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Auslegung von Willenserklärungen

May 18, 2024

Auslegung von Willenserklärungen

Dozent: Matthias Davids

Einführung

  • Die Auslegung von Willenserklärungen ist ein wichtiges und komplexes Thema.
  • Wird oft oberflächlich behandelt, wodurch Missverständnisse entstehen können.

Gliederung des Vortrags

  1. Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen
  2. Verhältnis zur Irrtumsanfechtung und Dissens
  3. Besonderheiten: Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen und formbedürftige Rechtsgeschäfte

1. Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen

Gesetzliche Grundlage

  • § 133 BGB: Der wirkliche Wille des Erklärenden ist maßgeblich.
  • § 157 BGB: Erklärungen sind nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte auszulegen.

Grundsätze

  • Vorrang des erkannten Willens: Wenn der Empfänger den tatsächlichen Willen erkennt, zählt dieser.
  • Objektiver Empfängerhorizont: Nur anwendbar, wenn der wahre Wille nicht erkannt wurde.

Beispiele

Fall 1:

  • V bietet K Auto für 1100 Euro an, meint aber 11.000 Euro.
  • K erkennt dies, erklärt aber Zustimmung zu 1100 Euro.
  • Ergebnis: Ein Vertrag über 11.000 Euro, da K den wahren Willen kannte.

Fall 2:

  • Beide Parteien denken, den Kaufpreis von 11.000 Euro ausgemacht zu haben, äußern sich aber fälschlich mit 1100 Euro.
  • Ergebnis: Vertrag über 11.000 Euro (Grundsatz: falsa demonstratio non nocet).

2. Verhältnis zur Irrtumsanfechtung und Dissens

Irrtumsanfechtung

  • § 119 Abs. 1 BGB: Irrtum liegt vor, wenn subjektiver Wille nicht mit objektiver Erklärung übereinstimmt.
  • Auslegung geht der Anfechtung voraus.

Beispiele zur Anfechtung

  • Fall 1: Keine Anfechtung notwendig, da objektiv 11.000 Euro erklärt wurden.
  • Fall 2: Beide wollten 11.000 Euro, keine Divergenz, keine Anfechtung.

Dissens

  • Unterschiedliche Erklärungen der Parteien.
  • Ohne Auslegung kann man nicht entscheiden, ob ein Dissens vorliegt.

Beispiele zum Dissens

  • Fall 1 & 2: Keine Divergenz, da Erklärung dieselben Werte annehmen.
  • Fall 3: Bestellung von Halver Hahn (Roggenbrötchen) statt halbem Hähnchen.
  • K muss nach der Verkehrssitte mit regionalen Begriffen vertraut sein.

3. Besondere Konstellationen

Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen

  • Stärkerer Fokus auf dem wirklichen Willen des Erklärenden.
  • Beispiel: Testament, „Bibliothek“ als Weinkeller verstanden.

Formbedürftige Rechtsgeschäfte

  • Auslegung erfolgt in zwei Schritten:
    1. Normale Auslegung
    2. Prüfung des formellen Gehalts
  • Andeutungstheorie: Inhalt muss zumindest angedeutet sein.

Beispiel

  • Testament nach § 2247 BGB: Ausdruck „Bibliothek“ deutet Weinkeller an.
  • Formzweck wird erfüllt, wenn der wahre Wille hinreichend angedeutet ist.

Fazit

  • Auslegung ist grundlegend für das Verständnis und die Anwendung von Willenserklärungen.
  • Vorrang des erkannten Willens und objektiver Empfängerhorizont sind zentrale Prinzipien.
  • Saubere Auslegung essentiell für die Vermeidung von Anfechtungen und Missverständnissen.