Transcript for:
Folge 2: Warum sind Wahlen so wichtig für die Demokratie? Prof. Stephan Bröchler

Willkommen zur zweiten Folge von Wir haben die Wahl, der Podcast des Landeswahlleiters für Berlin. Die Frage heute klingt vielleicht ganz einfach, berührt jedoch die Essenz eines politischen Systems. Warum sind Wahlen nicht die Grundlage für die Wahl? für die Demokratie so wichtig. Dazu hat Landeswahlleiter Prof. Stefan Bröchler einen der führenden Forscher im Bereich von Systemtransformation, Regimewechsel und Demokratisierung zum Austausch gebeten. Prof. Dr. Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. In seinem jüngsten Buch beschäftigt er sich mit Zerbrechlichkeit und Resilienz der Demokratie im 21. Jahrhundert. Ja. Herzlich willkommen, Herr Merkel. Ich freue mich, dass Sie sich Zeit genommen haben, heute zu sprechen. Vielen Dank. Die Freude ist durchaus auch auf meiner Seite. Dankeschön. Ja, haben Sie schon mal eine Wahl ausgelassen? Ja, und das war quasi nachdem ich das Erwachsenenalter, das Wahlalter, damals in den 70er Jahren gerade überschritten hatte. Und damals waren mir als ein Linker, ich habe mich in etwa im Abitur... Tour befunden oder danach, als Linker das Parteienangebot zu konservativ. Und wir hatten lange Diskussionen, sollten wir eine der Splittergruppen, der K-Gruppen hießen die damals, also kommunistische Gruppen wählen oder Wahlenthaltung. Ich habe mich damals für die Wahlenthaltung entschieden. Das war aber das einzige Mal. Ich gehe jetzt natürlich immer eigentlich zu allen Wahlen, zu denen ich gehen darf. Ich begreife das, klingt etwas großartig, ich begreife das als eine Art republikanischen Akt, als ein Akt dazugehören zu wollen zu einer politischen Gemeinschaft und betrachte es gewissermaßen auch eine demokratische Pflicht. Ja, meine erste Wahl war unter ähnlich schwierigen Gesichtspunkten. Wir hatten damals in unserer Schülerzeitschrift den programmatischen Titel der Trotzkopf. Und da waren quasi alle politischen Spektren vertreten, aber wir waren uns auch nicht einig, was dann zu wählen sei. Ich habe dann aber auf den letzten Metern sozusagen dann noch die Stimme abgegeben. Der Trotzkopf, wenn ich das ganz kurz einwerfen darf, der Trotzkopf dachte, jetzt kommt Trotzki und als Trotzkist wählt man mich. Genau, die Berufsrevolutionäre, nein, nein. Ja, Anlass für unser heutiges Gespräch ist ein... Konkretes Ereignis, die mögliche Wiederholungswahl zum Deutschen Bundestag. In diesem Jahr mussten wir ja hier in Berlin schon zweimal an die Wahlurne, einmal zum Abgeordnetenhaus von Berlin und den BVV-Wahlen und dann zum Volksentscheid. Und nun müssen wir wirklicherweise wieder in wenigen Monaten wählen gehen. Herr Merkel, worin liegt aus Sicht der Demokratieforschung die Bedeutung von Wahlen für funktionierende Demokratien? Wahlen sind vollkommen zentral. Also sie sind zentral. nicht alles in der Demokratie, aber ohne sie ist alles nichts. So könnte man das bündig zusammenfassen. Die Idee ist schlicht, wir können uns nicht direkt selbst regieren, dafür sind wir zu groß. Das ging vielleicht zu Rousseaus Zeiten auf Genfer Marktplätzen, aber geht sicherlich nicht. in einem solchen Territorialstaat, wie wir ihn heute in aller Regel nicht nur bei uns, sondern in anderen Staaten haben. Deshalb müssen wir Regierende dazwischen schalten oder besser gesagt Repräsentanten, die uns in unseren Interessen, aber auch in unseren Wertpräferenzen repräsentieren. Und dafür haben wir in aller Regel in Demokratien ein breites pluralistisches Angebot. Wir haben das sicherlich in der Bundesrepublik Deutschland, da habe ich überhaupt keinen Zweifel. Und da können wir jene auswählen, meistens Parteien, manchmal auch Personen dazu, denen wir vertrauen, von denen wir glauben, der oder die vertritt meine Interessen und Werte. Also ein zentraler Akt, in dem wir unsere autoritativ legitimierten Wir werden Entscheidungseliten wählen, von denen wir auf Zeit regiert werden können. Ja, ich glaube, das ist auch nochmal ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Das Regieren auf Zeit ermöglicht auch das, was Popper mal gesagt hat, dass man sozusagen die Regierungen dann auf unblutige Art eben wieder los wird und dann eben einen Regierungswechsel einleiten kann oder vollziehen kann im Unterschied zu autokratischen Systemen. Eindeutig, das ist die kardinale Differenz. Wir können diejenigen, die wir gewählt haben, Nach einer Bilanz, die wir für uns ziehen, entweder wieder wählen oder abwählen. Wir nennen das etwas angelsächsisch Accountability. Wir halten diejenigen, die wir gewählt haben, für rechenschaftspflichtig. Und dann können wir erneut entscheiden. Und das ist doch ein ganz wichtiges Kontrollinstrument, aber auch ein Innovationsinstrument, das die Bürgerinnen und Bürger haben in einem demokratischen System. Ja, sprach es vorhin an, mögliche Wiederholungswahl zum Deutschen Bundestag. Eine Befürchtung ist ja, dass wir ein Problem mit der Wahlbeteiligung haben. Haben wir sozusagen in der Demokratieforschung Ergebnisse, um einschätzen zu können, wie eigentlich niedrige Wahlbeteiligungen einzuschätzen sind? Sind sie ein Problem für die Demokratie oder sind sie vielleicht Ausdruck der Akzeptanz, dass man es nicht für nötig hält, an einer Wahl teilzunehmen? Das Schwierige in meiner Antwort würde sein, dass es ganz klare Antworten nicht gibt. Wir streiten uns, auch in unserer Profession, was Wahlbeteiligung eigentlich bedeutet. So gibt es Leute, zu denen ich mich eher zähle und sage, eine hohe Wahlbeteiligung ist auch eine hohe Legitimationszuweisung, die wir den Gewählten zukommen lassen. Sie haben aber auch in der amerikanischen Wahl-und Parteienforschung eine These, die lautet, die, die nicht wählen, das sind diejenigen, die zufrieden sind mit den Verhältnissen, zufrieden, wie sie regiert werden. Und eine niedrige Wahl-Output, eine Wahlbeteiligung ist deshalb kein negatives Zeichen. Ich halte das für falsch. Kein Wunder, dass das aus den USA kommt. damit eine Demokratie mit einer ausgesprochen niedrigen Wahlbeteiligung, insbesondere für den Kongress, wenn die Kongresswahlen nicht mit den Präsidentschaftswahlen zusammenfallen. Also die sogenannten Midterm Elections und da haben wir extrem niedrige Wahlbeteiligung. Wir haben das gleiche interessant in einem der besten Demokratien, die wir auf dem Globus haben, in der Schweiz. Allerdings haben sie in der Schweiz zwei Abstimmungsdimensionen. Das eine sind die Wahlen zum Parlament. Und da könnte eine Schweizerin oder ein Schweizer sagen, da gehe ich gar nicht erst hin. Es ist vollkommen klar, wer in der Regierung sitzt, weil alle großen Parteien nach einer sogenannten Zauberformel von 1959 oder 1961 das zuweisen. Da könnte man sagen, das sind Ultrarats. Nationale Wähler und die sagen, warum soll ich heute nicht ins Strandbad gehen oder aufs Matterhorn klettern und wählen, wenn so und so klar ist. Auf der anderen Seite haben sie weltweit das mit Abstand am stärksten ausdifferenzierte System von Volksentscheiden, von Referenten, also auf kommunaler, kantonaler und auf Bundesebene. Und das ist ein super majoritäres Instrument. Das heißt, 50,1 Prozent entscheiden eine politische Sachfrage, während das andere, alle Parteien in der Regierung, ein super konsensdemokratisches Moment ist. Und beide zusammen ergeben dann ein durchaus demokratisches Muster. Zwei Beispiele noch, ganz kurz. Problematisch finde ich, ohne jetzt bestimmte Länder beschämen zu wollen, in Polen haben wir teilweise Wahlbeteiligungen. unter 50 Prozent. Das erlaubt es auch, dass eine Partei wie die PiS, die zweifelhaften demokratischen Zuschnitts ist, solche Mehrheiten letztendlich dann für sich erreichen kann. Also hier halte ich, weil wir keinen Zusatz haben, für die Menschen sich in Abstimmungen zu beteiligen, halte ich sie für zu gering. In Deutschland, letztes Beispiel, Haben wir ein leichtes Anziehen wieder der Wahlbeteiligung, wenn ich das richtig erinnere, 75 oder 76 Prozent bei den letzten Bundestagswahlen. Das ist international über... Aber der zweite Teil Ihrer Frage ist einer, der mich skeptisch stimmt. Was heißt das eigentlich, wenn niedrige Wahlbeteiligung zu beobachten ist? Es heißt, dass nicht quer durch alle Schichten und Milieus oder von mir auch Klassen sich das Nichtwählerpotenzial verteilt, sondern dass das untere Drittel der Gesellschaft, das vor allen Dingen den Wahlabstimmungen fernbleibt. Also wir haben, wenn Sie es noch mal in meiner alten linken Sprache hören wollen, wir haben so etwas wie ein klassenselektives Instrument. Die Oberschichten, die gebildeten Mittelschichten, die wählen. Die glauben auch, dass es einen Unterschied macht, wenn sie sich beteiligen, während in den Demokratien des Westens maßgeblich... Die untere Hälfte oder die untere Drittel, sagen wir das untere Drittel oder Viertel, weggebrochen ist partizipativ. Die beteiligen sich sehr, sehr viel weniger als, wie gesagt, die gut situierten Mittelschichten. Aber sie hätten es gerade notwendig. Sie sind angewiesen auf politische Steuerung, die die ungleichen Marktergebnisse korrigiert. Ja. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, auf den ich gerne auch nochmal eingehen würde. Also die soziale Selektivität, die wir bei den Wahlen haben, stellt sich für mich als Landeswahlleiter und als Politikwissenschaftler auch als ein Problem dar, dass wir insbesondere bei jungen Menschen, die noch nicht wählen gegangen sind, feststellen, dass politische Themen in der Familie ganz im Unterschied zu meinem Hintergrund, ich weiß nicht, wie es bei Ihnen war, Herr Marke, bei uns war. Politik immer auch ein Thema, immer auch kontrovers zu diskutieren, dass das eigentlich nicht mehr stattfindet. Und wir überlegen jetzt in Berlin auch, was man machen kann. Das ist auch eine Frage, die die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer betrifft, weil auch hier brauchen wir natürlich junge Menschen sozusagen, die in diese Aufgabe einsteigen. Wir wissen aus Untersuchungen, wer Wahlhelferin oder Wahlhelfer war, geht auch wählen. Ähnlich wie war aus der Nichtwählerforschung, und das unterstreicht in gewisser Weise nochmal ihren Befund, dass diejenigen, die eben nicht wählen, dass deren Interessen eben im Parlament weniger mit repräsentiert werden und im politischen Output dann dort nicht vertreten sind. Und ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Und haben Sie vielleicht eine Idee, gibt es eine Stellschraube, gibt es eine Möglichkeit, wo man ansetzen könnte? Wenn ich die hätte, wäre ich nicht sozusagen ein mittelmäßig bezahlter, emeritierter Professor, sondern könnte mich in ganz anderen Sphären bewegen. Aber wir können schon Wahrscheinlichkeiten nennen. Eins haben Sie genannt und das finde ich etwas, was völlig unterbelichtet ist. Frühzeitig junge Menschen ranziehen zu politischen Aktivitäten und da können die Wahl… Helferinnen und Helfer, das kann eine wichtige Station in der Sozialisation von jungen Menschen sein. Man sieht das Innenleben, man sieht, dass das tatsächlich ein Akt ist. Man sieht andere sich beteiligen. Und wer das einmal war, vermutlich wird der nicht andere Wahlen einfach gehen lassen. Er oder sie wird sich beteiligen. Ein guter Punkt. Aber so viele Wahlhelfer können wir ja gar nicht. generieren, wie wir in der Wählerschaft brauchen. Ich glaube, die Schule hat ja ein beachtliches Defizit. Und das heißt nicht nur, dass man mehr Gemeinschaftskunde oder Sozialkunde oder wie man das auch immer nennen mag, in den Lehrplan hineinschreibt. In der Schule kann man lernen, wie am Arbeitsplatz, was es heißt, praktisch mitzubestimmen. Zum einen haben wir Schüler mit. Mitbestimmungen, aber es kann viel mehr. Lehrer und Lehrerinnen können sich viel mehr darum kümmern, Schüler mit einbeziehen in das, was sie tun, was sie hören wollen. Auch ab und zu mal abstimmen. In der Schule kann man im Unterricht Rollenspiele machen. Also man kann ein Parlament simulieren, man kann die UN simulieren. Wir haben viele dieser Spiele. Spiele auch auf internationaler Ebene oder auf universitärer Ebene. Und das lässt sich etwa in den Oberstufen sehr gut durchführen. Ich zähle etwas auf die Zivilgesellschaft. Wir können ja nicht sagen, die junge Generation ist aus der Politik raus. Sie ist wahlmüde. Und die politisiertesten von ihnen, die finden wir in sozialen Bewegungen. Die finden wir bei Fridays for Future. Die finden wir von mir aus auch bei Extinction Rebellion oder Die letzte Generation. Und ich glaube, dass da ein Funken überspringt. Ich habe das gehabt, Freundinnen und Freunde von mir in jungen Jahren, sozusagen eine Partizipationslust. Und da waren uns Wahlen nie genug. Wir sind dann auf die Straße gegangen und haben dort versucht, unsere Meinung auszudrücken. Und da bin ich nicht einmal so skeptisch, wie das in Ihrer Frage etwas angeklungen ist. Empirisch ist das vollkommen klar. Die Frage ist jetzt, ist das Nicht-Wellengehen ein Sozialisationseffekt, den die jungen Leute ihr ganzes Leben mitnehmen? Das ist die Gefahr. Oder ist es, wenn sie 25, 28 sind, dann ein Kohorteneffekt, wo sie sagen, jetzt habe ich aber viele Interessen und jetzt wähle ich. Das ist noch nicht ausgemacht. keine besonders aussagekräftigen Forschungen. Umso wichtiger wäre, dass wir natürlich diese Forschung haben, weil es wäre natürlich ein fatales Ergebnis, wenn man sagen würde, wer in jungen Jahren nicht wählen geht, der ist sozusagen dann für den demokratischen Prozess für Wahlen verloren. Aber dabei sind wir jetzt, glaube ich, an einem anderen ganz spannenden Punkt, nämlich der Frage, garantieren eigentlich allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen? automatisch demokratische Legitimität oder braucht es mehr für eine funktionierende Demokratie? Sie sind vorhin schon mal auf einen Aspekt eingegangen. Ich würde aber an der Stelle das gerade vielleicht auch noch mal auf defekte Demokratien noch mal ausweiten, also was Sie zu Polen oder Ungarn gesagt haben. Noch einmal, Wahlen sind der Kern. Ich bin kein Befürworter eines minimalistischen Demokratiekonzepts, was wir etwa von dem... Ökonom Schumpeter, er ist Nobelpreisträger und hat eine sehr einflussreiche Schrift zur Demokratie vorgelegt. Und bei ihm sind Wahlen die Möglichkeit der Wählerinnen und Wähler aus einer politischen Produktpalette, jenes programmatische Produkt auszuwählen, das man will. Und dann kann man das nach drei, vier oder fünf Jahren je nachdem überprüfen. Ich halte das für nicht ausreichend. Wenn wir auf den gesamten... Bankenklobus schauen, haben wir 200 Staaten. Man kann sagen, rund über den Daumen gepeilt, 100 Staaten haben einigermaßen freie, gleiche, allgemeine Wahlen. Faire Wahlen sind das häufig nicht, aber faire Wahlen haben wir zum Beispiel auch nicht in den USA, wo Geld eine solche dramatische Rolle spielt. Faire Wahlen hatten wir nicht unter Berlusconi, der den ganzen Mediensektor beherrscht hat. Also da müssen wir schon etwas zurückhaltender sein. Aber klar ist, selbst wenn wir diese Wahlen haben, die allgemein einigermaßen demokratisch genannt werden können, dann besteht dennoch das Problem, dass wir einen intakten Rechtsstaat brauchen. Oder lassen Sie mich das sagen, ein Rechtsstaat, der unsere Individualrechte schützt, der Minderheiten schützt. der Minderheiten nicht zur Beute von Mehrheiten werden lässt. Der große Demokratiefilosoph Tocqueville hat es mal die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit genannt. Und hier braucht es nicht nur Wahlen. Wahlen sind meistens ein Mehrheitsinstrument. Also es braucht einen intakten Rechtsstaat. Und bei Polen und auch bei Ungarn kann man sagen, die Wahlen sind zwar nicht übermäßig fair, aber sie sind allgemein frei und so weiter. Also durchaus eine elektorale Demokratie. Aber dann einmal gewählt, und das ist eine der Krankheiten unserer Demokratie oder nochmal in meinem Buchjargon einer der Zerbrechlichkeiten der Demokratie, dass gewählte Spitzen der Regierung in aller Regel, Präsidenten oder Premierminister, den ersten Angriff auf Medien lancieren. Sie wollen die Medien kontrollieren. Der zweite Angriff geht auf die Justiz. Sie wollen Kontrollen ausschalten. Und der dritte ist gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, die auf keinen Fall irgendeinen Dollar aus dem Ausland bekommen dürfen. Sonst sind sie eben ausländische Agenten. Das ist sozusagen der dreifaltige Angriff gewählter Repräsentanten. durchaus demokratisch gewählte Repräsentanten, die aber dann undemokratisch, autoritär im Amt agieren. Und das ist zu beobachten in Lateinamerika, in Asien auch, aber auch, wie wir sehen, innerhalb der Europäischen Union. Wir sollten da nicht hochnäsig auf andere Regionen herunterschauen. Wir haben jetzt ja die ganze Zeit sozusagen über die stärkere repräsentative Seite der Organisation von Wahlen gesprochen. Wir haben natürlich in Berlin auch eine starke Akzentuierung direktdemokratischer Rechte, die ja eine hohe demokratische Vertretungsmacht auch symbolisieren, dadurch, dass wir zu einer bestimmten Frage im Rahmen eines Volksentscheides dann individuell selbstwirksam werden können oder nicht. Welche Rolle spielen denn Ihrer Ansicht nach dort eben Quoren, die eine bestimmte Mindestanzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an diesen Volksentscheiden vorschreiben? Ist das sinnvoll oder nicht? Volksentscheide treffen Sachentscheidungen für die Politik. Und wenn sie nicht, und das halte ich für einen Fehler in Berlin, wenn sie nicht nur konsultativ sind. Ich glaube, wenn wir Referenten und Volksentscheide installieren, dann müssen sie so ernsthaft, so wichtig sein, dass sie dann auch gesetzt werden können. Rein theoretisch würden wir sagen, der Demos spricht und nicht einmal nur die Repräsentanten. Hat eigentlich eine noch höhere Legitimität. Eigentlich. Eigentlich hängt davon ab, wie viele tatsächlich dann entscheiden. Und das sind wir bei der Quorumfrage. Die Quorumfrage kann nicht heißen, möglichst niedrig, dass möglichst viele Volksentscheide durchkommen. Die muss demokratisch anspruchsvoll sein und die variiert nicht nur in den Bundesländern, sie variiert in europäischen und anderen Ländern sehr stark. Also es ist sehr wichtig, dass eine hohe Wahlbeteiligung da ist, sonst hat ein solches Gesetz eine geringe Legitimität. Und Die empirische Beobachtung, selbst in der Schweiz, zeigt, dass bei Referenten noch mehr die soziale Selektivität zuschlägt. Das heißt, ein Kollege hat das mal etwas tünisch formuliert, das ist die Selbstexklusion der Inkompetenten. Menschen können die Problematik nicht durchdringen und da bleiben sie ganz weg. Ein kleiner Punkt, Referenten sind nicht das einzige Direkt. demokratische Instrument. Wir haben Bürgerräte und mittlerweile auch auf Bundesebene sind etwas ein Nachzügler im europäischen Konzert. Ich halte das für eine sehr gute Möglichkeit, Bürger und Bürgerinnen zu schulen, zuzuhören, Empathie zu entwickeln, Kompromisse zu lernen. All das beschreibt im 19. Jahrhundert Alexis de Tocqueville von... demokratischen Vereinigungen. Ein großes Wort noch einmal, vielleicht am Schluss. Jürgen Habermas nennt das Deliberation. Die Menschen sitzen, nehmen wir 50 oder 80, von mir auch aus 100, treffen sich zehnmal, sitzen zusammen, werden von neutralen Experten hochinformiert über den Stoff, über die Frage. Und wenn es eben ist, wie wollen wir uns ernähren, wie der letzte... installierte Bundesbürgerrat als Thema sich vorgenommen. Dann wissen wir, wie Bürger entscheiden, wenn sie gut informiert sind und nicht nur diese ubiquitärten und irgendwie auch manchmal billigen Umfragen, die wir hören, wo einfach sozusagen eine Frage gestellt wird, wie suggestiv, auch immer oder nicht. Hier entscheiden mündige, hoch informierte Bürgerinnen und Bürger. Und das muss ins Parlament hinein, aber das Parlament ist dann die höchste Instanz, die entscheidet. Aber es muss sich damit befassen. Ich glaube, ein gutes Element, das wir in unsere Demokratie einfügen können. Ja, vielleicht ist das ja auch quasi ein Impuls, den wir sozusagen in die Berliner Politik geben können, dass hiermit auch zum Beispiel beim Abgeordnetenhaus von Berlin auch mal mit einem Bürgerrat auch experimentiert wird, so wie wir es ja auf der Ebene des Deutschen Bundestags gehabt haben. Ich würde zum Schluss ganz gerne nochmal den Bogen schlagen zur möglichen Wiederholungswahl zum Deutschen Bundestag hier in Berlin. Herr Merkel, können Sie vielleicht nochmal zwei oder drei vielleicht gute Argumente formulieren, weshalb es selbst unter diesen Bedingungen, dass die Berlinerinnen und Berliner schon so häufig zur Wahl gehen mussten, dass das Erfrischungsskills für die Tätigkeit als Wahlhelfer nicht mehr in der Höhe ausgezahlt werden kann. Warum es dennoch sinnvoll ist, sich... an dieser Wiederholungswahl ebenfalls zu beteiligen. Es ist gar nicht einfach. Und ich habe das auch hin und her überlegt, wie ich das entscheiden würde, wenn ich ein individueller Richter in Karlsruhe wäre. Es ist schon entschieden worden, dass in Berlin die Landeswahl und auch die Kommunalwahl tatsächlich nochmal wiederholt wird, weil es Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Das war eine Entscheidung, die kann man gut nachvollziehen. Hatte auch nicht die bundesweiten Konsequenzen. Wenn man jetzt sagen würde, für Berlin gilt das, für den Bund ist das nicht so. problematisch. Da wählen wir nicht, weil wir uns zusätzlich auch negative Konsequenzen einkaufen. Was machen wir, wenn die Linke rausfällt, die über drei Direktkandidaten in den Bundestag gekommen ist, aber mit 4,9 Prozent an der 5-Prozent-Hürde gestrauchelt ist? Was machen wir eigentlich damit? Das ist für mich durchaus ein Problem, aber sekundär. Ich glaube nicht, dass wir den... Bürgerinnen und Bürgern vermitteln können. Für Berlin gilt das demokratische Mandat mustergültig in Wahlen. Und im Bund bleiben wir ein bisschen schlamper und nehmen es nicht so ernst, weil wir uns damit auch schwierige Problemlagen zusätzlich erkaufen. Das lässt sich nicht vermitteln. Und Wahlen müssen die Integrität haben, damit sie legitim sind. Und es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger das wahrnehmen. Das war ja auch mal ein Eindruck, wie die Richter im zweiten Senat auch damit umgegangen sind mit der Thematik. Also auch die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung dessen, was hier an schweren strukturellen Wahlfehlern 2021 vorgekommen ist. Ganz herzlichen Dank für Ihre Einsichten und Analysen zur Bedeutung von Wahlen für Demokratie. Es hat mir viel Freude gemacht, mit Ihnen zu sprechen. Ja, vielen Dank. Und es ist ja immer doch interessant, wenn man Gedanken formulieren, muss und antworten muss, lernt man ungemein tatsächlich noch dazu, selbst im gehobenen Alter. Ganz herzlichen Dank. Ja, ich möchte mich noch mal kurz an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer wenden. Ich hoffe, wir haben Sie für das Thema auch interessiert und auch ein Stück weit auch motiviert, auch die Chance eben auch zur Wahl zu gehen, auch zur möglichen Wiederholungswahl zum Deutschen Bundestag. und dann ganz sicher im nächsten Jahr zur Europawahl, also zur Wahl zum Europäischen Parlament. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch in unserem Podcast Wir haben die Wahl weiter anhören. Gerne können Sie sich mit Lob, Kritik und Anregung an mich wenden. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.