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Pragmatik und Konversationsmaximen im Seminar

Hallo allerseits und willkommen zu diesem Screencast in unserem Pragmatik-Seminar. Schön, dass Sie da sind. Wir haben heute den ersten von zwei Teilen zu Konversationsmaximen und Implikatoren vor uns, mit anderen Worten zu dem pragmatischen Werk von Herbert Paul Grice. Uns soll heute interessieren, was Grice unter Konversationsmaximen versteht und was Implikatoren sind. Beim nächsten Mal geht es dann um unterschiedliche Typen von Implikatoren. Die Literaturgrundlage besteht zunächst mal aus einem sehr berühmt gewordenen Text von Grice selbst, nämlich dem Aufsatz »Logik und Konversation«, der im Original 1975 veröffentlicht wurde. Und dazu haben sie noch einen Auszug aus dem Buch »Moderne Pragmatik« von Liedtke gelesen, der die Ideen von Grice kompakt nochmal zusammenfasst. Wie immer zunächst ein paar biografische Details zu Herbert... Paul Grice, der 1913 geboren und 1988 gestorben ist. Er war Sprachphilosoph und Sprachtheoretiker und er hat sich mit Dingen beschäftigt, die man gerne Sprecherbedeutung nennt und dann natürlich mit konversationellen Implikatoren, um die es heute geht, ebenso wie mit dem sogenannten Kooperationsprinzip, das uns heute auch interessieren soll. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Aufsätze Meaning von 1957, dann, wie schon erwähnt, Logik und... Konversation von 1975 sowie Further Notes on Logic and Conversation von 1978 und Studies in the Way of Words von 1989. Fangen wir mal an mit einem Beispiel. Folgende Situation. Sie haben für ein paar Minuten den Esstisch verlassen, kommen dann wieder und finden Ihren Teller leer vor. Dann fragen sie ihr Gegenüber, wo ist mein Toast? Und ihr Gegenüber antwortet, ich hatte solchen Hunger. Das wirkt auf den ersten Blick ja etwas seltsam, denn die Äußerung, ich hatte solchen Hunger, ist ja keine wirkliche Antwort auf die Frage, wo ist mein Toast? Auf der Oberfläche wird also etwas anderes gesagt, als eigentlich gemeint ist. Wir müssen uns... jetzt also damit beschäftigen, dass wir es hier mit zwei Ebenen einer sprachlichen Äußerung zu tun haben. Zum einen mit dem auf der Oberfläche Gesagten, also in diesem Beispiel, ich hatte solchen Hunger. Und auf einer zweiten Ebene müssen wir aus diesem Gesagten aber etwas erschließen und dem Ganzen eine pragmatische Interpretation verleihen. Das aus dem Gesagten Erschlossene wäre also eine Äußerung wie, ich habe deinen Toast aufgegessen. Und genau diese Phänomene sind Anlass für Grice, sich zu fragen, wie es sich denn erklären lässt, dass Gesprächsteilnehmende von dem Gesagten, also von dem Ersten hier, auf das daraus Erschlossene, also das Zweite, schließen können. Und die einfache Antwort lautet, weil die Gesprächsteilnehmenden davon ausgehen, dass die Äußerungen des jeweiligen Gegenübers nicht sinnlos sind, sondern der Fortführung des Gesprächs dienen sollen. Und damit sind wir beim sogenannten Kooperationsprinzip. Diesem Kooperationsprinzip liegen Grice zufolge einige Merkmale von Gesprächen zugrunde, von denen wir ausgehen müssen, dass sie immer gegeben sind. Das wären ein gemeinsames Ziel des Gesprächs oder auch mehrere Ziele oder eine wechselseitig akzeptierte, also von allen Teilnehmenden akzeptierte Richtung, in die sich das Gespräch bewegt. Es muss zusammenhängende Beiträge geben, die sich wechselseitig aufeinander beziehen. Ganz wichtig für das Beispiel von gerade. Und es muss ein stillschweigendes Einvernehmen geben, die Interaktion in einem angemessenen Stil fortzusetzen, bis beide Seiten damit einverstanden sind, sie zu beenden. Man kann diese drei Merkmale auch so zusammenfassen, dass es eine kooperative Interaktion zwischen den Gesprächsteilnehmenden geben muss. Sie müssen sich also kooperativ verhalten, in dem Sinne, dass sie an einer erfolgreichen Interaktion interessiert sind. Jetzt aber zu der Kernaussage des Kooperationsprinzips, wie es von Grice formuliert wird. Das lautet wie folgt, mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird. Wenn man dieses Kooperationsprinzip beachtet, dann verhält man sich kooperativ und das Gespräch kann eben erfolgreich geführt werden. Aus dieser Formulierung des Kooperationsprinzips können wir jetzt ein paar Kennzeichen ableiten. Das Kooperationsprinzip ist die Grundlage für das erfolgreiche Führen von Gesprächen. Klar, von den Gesprächsteilnehmenden wird ausgegangen, dass sie sich kooperativ im Sinne des Kooperationsprinzips verhalten, dass sie dieses allgemeine Prinzip selbst beachten und auch, dass sie dessen Einhaltung von den anderen am Gespräch Beteiligten erwarten. Das ist alles schön und gut. Noch immer wissen wir aber nicht, was mit... Kooperieren jetzt wirklich gemeint ist. Wie genau muss ich mich denn verhalten, um mich kooperativ im Sinne des Kooperationsprinzips zu verhalten? Grice hat natürlich auch darauf eine Antwort und geht von vier Kategorien der Kooperativität aus. Und das ist schon die Überleitung zu den sogenannten Konversationsmaximen. Diese vier Kategorien, von denen gerade schon die Rede war, schlüsseln dieses Kooperationsprinzip jetzt also etwas genauer auf. Grice geht von den folgenden vier Kategorien aus. Quantität, Qualität, Relation und Modalität. Und aus diesen vier Kategorien lassen sich dann die berühmten Konversationsmaximen herleiten, beziehungsweise jeder dieser Kategorien besteht aus einer oder mehreren Konversationsmaximen. Falls Sie sich jetzt fragen, woher diese Kategorien kommen, Sie gehen auf die Urteilstafel von... Kant zurück, sind also in der Philosophie verankert. Es handelt sich dabei auch um Erwartungen, die sich Gesprächsteilnehmende gegenseitig unterstellen. Das haben wir ja eben schon festgehalten. Und die bilden eine Grundlage, um Äußerungen des Gegenübers pragmatisch zu interpretieren, so wie wir das Ganze am Anfang in unserem kleinen Beispiel gesehen haben. Wir gehen diese vier Kategorien jetzt mal im Einzelnen durch und schauen uns die darin verborgenen Konversationsmaximen an. Los geht's mit der Kategorie der Quantität. Grice nimmt hier zwei Konversationsmaximen an, nämlich Mache deinen Beitrag so informativ wie für die gegebenen Gesprächszwecke nötig und Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig. Es geht hier also um die Menge an Informationen, die mit einem Gesprächsbeitrag übermittelt werden soll. Schauen wir uns ein Beispiel an. Person A fragt, wann kommt sie an? Und Person B antwortet, Irgendwann morgen. Die Äußerung von B würde hiergegen die erste Maxime der Quantität verstoßen, denn sie wäre nicht wirklich informativ. Person A hat ja wahrscheinlich eine mehr oder weniger genaue Angabe der Zeit erwartet, zu der sie ankommt. Übrigens finden wir diese Missachtung dieser ersten Quantitätsmaxime auch bei sogenannten Tautologien, also bei Sätzen, die immer wahr sind. Sowas wie, es ist, wie es ist. Uns ist aber natürlich klar, dass mit dieser Missachtung gewisse Schlussfolgerungen einhergehen, die zu anderen Interpretationen des Gesagten führen, aber dazu kommen wir noch. Machen wir erstmal weiter mit der Kategorie der Qualität. Hier nimmt Grice eine übergeordnete Konversationsmaxime an. Versuche deinen Beitrag so zu machen, dass er wahr ist. Und darauf folgen noch zwei Untermaximen, nämlich sage nichts, was du für falsch hältst. Und sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen. Auch hierzu wieder ein Beispiel für die Missachtung dieser Maxime. Stellen Sie sich vor, es regnet in Strömen und Sie sagen zu Ihrem Gegenüber, schönes Wetter heute. Es ist klar, dass diese Äußerung ironisch gemeint ist, aber auf der Oberfläche haben Sie damit etwas gesagt, das falsch ist und damit die erste Untermaxime dieser Qualität missachtet. Nicht nur bei Ironie finden wir jetzt die Missachtung dieser Maxime, sondern auch bei Metaphern beispielsweise, bei der Stilfigur der Litotes, also der doppelten Verneinung, und bei Hyperbeln, also bei Übertreibungen. Jetzt zur Kategorie der Relation. Hier gibt es nur eine einzige Maxime, nämlich sei relevant. Wir sollen in unseren Gesprächsbeiträgen also immer eine für das ganze Gespräch relevante Äußerung tätigen. Stellen Sie sich vor, Sie werden gefragt, wo sind die ganzen Süßigkeiten hin? Und Sie antworten, ich hatte einen harten Tag. Diese Antwort ist auf den ersten Blick nicht relevant, weil sie auf der Oberfläche die Frage nicht beantwortet. Uns ist aber klar, dass Sie damit eine Interpretation erreichen möchten, die dann doch im Sinne des Kooperationsprinzips als sinnvoll erachtet werden kann. Die Relevanzmaxime wirkt sehr unscheinbar, ist aber wahrscheinlich die wichtigste Maxime von allen Konversationsmaximen. Und es existiert dazu auch noch eine ganze Menge von weitergehender Forschung, die sich im Anschluss an Grice damit beschäftigt hat, welche Bedeutung dieser Relevanzmaxime noch so zukommt. Und schließlich fehlt uns noch die Kategorie der Modalität. Auch hier gibt es eine übergeordnete Maxime, die da heißt, sei klar. Und weil das natürlich noch nicht reicht, unterscheidet Grice gleich vier Untermaximen, nämlich vermeide Dunkelheit des Ausdrucks, vermeide Mehrdeutigkeit, sei kurz, vermeide unnötige Weitschweifigkeit und der Reihe nach. Wieder ein Beispiel zur Missachtung dieser Maxime. Wenn man auf die Frage... Wie macht er sich, antwortet, er gibt sich Mühe, den Anforderungen gerecht zu werden. Dann ist das wahrscheinlich das, was man Dunkelheit des Ausdrucks oder vielleicht auch Mehrdeutigkeit nennen könnte. Wer ein wenig Erfahrung mit solchen Äußerungen hat, wird aber bemerken, dass damit eigentlich etwas anderes gemeint ist, als das, was auf der Oberfläche gesagt wird. Und die Missachtung der Maximen ist ein Auslöser für diese Uminterpretation. Ich habe jetzt schon mehrfach angedeutet, dass die Maximen zwar ein Leitfaden für das vorbildliche Führen eines Gesprächs sind, dass ihre Missachtung aber nicht unbedingt dazu führt, dass das Gespräch abbricht und scheitert, sondern dass es zu Uminterpretationen des Gesagten kommt. Es ist nämlich so, dass Sprechende stetig die Konversationsmaximen vor dem Hintergrund des Kooperationsprinzips abgleichen. Das heißt, die Konversationsmaximen regulieren die Konversation. was man von ihnen ja erwarten kann, und sie fungieren als Maßstab, um das Sprachverhalten pragmatisch zu interpretieren. Und dieser Maßstab besteht nun nicht nur im Einhalten dieser Maximen, sondern auch in deren Missachtung. Eine am Gespräch teilnehmende Person muss sich also jederzeit sicher sein, dass ihr Gegenüber das Kooperationsprinzip beachtet. Und wenn es eine Äußerung in einer bestimmten Weise formuliert, und eben nicht anders, auch wenn damit gegen die Konversationsmaximen verstoßen wird, dann muss es davon ausgehen, dass das einen Grund hat. Und dieser Grund kann darin bestehen, bestimmte sogenannte Implikaturen zu erzeugen, zu denen wir jetzt auch langsam kommen. Implikaturen sind also das, was entsteht, wenn man die Konversationsmaximen missachtet. Aber nicht nur. Und entstehen können die auf vielfältige Weise. Zum Beispiel, indem man die Konversationsmaximen schlicht Befolgt. Dazu nochmal eines der Beispiele von gerade. Wo sind die ganzen Süßigkeiten hin? Ich hatte einen harten Tag. Das ist eigentlich nur scheinbar eine Verletzung der Maxime der Relation, was wir eben schon gesehen haben. Es muss unterstellt werden, dass mit der Äußerung der zweiten Person, also ich hatte einen harten Tag, nach wie vor das Kooperationsprinzip befolgt wird. Das führt dann dazu, dass die Äußerung so... uminterpretiert wird, dass sie mit der Maxime, also der Maxime der Relation, vereinbar ist. Diese Uminterpretation ist dann eine konversationelle Implikatur. Und es fällt uns ja auch nicht schwer, den harten Tag als Grund dafür zu verstehen, dass die Person alle Süßigkeiten aufgegessen hat. Auch wenn Letzteres hier nicht explizit gesagt wird. Eine zweite Möglichkeit der Entstehung konversationeller Implikaturen ist der sogenannte Ausstieg. Ein Beispiel dazu. Wo waren Sie gestern gegen 14 Uhr? Fragt Person A und Person B antwortet, ich sage nichts mehr. Person B steigt also vollkommen aus dem Gespräch aus, deshalb Ausstieg. Hier ist es so, dass die Geltung der Maxim und des Kooperationsprinzips außer Kraft gesetzt wird, denn eine wirkliche Konversation findet ja gar nicht mehr statt. Deshalb wird seitens Person B die Kooperation eingestellt. Und auch das kann bestimmte Implikatoren entstehen lassen, zum Beispiel, dass ... Person B, wenn sie denn etwas sagen würde, sich selbst oder eine andere Person belasten würde. Eine weitere Möglichkeit ist der Konflikt zwischen Maximen oder eine Kollision von Maximen. Dazu wieder ein Beispiel von gerade. Wann kommt sie an? Irgendwann morgen. Wir haben es hier mit einem Verstoß gegen die erste Quantitätsmaxime zu tun. Mache deinen Beitrag so informativ wie nötig. Was aber gleichzeitig ein Konflikt mit der zweiten Qualitätsmaxime ist. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen. Wenn man jetzt aber unterstellt, dass Person B nach wie vor das Kooperationsprinzip verfolgt, dann müsste man diese Äußerung wieder uminterpretieren und es entsteht eine konversationelle Implikatur. Und die lautet ungefähr so, dass Person B eben nicht genau weiß, wann sie denn ankommt. Und deshalb auch nicht viel... präziser werden kann und wenn sie präziser werden würde, dann würde sie eine Äußerung tätigen, die womöglich nicht der Wahrheit entspricht. Zuletzt schauen wir uns noch die Ausbeutung als Möglichkeit zur Entstehung konversationeller Implikaturen an. Dazu wieder ein Beispiel. Schönes Wetter heute, obwohl es gerade regnet. Auch das ist ein Maxime-Verstoß, nämlich ein Verstoß gegen die erste Qualitätsmaxime. Sage nichts, was du für falsch hältst. Aber wird hier wirklich gelogen? Natürlich nicht, denn die Person möchte ja offensichtlich gezielt etwas zu verstehen geben. was nicht gesagt wurde. Sie möchte also eine Uminterpretation herbeiführen. Und diese Uminterpretation besteht natürlich darin, die Äußerung als ironisch zu verstehen. Auch das ist ein konversationeller Effekt, eben eine konversationelle Implikatur. Was wir jetzt an diesen Beispielen für die Entstehung konversationeller Implikaturen gesehen haben, waren vielfältige Ausprägungen eines konversationellen Schlussprozesses. Also dem Herbeiführen von Schlussfolgerungen aus dem Umgang mit dem Kooperationsprinzip und den Konversationsmaximen. Bei Liedtke in seinem Buch Moderne Pragmatik wird dieser Schlussprozess in vier Schritte untergliedert. Der erste Schritt besteht darin, dass die Adressatin der Äußerung das Gesagte erst einmal zur Kenntnis nimmt. So weit, so unspektakulär. Daraufhin aber stellt im zweiten Schritt die Adressatin fest, dass die Äußerung eine bestimmte Maxime nicht erfüllt. wodurch man erst einmal davon ausgehen müsste, dass die Kooperativität im Sinne des Kooperationsprinzips nicht aufrechterhalten werden kann. Zumindest nicht auf der Basis dessen, was da oberflächlich gesagt wurde. Trotzdem wird sich die Adressatin aber noch nicht geschlagen geben und im dritten Schritt die Annahme der Kooperativität nicht aufgeben. Man glaubt ja immer doch noch an das Gute im Menschen und dass Menschen sich kooperativ verhalten, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Deshalb wird im vierten Schritt das Gesagte auf der Grundlage des Kooperationsprinzips uminterpretiert. Dafür haben wir ja jetzt schon Beispiele gesehen, bis sich eine Übereinstimmung mit der verletzten Maxime ergibt, bis man dem Ganzen also dann doch Sinn verleihen kann, sodass die Annahme der Kooperativität wieder möglich ist. Das Kooperationsprinzip wird also in den seltensten Fällen ganz aufgegeben, sondern innerhalb eines solchen Schlussprozesses wird eine Äußerung, die vordergründig gegen eine Maxime verstößt, so lange uminterpretiert, bis man davon ausgehen kann, dass das Kooperationsprinzip nach wie vor gilt. Stark, oder? Man kann das auch noch etwas weiter herunterbrechen und von drei Schritten ausgehen, so wie Liedtke das tut. Am Anfang ist der Maximen Verstoß, darauf folgt dann aber dennoch eine Kooperativitätsannahme, das Gute im Menschen, und daraus entsteht schließlich eine konversationelle Implikatur. Und wo wir jetzt schon bei konversationellen Implikaturen sind, müssen wir uns noch ein bisschen darüber unterhalten, was man darunter eigentlich genau zu verstehen hat. Dieses Wort Implikatur ist zunächst mal ein Kunstwort und ist im englischen imply angelehnt, was so viel heißt wie andeuten. Das Wort ist in der Theorie von Grice ein Beschreibungsbegriff, der eine bestimmte pragmatische Kompetenz erklären soll. Wie die aussieht, haben wir ja schon gesehen, nämlich dass Gesprächsteilnehmende Schlüsse oder Schlussfolgerungen, man kann auch sagen Inferenzen, aus dem Gesagten ziehen müssen und das Gesagte entsprechend uminterpretieren müssen. Man kann mit Grice konventionale und konversationale Implikatoren unterscheiden, von denen uns erstmal hier nur der zweite Typ interessiert. Bei Lied geheißen die beiden Typen etwas anders, nämlich konventionell und konversationell, gemeint ist damit aber immer dasselbe. Wir können Grice zu seinem Begriff der Implikatur auch selbst nochmal sprechen lassen, denn er formuliert das, was man unter einer Implikatur verstehen soll, so. Hinter eine konversationale Implikatur zu kommen, heißt, auf das zu kommen, was zur Aufrechterhaltung der Annahme, dass das Kooperationsprinzip beachtet ist, unterstellt werden muss. Ich hoffe, dass wir dieses Prinzip an den Beispielen von eben schon etwas beobachten konnten. Zusammenfassend können wir jetzt sagen, dass konversationelle Implikaturen Interpretationen des Gesagten im Sinne des Kooperationsprinzips sind, in der Regel ja Uminterpretationen. Sie können argumentativ erläutert werden, also durchaus auch zum Gegenstand des Gesprächs gemacht werden, im Sinne von, was meinst du damit? Sie ermöglichen die wissenschaftliche Beschreibung und Darstellung von Nichtwörtlichkeit, erinnern Sie sich an indirekte Sprechakte, von denen wir von ... Sörl gehört haben, dass es zu deren Interpretation eine Theorie von Konversationsmaximen und Implikatoren braucht, von Ironie, das haben wir eben gesehen, und von scheinbaren Paradoxien, also Widersprüchen, die aber nur vordergründig existieren, solange bis man sie eben entsprechend uminterpretiert. Konversationelle Implikatoren, das besagt das Adjektiv konversationell oder konversational, werden in konkreten Gesprächssituationen zugeschrieben. Sie beruhen also nicht auf Konventionen, anders als konventionelle Implikaturen. Denen werden wir dann beim nächsten Mal begegnen. Und sie gehören entsprechend nicht zur Bedeutung der verwendeten Ausdrücke, nicht zu deren lexikalischer Bedeutung, könnte man auch sagen. Wenn wir uns nochmal an das Zitat von Grice von gerade erinnern, dann muss man, um hinter eine konversationale Implikatur zu kommen, zurückgreifen auf das Gesagte, das heißt die konventionelle Bedeutung der verwendeten Wörter sowie den jeweiligen Bezug, also die Referenz der Wörter. Erinnern Sie sich wieder an CERN und an den propositionalen Gehalt einer Äußerung. Es muss zurückgegriffen werden auf das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen, auf den sprachlichen und auch sonstigen Kontext der Äußerung, klar, sonst wären wir ja hier nicht in der Pragmatik. Es muss natürlich auch auf anderes Hintergrundwissen zurückgegriffen werden, das für das Verstehen der Äußerung relevant ist und auf die Tatsache, dass alles bisher in der Konversation Aufgeführte relevant und den Beteiligten verfügbar ist und dass die Beteiligten wissen oder doch zumindest annehmen, dass dem so ist. Mit anderen Worten, sie müssen, um hinter eine konversationelle Implikatur zu kommen, den bisherigen Gesprächsverlauf kennen und das Wissen darüber, abrufbereit haben. Dann soll uns das für heute auch schon zur Theorie von Grice genügen, die, wie Sie vielleicht gemerkt haben, recht umfangreich und für die Pragmatik gar nicht so folgenlos ist. Wir setzen das Ganze beim nächsten Mal aber noch fort und konzentrieren uns ein bisschen mehr auf die Implikaturen, wenn wir uns einige unterschiedliche Implikaturitypen angucken. Vorher gibt es aber natürlich noch ein Tutorial und eine Pragmatik-Challenge zu diesem Thema hier. Und ich bin mir sicher, dass wir in der Präsenzsitzung noch das ein oder andere zu besprechen haben. Also bis dahin, machen Sie es gut.