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Abschiebungen nach Afghanistan und Reaktionen

Lange ließ die Bundesregierung Flüchtlinge aus Afghanistan nicht in deren Heimat abschieben. Vor allem wegen der dort regierenden islamistischen Taliban. Nun hat es erstmals seit drei Jahren wieder einen Abschiebeflug dorthin gegeben. Am Morgen startete am Flughafen Leipzig-Halle ein Flugzeug Richtung Kabul.

An Bord laut Innenministerin Faeser 28 Straftäter. Erst gestern hatte die Bundesregierung ein Paket mit Maßnahmen in der Asyl-und Sicherheitspolitik angekündigt. Als Konsequenz aus dem Messeangriff in Solingen. Der Anschlag heute auch Thema im Innenausschuss des Bundestags.

Aus mehreren Bundesländern sollen afghanische Straftäter zum Flughafen Halle-Leipzig gebracht worden sein für diesen Flug. Mit etwas Verspätung ist er am Morgen kurz vor 7 Uhr gestartet und am frühen Nachmittag in Kabul gelandet. Der erste Abschiebeflug nach Afghanistan seit 3 Jahren, also seit die radikal-islamischen Taliban die Macht übernommen haben.

Innenministerin Faeser bestätigt, dass 28 Straftäter an Bord seien. Sonst sind wenig Details bekannt. Laut Medienberichten ist der Flug seit langem mithilfe des Emirats Katar organisiert worden.

Das haben wir sorgfältig vorbereitet, ohne groß darüber zu reden. Weil solches Vorhaben ja nur gelingt, wenn man sich da Mühe gibt, wenn man das sorgfältig und sehr diskret macht. Heute ist das erfolgt.

Für die AfD ein Wahlkampfmanöver. Jetzt sind 3 Tage vor den Landtagswahlen. Das ist ein Ausdruck, wie wir es in den letzten Tagen und Wochen gesehen haben, fast schon stündlich, wo sich Ampelregierung und CDU überbieten. Mittags tagte dazu auch der Innenausschuss des Bundestags. Die Union lobt den ersten Abschiebeflug nach Afghanistan seit langem, fordert aber mehr.

Deswegen stellt sich jetzt die Frage, wann findet der erste Abschiebeflug oder die erste Abschiebung nach Syrien statt. Regierungs-wie Oppositionsfraktionen dürften auch genau verfolgen, wie das Regime in Kabul mit den Straftätern umgeht. Christoph Messmacher im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Bevor wir gleich über den Abschiebeflug nach Afghanistan sprechen, ein Wort noch zur Sitzung des Innenausschusses.

Da hat sich inzwischen die Bundesinnenministerin geäußert, Nancy Faeser. Was hat sie gesagt? Sie hat sich zu dem...

Kern der Ausschusssitzung heute geäußert und ein wenig den Hinweis gegeben, dass man auch in der kommenden Woche bei den Beratungen mit den Bundesländern, respektive auch der Union, noch weitere Klärungsbedarf hat zu dem Messerattentat von Solingen und der Frage, warum die Rückführung des mutmaßlich terroristisch motivierten Attentäters nicht gelungen ist, obwohl Bulgarien schon bereits gesagt hat, wir nehmen ihn auf im Kern, ging die Innenausschusssitzung heute. Noch mal um die Rekonstruktion, um Schlussfolgerungen der fürchterlichen Tat von Solingen. Aber sie ist natürlich überlagert worden von der News, die heute Morgen die meisten von uns überrascht hat. Obwohl Nancy Faeser ja gestern Abend in den Tagesthemen angekündigt hat, im Gespräch mit Helge Fuest. Abschiebungen nach Afghanistan werden bald umgesetzt.

Dass sie so früh umgesetzt werden, ist wirklich eine Überraschung gewesen. Christoph, das Top-Thema des Tages ist natürlich der Abschiebeflug nach Afghanistan. Erstmals seit 2021 hat es heute Morgen eine Abschiebung dorthin gegeben. Inzwischen ist die Maschine dort auch gelandet.

Wie wird das im Berliner Politikbetrieb diskutiert? Es gibt Zustimmung von sehr vielen Seiten. Die AfD beispielsweise gehört zu denen, die nicht zugestimmt haben und sagen, das seien alles nur homoöopathische Dosen. Und wir haben es ja eben in dem Ton zuvor in dem Stück meiner Kollegin von Tina Handel gehört. Dass Herr Baumann von der AfD das als Wahlkampfmanöver abgetan hat, da glaube ich, liegt er falsch nach allem, was wir rekonstruieren können.

Einen solchen Abschiebeflug zu organisieren, das bedarf viel Vorbereitung. Das ist sehr geräuschlos offenbar gemacht worden. Der Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat auf der Regierungspressekonferenz heute erklärt und so ein wenig den Zeitpunkt Juni genannt. Ende Juni, da hatte Olaf Scholz im Bundestag nach dem nicht minder schrecklichen Abkommen auf Ruvenlauer in Mannheim ja schon erklärt, es werde bald Abschiebungen nach Afghanistan geben und man werde sich darum bemühen und dann ist eben geduldig.

Offenbar dieser Schritt vorbereitet worden, hat man direkt mit den Taliban verhandelt, was ja immer etwas strittig war. Nach allem, was wir ableiten können, läuft es auf Katar hinzu. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat gesagt, man habe das alles mit einer Schlüsselnation in der Region besprochen. Schlüsselnation in Zusammenhang mit Afghanistan ist mit Sicherheit Katar.

Inwieweit nützen denn Ländern wie Afghanistan, also konkret dem Taliban-Regime, Abschiebungen oder möglicherweise sogar direkte Verhandlungen über Abschiebungen? Der Grünen-Vorsitzende Omnit Nouripour hat davor gewarnt, dass es nicht dazu führen dürfe, dass das Steinzeit-und auch Terrorregime der Taliban in Afghanistan jetzt langfristig legitimiert wird. Das ist natürlich ein Interesse der Taliban in Afghanistan, dass sie anerkannt werden. Insofern wird man weiter einen Bogen um direkte Kontakte machen müssen.

Und man darf auch nicht vergessen, wohin dort abgeschoben wird. Da gilt die Scharia, da werden auch Todesurteile nach wie vor exekutiert. Das betrifft unter anderem und vor allem Vergewaltiger.

Zu den 48 abgeschobenen Personen zählen sehr viele Vergewaltiger. Ob die in Kabul sozusagen nicht von der Todesstrafe bedroht sind oder sich dort einigermaßen sicher in ihrem Ursprungsheimatland fühlen können, das kann ich jetzt noch nicht absehen. Und dann gab es ja noch einen Punkt.

der sehr strittig war, der heute diskutiert worden ist und so ein bisschen mysteriös, weil die 28 ein sog. Handgeld von 1.000 Euro erhalten haben. Bleiben wir genau bei dem Punkt, Christoph. Dieses Handgeld 1.000 Euro, was ist der Sinn dieses Handgelds? Es gibt, soweit ich das weiß, eine Verpflichtung, wenn man Personen abschiebt in ein Land, wo z.B.

familiäre Bindungen nicht vorhanden sind. dass man für eine Übergangszeit, ich kenne die Frist von neun Monaten, die wird auch kommuniziert, den Lebensunterhalt sichern muss. Das ist die Erklärung für das Handgeld.

Die müssen ja auch aus Kabul in ihre Heimatprovinz reisen können. Lustig war heute oder bemerkenswert, dass auf der Regierungspressekonferenz so keiner richtig sagen konnte, wer habe das denn entschieden, dass dieses Handgeld gezahlt wird. Die einen haben auf die Bundesländer gezeigt.

Und die Bundesländer sagen, nee, nee, das ist teilweise auch vom BMI angeordnet worden. Mittlerweile scheint es so zu sein, dass die Bundesländer sich darauf auch durchaus geeinigt haben, eine Vorgabe des Bundesinnenministeriums dann auch umgesetzt haben, um auch Rechtsrisiken, so nenne ich es mal, auszuschließen. Denn das ist natürlich schon ein bemerkenswerter Schritt. Man kann auch sagen, der Humanismus ist ein Stück weit auf dem Rückzug, dass diese...

Abschiebungen vorgenommen worden sind. Das ist nicht frei von Risiken und bisher war Sakrosankt in Deutschland. Wir schieben nirgends hin ab, wo Menschen die Todesstrafe, körperliche Gewalt oder Folter droht.

Christoph, noch mal der Aspekt Zeitpunkt. Lass uns darüber noch mal sprechen. Der Abschiebeflug kommt jetzt 7 Tage nach dem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag eines Syrers in Solingen und 2 Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, in denen die AfD hohe Anteile laut Umfragen wird einfahren können. Wie viel Wahlkampf steckt in dieser Abschiebung drin oder ist der Flug jetzt Zufall?

Zufall, so weit würde ich nicht gehen. Der ist mit Sicherheit lange vorbereitet worden. Dass über das Timing möglicherweise in der Ampel niemand traurig ist, das halte ich auch für selbstverständlich.

Aber dass dieses mit Blick auf genau diesen Termin, am Wochenende wird ja gewählt, in Sachsen und in Thüringen jetzt gelegt wurde, das halte ich nicht für plausibel. Dafür sind Verhandlungen, bis man so weit ist. Viel zu kompliziert.

Regierungssprecher Hebestreit hat wie gesagt auf den Juni verwiesen als Datum, als das Ganze schon begonnen hat, war ja auch vor dem Attentat in Solingen. Da hat der Bezugspunkt Mannheim sozusagen ist benannt worden von Steffen Hebestreit. Also der Vorhalt, dass das jetzt Wahlkampf sei, den kann ich so nicht teilen, auch wenn man den Effekt mit Sicherheit nicht bedauern wird aus Kreisen der Ampel, weil man ja auch gestern das Sicherheitspaket vorgelegt hat und das Wort. Handlungsfähigkeit damit ein Stück weit unter Mauer wird.

Aber eine reine Wahlkampfaktion, die sehe ich wirklich nicht. Dafür ist der Vorgang auch insgesamt, auch menschenrechtlich viel zu gravierend. Christoph Mestmacher in Berlin, vielen Dank für diese Informationen und Einordnungen.

Gerne.