Transcript for:
Kants Pflichtethik und moralische Grundfragen

Was soll ich tun? Das ist die Grundfrage der Ethik. Es geht also um Handlungen und die Unterscheidung von moralischen und unmoralischen Handlungen. Jede Handlung hat Konsequenzen und jede Handlung hat eine Motivation. Immanuel Kant ist der Meinung, der moralische Wert einer Handlung dürfe nur anhand der zugrunde liegenden Motivation beurteilt werden und nicht anhand der Konsequenzen. Der gute Wille allein zählt. Denn stell dir vor, jemand würde mit böser Absicht handeln, aber durch Zufall hätte seine Tat positive Konsequenzen. Zum Beispiel, wenn ein Kindermörder Baby Hitler getötet hätte. Damit wäre zwar der Holocaust verhindert worden, aber es wäre laut Kant trotzdem keine moralisch gute Handlung. Denn die Absicht ein Baby zu ermorden war böse. Andersherum könnte auch jemand mit bestem Willen unbeabsichtigt negative Konsequenzen herbeiführen. Zum Beispiel, wenn ein Arzt ein Serum verabreicht, auf das der Patient mit einem allergischen Schock reagiert und daran stirbt. Das wäre dann trotzdem keine unmoralische Handlung. Der Wille war ja gut. Nein, man darf eine Handlung moralisch nicht nach ihren Konsequenzen beurteilen, meint Kant. Er stellt sich damit gegen jede Form einer Konsequenzenethik, wie sie zum Beispiel im Utilitarismus vertreten wird. Ein Utilitarist würde sagen, man solle die Handlungen nur anhand des Nutzens für die Gesellschaft bewerten. Dem widerspricht Kant, indem er sagt: „Es ist überall nichts in der Welt, was ohne Einschränkung für gut könne gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ Das Entscheidende ist also die Motivation, der Wille. Okay, aber was ist ein guter Wille? Dazu muss man zuerst Kants Menschenbild begreifen. Der Mensch ist für Kant ein Bürger zweier Welten. Auf der einen Seite gehört er – wie die Tiere – der Sinnenwelt an und ist dort den Naturgesetzen unterworfen. Auf der anderen Seite gehört er aber auch der Verstandeswelt an, hat also eine Art geistige Antenne und damit die Möglichkeit, sich an geistigen Gesetzen zu orientieren. Das ist übrigens „Freiheit“ im Sinne Kants. Die Freiheit, geistigen Gesetzen zu folgen. Was nun den Willen zu einer Handlung betrifft, so folgt dieser wohl meist nicht geistigen Gesetzen, sondern den Neigungen. Mit „Neigungen“ meint Kant sinnliche Begierden wie Hunger, Durst, Sexualtrieb aber auch das Streben nach Anerkennung, Liebe und Glückseligkeit. Solches Streben nach Bedürfnisbefriedigung ist letztlich immer eine Form der Selbstliebe, wie man sie auch bei Tieren findet. Jede Handlung, die durch solche Neigungen motiviert ist, ist für Kant moralisch wertlos. Hier findet man keinen guten Willen sondern einfach nur Egoismus. Der gute Wille liegt nur darin, dass man sich von moralischen Pflichten motivieren lässt, die aus der Verstandeswelt stammen. Deshalb nennt man Kants Ethik auch Pflichtethik. Kant ist nämlich der Meinung, es gäbe ein ewiges moralisches Gesetz, welches für jedes vernunftbegabte Wesen einleuchtend ist. Dieses Gesetz ist der sogenannte „kategorische Imperativ“. Den Inhalt dieses Gesetzes erkläre ich in einem anderen Video. Der größere Zusammenhang jedenfalls ist, dass man aus dem kategorischen Imperativ laut Kant einzelne moralische Pflichten ableiten kann, wie zum Beispiel: Lüge nicht! Entwickle dich! Hilf Menschen in Not! Und so weiter. Nur wenn man sich diese Pflichten selbst zur Maxime macht und sich somit aus Achtung vor dem moralischen Gesetz direkt von einer Pflicht motivieren lässt, nur dann handelt es sich um einen wirklich guten Willen. Und nur dann vollführen wir eine wirklich moralische Handlung. Kant nennt das dann Handeln aus Pflicht. Nur das Handeln aus Pflicht ist das wahrlich gute Handeln. Es ist allerdings von außen schwer zu erkennen, ob jemand wirklich aus Pflicht handelt oder ob er nur pflichtgemäß handelt aber eigentlich von Neigungen motiviert ist. Wenn jemand zum Beispiel einem armen Menschen Geld gibt, so könnte das eine moralische Handlung sein, wenn er sich von der Pflicht „Hilf Menschen in der Not“ leiten lässt. Er könnte aber auch aus Neigung handeln, zum Beispiel, um einer Beobachterin zu imponieren oder um den Bettler loszuwerden. Dann wäre diese Handlung zwar von außen gesehen pflichtgemäß, aber dennoch moralisch wertlos. Man muss außerdem aufpassen, dass man moralische Pflichten nicht mit den Gesetzen der Klugheit verwechselt. Diese sind zum Beispiel: Putze die Zähne! Lerne für die Schule! Investiere dein Geld sinnvoll! Auch wenn diese Regeln wie Pflichten klingen, so sind sie doch letztlich nur dafür da, einen egoistischen Zweck zu erreichen: Putze deine Zähne, um ein gesundes Gebiss zu erhalten. Lerne für die Schule, um gute Noten zu bekommen. Investiere dein Geld sinnvoll, um dein Vermögen zu vermehren. Es geht also immer um ein bestimmtes Ziel. Kant nennt diese Regeln „hypothetische Imperative“, weil man immer schon ein angestrebtes Ziel voraussetzen muss. Wer nach solchen Regeln handelt, nutzt zwar den Verstand, ist aber dennoch von seinen Neigungen motiviert. Einem bedürftigen Menschen mit guter Geschäftsidee einen Kredit zu gewähren in der Hoffnung auf eine fette Rendite ist vielleicht eine sinnvolle Investition und damit eine kluge Handlung, aber eben keine moralische Handlung. Es ist also nach Kant eher die Ausnahme, dass eine Handlung wirklich moralisch ist, also wirklich aus Pflicht motiviert ist und nicht aus Neigung. Deshalb spottete auch der Dichter Friedrich Schiller über Kants Pflichtethik mit folgendem Vers: „Gerne dien' ich den Freunden, doch tu' ich es leider mit Neigung. Und so wurmt es mir oft, dass ich nicht tugendhaft bin.“ Was meinst du? Macht Kants Pflichtethik Sinn?