In diesem Video beschäftigen wir uns mit der Innenpolitik im deutschen Kaiserreich. Das heißt: mit dem Kulturkampf, mit dem Sozialistengesetz und mit der Art und Weise, wie der Reichskanzler Otto von Bismarck regiert. Eben alles, was du dazu wissen musst. Wie das deutsche Kaiserreich gegründet wird, das habe ich euch in diesem Video hier oben erklärt. Schaut einfach mal rein, einfach auf das "i" klicken. Im Jahr 1871 ist auf jeden Fall der geeinte deutsche Nationalstaat endlich da. Das ist wichtig zu wissen. Aber die innere Einheit, die ist nicht da. Viele Menschen, viele gesellschaftliche Gruppen haben keine Verbindung, keine Beziehung zu diesem neuen Reich. Die einen wollen eine möglichst freie Wirtschaft, die anderen fordern Schutzzölle für die heimische Landwirtschaft. Die einen wollen mehr Demokratie, die anderen fordern Gehorsam der Untertanen. Die einen treten für mehr Einheit ein, die anderen wollen die Rechte der einzelnen Landesfürsten schützen. Und so weiter und so fort. Eine schwierige Lage für den Reichskanzler Otto von Bismarck. Deshalb versucht er in der Innenpolitik das zu tun, was er auch in der Außenpolitik tat, um das Reich zusammenzubringen. Bismarck einte die deutschen Staaten und Bürger immer hinter einem gemeinsamen Feind. Erst die Norddeutschen gegen Österreich, dann die Nord- und Süddeutschen gemeinsam gegen Frankreich. Und jetzt sucht er Gegner in der Innenpolitik, sogenannte Reichsfeinde, damit er gegen diese Minderheit die Mehrheit vereinen kann. Die ersten Reichsfeinde sind die Katholiken. Die bieten sich geradezu an. Der Papst in Rom hat nämlich den Liberalismus und den säkularen Staat, der ohne die Religion auskommt, für schlecht befunden. Außerdem hat er sich für unfehlbar erklärt. In ganz Europa gibt es deshalb Probleme. Die Staaten fühlen sich natürlich von der katholischen Kirche herausgefordert. Im deutschen protestantisch geprägten Kaiserreich kommt es zum größten Konflikt. Denn Bismarck spitzt den Streit zu. Die Katholiken sollen dem Kaiser gehorchen und nicht dem Papst. Deshalb führt er einen Kampf für die Trennung von Kirche und Staat. Damit will er die Macht der Kirche brechen. Und er will die Zentrumspartei, das ist die Partei der deutschen Katholiken, kleinhalten. Und die Nicht-Katholiken will er hinter sich versammeln. Wie läuft das ab? Na ja, die Schulen, bisher eine Angelegenheit der Kirche, werden staatlich beaufsichtigt. Den Pfarrern wird verboten, dass sie sich in Gottesdiensten zur Politik äußern. Dieses Gesetzt heißt "Der Kanzelparagraph", weil die Pfarrer von der Kanzel herab predigen. Die Zivilehe wird eingeführt. Bisher wurden Ehen in der Kirche beschlossen. Das kann man zwar auch weiterhin machen, aber rechtlich verbindlich ist die staatliche Trauung auf dem Standesamt, mit Urkunde und Stempel und vielen anderen Dingen. Ein neuer Beruf wird erfunden: der Standesbeamte. Und diesen Beruf gibt es ja heute auch noch. Der Staat zahlt auch kein Geld mehr an die Kirche. Verschiedene katholische Mönchsorden werden verboten. Über die Hälfte der katholischen Bischöfe wurde eingesperrt oder aus dem Land getrieben. Man nennt diese Maßnahme "Kulturkampf". Wie geht der Kulturkampf aus? Bismarck verliert. Die Katholiken im ganzen Reich halten zusammen. Die Zentrumspartei legt bei den Wahlen sogar zu. Und selbst die Protestanten finden, dass Bismarck zu sehr gegen die Kirche ankämpft. Am Ende muss der Reichskanzler klein beigeben. Immerhin: Die staatliche Schulaufsicht und die Zivilehe, die gibt es heute noch. Otto von Bismarck hat in dieser Zeit schon einen anderen Feind im Auge: die Sozialisten. Durch die Industrialisierung - ich empfehle euch dazu, das Video hier oben anzuschauen - entsteht eine neue Schicht: die Arbeiterschaft. Die politischen Interessen der Arbeiter vertreten die Sozialdemokraten. Die wollen den Sozialismus, also vereinfacht gesagt eine Gleichverteilung allen Eigentums. Damit eignen sie sich wunderbar als Reichsfeinde. Bismarck bekämpft sie mit dem Sozialistengesetz. Sozialdemokratische Zeitungen, Vereine und Versammlungen werden verboten. Nur die SPD, die Arbeiterpartei, darf weiter bestehen. Die Angst vor einer sozialistischen Revolution soll die liberalen und konservativen Bürger hinter Bismarck versammeln. Weil Bismarck langfristig auch die Arbeiter als treue Untertanen an das Kaiserreich binden will, führt er Sozialgesetze ein. Ihr könnt euch das Video hier oben anschauen, dann erfahrt ihr mehr dazu. Seine Hoffnung ist, dass sich die Arbeiter von der SPD ab- und dem Staat zuwenden. Aber: Auch den Kampf gegen die Sozialisten verliert Bismarck. Die Arbeiter halten zur SPD und die wird von Wahl zu Wahl stärker. Immerhin: Die Sozialgesetzgebung, die begründet den Sozialstaat, in dem wir heute leben. Wir sehen also: Die Strategie Bismarcks, dass man die Menschen zusammenbringt, indem man gegen angebliche Feinde kämpft, die hat so gar nicht funktioniert. Im Gegenteil: Am Ende hat es sich Bismarck mit fast allen politischen Lagern verscherzt. Er ist trotzdem der bestimmende Politiker im Reich. Das liegt zum einen an seiner Stellung als Reichskanzler. Nach der Verfassung braucht der Reichskanzler keine Mehrheit im Parlament. Er kann also regieren, wie er will und muss sich um Wahlen oder Mehrheiten nicht scheren. Er braucht nur das Vertrauen des Kaisers. Es liegt aber auch und vielleicht vor allem an seinem Charisma, an seiner Persönlichkeit. Es gibt einen regelrechten Bismarck-Kult. Kraft seiner Person schafft Bismarck es immer wieder, politische Mehrheiten und Mehrheiten in der Bevölkerung hinter sich zu versammeln. Bis zum Jahr 1890. Jetzt sitzt nämlich Wilhelm II. auf dem Thron. Er ist der Enkel von Bismarcks Förderer Wilhelm I. Dieser erste deutsche Kaiser, der stirbt im Jahr 1888 und sein Sohn, der Kaiser Friedrich III., sitzt nur 99 Tage auf dem Thron. Dann stirbt auch er im sogenannten Dreikaiserjahr. Und der junge Monarch Wilhelm II., der will selbst regieren, die Führung in seine Hand nehmen. Er sorgt dafür, dass Bismarck abtreten muss. Bismarcks Nachfolger als Reichskanzler wollen weniger Konfrontation. Die Methode mit dem Angst machen vor irgendwelchen Feinden funktioniert einfach nicht mehr. Politik ist mittlerweile nicht mehr nur eine Angelegenheit des gehobenen Bürgertums, sondern aller Bevölkerungsgruppen. Es gibt starke Gewerkschaften, Vereine, Interessenverbände. Zeitungen diskutieren politische Themen und mobilisieren die Leute. Die Fronten verschieben sich. Die Sozialdemokraten und die Liberalen, die früher spinnefeind waren, finden jetzt zusammen, weil sie beide eher für die Stadtbevölkerung Politik machen. Das Katholische Zentrum und die Konservativen haben ihre Anhänger eher auf dem Land. Die Linksparteien wie die SPD erhalten immer mehr Stimmen. Aber: Sie schaffen es nicht, eine Mehrheit im Parlament zu organisieren. Die Regierung muss also immer nach Mehrheiten suchen und kann keine klare Politik machen und die zerstrittenen Parteien schaffen es nicht, dem Parlament mehr Rechte zu erkämpfen. Kaiser Wilhelm II. würde gerne selbst regieren, darf das jedoch nicht und er kann sich auch nicht durchsetzen, aber er hat schon viele Anhänger. Und so stehen sich die politischen Lager immer unversöhnlicher gegenüber. Das Deutsche Kaiserreich steckt innenpolitisch in einer ziemlichen Krise. Es kommt nur nicht zum großen Krach, weil im Jahr 1914 der Krieg ausbricht. Wir machen hier erst mal Schluss. Wenn ihr mehr über das Deutsche Kaiserreich wissen wollt, dann guckt euch doch bei uns die anderen Videos an hier auf dem Kanal. Außerdem solltet ihr unbedingt den Kanal abonnieren, dann verpasst ihr nämlich künftig kein Video mehr. Danke euch fürs Zuschauen, bis zum nächsten Mal. Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2017