Mein Name ist Priesterin Acold. Ich bin Archäologen und möchte Sie zu den spannendsten Ausgrabungsstätten der Erde mitnehmen. Wir werden andere Archäologenn treffen, etwas über ihre Arbeit erfahren und ihre jüngsten Entdeckungen kennenlernen.
Begleiten Sie mich auf eine Reise in längst vergangene Zeiten. Die minoische Kultur auf der Mittelmeerinsel Kreta galt bis vor kurzem als weitgehend erforscht. Doch neue Erkenntnisse rücken sie nun in ein völlig anderes Licht.
Zwischen 3000 und 1400 v. Chr., also über ein Jahrtausend vor der griechischen Antike, schufen die Minoer erlesene Kunstwerke, die in ihrer Modernität bis heute faszinieren. Ihre Fresken zählen zu den Meisterwerken der antiken Kunst. Die Minoer waren auch das erste europäische Volk, das Schriftzeichen gebrauchte.
Gegenstand der neuen Forschung sind die sogenannten Paläste, von denen es mehrere auf der Insel gibt. Ihre labyrinthische Architektur hat die Archäologenn lange Zeit in die Irre geführt. Doch nun ist es ihnen gelungen, mithilfe einer mathematischen Methode die wahre Bedeutung dieser Anlagen zu ergründen. Und die Geschichte der Minoer muss neu geschrieben werden. Die griechische Mythologie hat wesentlich zu unserem Bild von den Minoer beigetragen.
Von ihr wurde auch der Name von König Minos abgeleitet. Minos soll den Architekten Daidalos mit dem Bau eines riesigen Labyrinths beauftragt haben, um dort ein Ungeheuer einzusperren. Halb Menschen, halb Stier. Den berühmten Minos. Erinnern wir uns, der junge Theseus tötete den Minos und fand anschließend entlang eines Fadens, den ihm Minos Tochter Ariadne geschenkt hatte, aus dem Labyrinth heraus.
Ein Mann beschloss, diesen Mythos wörtlich zu nehmen. Der britische Archäologen Arthur Evans. 1900 organisiert er eine großflächige Grabung in Knossos.
In dem monumentalen verschachtelten Bauwerk, das dabei freigelegt wird, entdeckt er ein Stierfresko und einen Thronsaal. Für Evans besteht kein Zweifel. Er hat den Palast von König Minos vor Augen und sein legendäres Labyrinth. Als der belgische Archäologen Jan Priesterin vor 30 Jahren mit seiner Arbeit in Kreta begann, war Arthur Evans'Theorie noch ein unumstößliches Dogma.
Evans hat hier die Ruinen eines gewaltigen Gebäudes ausgegraben, mit mehreren hundert Räumen, die auf bis zu fünf Etagen angeordnet waren. Korridore, Lichtschächte, große und kleine Säle, Lagerräume. Eine komplexe Architektur also, die an das Labyrinth aus der griechischen Mythologie erinnert. Die Legende von König Minos und dem Labyrinth von Knossos hat ein archäologisches und somit historisches Fundament erhalten.
Rauscht von seinem Fund, überlässt sich Arthur Evans seiner Fantasie. Er will dem Palast Leben einhauchen und befiehlt dessen reichlich spekulative Rekonstruktion. In den 1920er Jahren, der Blütezeit des Art Deco, lässt der Brite große Teile der Anlage mithilfe eines damals sehr beliebten Materials wieder aufbauen.
Beton. Mit diesen Rekonstruktionen hat er... Unsere Vorstellung von der minoischen Kultur geprägt. Er hat diesem Bauwerk, das seitdem als Palast bezeichnet wird, ein Aussehen verliehen, das mit den archäologischen Fakten nicht übereinstimmt.
Und das im großen Stil. Hat das die Arbeit der Archäologenn nach? Ja, weil man damals noch keine so genauen Grabungs-und Befundpläne erstellt hat.
Die Originalruine liegt also unter einer Betonhülle aus den 20er, 30er Jahren verborgen. Alles, was überbaut wurde, ist nicht mehr zugänglich. Es sei denn, man würde es abreißen.
Aber das ist heute keine Option mehr. Der Palast von Knossos, wie wir ihn heute sehen, ist demnach nur ein Fantasieprodukt. Während Arthur Evans an den Mythos glaubte, stützt sich Jan Priesterin lieber auf die Wissenschaft.
Er fing noch einmal bei Null an und überprüfte die Architektur. geologischen daten wozu diente dieser ort wirklich handelte es sich tatsächlich um einen königspalast hat es könig minos überhaupt gegeben jan ging in seiner arbeit von einer einfachen beobachtung aus die er mir demonstrieren möchte. Er führt mich zum Eingang der Städte.
Stell dir vor, du wärst ein Minoer in der Bronzezeit und hättest den Palast von Knossos noch nie besucht. Dieser erhöhte Fußweg hätte dich direkt zum Palast geführt, wie eine Art Ariadne-Faden. Das Interessante ist, der Weg führt zu einem ganz besonderen Ort. Die Besucher werden alle zu diesem großen Hof geleitet.
Das ist also das Ziel. Ja, der Zentralhof. Die Paläste Mesopotamiens oder Ägyptens oder Driessenlands waren axial organisiert.
Sämtliche Gänge liefen an einem Ort zusammen, dem Thronsaal. Aber hier nicht. Nein, ob von Norden, Süden, Osten oder Westen, alle Wege führen hierher.
Der zentrale Innenhof ist wirklich das Herzstück dieses Bauwerks. Jan wollte seine Beobachtung wissenschaftlich untermauern. Zusammen mit seinem Team untersuchte er andere minoische Paläste in Malia, Phaistos und Sakros. Paläste mit ähnlichem Grundriss, alle um einen großen Hof herum gebaut. Für ihre Untersuchung bedienten sie sich einer mathematischen Methode.
Space Syntax, die Analyse der Zugänglichkeit eines Bauwerks und der Verbindungen zwischen den einzelnen Räumen, verdeutlicht, wie sich die Besucher darin bewegten und lässt auf seine Nutzung schließen. Das Prinzip ist einfach. Der Bauplan wird als mathematischer Graph dargestellt. Jeder Kreis steht für einen Raum und die Linien symbolisieren die Wege zwischen den Räumen.
Auf diese Weise kann der Ort mit den meisten Zugängen bestimmt werden, also das Herz des Gebäudes. Der Archäologen Quentin Le Personen ist Experte für die Space Syntax Methode. Space Syntax ist eine recht neue Methode in der Archäologie, ziemlich nützlich.
Ich verwende sie selbst, aber ursprünglich kommt sie ja nicht aus der Archäologie. Nein, es ist eine Methode, die von Stadtplaner für Stadtplaner und Architekten entwickelt wurde. Sie soll Zusammenhänge zwischen baulichen und gesellschaftlichen Strukturen erklären. Wir Archäologenn können damit aus den Überresten von Gebäuden etwas über die Praktiken ablesen, die dort stattfanden.
Die minoischen Paläste waren hochkomplex. Wir haben hier sehr komplexe Anlagen. Unsere Modelle waren da sehr aufschlussreich. Hier haben wir zum Beispiel den Palast von Malia.
Man erkennt sofort die Bedeutung des Zentralhofs, hier, und wie sich der Rest darum herumkopiert. Das ist bei allen minoischen Palästen gleich. Auch im Palast von Phaistos ist der Zentralhof am wichtigsten. Die anderen Räume gehen davon ab wie ein Baumdiagramm. In Sarkos ist es genau dasselbe.
Bei einem ägyptischen oder mesopotamischen Palast hätte man einen Frauen, in dem eindeutig ein Weg zum Thronsaal führt. Das ist hier nicht der Fall. Man erkennt mit einem Blick, das gesamte Netz führt zum Zentralhof. Der Unterschied ist trappierend.
Aus welchem Grund wurden die minoischen Paläste um einen Zentralhof gebaut? Und warum liegt der? Von Evans entdeckte Thronsaal in einer Ecke. Jan und seine Kollegen begannen daran zu zweifeln, dass es sich in Knossos tatsächlich um einen Königpalast handelte. Um Gewissheit zu erlangen, untersuchten sie noch einmal den vermeintlichen Thronsaal.
Ein Jahrhundert lang glaubte man, es sei der Thronsaal von König Minos. Für einen Thronsaal ist der Raum ziemlich klein verglichen mit dem Rest. Ganz richtig. Fast alles hier ist original erhalten. Die Bänke, der Thron, nur das Greifen-Fresko hat Evans restaurieren lassen.
Diese Wesen mit Löwenkörper und Raubvogelkopf. Genau. Diese Mischwesen brachten Jan auf die Idee zu einer völlig anderen Interpretation als die von Evans. Auf Santorin hat man ein ähnliches Fresco gefunden.
Es zeigt einen Greif, einen Thron. Aber was siehst du in der Mitte? Eine Frauen? Genau. Zweifellos eine Priesterin, die auf dem Thron saß, um eine religiöse oder rituelle Zeremonie abzuhalten.
Aber wenn es kein Königthron ist, gehörte ihr auch nicht Minos? Nein, es war eher der Thron einer Göttin oder einer Priesterin. Er diente also rituellen und nicht politischen Zwecken.
Genau. Die Archäologenn waren überzeugt, dies war kein Königthron, sondern der einer Priesterin. Eine These, die durch zahlreiche Fresken bestätigt wird. Im Archäologischen Museum von Heraklion fand Jan Belege dafür, dass Frauenen in der minoischen Religion eine zentrale Rolle einnahmen. Häufig in Herrscherposen dargestellt, verkörpern sie Göttin oder Priesterin.
Was Jan jedoch am meisten überraschte, war das Fehlen einer Königfigur in den Fundstücken. Kein einziger Mann ist in Herrscherpose dargestellt. Außer auf einem Fresko. Laut Arthur Evans war die gekrönte Figur der eindeutige Beweis für die Existenz eines König.
Vielleicht sogar von König Minos. Hier kommen wir zum berühmtesten Fresco aus Knossos, dem Lilienprinzen. Tatsächlich handelt es sich um eine typische Evans-Rekonstruktion. Zum Beispiel die Krone, die er hier einem Mann aufgesetzt hat. gehörte vermutlich zu einem Greif oder einer Sphinx, die an einer Leine gehalten wurden.
Manche Rekonstruktionen lassen den Mann als Boxer erscheinen. Er hat also nichts mit einem Prinzen oder König zu tun. Nur wenige Fragmente des Reliefs sind original. Ein Stück des Torsos mit dem gebeugten Arm, ein Bizeps, ein Oberschenkel, eine Wade und die Lilienkrone.
Die Archäologenn nahmen sich noch einmal Evans Grabungsbericht vor und stellten fest, dass die Fragmente ursprünglich von verschiedenen Figuren stammten. Evans hat sie bewusst zu einer Figur zusammengefügt. Auch wenn es sehr emblematisch ist, hat dieses Bild so nie existiert.
Nein, nie. Es ist Evans Schöpfung. Ein unauffindbarer König. Ein Thronsaal, der keiner ist.
Und Paläste, die nicht wie ein Königpalast angelegt sind. Die archäologische Realität entfernte sich immer weiter vom Mythos. Es blieb noch eine letzte Spur zu verfolgen, bevor die Wissenschaftler Evans Theorie endgültig widerlegen konnten.
Wenn auf Kreta einst eine Monarchie herrschte, musste es auch ein Königgrab geben. In Sisi, im Osten der Insel, leitet Jan seit rund zehn Jahren eine Grabungskampagne. Dabei wurde ein großer minoischer Bau freigelegt, erkennbar an seinem Zentralhof.
Ganz in der Nähe arbeitet Jan zusammen mit der Anthropologin Aurora Schmidt an der Ausgrabung einer Necropole. Ror, was ist das für eine Grabstätte hier? Das hier sind fast ausschließlich Gemeinschaftsgräber.
Und habt ihr irgendwelche Hinweise auf den sozialen... den Status der Verstorbenen gefunden, ob sie reich waren oder arm. Nun, manche Verstorbenen sind in einem sogenannten Grabpitos bestattet. Das sind große Gefäße aus Ton wie dieses hier.
Aber immer zusammen mit anderen Verstorbenen, die nicht in so einem Gefäß beigesetzt sind. Es gibt also kleine Unterschiede, aber es sind immer noch Gemeinschaftsgräber. Das bedeutet, bislang wurden noch... haben Sie noch keine großen, aufwendig möblierten Einzelgräber gefunden? Nein.
Im minoischen Kreta gab es keine Fürsten-oder Königgräber wie auf dem Kontinent und nach der Zeit der Minoer. Ein weiteres Argument, das gegen die Existenz eines minoischen König spricht. Ganz genau, weil kein König darauf verzichtet hätte, sich in einem standesgemäßen, monumentalen Grab bestatten zu lassen. Und das gibt es hier nicht. Was wir hier sehen, sind Kollektivgräber.
Die Menschenen wollten den sozialen Zusammenhalt, den sie im Leben hatten, im Tod fortsetzen. Sie wollten zusammenbleiben. Die Sippen, Clans und Familien wollten zusammen beerdigt werden. An diesem Punkt der Untersuchung war sich Jan sicher. Die Minoer wurden nicht von einem König regiert.
Der sagenhafte Minos hat vermutlich nie existiert. Doch wenn die Menschenen in der Welt zusammenbleiben, dann ist das eine große Herausforderung. Auch wenn sie keine Monarchie hatten, wie waren die Minoer dann organisiert?
Welche Rolle spielten die Sippen, von denen Jan gesprochen hat? In der Umgebung der Paläste haben seine Kollegen geräumige Häuser ausgegraben, in denen rund 50 Menschenen Platz fanden. Wahrscheinlich dienten sie den Großfamilien als Wohnsitz. Aber welchen Zweck hatten die Paläste, wenn sie keine Königresidenz waren?
Auch hier könnte der Zentralhof die Antwort geben. Wozu wurde er genutzt? Was spielte sich dort ab?
Bei Gravungen am Palast von Malia entdeckten die Archäologenn einen entscheidenden Hinweis auf die wahre Funktion dieser Komplexbauten. Wir haben umliegend mehrere Küchen gefunden und eine große Anzahl an Vorratsräumen. Im Osten, im Westen, im Norden und auch außerhalb dieses großen Gebäudes.
Lauter Lagerräume. Und zwar für alle Arten von Lebensmitteln. Getreide, Kekse, Kekse, Kekse.
Pfeile, Oliven, Wein. Und diese Lagerräume, wenn ich dich richtig verstanden habe, fassten sehr viel mehr, als für die Ernährung der Palastbewohner nötig war. Ich weiß nicht, ob es genug war, um die ganze Stadt zu verbringen.
Aber sicher genug, um mehrmals im Jahr ein Festessen auszurichten. Zehn, 15 Mal. Es müssen große Bankette gewesen sein, zweifellos ritueller oder religiöser Natur, bei denen viele Menschenen zusammenkamen, die gemeinsam aßen und tranken. Gibt es dafür archäologische Beweise? Im Palast, aber auch außerhalb haben wir Depots mit massenhaft Scherben von Tongefäßen gefunden.
den Schalen und Bechern der teilnehmenden Verstorbenen. Manche sind sehr hochwertig, aber auch sie sind zerbrochen. Vermutlich war es Teil der Zeremonie, die im Palast stattfand, das Geschirr nach dem rituellen Mahl zu zerschlagen. Sie aßen und tranken also zusammen, vielleicht am Abend, und der Ort, der dafür am besten geeignet war, war der Zentrale. Der Zentralhof war also womöglich Schauplatz großer ritueller Zusammenkünfte.
Eine Theorie, die durch die Ikonografie gestützt wird. Auf diesem Fresco aus Knossos sieht man zahlreiche Minoer und Frauenen auf dem Hof versammelt. Vielleicht fanden dort auch Stierspiele statt, wie auf einem anderen Fresko geschildert. Doch das lässt sich durch keine weiteren archäologischen Funde belegen, anders als die rituellen Festgelage.
Große rituelle Bankette. Welche Rolle könnten sie in der minoischen Gesellschaft gespielt haben? Ich glaube, ihre Aufgabe war es, den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Die Bewohner des Palasts und vielleicht auch der Region kamen unter einem gemeinsamen, zweifellos religiösen... Vorzeichen zusammen, das sie zu Minos machte.
Es gab also keine Alleinherrschaft oder Monarchie, sondern die Macht war, auf welche Art auch immer, geteilt. Die minoische Gesellschaft war also in Großfamilien oder Clans organisiert. Und nach Ansicht der Archäologenn kam den Frauenen in diesen Gruppen eine entscheidende Rolle zu. Die großen Bauwerke, die wir Paläste nennen, waren das Zentrum des politischen, religiösen und ökonomischen Lebens. Sie wurden offenbar gemeinschaftlich von den lokalen Clans verwartet.
Heute weiß man, dass die Bauwerke im 17. Jahrhundert v. Chr. teilweise zerstört und wieder aufgebaut wurden, mit einer komplexeren Architektur als zuvor. Ein Zeichen dafür, so die Experten, dass sich die egalitäre minoische Gesellschaft in dieser Zeit allmählich segmentierte und hierarchisierte. Wie man hier an diesem Frauen erkennt, gibt es eine ganze Reihe von Räumen, die sich stärker verzweigen als andere. Die einzelnen Äste stehen für verschiedene Bereiche des Palasts.
Es gab also eine räumliche Differenzierung. War das Ausdruck der Räume? Das ist ein Druck einer Veränderung in der Gesellschaft?
Ja, man kann von einer Hierarchisierung sprechen. Und diese fortschreitende Hierarchisierung der minoischen Gesellschaft war mit einer Aufteilung in Klassen verbunden, nach Alter, Geschlecht und Funktion. Die Gebäude waren so konzipiert, dass Leute, die sich nicht begegnen sollten, sich nicht begegneten.
Das heißt, die Architektur unterstützte diese Entwicklung, sodass sich bestimmte Aktivitäten nicht in die Quere kamen. Aber das bringt uns wieder zur Labyrinth-Theorie. Der Grundriss ist ja noch verschachtelter als vorher.
Der Grundriss ist sehr komplex. Aber der Grund, weshalb die ersten Archäologenn diese Anlagen für Labyrinthe hielten, ist, dass sie ihre Logik nicht mehr so gut kennen. Sie waren gewohnt, griechische Tempel auszugraben, die einfach und symmetrisch angelegt sind.
Das ist hier absolut nicht der Fall und das kann sehr verwirrend sein. Die Paläste spiegeln eine Gesellschaft, die im Umbruch war, immer komplexer wurde und eine Raumordnung mit mehr Struktur benötigte. Die Architektur als Spiegel der Gesellschaft? Genau.
Die Menschenen lebten hier also zusammen, aber zunehmend voneinander getrennt? Ja. Sie verteilten sich auf die verschiedenen Fälle.
Flügel und Bereiche, von denen wir gesprochen haben. Gleichzeitig gab es den Zentralhof, einen Treffpunkt, an dem der Zusammenhalt inszeniert wurde, den es auch vorher in der minoischen Gesellschaft gegeben hatte. Die Gruppen, die den Palast leiteten, nutzten den Hof sozusagen, um die Menschenen daran zu erinnern, dass sie eine Gemeinschaft waren.
Dazu war der Hof da. Als eine Art soziales Bindemittel. Genau. In Ermangelung einer Zentralgewalt machten die Minoer diese kollektiven Zeremonien zum Zement ihrer Gesellschaftsordnung. Nach allem, was wir nun wissen, erscheint uns die minoische Kultur weit entfernt vom ursprünglichen Bild.
Die offenen Fragen lassen sich vielleicht eines Tages anhand dieser Tafeln beantworten. Aber noch ist die Schrift der Minoer nicht entschlüsselt, noch haben sie uns nicht all ihre Geheimnisse offenbart. Vor einigen Jahren hast du hier in Sisi ein Grabungsprojekt begonnen. Was hoffst du zu finden?
Ich würde gern mehr über die minoische Gesellschaft erfahren, wie sie zusammengesetzt war. Wir haben ja von Gruppen gesprochen, die an großen Festessen in den Palästen teilnehmen. Ich würde gern mehr über diese Gruppen wissen, über ihre Beschaffenheit zum Beispiel, über ihre interne Hierarchie.
Du hast einen Großteil deines Berufslebens mit der Erforschung der minoischen Kultur verbracht. Was fasziniert dich daran? Fasziniert dich so daran?
Vielleicht, dass sie so einzigartig ist. Ihre Kunst, ihre Keramik ist mit nichts vergleichbar, was ich in Ägypten, Vorderasien oder bei den Römern gesehen habe. In all ihren Artefakten ist eine unglaubliche Lebensfreude zu spüren, die man so bei anderen Kulturen nicht findet, weder bei vergangenen noch heutigen. Die Driessen zum Beispiel sind völlig anders, sehr geordnet. Die Kunst der Minoer dagegen ist lebendig.
Natürlich, sehr zugänglich. Und das war es, glaube ich, was mich so angezogen hat. Musik