
Er fürchtet einen zweiten Anschlag. Shalan war früher in der syrischen Armee. Im Bürgerkrieg ist er desertiert und in die Kurdengebiete geflüchtet.
Dort hat er sich den bewaffneten Milizen angeschlossen. Er ist unser Fahrer und Bodyguard. Und er ist bis an die Zähne bewaffnet.
Sind die Menschen hier friedlich? Wer weiß das schon. Solange die Regierung hier alles kontrolliert, sind sie für die.
Wenn der IS kommt, halten sie zu denen. Unser erster Halt ist die Stadt Kamisli, direkt an der syrisch-türkischen Grenze gelegen. Hier ist der Sitz der autonomen Verwaltung von Nord-und Ostsyrien, eine Region, die auf Kurdisch Rojava heißt. Während des syrischen Bürgerkriegs übernahmen die dort lebenden Kurden die ölreiche Region in Selbstverwaltung.
2015 bildeten sie eine eigene Regierung. Das syrische Regime ignoriert die Autonomie und auch kein anderer Staat hat Rojavas Regierung bisher offiziell anerkannt. Dem türkischen Präsidenten Erdogan passt die unabhängige kurdische Verwaltung gar nicht.
Warum, erklärt uns Ilham Ahmed, die Co-Vorsitzende des Rates. Die türkische Republik verleugnet die pure Existenz von uns Kurden seit ihrer Gründung 1923. Sie haben Angst, dass die Anerkennung der kurdischen Identität in der Türkei ihre eigene Ethnie schwächen und die Nation spalten könnte. Bei uns in Rojava wird in vielen Schulen die Muttersprache Kurdisch unterrichtet. Das akzeptiert die Türkei nicht.
Vor allem deshalb kämpfen sie gegen uns. Sie befürchten, dass die Kurden die Türkei nicht mehr verhindern. in der Türkei das dann auch fordern könnten.
Vor allem wirft Präsident Erdogan ihnen vor, Rojava und seine Milizen seien Verbündete der PKK, einer aus der Türkei stammenden kurdischen Partei, die auch von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Die PKK war lange in Rojava aktiv. In den 1980er Jahren hat sich die Bewegung hier verbreitet.
Die Kurden in Syrien waren damals unterdrückt und hatten keine Rechte. Mittlerweile wehrt man sich hier dagegen, immer noch mit dem Terror der PKK in Verbindung gebracht zu werden. Heute jedoch geht Rojava seinen eigenen Weg und deshalb ist es auch nicht mehr dasselbe.
Die autonome Verwaltung und die PKK sind nicht dasselbe. Die Kurden hier in Rojava werden selbst seit Jahren von Terrorismus bedroht. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, den Terror der islamistischen Milizen des IS in der Region zu beenden.
Wir sind unterwegs zu einem Treffen mit Nevros Ahmet, einer Kommandeurin des mehrheitlich kurdischen Militärbündnisses SDF. Vor der Abfahrt hat man uns die Handys abgenommen. Das ist jetzt so üblich.
Eine Vorsichtsmaßnahme, seitdem türkische Kampfdrohnen die kurdischen Kommandeure ins Visier genommen haben. Wir haben die Kontrolle des IS über Rojava beendet. Aber seine Ideologie und Organisation existieren immer noch. Sie sind immer noch aktiv.
Sie verüben weiter Terroranschläge und Attentate. Nicht nur auf Militärs, sondern auch auf Zivilisten. Wir wollen sehen, wo der IS gewütet hat, bevor die kurdischen Kämpfer ihn verdrängt haben.
Dazu fahren wir nach Raqqa, damals die inoffizielle Hauptstadt des Islamischen Staates. Überall in der Stadt sind auch heute noch die Spuren der Zerstörung und des Kampfes gegen die Dschihadisten sichtbar. Raqqa war das Symbol ihrer Kalifatsideologie. Diese schrecklichen Bilder, als der IS dort öffentlich Menschen verstümmelte und enthauptete. In den Schulen wählten sie kluge Kinder aus, um sie zu Anführern zu machen.
Die weniger klugen bildeten sie zu Selbstmordattentätern aus. Sie nutzten Raqqa für ihre Propaganda. Sie stellten es als das Paradies auf Erden dar und riefen Muslime auf der ganzen Welt auf, sich dem Kalifat anzuschließen, um Neues zu schaffen.
So gelang es dem IS, zehntausende ausländische Kämpfer hierher zu locken. Unser Fahrer hält Raqqa nicht für sicher und drängt zum Aufbruch. Was ist aus den Kämpfern der Terrormiliz geworden?
Seit sie militärisch besiegt wurden, sitzen tausende von ihnen in Gefängnissen wie Al-Sina ein. Ausnahmsweise dürfen wir mit der Kamera im Inneren des Gefängnisses drehen. Das sind Brutstätten für den IS hier, erklärt uns Kommandant Jamal, der selbst gegen die Terroristen gekämpft hat. Er sieht unseren Besuch mit Sorge.
Die Atmosphäre sei zu angespannt. Wir merken, wie sich das auch auf uns überträgt, während ich filme, zittern meine Hände. Überall dröhnen Generatoren und der Geruch hier ist unerträglich. Jamal führt uns herum. Plötzlich sagt er mir, dass ich nicht mehr filmen soll.
Ein Tor geht auf und ich sehe hunderte von IS-Gefangenen dicht aneinander gedrängt. Viele von ihnen sind verletzt, einigen fehlen Gliedmaßen. Es ist unbeschreiblich eng. Ich schalte das Video meiner Kamera wieder ein, als wir in die Krankenstation kommen. Hier gibt es gerade mal eine Liege.
Diese IS-Gefangenen sind Ärzte. Sie betreuen tausende von Mithäftlingen. Dafür haben sie etwas mehr Platz und dürfen gemeinsam in diesem Raum leben.
Wir haben die Gefängnisse unter schwierigen Bedingungen errichtet. Auf so etwas waren wir nicht vorbereitet. Nach dem Sieg gegen den IS in der Schlacht von Bagus mussten wir plötzlich mehr als 5000 IS-Kämpfer unterbringen. Die IS-Gefangenen haben nicht nur eigene Ärzte, sie kochen auch ihr eigenes Essen. Jamal warnt uns leise, ihnen nicht zu nahe zu kommen.
Er fürchtet, dass sie uns mit kochendem Öl angreifen könnten. Man bringt uns zum Haupttrakt des Gefängnisses, wo gerade der Hofgang der Insassen beginnt. Kommandant Jamal erlaubt uns, auf den Wachturm zu gehen und zu filmen. Gulan soll dabei aber außer Sicht bleiben.
Sie trägt kein Kopftuch und Jamal ist besorgt, dass dies die... Gefangenen provozieren könnte. Die meisten sind ausländische Dschihadisten, die über die Türkei nach Syrien kamen, um sich dem IS anzuschließen.
Wie haben sie es nach Syrien geschafft? Ganz einfach, du fliegst in die Türkei, dort wartet jemand auf dich und bringt dich über die Grenze. Völlig problemlos.
Sogar an der Grenze waren wir willkommen, keiner hat uns aufgehalten. Ich schätze, das Ganze war im politischen Interesse der Türkei. Die meisten inhaftierten Dschihadisten sind schon seit Jahren hier oder in anderen Gefängnissen der Region.
Ohne Perspektive, wie es mit ihnen weitergehen könnte. Das trägt zu viel mit. eckt dazu bei, dass vor allem die Jüngeren sich weiter radikalisieren. Hier wächst eine neue Generation des IS heran. Diese Leute sitzen schon länger hier ein.
Sie nennen sich Asbal al-Kalifat, die Junglöwen des Kalifats. Sie waren Kindersoldaten zwischen 13 und 18 Jahre alt, als sie ins Gefängnis kamen. Hier haben die älteren Gefangenen sie erzogen, sie zu.
echten IS-Kämpfern gemacht. Sie sind extrem gefährlich. Ich denke, dass die Gefangenen sich hier verändern.
Man weiß nicht wie genau, das ist bei jedem anders. Der eine wird Rache nehmen wollen, der andere wird extremistischer. Andere verlieren ihren Verstand im Gefängnis. Auf alle Fälle wird es schlimmer werden. Denn eines ist klar, je länger wir hier in den Gefängnissen der syrischen Demokratie leben, demokratischen Kräfte sind, desto mehr Probleme wird es geben.
Unser Ziel ist es, die Gefangenen in ihre Heimatländer zurückzubringen. Aber solange sie hier sind, müssen wir die Gefängnisse sichern. Die Insassen graben oft Tunnel, um zu entkommen.
Es gibt immer wieder Fluchtversuche. Bisher konnten wir sie aufhalten. Wir haben ihre Fluchttunnel immer wieder entdeckt. Ihr, die ihr hinter Gittern seid, die wichtigste Aufgabe eurer Brüder ist, euch zu befreien. Wir werden euch nie vergessen.
Wie könnten wir? Euch zu befreien ist uns Pflicht und ein Befehl des Propheten. Wir wissen nicht, wie lange wir die Gefängnisse noch sichern können. Wir haben mehr Wachpersonal eingestellt, aber das reicht nicht.
Wir brauchen einen sichereren Ort, ein besseres Überwachungssystem, bis ihre Heimatländer sie zurücknehmen. Europäische Staaten nutzen die rechtlich ungeklärte Situation Rojavas, um ihre Dschihadisten dort zu parken. Einige Länder, auch meines, Österreich, übernehmen keine Verantwortung für ihre Bürger.
Sie lassen sie dort und hoffen, dass sich das Problem so von alleine lösen wird. Menschenrechtsorganisationen sprechen angesichts der Zustände in den Gefängnissen schon von einem neuen Guantanamo. Glauben Sie, Rojava wird das neue Guantanamo?
Nein, auf keinen Fall. Die Gefängnisse wurden auch während der Kämpfe geschaffen. Wir haben sogar Schulgebäude dafür nehmen müssen. Wir wissen, dass die Heimatländer der Kämpfer sie nicht zurückhaben wollen. Das heißt aber, dass diese Länder uns helfen müssen, ein internationales Land zu schaffen.
Tribunal zu schaffen. Oder sie müssen die Kosten übernehmen, um die IS-Kämpfer hier sicher zu verwandeln. Wir haben etwa 12.000 IS-Gefangene hier.
Das kann Rojavas Wirtschaft nicht alleine bewältigen. Unser Besuch im Gefängnis endet abrupt. Jamal sagt, sie sind zu ruhig, hier passiert gleich was.
Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Wir sollen gehen. Wir wollen mehr über den Kampf gegen den IS in Rojava erfahren. Welche Spuren hat er hier hinterlassen?
Wir fahren nach Kobane. Hier, nahe der türkisch-syrischen Grenze, begann der Niedergang des IS. Hier wurde er zum ersten Mal entscheidend zurückgedrängt. Im September 2014 griffen die Dschihadisten Kobane massiv an, aber die kurdischen Kämpfer leisteten erbitterten Widerstand. Hizmet Hasan organisierte damals die Verteidigung der Stadt.
Die IS-Kämpfer haben uns von drei Seiten aus angegriffen. Wir wollten sie in der Stadt, in den engen Straßen bekämpfen, denn dort hatten wir am ehesten eine Chance mit unseren Kleinwaffen. Ganz besonders stolz, so erfahren wir, sind die Menschen hier auf die jungen Frauen, die in Rojava gegen den IS gekämpft haben.
Die YPJ sind die Frauenbrigaden der Volksverteidigungseinheiten. Sie spielten eine sehr wichtige Rolle in der Schlacht um Kobane. Die Frauen waren extrem kämpferisch. Ihnen war klar, sollten sie in die Hände des IS fallen, würde man sie vergewaltigen und töten. Gerade deshalb kämpften sie besonders mutig.
Wir treffen eine der Kämpferinnen. Fatma hat damals im Gefecht einen Arm verloren. Heute hilft sie beim Verband der kriegsverletzten anderen Opfern. Wie die meisten wird auch sie noch oft von den Erinnerungen an die Gefechte eingeholt.
Sie haben immer wieder geschrien, wenn wir euch kriegen, fressen wir euch. Und die ganze Zeit haben sie uns beschimpft. Ob du willst oder nicht, du kannst der Angst nicht entgehen im Kampf.
Und deshalb musst du sie in Mut verwandeln und dich ihr stellen. Du weißt, die Menschen, die hier leben, sind auf dich angewiesen. Wenn du aufgibst, werden sie leiden, sie werden verletzt werden. Und deshalb musst du kämpfen.
Viele der kurdischen Verteidigerinnen und Verteidiger von Kobane haben den Kampf nicht überlebt. Eine Gedenkstätte erinnert an sie. 12.000 IS-Kämpfer haben uns angegriffen.
Sie kamen aus Russland, Frankreich, Türkei, Saudi-Arabien und Orten, von denen ich noch nie gehört habe. Es war schrecklich. Selbst tote IS-Kämpfer haben uns Angst eingejagt.
Eine junge Kämpferin ist neben mir gestorben. Sie hieß Meskin. Ihr Kampfname war Nafal.
Wir waren drei Monate lang zusammen im Gefecht. Sie war 21 Jahre alt und ich 70. Die anderen Kämpfer haben immer gesagt, da ist wieder der alte Mann mit seiner Tochter. Zu Hause sehe ich mir ihr Foto immer wieder an. Sie schaut mich direkt an.
Ich werde sie nie vergessen. Viele Menschen wie Mizgin haben damals ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Warum konnte der IS überhaupt so stark werden? Und welche Rolle spielte dabei das Nachbarland Türkei?
Als der IS die Kurden bei Kobane angriff, schaute die Türkei zu, statt den Kurden zu helfen. Die Türkei hat jahrelang islamistische Kämpfe aus der ganzen Welt über die türkisch-syrische Grenze nach Syrien gelassen. Dort schlossen die sich islamistischen Gruppen an, auch dem IS. Man nennt sie die IS-Kanzlerin.
2014 sagte der damalige US-Vizepräsident Joe Biden dazu. Unser größtes Problem waren die Verbündeten in der Region. Präsident Erdogan, ein alter Freund, hat selbst gesagt, du hattest recht, wir haben zu viele Leute durchgelassen. Ich habe unseren Kampf gegen den IS koordiniert. 40.000 ausländische Dschihadisten kamen nach Syrien und alle über die Türkei.
Ich war so oft in der Türkei, habe sie gebeten, ihre Grenze dicht zu machen. Sie sagten, es ginge nicht. Aber sobald die Kurden Gebiete erobert hatten, wurde alles abgeredet. Im September 2014 beschlossen die Amerikaner, den kurdischen Kampf gegen den IS militärisch zu unterstützen.
Es war eine Allianz gegen den Terror und für die gesamte Menschheit. Deshalb war sie so einzigartig. Niemand hätte je gedacht, dass die kurdischen Volksverteidigungseinheiten und Amerika sich verbünden würden.
Ich denke, wir können sagen, dass wir die Welt verteidigt haben. Wäre der IS hier erfolgreich gewesen, hätte das eine große Gefahr für die Welt bedeutet. Und deshalb sollte die Welt heute uns unterstützen.
Allein in Kobane sind mehr als 1000 kurdische Kämpferinnen und Kämpfer getötet worden. Wir fahren durch eine Landschaft, in der die Kämpfe auch nach dem ersten Sieg noch quälend lange weitergingen. Es dauerte vier Jahre, bis die Terrormilizen bezwungen waren.
Für den endgültigen Sieg war die Hilfe der Internationalen Allianz gegen den IS entscheidend. Die Amerikaner verbündeten sich mit den SDF, den demokratischen Kräften Syriens. Dazu gehörten Kämpfer der Volksverteidigungseinheiten, aber auch Milizen und christliche Gruppen. Sie waren der wichtigste Verbündete der westlichen Allianz im Kampf gegen den IS. Im Oktober 2017 wurde der IS auch in Raqqa besiegt.
Nach vier Jahren brutaler Besatzung durch das sogenannte IS-Kalifat wurde seine Hauptstadt Raqqa befreit. Die Amerikaner verkündeten, eine 30.000 Mann starke Truppe zur Bewachung der syrisch-türkischen Grenze ausbilden zu wollen, um eine Rückkehr des IS zu verhindern. Der türkische Präsident Erdogan reagierte wütend und drohte mit einem Militärschlag.
Entlang unserer Grenzen baut Amerika eine Terrorarmee auf. Wir müssen sie zerstören, bevor sie überhaupt entsteht. Rojava musste sich nun nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen eine drohende Invasion durch die Türkei wehren. Die türkische Armee bombardierte Städte an der Grenze wie Afrin. Bei den Angriffen starben 1500 Menschen.
Bald über 100.000 wurden vertrieben. Trotzdem kämpften die mehrheitlich kurdischen Milizen weiter. Unterstützt durch Luftangriffe der internationalen Koalitionstruppen wurde im März 2019 auch Bagus, die letzte Hochburg des Islamischen Staates, eingenommen. General Nebrus, General Mazloum, Befehlshaber der syrischen demokratischen Kräfte.
Im Namen der Regierung der Vereinigten Staaten gratulieren wir dem syrischen Volk und besonders den demokratischen Kräften Syriens zur Zerstörung des IS-Kalifats und zur Befreiung der vom IS besetzten Gebiete Ostsyriens. Die Türkei drohte weiter mit Angriffen auf Rojava und forderte die US-Armee auf, sich zurückzuziehen. In New York stellte Präsident Erdogan vor der UN seinen Plan eines von ihm so bezeichneten Friedenskorridors im Norden Syriens vor.
Der Versuch, ein Gebiet zu kontrollieren, das einen großen Teil von Rojava ausmacht. In Syrien müssen wir die terroristische Organisation PKK-YPG ausschalten. Deren Gebiete umfassen ein Viertel des syrischen Staatsgebiets. Dort herrscht eine Gruppe, die einige mit dem Namen syrische demokratische Kräfte entkriminalisieren wollen.
Wir wollen einen 30 Kilometer tiefen und 480 Kilometer langen Friedenskorridor schaffen und dorthin mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zwei Millionen Syrer aus der Türkei umsiedeln. Die Idee einer Sicherheitszone entlang der türkisch-syrischen Grenze dient zwei Zielen. Erstens will Erdogan die kurdische Autonomie auf der syrischen Seite eindämmen.
Das zweite Ziel ist die Wiederansiedlung syrischer Flüchtlinge dort. Denn die Türkei versorgt fast vier Millionen von ihnen. Eine enorme Belastung für die Gesellschaft.
Erdogan meint, wenn er die Grenzgebiete kontrolliert, kann er Millionen syrischer Flüchtlinge dahin bringen. Das käme einer ethnischen Sorge. Denn dort leben zehntausende Kurden, die vor türkischen Angriffen fliehen mussten, und Erdogan will nun hauptsächlich arabische Syrer dort ansiedeln. Das würde die Versöhnung und das friedliche Zusammenleben der syrischen Gesellschaft nicht fördern. Im Oktober 2019 zogen die US-Truppen auf Befehl von Präsident Trump überraschend aus Rojava ab.
Die Menschen in der Region protestierten verzweifelt dagegen. Plötzlich zogen sie ab. Die Leute sagten, wieder haben sie uns Kurden verraten.
Das hätte nicht passieren dürfen. Amerika ist eine der größten Kriegsfälle der Welt. China hatte die Macht, sich uneingeschränkt gegen die Türkei durchzusetzen. Um all der Opfer willen.
21.000 Soldaten der demokratischen Kräfte Syriens. Und nicht ein amerikanischer Soldat wurde verletzt. So stark waren wir.
Unmittelbar nach dem Abzug der amerikanischen Truppen startete die Türkei ihre dritte Invasion in Rojava. Erdogan nannte sie Operation Friedensfrühling. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden dabei mehr als 100.000 Menschen vertrieben. Auch heute noch leben viele von ihnen im eigenen Land in Flüchtlingslagern. Im Lager Vashokhani sind es rund 16.000.
Die Türken haben uns angegriffen. Wir waren obdachlos und sind mit den Kindern hierher geflohen. Unsere Kinder wachsen in der Wildnis auf. Wir leben wie Hunde hier. Es gibt acht solcher Flüchtlingslager in der Region.
Die UN hat bisher keine Hilfe in die Lager gebracht. Das syrische Regime verhindert das. Die UN kann nur über die syrische Regierung helfen und die verhindert, dass Hilfsgüter die Flüchtlingslager hier erreichen. Diese Menschen sind nicht mal als Flüchtlinge anerkannt. Sie bekommen keine Hilfe, auch wenn sie alles verloren haben.
Das ist entsetzlich und eine große Last. Langsam bekommen wir eine Vorstellung von den Problemen, mit denen Rojava zu kämpfen hat. Aber wie kann der Westen zu mehr Sicherheit und Stabilität in der Region beitragen?
Zurück in Kamishlib befragen wir dazu Abdul Karim Omar. Wir, die autonome Verwaltung, haben die Westen. Die US-Therruristen haben die weltweite Allianz aufgefordert, ein internationales Tribunal einzurichten.
Es muss hier in Nordostsyrien abgehalten werden, denn die IS-Terroristen haben ihre Verbrechen gegen die Menschen dieser Region begangen. Aber leider haben uns alle im Stich gelassen und wir müssen uns allein um das Problem kümmern. Und das ist eine tickende Bombe, ein drohendes Inferno. Und diese Bombe, so meint Abdul Karim Omar, tickt auch in den Lagern, in denen die Ehefrauen, Kinder, Witwen und Waisen der IS-Kämpfer leben. In Al-Hol, dem größten Camp, sind weit über 50.000 von ihnen und auch sie können dort nicht weg.
Schlimmer konnte es nicht kommen. Das Lager Al-Hol ist das gefährlichste Lager der Welt. Die Brutstätte für eine neue Generation von Terroristen.
Wir haben keine Kontrolle über das Lager. Der IS kontrolliert es. Wir machen uns auf den Weg nach Al-Hol.
Wir haben eine Drehgenehmigung erhalten, aber als wir ankommen, sagen uns die Wachen, dass es zu gefährlich ist. Bevor sie uns ins Lager lassen, muss eine bewaffnete Eskorte zusammengestellt werden. Das wird eine Weile dauern. Zumindest mit dem Auto dürfen wir aber jetzt schon durch das Lager fahren.
Schon nach wenigen Augenblicken sind Kinder da. Kleine Jungen, die uns wüst beschimpfen und verfluchen und das Auto mit Steinen bewerfen. Das Leben ist hart, wenn man hier aufwächst. Die Gewaltideologie des IS allgegenwärtig. Eine kurdische Wächterin, die nicht gefilmt werden möchte, erzählt uns, dass die kleinen Kinder im Lager ihr zuwinken und dabei eine Bewegung machen, als würden sie ihr die Kehle durchschneiden.
Sie schreien sie an, sie sei eine Ungläubige und sie würden sich für den Tod ihrer Eltern rächen. Und dann stimmen die Kinder ein Kampflied des IS an. Sie singen davon, dass sie selbst eines Tages auch Dschihadisten werden und ihr Leben den Propheten opfern wollen.
Jetzt müssen wir Al-Hol erst mal verlassen. Wir fahren in das drei Stunden entfernte Lager Roj. Dort dürfen wir filmen und einige Bewohner haben sich bereit erklärt, mit uns zu sprechen. Das Lager hat zwei Bereiche. In einem leben extremistische Frauen, von denen einige Selbstattentate verübt haben.
In dem anderen sind Familien untergebracht, die nicht zum IS gehören oder sich von deren Ideologie losgesagt haben. Ich habe einen großen Fehler gemacht. Es war falsch, nach Syrien zu kommen. Unsere Länder sollten uns zurückholen, damit wir ein neues Leben beginnen können. Das ist Vidad.
Sie erzählt uns, dass sie am Weltfrauentag ihren Schleier abgelegt hat. Frauen, die ihren Niqab ablegen, droht die Verbrennung bei lebendigem Leib. Vedat hat vier kleine Kinder von zwei dschihadistischen Vätern. Das Camp ist nichts für Kinder. Sie können nicht zur Schule gehen, sie sind von Gewalt umgeben.
Sie haben keine Beschäftigung. Wenn sie hierbleiben, wird aus ihnen die nächste Generation IS-Kämpfer. Viele Kinder werden aus dem Lager geschmuggelt und dem IS übergeben. rekrutieren sie Kindersoldaten.
Es ist schwer, aber ich versuche, meinen Sohn vor dieser radikalen, extremistischen Ideologie des Slavs zu schützen. Man sagt uns, dass diese Frauen nur eine kleine Minderheit unter Tausenden von gefangenen IS-Frauen sind. Sie sehen sich selbst als Opfer des IS und bestreiten an den Verbrechen gegen syrische und irakische Frauen und Kinder beteiligt gewesen zu sein.
IS-treue Frauen dagegen verstecken oft Kinder, deren Mütter gestorben sind, nur um zu verhindern, dass sie in die Obhut von Menschen kommen, die sie als Ungläubige ansehen. Wir fahren zu einem der Waisenhäuser, in denen Kinder leben, die aus dem Lager herausgeholt werden konnten. Wir wissen oft nicht, welche Nationalität die Kinder haben. Wir bieten ihnen eine gute Erziehung und Ausbildung, das geht. Aber wir machen uns Sorgen um ihre Zukunft.
Was wird aus ihnen werden? Gott sei Dank geht es ihnen hier gut. Und Sie kümmern sich um die Kinder? Ja, ich gebe ihnen die Liebe, die eine Mutter ihrem Kind gibt und mehr.
Sie sollen nicht das Gefühl haben, nicht geliebt zu werden. Wir machen uns auf den Weg zurück nach Al-Hol. Mittlerweile ist dort alles vorbereitet.
Die bewaffnete Eskorte wartet auf uns. Nun dürfen wir das Lager mit der Kamera betreten. Al-Hol ist bekannt dafür, dass hier...
Besonders viele hartgesottene IS-Unterstützer leben. Es gilt als Hort für radikale Fanatiker. Dies wird wohl der gefährlichste Teil unseres Drehs werden. Al-Hol ist eine Stadt, ein kleines Kalifat geworden.
Es hat einen irakischen, einen syrischen und einen internationalen Bereich. Die radikalsten IS-Anhänger sind die Ausländer. Jetzt sind wir drin im Al-Hol-Camp.
Gleich kommen wir zum Markt. Unser Begleiter Ferhat bringt uns in den Teil des Lagers, in dem die Ausländerinnen und ihre Kinder leben. Hier haben sich Frauen zu einer gewalttätigen Hardliner-Gruppe zusammengeschlossen. Wir wollen, dass nur das Gesetz Gottes, die Scharia gilt. All die Kinder hier sind die neuen Soldaten des IS.
Sie haben erzählt, dass Sie heute Morgen ein totes Baby gefunden haben. Jeden Tag geschieht hier so etwas. Das Baby war in einer Plastiktüte im Müll. Hier passieren viele schlimme Dinge.
Eine Frau wurde getötet. Dann haben sie sie ins Abwassersystem geworfen. So viele Grausamkeiten geschehen hier.
Kommen Sie, wir gehen über den Markt. Raus aus dem Auto? Ist das nicht so gefährlich? Dafür haben sie uns bewachert dabei. Das ist der Markt des Lagers.
Den organisieren die Leute hier selbst. Sie können sie ansprechen, aber sie werden ihnen nicht antworten. Hat man ihnen verboten, mit uns zu reden?
Ja. Die Lager sind sehr schwer zu kontrollieren. Die Lebensbedingungen sind unerträglich.
Es ist gefährlich, ausländische IS-Mitglieder, vor allem Kinder, hier zu lassen. Al-Hol wird zur tickenden Zeit. Zeitbombe einer neuen Terrororganisation, die hier entstehen könnte.
Sehen Sie da die Gestalten in der Burka? Manche sind bewaffnete Männer. Plötzlich kommen sie auf einen zu, schießen und rennen weg. Das passiert.
Ist es nicht so gefährlich für uns? Ja, es wird langsam gefährlich. Der Markt wird zu voll. Es ist nicht mehr sicher hier.
Wir wissen, dass die Gruppen in Al-Hol gut organisiert sind und auch Befehle von außen erhalten. Sie haben Kontakt nach draußen und kommunizieren per Telefon. So erhalten sie Befehle zu töten und Überfälle zu verüben. Jeden Tag werden dort Menschen getötet. Und vor allem da, wo die ausländischen Frauen leben, wird eine neue Generation Terroristen herangezogen.
Wir glauben, dass die viel gefährlicher sein wird als der IS selbst. Von klein auf wurden sie mit radikalen, extremistischen Ideen gefüttert und man hat ihre Seele mit dem Hunger nach Rache gefüllt. Die Kinder sollen die neuen Kämpfer werden. In den Lagern und Gefängnissen schmieden sie langfristige Pläne und verheimlichen das nicht.
Sie sagen, wir werden noch stärker zurückkommen. Der islamische Staat wird weiterleben, sagt dieses Video. Und zeigt, wie im Lager die Flagge des Kalifats weht. Leider hilft die Türkei den IS bei all dem am meisten.
Es gibt viele illegale Zellen, die bei der Flucht aus den Lagern helfen. Täglich gibt es Versuche aus den Lagern zu fliehen. Und die, denen es gelingt, fliehen in die Flucht. Die Türkei. Oft werden sie mit Hilfe der Türkei herausgeschleust.
Die Türkei sagt dazu, sie helfe nur Menschen, Al-Hol zu verlassen, die gerettet werden müssen. Der Nationale Nachrichtendienst, MIT, unterstütze lediglich Ausländer, die in ihre Heimatländer zurückgeführt werden wollten. Die Mischung aus Flüchtlings-und Internierungslager, als die wir Al-Hol erlebt haben, stimmt uns sehr nachdenklich.
Das Gefühl von Bedrohung, das im Camp spürbar war, begleitet uns weiter. Der Besuch dort hat unseren Eindruck noch verstärkt, dass das Erbe des IS in Rojava hochexplosiv ist. Im Januar 2022, kurz nach unserer Reise, wird wahr, was viele befürchtet haben.
Zwei Selbstmordattentäter des IS sprengen sich vor dem Gefängnis von Al-Sina in die Luft. Auf Social-Media-Kanälen laufen Videos, auch aus dem Inneren des Gefängnisses. Es war ein gut organisierter Aufstand und ein Versuch, die ganze Stadt zu übernehmen. Sie wollten nicht nur aus dem Gefängnis freikommen. Während die syrischen demokratischen Kräfte den Aufstand im Al-Sina-Gefängnis in Hasaka bekämpften, flog die Türkei weiter Drohnenangriffe gegen sie.
Sie griffen kurdische Einheiten an, die auf dem Weg zum Gefängnis waren, um den IS zu bekämpfen. Am Ende gelingt es dem kurdischen Militär, die Kontrolle zurückzugewinnen. Es ging ihnen nicht nur um das Gefängnis. Sie wollten in Al-Hol und der Region Hasaka und Raqqa Chaos stiften. Der IS hat die Angriffe das zweite Kalifat genannt.
Man wollte die Kontrolle über die gesamte Region zurückerobern. Es heißt, dass 374 Dschihadisten bei den Kämpfen getötet wurden und viele sollen entkommen sein. Kommandant Jamal, der Wachmann, der uns durch das Gefängnis geführt hat, ist einer der 77 Mitarbeiter, die brutal hingerichtet wurden.
Und dann erreicht uns die Nachricht, dass Zaynab, die Betreuerin aus dem Waisenhaus, getötet wurde. Sie starb bei einem türkischen Drohnenangriff. Die Aggressionen aus der Türkei scheinen auch in Kamishli zuzunehmen.
Wir selbst haben noch während unserer Abreise einen Angriff erlebt. Nach unserer Rückkehr spricht Präsident Erdogan am 20. September 2022 wieder vor der UN. Und wieder äußert er seine Meinung, dass es keinen Unterschied zwischen dem kurdischen Militär und der terroristischen PKK gebe.
Unser Eindruck nach der Reise. Die Gefahr, dass die Terrormilizen des IS wieder erstarken, ist real. Und Rojava wird mit dieser Bedrohung weitgehend alleingelassen.
Doch was ist, wenn die Kurden den IS nicht mehr unter Kontrolle halten können? Dann dürften die Auswirkungen schnell auch in Europa zu spüren sein.