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Kunstgeschichte: Gian Lorenzo Bernini

Musik Kleinigkeiten dürfen sie nicht von mir fordern, war das Motto seines Lebens. Und groß ist wahrlich seine Kunst. Der Bildhauer, Architekt und Maler Gian Lorenzo Bernini wird im Rom des 17. Jahrhunderts zum Erfinder des Barock.

Im Auftrag der Päpste verwandelt er die ewige Stadt, schmückt sie mit grandiosen Brunnen und bevölkert sie mit Figuren voller Überschwang und Pathos. Menschliches und Göttliches verbinden sich im Welttheater Berninis in einem leidenschaftlichen Bilderrausch. Gian Lorenzo Bernini wird im Dezember 1598 in Neapel geboren.

Sein Vater Pietro ist Bildhauer und stammt aus der Toskana. Die Mutter ist Neapolitanerin. 1606 zieht die Familie nach Rom.

Kurz zuvor wurde mit Paul V. Borghese ein Landsmann auf den Papstthron berufen. Pietro Bernini verspricht sich Aufträge durch die glückliche Konstellation. Es ist die Zeit der Gegenreformation.

Die Päpste wollen Rom in direkter Nachfolge der antiken Kaiser wieder zur glanzvollsten Stadt des Erdkreises machen. Mit großartigen Monumenten soll der Welt der Herrschaftsanspruch der katholischen Kirche vor Augen geführt werden. Die Geburtsstunde des Barock.

Pietro Bernini gründet im Viertel um die Kirche Santa Maria Maggiore eine Werkstatt und erhält bald erste Aufträge. Vor allem fördert er die herausragende Begabung seines Sohnes. Schon als Knabe wird Gian Lorenzo als zeichnendes Wunderkind Paul V. präsentiert. Der Junge ist von Ehrgeiz getrieben. Unermüdlich arbeitet er in der Werkstatt seines Vaters, übt den Umgang mit Hammer und Meißel bis zur Perfektion.

Täglich läuft er quer durch die Stadt, um in den Sammlungen des Vatikan die berühmten antiken Vorbilder zu zeichnen. Förmlich in sich aufgesaugt habe er seine Motive. Entdeckt wird das junge Talent von Scipione Borghese, dem Neffen des Papstes. Der Kardinal Nepot will seine Sammlung antiker Kunst durch zeitgenössische Werke ergänzen und fördert Maler wie Caravaggio.

Für seine Kollektion lässt er sich eine Villa auf dem Pincio errichten. Sein Favorit wird Bernin. Der 21-Jährige betritt 1619 mit einem Paukenschlag die Kunstszene. Seine lebensgroße Marmorgruppe zeigt Aeneas, der seinen Vater Anchises aus dem brennenden Troja rettet. Meisterhaft erfasst sind die gegensätzlichen Figuren.

Doch wirklich revolutionär ist die Darstellung der Handlung auf ihrem Höhepunkt. Bernini befreit die Figuren scheinbar mühelos aus dem Block, trotz dem spröden Material bisher ungeahnte Wirkungen ab. Den Marmor, bei dem damals wie heute die Form mühsam mit einfachem Werkzeug aus dem Stein gehauen werden muss, macht er sich gefügig wie Teig.

Come pasta, wie er sagt. Sein Auftraggeber ist begeistert. In der Folge muss sich der tatendurstige junge Bildhauer, der sich mit energischem Blick darstellt, über mangelnde Aufträge nicht beklagen.

In kurzer Zeit entstehen Porträtbüsten für den Papst und einflussreiche Geistliche. Die Büste des Spaniers Pedro de Montoya offenbart Berninis einmalige Begabung. Wie kein anderer setzt er durch die feine Behandlung der Oberfläche die Farberscheinungen eines Gesichts in Marmor um.

Das ist der versteinerte Montoya, soll ein Betrachter begeistert ausgerufen haben. Nicht weniger lebendig porträtiert Bernini seinen ersten Papst. Über dem filigranen Gewand kommt die willensstarke Physiognomie Pauls V. eindringlich zur Geltung.

Bloße Ähnlichkeit genügt nicht. Man muss ausdrücken, was in den Köpfen der Helden vorgeht, formuliert Bernini sein Ziel. Die Vitalität seiner Porträts und Figuren ist nicht zuletzt Berninis außergewöhnlicher Beobachtungsgabe und seinem ausgeprägten Gespür für Gesten und Effekte zu verdanken.

Er glänzt nicht nur als Bildhauer, sondern auch als Dramatiker, Bühnenbildner und Regisseur. Sogar die Hauptrollen in seinen Stücken spielt er selbst. Das wunderbare Spektakel, wie es täglich auf jeder italienischen Piazza erlebbar ist, inspiriert seine Fantasie. Die Affekte und Leidenschaften des Menschen sind das eigentliche Thema seiner Kunst.

Ich raube, beschreibt er seine Methode, das pulsierende Leben einzufangen. Einen frühen Höhepunkt erreicht Bernini mit seiner folgenden Gruppe, dem Raub der Proserpina. Wieder entsteht das Werk für Stipione Borghese. Doch diesmal nicht zum eigenen Vergnügen.

1621 war dessen Onkel gestorben. Nun gilt es, den neuen Kardinalnepoten Ludovico Ludovisi mit einem Geschenk milde zu stimmen und ihn subtil auf die Vergänglichkeit des Lebens und der Macht hinzuweisen. Geeignet hierfür ist die Geschichte von Pluto, dem Herrscher der Unterwelt, der Proserpina gewaltsam in sein Schattenreich entführt. Bernini nutzt die dramatische Geschichte, um eine Gruppe von höchster Dynamik zu realisieren.

Er weist die Gegensätze zwischen Mann und Frau, zwischen Vorwärtsdrängen und Zurückweichen, zwischen Freude und Entsetzen detailreich auszukosten. Erst im Umschreiten erschließt sich dem Betrachter die ganze Geschichte. Was ist das Geheimnis von Berninis Figuren?

Das ist vielleicht in dem Überraschungseffekt zu definieren, der ja für das Barockzeitalter überhaupt ein Leitfaden ist und heute immer noch eine Wirkung ausübt, die also jeden zunächst mal ohne Worte lässt, wenn er eben vor diesen Wunderwerken der Skulptur steht, die ja aus einem einzigen Block... blockgehauen sind, das ist ja auch schon von daher ein Meisterwerk, und die durch ihre natürliche Spontanität der Bewegungen und ihres physischen Daseins und ihrer gleichzeitigen Schönheit eine unglaubliche Faszination auf jeden ausüben. Die Botschaft der Gruppe erfüllt sich schneller als erwartet.

Bereits 1623 stirbt der Ludovisi-Papst. Am Tiber werden die Karten neu gemischt. Das Pontifikat des Nachfolgers wird Bernini glänzende Perspektiven eröffnen. Er scheint es zu ahnen, als er die Statue des David für Scipione Borghese schafft.

Das Thema bietet Bernini die Gelegenheit, sich mit dem großen Vorbild Michelangelo zu messen. Er ist entschlossen, der Michelangelo seines Jahrhunderts zu werden. Unbescheiden porträtiert er sich in den Karten.

die krampfeslustigen Zügen des biblischen Helden. Berninis Optimismus gründet in der Person des neuen Papstes. Maffeo Barberini hat als Urban der Achte den Papstthron bestiegen. Nicht nur ein Landsmann, sondern auch ein Freund und früherer Förderer.

Der absolutistische Kirchenfürst wählt sich die Sonne zum Symbol und beginnt sofort, seine Bedeutung angemessen darstellen zu lassen. Der beliebte Barkatscha-Brunnen ist einer der ersten Aufträge für Bernini. Und zahlreiche weitere sollen bald folgen.

Zunächst stellt Bernini aber ein begonnenes Werk für Scipione Borghese fertig. Die Skulptur ist eine der atemberaubendsten Schöpfungen der Kunst. Bernini geht bei der Marmorgruppe Apolle und Daphne künstlerisch wie technisch an die Grenzen.

Verleiht dem Stein eine beispiellose Leichtigkeit. Das Thema stammt aus Ovids Metamorphosen und erzählt die Geschichte der Nymphe Daphne. Sie will sich vor dem verliebten Apoll retten. und wird in der Sekunde, als sie der Sonnengott ergreift, in einen Lorbeerbaum verwandelt. Bernini stellt den entscheidenden Moment der Verwandlung dar, überträgt die literarische Vorlage in ein dreidimensionales Bild.

Nach Vollendung der Skulptur gilt Berninis Schaffen nur noch der Verherrlichung der Familie Barberini. Ihre Wappentiere, die Bienen, werden bald überall in Rom auftauchen. Urban VIII.

eröffnet seinem Künstler einmalige Möglichkeiten. Er sieht in Bernini die Verkörperung des Renaissance-Ideals vom Uomo Universale und ernennt den jungen Bildhauer zum Baumeister von St. Peter. Spontane Einfälle zeichnet der vor Ideen sprühende Bernini einfach mit Kohle an die Wand oder hält sie in flüchtigen Skizzen fest.

Urban VIII. ist begeistert von seinem Vorschlag, dem Innenraum der damals noch ungeschmückten Neuen Peterskirche mit einem gewaltigen Baldachin ein Zentrum zu geben. Das bronzene Werk von knapp 30 Meter Höhe ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung.

Bernini fehlen zwar die architektonischen Kenntnisse für das kühne Großprojekt, doch lässt ihn seinen Tatendrang nicht zögern. Er versteht es, die richtigen Männer um sich zu scharen. Vor allem der Baumeister Francesco Borromini spielt eine wichtige Rolle bei der schwierigen Umsetzung. Eine Freundschaft, die sich später in Hass und eine legendäre Feindschaft verwandeln wird. Die Fertigstellung des Baldachins zieht sich zehn Jahre hin und ist die letzte Zusammenarbeit der beiden Genies.

Bernini avanciert während des Barberini-Pontifikats zum alles beherrschenden Künstler Roms. Neben dem Papst, porträtiert er zahlreiche Mitglieder der Familie, liefert Entwürfe für ihren prächtigen neuen Palast und schenkt im Auftrag Urbans, der ewigen Stadt, einen weiteren originellen Brunnen. Ab 1642 kann sich das römische Volk auf dem Platz unterhalb des Palazzo Barberini am Tritonbrunnen erfrischen.

Auf den ersten Blick eine humorvoll-fantastische Komposition aus Motiven der Meeresmythologie, bei genauerem Hinsehen ein Denkmal des päpstlichen Auftraggebers. Überraschend bestellt Urban VIII. eine Büste für Scipione Borghese. Der Papst will während einer schweren politischen Krise im Dreißigjährigen Krieg den Kardinal mit diesem generösen Geschenk auf seine Seite bringen. Nach skizzenhaften Vorzeichnungen entsteht das schnappschussartige Porträt von Berninis lebenslustigem ersten Mäzen.

Das Bildwerk fasziniert durch die bravouröse Behandlung der Oberflächen. Um feinste Details aus dem empfindlichen Marmor herausarbeiten zu können, bedient sich Bernini mit Vorliebe des Violinbohrers. Die beiden Bildhauerbrüder Tonino und Giovanni Poletti aus Carrara setzen das Instrument heute noch ein. Der Violinbohrer war das Lieblingswerkzeug Berninis, denn es ist das Instrument, mit dem man die kompliziertesten und diffizilsten Teile der Skulptur gemacht hat.

Nehmen wir beispielsweise die Skulptur Apollo und Daphne. Alle feinen Details, wie die Wurzeln, die Hände der Daphne, die Blätter, alle wurden sie mit dem Violinbohrer gemacht. Wie man bei diesen Kunsthandwerkern aus Carrara sehen kann, lassen sich mithilfe des Violinbohrers unvorstellbare Details herausarbeiten. Es ist kein herkömmlicher Bohrer, auch kein Skalpell, es ist ein noch viel raffinierteres Instrument.

Als päpstlicher Hofkünstler sieht sich Bernini nun auch mit der Aufgabe konfrontiert, biblische Gestalten darzustellen. Was ist ein Heiliger oder ein Engel? Und vor allem, wie lässt sich Glaube sichtbar machen?

Mit der kolossalen Figur des heiligen Longinus für die Vierung der Peterskirche liefert Bernini eine überzeugende Antwort. Neben den leidenschaftlichen Gebärden der Figur entdeckt er das stoffreiche Gewand als erzählerisches Element. In heftige Bewegung versetzt steht es für die religiöse Ergriffenheit des Heiligen.

Berninis Heilige sind keine distanzierten Kultbilder, sondern treten dem Betrachter als Individuen gegenüber. Er wusste durch seinen eigenen schwierigen Charakter um die Triebkräfte des Menschen. Charmant und geistreich im Umgang mit seinen hohen Auftraggebern ist er aufbrausend und hemmungslos gegenüber Rivalen.

In der Gips-Sammlung von Franco Cervietti in Pietrasanta findet sich ein Abguss der Büste von Costanza Bonarelli. Wegen ihr kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall auf der Baustelle von St. Peter. Bernini hat mit der schönen Costanza, der Frau eines Mitarbeiters, eine heftige Affäre.

Als sie ihn jedoch ihrerseits mit seinem Bruder Luigi betrügt, kommt es zur Katastrophe. Rasend vor Wut geht er mit Eisen, Stange und Degen auf seinen Nebenbühler los und bringt ihn beinahe um. Schlimmer noch trifft seine Rache die Frau, die ihn zu seinem einzigen privaten Porträt inspiriert hat.

Bernini bestellt seinen Diener, überreicht ihm zwei Flaschen Wein und ein Rasiermesser mit dem Auftrag, Costanza das Gesicht zu verunstalten. Bernini wird verhaftet und vor Gericht gestellt. Selbst seine Mutter beklagt, ihr Sohn glaube inzwischen, er sei der Herr der Welt. Doch Urban VIII.

spricht seinen Favoriten mit der Begründung frei, er ist ein seltener Mensch, von sublimer Begabung, durch göttliches Wirken geboren, um zum Ruhme Roms Licht in dieses Jahrhundert zu tragen. Gleichzeitig drängt er den 40-jährigen Künstler zur Heirat. 1639 heiratet Bernini Caterina Tesio, die Tochter eines Juristen am päpstlichen Hof. Sie scheint es verstanden zu haben, mit dem unruhigen Hitzkopf umzugehen. Elf Kinder werden dem Paar geboren, weitere Eskapaden sind nicht überliefert.

Wenige Jahre darauf stirbt 1644 Urban VIII. Schon zu Lebzeiten gab er ein Grabmal in Auftrag. Die prunkvolle letzte Ruhestätte seines Mentors gestaltet Bernini aus verschiedenen kostbaren Materialien.

Zwei marmorne Trauerfiguren, Personifikationen der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit, flankieren den goldbronzenen Sarkophag des Papstes. Üblich soll Bernini ihnen die Züge seiner Geliebten und seiner Frau verliehen haben. Darüber thront gravitätisch Urban VIII.

und spendet für alle Zeiten. seinen Segen. Urbans Sonne scheint für Bernini jedoch nicht mehr lange.

Noch unter dem Barberini-Papst wurde die Grundsteinlegung für zwei Glockentürme der Peterskirche gefeiert. Bernini will mit diesem Kunstgriff die unproportionierte Fassade optisch korrigieren. Als der südliche Turm steht, treten Risse auf. Urbans Nachfolger beruft eine Kommission unter Führung von Borromini. Man gibt Bernini die Schuld und beschließt 1646 den Abriss.

Der neue Papst, Innozenz X. Pamphili, ist Römer und ein Feind der Barberini. Sein Zorn trifft auch deren Gefolgsleute. Für Bernini ist an Aufträge von offizieller Seite nicht mehr zu denken. Der sich als Opfer einer Intrige fühlende, zieht sich in seinen vor wenigen Jahren erworbenen Palast in der Via della Mercede zurück und schafft eine der seltenen persönlichen Arbeiten.

Die Figur der Veritas soll Teil eines Ensembles mit dem sinnigen Titel »Die Zeit enthüllt die Wahrheit« werden, bleibt aber unvollendet. Die schwere Krise verändert Bernini. Er findet Trost und Zuflucht im Glauben und pflegt engen Umgang mit den Jesuiten. Auch seine Kunst scheint eine Wandlung zu durchlaufen, wird inniger und frommer. Die Zäsur markiert ein Auftrag für Kardinal Federico Cornaro.

1647 bestellt er bei Bernini eine Familienkapelle in der Carmeliterkirche Santa Maria della Vittoria. Im Zentrum der bühnenartigen Kapellenarchitektur schwebt auf einer Wolke die Gründerin des Ordens, die heilige Teresa von Avila, eine Mystikerin, die ihre Visionen plastisch geschildert hat. Hingebungsvoll erwartet sie den Pfeil der göttlichen Liebe. Bernini überträgt ihre Worte in Marmor und gibt eine anschauliche Vorstellung von der spirituellen Erfahrung der Heiligen. Dem irrealen Ereignis wohnen in Logen die Mitglieder der Familie des Auftraggebers bei.

Als Gian Lorenzo Bernini die Kapelle entworfen hat, im Auftrag von Cardinal Federico Cornaro, der auch an der Seite auf einem der Balkone dargestellt wurde, hat er sie für die Nachmittagsstunde konzipiert, weil so die Westsonne Roms direkt auf das Gesicht der heiligen Teresa fallen kann. Über der Lünette, wo das Licht einfällt, waren Linsen angebracht. Diese Technik wurde von ägyptischen Künstlern übernommen. Dadurch wurde das Sonnenlicht gebündelt und intensiviert. So wurde ein Lichtstrahl direkt auf das Gesicht der Heiligen gelenkt.

Dieses Lichtspiel sollte die göttliche Erleuchtung der Heiligen in ihrer wundersamen und überwältigenden Ekstase direkt zum Ausdruck bringen, so wie es auch in ihrer Vita beschrieben ist. Während der Arbeit an der Heiligen Teresa gelingt Bernini die Rehabilitation am päpstlichen Hof. Innozenz X. plant die Piazza Navona mit einem Brunnen durch Borromini schmücken zu lassen.

Doch Bernini schmuggelt ein Modell. Modell seines Gegenentwurfs in den Palast des Papstes. Als dieser es sieht, soll er begeistert sofort auf Bernini getippt haben. Mit den Worten, wenn man will, dass seine Entwürfe nicht gebaut werden, dann darf man sie nicht zu Gesicht bekommen, gibt er ihm den Zuschlag.

Bernini stellt auf einen künstlichen Felsen einen 30 Meter hohen antiken Obelisken und umringt ihn mit vier mächtigen Figuren der Flussgötter Donau, Nil, Rio de la Plata und Ganges. Sie huldigen stellvertretend für die vier damals bekannten Kontinente den päpstlichen Insignien. Symbol für den Triumph der katholischen Kirche über den Weltkreis. Die Jahrhunderte haben der waghalsigen Konstruktion zugesetzt. Minutiös entfernen Restauratoren die Spuren der Erosion und sichern bröckelnde Partien.

Die Schäden sind jedoch nur oberflächliche Art. Die Statik hat sich bis heute bewährt. Entgegen der Meinung vieler Römer, die im 17. Jahrhundert an der Stabilität von Berninis Werk zweifelten. Die Chroniken der Zeit berichten eine Anekdote.

Im Volk verbreitete sich das Gerücht, der Obelisk sei nicht stabil genug aufgestellt und drohe herunterzufallen. Bernini, der einen ausgeprägten Sinn für effektvolle Inszenierungen, hatte reagierte darauf in seiner theatralischen art die sich auch in seinen kunstwerken spüren lässt er beschloss durch eine demonstration das gegenteil zu beweisen Er brachte vier Fäden am Obelisken an, die er mit den vier Ecken des Platzes verband, um zu zeigen, dass diese Fäden gespannt blieben und sich die Konstruktion nicht bewegte. So hat er einen einfachen, aber effektvollen Gegenbeweis geliefert. Das Projekt wird 1651 vollendet. In Gegenwart von Innozenz X strömt erstmals Wasser aus dem neuen Wahrzeichen Roms.

Nur wenige Jahre darauf stirbt der gefürchtete Pamphili-Papst. Sein Nachfolger wird als Alexander VII. Fabio Chigi.

Der aus Siena stammende Kardinal überhäuft Bernini sofort mit Aufträgen. Der anspruchsvollste davon ist die Gestaltung des Petersplatzes. Bernini inszeniert den Zugang zur größten Kirche der Christenheit mit einer nicht weniger spektakulären Platzarchitektur.

Er wählt ein weites Oval als Grundform und rahmt es mit monumentalen Kolonnaden, bekrönt von der Schar der Heiligen. Ein Theatrum Sacrum, das bis heute nichts von seiner überwältigenden Wirkung verloren hat. Wie muss es erst auf die Menschen der Vergangenheit gewirkt haben, die aus dem engen Gassengewirr kommend unvermittelt auf dem einzigartigen Platz standen?

Bernini setzt auf spannungsvolle Gegensätze, schafft für den Strom der Pilger eine Kulisse aus unverrückbaren Steinmassen. Ausgebreiteten Armen der Mutterkirche gleich empfängt die Architektur des Platzes seit Jahrhunderten die Gläubigen. Teil der Gestaltung des Petersplatzes ist auch der Umbau der Scala Regia, des Zugangs zum Vatikanischen Palast. Bernini führt das kolossale Reiterstandbild Konstantins des Großen für den Aufgang der Treppe eigenhändig aus.

Dargestellt ist die Vision des römischen Kaisers, dem das Kreuzeszeichen vor der Schlacht an der Milvischen Brücke den Sieg prophezeit. Ross und Reiter sind wie vom Blitz getroffen, buchstäblich erschüttert vom Moment der Erkenntnis. Nicht weniger wirkungsvoll setzt Bernini die Treppe selbst in Szene, verkürzt illusionistisch mit eingestellten Säulen und Tonnengewölbe den langen Korridor. Die gewagteste Operation, die ich je in meinem Leben unternommen habe, beschreibt er den raffinierten Eingriff.

Nur wenige Angehörige des römischen Adels können Bernini während seiner Tätigkeit für den Kiji-Papst für Projekte gewinnen. Unter ihnen Fürst Camillo Pamphili, für den Bernini ab 1658 die Kirche Sant'Andrea al Quirinale baut. Hier zieht er alle Register seines Könnens. Auf relativ kleinem Grundriss entsteht das Raumwunder. Bildhauerei, Malerei und Architektur verbinden sich zu einem suggestiven Gesamtkunstwerk.

Alle Elemente sind aufeinander bezogen, lenken den Blick des Betrachters zum Altar. Erzählt wird die Legende des Heiligen von seinem Martyrium bis zu seiner Aufnahme in den Himmel, wobei die Hauptrolle wieder dem göttlichen Licht zufällt. Bei der Fassadengestaltung setzt Bernini auf die dynamische Wirkung der Kreisform. Auch bei seinem nächsten großen Bauprojekt soll eine geschwungene Front zum bestimmenden Charakteristikum werden.

Kein geringerer als Ludwig XIV. hat Bernini um einen Entwurf für die Neugestaltung des Louvre gebeten. Er wirkt unter enormem politischen Druck die Ausreise des Künstlers der Päpste nach Frankreich. Im Juni des Jahres 1665 hält Bernini triumphalen Einzug in Paris.

Zügig beginnt er das ambitionierte Projekt, doch kommt es über die Grundsteinlegung nicht hinaus. Zu groß sind die Differenzen zwischen dem temperamentvollen Italiener und den französischen Hofkünstlern unter Führung von Colbert. Nach Fertigstellung der berühmten Büste des jungen Sonnenkönigs kehrt Europas größter Künstler im Oktober des gleichen Jahres verstimmt an den Tiber zurück. Der Ausspruch Urbans, er ist gemacht für Rom und Rom für ihn, sollte sich bewahrheiten.

Hier erwarten ihn nicht weniger großartige Aufgaben. Voller Elan stürzt er sich in die Arbeit. Der Petersplatz ist nach wie vor unvollendet und die Ausstattung der Peterskirche soll ihren Höhepunkt mit der Kathedra Petri im Chor erhalten. Ein gigantischer Schrein für den legendären Peter. deren Thron des ersten Bischofs.

Berninis geniale Idee, das hochgelegene Absissfenster als leuchtende Strahlenglorie zum Zentrum des Entwurfs zu machen, hat eine radikale Vergrößerung aller Elemente zur Folge. Es entsteht ein erhabenes Gesamtkunstwerk, bei dem fast 10 Meter hohe bronzene Figuren der vier Kirchenväter in verzücktem Schwung den eigentlichen Reliquienbehälter emporheben. Alexander VII.

stirbt kurz nach der Vollendung 1667. Sein Nachfolger Clemens IX., mit dem Bernini seit Jahrzehnten befreundet ist, führt trotz der schwierigen Finanzlage der Kurie die Projekte seines Vorgängers weiter. Vor allem soll die Inszenierung des Pilgerwegs mit der Neugestaltung der Engelsbrücke endgültig abgeschlossen werden. Bernini beginnt sofort mit der Entwurfsarbeit, fertigt in Windeseile zehn Tonmodelle von über drei Meter hohen Engelsfiguren für die Balustraden. Gleichzeitig bestellt er Marmorblöcke von allerbester Qualität in Carrara.

Die Gewinnung eines einzigen Blocks des begehrten Steins erscheint heute mit Hilfe moderner Maschinen relativ einfach. In der Vergangenheit bedeutete der Abbau des tonnenschweren Rohmaterials eine kräftezehrende und gefahrvolle Arbeit. Bernini selbst führt zwei der imposanten Statuen aus.

Eine enorme physische Leistung des 70-jährigen Künstlers, der immer noch voller Energie ist. Nichts fällt mir schwerer als Ruhe, bemerkt er noch im hohen Alter. Sein von Schmerz und Leidenschaft heftig bewegter Engel mit der Dornenkrone konfrontiert den Betrachter unmittelbar mit der ganzen Dramatik der Passion Christi.

Berninis eigene Religiosität gewinnt in der zweiten Hälfte seines Lebens zunehmend an Intensität und findet in seinen himmlischen Wesen ihren ergreifenden Ausdruck. Clemens IX. ist so begeistert von Bernini-Skulpturen, dass er sofort Kopien für die Aufstellung im Freien anfertigen lässt.

Mit der Vollendung der Engelsbrücke als Kreuzweg erreicht die ideale Pilgerstrecke ihren Abschluss. Entlang des gesamten Wegs vom Tiber über den Petersplatz bis zum Baldachin und der Kathedra Petri begleiten den Rom-Besucher nun Berninis Schöpfungen. Die endgültige Aufstellung der Figuren erlebt Clemens IX.

nicht mehr. Bernini hat bereits unter sechs Päpsten gewirkt. Noch zwei Pontifikate wird er erleben.

Sein nächster Auftraggeber wird 1669 der betagte Clemens X. Altieri. Auch ihn porträtiert er, doch bleibt die Büste unvollendet. Der Neffe des Papstes, Kardinal Altieri degli Albertoni, geht 1673 daran, den Ruhm seiner Familie mit einer Kapelle in der Franziskanerkirche San Francesco a Ripa zu mehren. Es soll eines der letzten Ensemble Berninis werden und die kurz vorher selig gesprochene Ludovica Albertoni, eine Vorfahrin des Kardinals, verherrlichen. Über den Reliquien der Seligen platziert Bernini die liegende Figur der Nonne.

Die Dynamik seiner früheren Arbeiten ist verschwunden, einzig die heftige Binnenbewegung des Gewands belebt die ruhige Komposition. Ludovica Albertoni ist in der Stunde ihres Todes dargestellt. Der Betrachter wird Zeuge des Moments, in dem ihre Seele den Körper verlässt und zu Gott aufschwebt.

Zum Ersten und Zweitesten. Einzigen Mal führt Bernini das Sterben selbst vor Augen. Vielleicht hat er den Tod seiner Frau Katharina im gleichen Jahr in der anrührenden Figur verarbeitet. Auch dürfte den 75-Jährigen die eigene Vergänglichkeit zunehmend beschäftigt haben. In seinen letzten Lebensjahren entsteht auch eines seiner eindringlichsten Porträts.

Die Büste des Arztes Gabriela Fonseca in der Kirche San Lorenzo in Lucina. Bernini überrascht den Betrachter mit einem inbrünstig beten. von Zecker, der sich aus einer Öffnung hinauslehnt und verzückt auf den Altar blickt.

Bernini bietet etwas Einzigartiges. Er vermittelt nicht allgemeine Ideen über sein Zeitalter, nicht Werte, er hat keine Botschaften im modernen Sinn. Er hat vielleicht nicht die moralische Wucht Michelangelos, nicht die psychologische Genialität Leonardos, nicht den Erfindungsreichtum Donatellos, aber er hat etwas, das mehr ist als all das, nämlich die Fähigkeit, sich zu verändern. Die Fähigkeit, das individuelle Leben seiner Personen einzufangen. Wenn man die Männer und Frauen betrachtet, die Bernini dargestellt hat, hat man das Gefühl, lebendige Individuen zu kennen, die niemand anderem gleichen, die zwar seit fast 400 Jahren nicht mehr auf dieser Welt sind, die man aber für einen Moment kennenlernen kann.

Kein anderer Künstler hat diese Fähigkeit besessen. Bernini muss sein Modell als verwandte Seele empfunden haben. Er selbst fügt sich gottergeben in sein weiteres Schicksal.

Wie er vorausgeahnt hatte, sollte sein Stern am Ende seines Lebens sinken. Unter seinem letzten Papst, dem sparsamen Clemens XI., ist die Zeit der großen Kunst vorbei. Gian Lorenzo Bernini stirbt im Alter von 82 Jahren im November 1680 und wird in der Kirche Santa Maria Maggiore feierlich beigesetzt. Mit seinem Tod geht eine goldene Ära der Kunst zu Ende.

Der Künstler der Päpste wurde im Zeitalter des Absolutismus zur treibenden gestalterischen Kraft Europas. Der Geistesgehalt der Epoche hat sich in seinen Werken verewigt. Seine einzigartige Gabe, die Affekte und Leidenschaften des Menschen zum Ausdruck zu bringen, machte ihn zum Michelangelo seines Jahrhunderts und zum Schöpfer des barocken Rom.